Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2020, Az. 4 StR 397/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1374

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Gegenstand

Wohnungseinbruchsdiebstahl in ein Einfamilienhaus: Fehlgeschlagener Versuch bei Entdeckung des Täters zum Zeitpunkt des Aufhebelns des Küchenfensters und/oder einer Terrassentür


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. März 2019 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.294,83 Euro angeordnet wird.

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Verurteilung wegen „versuchten [X.]“ gemäß §§ 244 Abs. 4, 22 StGB hält auch in den Fällen [X.] und 6 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung stand.

Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte jeweils am Vormittag des [X.] ein Küchenfenster (Fall [X.] der Urteilsgründe) bzw. die Terrassentür eines Einfamilienhauses (Fall II.6 der Urteilsgründe) auf, um im [X.] hieran in das Gebäudeinnere einzudringen und stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Nach erfolgreichem Aufhebeln von Fenster bzw. Terrassentür wurde er von einer Nachbarin bzw. von den zurückkehrenden Hauseigentümern entdeckt und angesprochen; daraufhin sah der Angeklagte sein Vorhaben als gescheitert an und entfernte sich.

Diese Feststellungen tragen die Annahme eines (fehlgeschlagenen) Versuchs des § 244a Abs. 4 StGB. Zwar hat der Angeklagte noch keine unmittelbar der Wegnahme von Wertgegenständen dienende Handlung vorgenommen. Mit der Verwirklichung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals des [X.] im Sinne des §§ 244 Abs. 4, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB, das nach seinem Vorstellungsbild der tatbestandsmäßigen Wegnahmehandlung zeitlich und räumlich unmittelbar vorgelagert sein und ohne weitere Zwischenschritte in die [X.] münden sollte, hat er jedoch zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt.

1. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des [X.], das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 31. Oktober 2018 – 2 [X.], [X.]St 63, 228, 234; vom 7. August 2014 – 3 [X.], [X.], 207 und vom 27. September 2011 – 4 [X.], [X.]R StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Urteile vom 25. Oktober 2012 – 4 [X.], [X.], 156, 157; vom 12. Februar 1998 – 4 [X.], [X.]St 44, 34, 40; vom 26. Oktober 1978 – 4 [X.], [X.]St 28, 162, 163; vom 16. September 1975 – 1 [X.], [X.]St 26, 201, 203 f.; vom 19. Januar 1968 – 4 StR 559/67, [X.]St 22, 80, 81; siehe auch [X.], Beschluss vom 18. November 1985 – 3 [X.], [X.]St 33, 370, 376).

Bei der Prüfung der Frage, ob der Täter nach seinem Tatplan (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juli 1987 – 2 [X.], [X.]St 35, 6, 8) zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt hat, muss die Handlung, die er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, [X.]St 37, 294, 296; Beschluss vom 7. August 2014 – 3 [X.], [X.], 207). Diese Grundsätze gelten auch für die Prüfung des Versuchsbeginns bei [X.] oder Tatbeständen mit Regelbeispielen. Soweit in einzelnen Entscheidungen des [X.] in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen worden ist, dass die Prüfung des Versuchsbeginns grundsätzlich an der Verwirklichung des [X.] zu orientieren (in diesem Sinne [X.], Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, [X.], 86 unter Hinweis auf [X.], StGB, 63. Aufl., § 22 Rn. 36; ebenso [X.]/Schuhr in: [X.], 4. Aufl., § 22 Rn. 47; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 22 Rn. 32), oder in den genannten Konstellationen trotz der Verwirklichung eines Merkmals des [X.] ein unmittelbares Ansetzen zu verneinen sei, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs noch eines – weiteren – [X.] des [X.] bedürfe (vgl. [X.], Beschluss vom 7. August 2014 – 3 [X.], [X.], 207), ist damit ebenfalls nur das Erfordernis kritischer Prüfung umschrieben, ob der Täter im jeweiligen Einzelfall nach seiner Vorstellung von der Tat bereits die Schwelle überschritten hat, die ‒ ohne weitere Zwischenakte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 219/15, [X.]R StGB § 176 Abs. 4 Nr. 3 Einwirken 1; Urteil vom 20. März 2014 – 3 [X.], [X.], 447, 448; [X.] in: MüKoStGB, 3. Aufl., § 22 Rn. 109) ‒ in die vollständige Verwirklichung des Tatbestands münden soll.

Auch für den Versuchsbeginn beim Qualifikationstatbestand des [X.] im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild des [X.] bei der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals des [X.] an; handelt er beim Aufhebeln eines Fensters oder bei der gewaltsamen Überwindung eines sonstigen Hindernisses in der Vorstellung, in unmittelbarem [X.] hieran in die (Privat)Wohnung einzudringen und hieraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden, so ist die Schwelle zum Versuch regelmäßig überschritten und das geschützte Rechtsgut aus der maßgeblichen [X.]icht bereits konkret gefährdet.

2. Diesem Ergebnis stehen Entscheidungen des 2. und des [X.] (vgl. die Beschlüsse vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, [X.], 86, 87 mit Anmerkung [X.] [X.], 87; vom 4. Juli 2019 – 5 StR 274/19 und vom 1. August 2019 – 5 [X.], [X.], 716 mit Anmerkung [X.] NStZ 2020, 34) nicht entgegen; sie betrafen jeweils im Tatsächlichen anders gelagerte Fallkonstellationen. Sollte den Beschlüssen des [X.] allerdings die Rechtsauffassung zugrunde liegen, dass die Annahme eines Versuchs in Fällen des Einbruchsdiebstahls generell und losgelöst von den Feststellungen im Einzelfall ausscheidet, solange der Täter nicht unmittelbar zur Wegnahme angesetzt hat, könnte der Senat dem nicht folgen.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Quentin

      

Feilcke     

      

Bartel     

      

Meta

4 StR 397/19

14.01.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 19. März 2019, Az: 16 KLs 18/18

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 243 Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB, § 244 Abs 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2020, Az. 4 StR 397/19 (REWIS RS 2020, 1374)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1374

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