Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.08.2019, Az. 1 StR 214/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 4644

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Gegenstand

Urteilstenor bei gewerbsmäßigem Bandenbetrug


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2018 wird

a) das Verfahren gegen den Angeklagten M.    nach § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in Abschnitt [X.] 4 der Urteilsgründe wegen Untreue in 21 Fällen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft,

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 13 Fällen und des Betrugs in drei Fällen schuldig ist;

bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben. Die Einziehung entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 13 Fällen, Betrugs in drei tateinheitlichen Fällen, Betrugs in sieben tateinheitlichen Fällen, Betrugs in neun tateinheitlichen Fällen und Untreue in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Im Übrigen hat es von einer Einziehungsentscheidung abgesehen und angeordnet, dass ein Jahr der verhängten Strafe als verbüßt gilt.

2

Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der ein Verfahrenshindernis geltend gemacht und die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird.

3

Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Es führt zur Einstellung des Verfahrens wegen Untreue in 21 Fällen (Abschnitt [X.] 4 der Urteilsgründe), zu einer Änderung des Schuldspruchs, zur Aufhebung der Gesamtstrafe und zum Entfallen der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

4

1. Der Schuldspruch bedarf hinsichtlich der Betrugsstraftaten der aus der [X.] ersichtlichen Korrektur.

5

Wird Betrug kumulativ banden- und gewerbsmäßig begangen, liegt nicht lediglich ein nur für die Strafzumessung bedeutsames Regelbeispiel vor; vielmehr enthält § 263 Abs. 5 StGB einen Qualifikationstatbestand, der die Tat zum Verbrechen hochstuft. Ist aber ein eigener Straftatbestand mit besonderen Qualifikationsmerkmalen verwirklicht, hat das Tatgericht dies im [X.] durch Aufführung dieser Qualifikationsmerkmale zum Ausdruck zu bringen ([X.], Beschluss vom 25. April 2007 - 1 [X.] Rn. 8 mwN).

6

2. Hinsichtlich der Untreuestraftaten folgt der Senat dem Antrag des [X.] und stellt deren Verfolgung ein (§ 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPO).

7

a) Zwar hätte der Senat grundsätzliche Bedenken, der Argumentation des [X.] zu folgen. Denn die 21 Untreuetaten dürften nicht als mitbestrafte Nachtaten zu den vorhergehenden, zu Lasten der Kapitalanleger begangenen Betrugstaten zu werten sein, sofern die [X.] mit ihrem Sitz in [X.].   auf den [X.]r.         nach § 266 Abs. 1 StGB geschützte Vermögensinhaberin war, wie das [X.] ohne weitere Begründung angenommen hat.

8

aa) Mit dem Zufluss der von den getäuschten Anlegern überwiesenen Gelder auf dem Konto der im Auftrag der drei Angeklagten als "offshore-Gesellschaft" gegründeten [X.] wurde das Barvermögen dieser Auslandsgesellschaft gemehrt, deren Vorstand der Angeklagte M.    war. Da er, in [X.] handelnd (§ 9 Abs. 1 StGB), in Unkenntnis und ohne Einverständnis der beiden Mitangeklagten, die ebenso wie er sich an den [X.] bereichern wollten, in 21 Fällen Geld zu seiner privaten Verwendung entnahm, entzog er diese Beträge dem Zugriff der Gesellschaft. Damit könnte die [X.] - neben den Kapitalanlegern - weitere Geschädigte sein, sodass die Grundsätze einer mitbestraften Nachtat (dazu nur [X.], Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 19/00 Rn. 4 f.) hier keine Anwendung fänden.

9

bb) Indes lässt sich nach den lückenhaften Feststellungen nicht beurteilen, ob die [X.] eine dem Schutzbereich des § 266 StGB unterfallende Vermögensinhaberin mit eigener Rechtspersönlichkeit war. Dazu hätte es der Aufklärung bedurft, ob sie nach dem Recht des ausländischen Staates, der Republik [X.]r.        , wirksam gegründet und rechtsfähig war (vgl. zu einer [X.] [X.], Urteil vom 13. April 2010 - 5 [X.] Rn. 13 ff., [X.]R StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 47).

b) Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es indes wegen der [X.] nicht. Neben den für die verbleibenden und den Unrechtsschwerpunkt bildenden Betrugsstraftaten ausgeurteilten Freiheitsstrafen von sechs Monaten in drei Fällen, acht Monaten in zehn Fällen, zehn Monaten, einem Jahr sowie einem Jahr und vier Monaten fallen die für die 21 Fälle der Untreue festgesetzten Einzelstrafen von drei Monaten in drei Fällen, fünf Monaten und sechs Monaten in jeweils neun Fällen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO). Ohnehin erschiene der Unrechtsgehalt des Eingriffs in das Barvermögen der nur zum Einsammeln der Anlagegelder gegründeten Gesellschaft als gering.

3. Die [X.] des Verfahrens führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für diesen Tatkomplex verhängten Einzelstrafen. Auch die Gesamtstrafe ist aufzuheben und muss von einem neuen Tatrichter neu bemessen werden, da der Senat im Hinblick auf die verbleibenden Einzelstrafen nicht ausschließen kann, dass das [X.] ohne die in den eingestellten Fällen verhängten Freiheitsstrafen eine mildere Gesamtstrafe gebildet hätte. Die [X.] zieht zugleich die Aufhebung der Einziehungsentscheidung nach sich ([X.], Beschlüsse vom 1. August 2018 - 1 [X.] Rn. 7 und vom 25. April 2019 - 1 StR 54/19 Rn. 16).

Jäger     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Leplow     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 214/19

08.08.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 6. Dezember 2018, Az: 633 Js 23/11 - 24 KLs

§ 263 Abs 5 StGB, § 260 Abs IV S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.08.2019, Az. 1 StR 214/19 (REWIS RS 2019, 4644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4644

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1 StR 54/19

1 StR 326/18

5 StR 428/09

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