Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.09.2018, Az. XI ZR 74/17

11. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 3702

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ZWANGSVOLLSTRECKUNG ZUG-UM-ZUG-VERURTEILUNG KOSTENFESTSTELLUNGSANTRAG ANNAHMEVERZUG

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Gegenstand

Verletzung rechtlichen Gehörs durch fehlerhaft angenommene Präklusion eines Sachvortrags


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 32. Zivilsenats des [X.] vom 12. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis 30.000 €.

Gründe

[X.]

1

Die Klägerin, eine Fondsgesellschaft mit Sitz auf den [X.], nimmt den [X.]n auf Feststellung in Anspruch, dass er hinsichtlich einer ihm Zug um Zug zu erbringenden Leistung befriedigt ist.

2

In einem Vorprozess wurde der [X.] mit Urteil des [X.] vom 6. Februar 2012 verurteilt, an die Klägerin 21.250.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen "Übergabe und Übertragung des [X.]" an 2.500.000 Stück Aktien der [X.] zu zahlen. Der Verurteilung lagen folgende Feststellungen zugrunde: Die [X.]en schlossen am 28. Mai 2008 eine "Abtretungsvereinbarung und [X.] zum Erwerb von Aktien an der [X.]" (im Folgenden: [X.]), mit der der [X.] sämtliche Rechte und Pflichten einer anderen Gesellschaft aus einer Put-[X.] mit der Klägerin übernahm und der Klägerin zugleich unwiderruflich anbot, bis zu 2.500.000 Stück Aktien der [X.] zu einem Preis von 8,50 € pro Aktie zu erwerben. Dieses Angebot nahm die Klägerin spätestens am 31. März 2009 an. Die Berufung und die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]n wurden zurückgewiesen. Der [X.] hatte in diesem Prozess u.a. erfolglos eingewandt, am 28. Mai 2008 und am 31. März 2009 geschäftsunfähig gewesen zu sein.

3

In Abschnitt D. § 4 der [X.] heißt es u.a., dass der Ausübungspreis Zug um Zug gegen Lieferung der verkauften Aktien zu zahlen ist und die Aktien in ein vom [X.]n benanntes Depotkonto zu liefern sind. Zudem haben die [X.]en in den Schlussbestimmungen festgelegt, dass die Vereinbarung [X.] Recht unterliegt.

4

Der [X.] verweigerte die Zahlung des Kaufpreises sowie die Annahme der ihm angebotenen Gegenleistung. Mit einem an den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.]n gerichteten Schreiben vom 23. November 2012 forderte die Klägerin den [X.]n unter Hinweis auf Abschnitt D. § 4 Abs. 3 der [X.] auf, Daten eines Depots mitzuteilen, in das die Klägerin die Aktien übertragen bzw. umbuchen kann. Dem kam der [X.] nicht nach. Mit einem weiteren an den [X.]n persönlich gerichteten Schreiben vom 29. Januar 2013 drohte die Klägerin den freihändigen Verkauf der Aktien gemäß § 373 Abs. 2 HGB an. Mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Februar 2013 verkaufte die Klägerin die Aktien im Wege des [X.] für 6.250.000 € an die [X.]AG.

5

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der [X.] durch den freihändigen Verkauf der Aktien hinsichtlich der ihm Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Aktien befriedigt ist. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.]n hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit für das [X.] von Bedeutung - ausgeführt:

6

Der [X.] könne im hiesigen Verfahren nicht mehr einwenden, bei Abgabe seines bindenden Kaufangebots in der Vereinbarung vom 28. Mai 2008 sowie bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin im März 2009 geschäftsunfähig gewesen zu sein. Dem stehe die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegen. Dort sei die synallagmatische Verbindung von Forderung und Gegenforderung rechtskräftig festgestellt. Dies versage es den [X.]en, sich in der vorliegenden Klage zu dieser Feststellung in Widerspruch zu setzen.

7

Durch den handelsrechtlichen Selbsthilfeverkauf gemäß § 373 Abs. 2 HGB, der für Rechnung des [X.]n erfolgt sei, habe die Klägerin die ihr obliegende Gegenleistung erbracht. Indem der [X.] dem klägerischen Antrag auf Verurteilung Zug um Zug im Vorprozess wiederholt entgegengetreten sei, habe er sich gemäß §§ 293, 295, 298 [X.] in Annahmeverzug gesetzt. Das wörtliche Angebot der Klägerin habe in der auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageerhebung gelegen. Die Übertragung von in einer Globalurkunde verbrieften und sammelverwahrten Aktien könne durch [X.] zwischen Depots vollzogen werden. Auf den Gewahrsam an der [X.] komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Gegenleistung nach Maßgabe des Titels vom 6. Februar 2012 sei durch die Übertragung des anteiligen Miteigentums und die Begründung des mittelbaren Besitzes an der [X.] ordnungsgemäß erbracht. Davon abgesehen hätten die [X.]en in der Vereinbarung vom 28. Mai 2008 auch geregelt, dass die Aktien in ein vom [X.]n zu benennendes Depotkonto zu liefern seien. Das klägerische Angebot durch entsprechende Antragstellung im Ausgangsverfahren habe damit den Anforderungen der §§ 294, 295 Satz 2 [X.] genügt und den [X.]n folglich schon damals in Annahmeverzug gesetzt.

8

Jedenfalls sei der [X.] spätestens durch das Angebot der Klägerin vom 23. November 2012 in Annahmeverzug gesetzt worden. In diesem Schreiben habe die Klägerin entgegen der Auffassung des [X.]n nicht dessen Vorleistung verlangt, sondern vertragsgemäß die Übertragung der Aktien auf ein vom [X.]n zu benennendes Depot angeboten.

9

Auch der Einwand des [X.]n, das Angebot sei deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen, weil die Aktien nicht im Eigentum der Klägerin gestanden hätten, bleibe ohne Erfolg. Das [X.] habe sich in zutreffender Weise die Überzeugung gebildet, dass sich an der Rechtslage seit der Durchführung des Ausgangsverfahrens, in dem das Eigentum der Klägerin bereits ausführlich geprüft worden sei, keine Änderung ergeben habe. Dafür spreche auch das Schreiben der [X.] vom 21. Januar 2013, wonach sich die Aktien in einem Depot befänden, dessen Inhaberin die Klägerin sei.

Die Klägerin habe mit Schreiben vom 29. Januar 2013 den freihändigen Verkauf der Aktien nach § 373 Abs. 2 HGB angedroht. Auf diese einseitige, empfangsbedürftige Erklärung seien die Vorschriften der §§ 116 ff. [X.] jedenfalls entsprechend anwendbar. Soweit der [X.] sich darauf berufe, zum [X.]punkt des Zugangs dieses Schreibens geschäftsunfähig gewesen zu sein, sei der Vortrag hierzu nicht hinreichend substantiiert. Ausweislich des vom [X.]n selbst vorgelegten psychiatrischen Gutachtens vom 28. April 2011 bestehe bei ihm eine rezidivierende depressive Störung, die zum [X.]punkt der gutachterlichen Untersuchungen im Januar 2011 durch Therapiemaßnahmen deutlich verbessert gewesen sei. Für diesen [X.]raum habe es nach den gutachterlichen Feststellungen keine ausreichenden Hinweise für eine "psychopathologisch begründbare Verursachung geschäftlicher Entscheidungen" gegeben. Für die Behauptung einer Geschäftsunfähigkeit zum [X.]punkt des Zugangs der Androhung "vom 29. Januar 2012" hätte es daher nachvollziehbarer Angaben zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. zum Auftreten einer erneuten schweren depressiven Episode in diesem [X.]raum bedurft. Der [X.] führe aber lediglich unter anderem unter Verweis auf eine Begutachtung vom 30. November 2012 aus, dass es zu einer Verschlechterung seines Zustands gekommen sei. Der dortige Gutachter habe jedoch am [X.] (9. November 2012) Bewusstseinsklarheit und keinen Hinweis auf eine produktive psychotische Symptomatik festgestellt. Eine erneute stationäre Behandlung des [X.]n habe erst wieder im Mai 2013 stattgefunden. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass das [X.] aufgrund dieser Ausführungen keine weitere Beweiserhebung zur Geschäftsfähigkeit bei Zugang des Androhungsschreibens "vom 29. Januar 2012" durchgeführt habe.

Auch die Berufungsbegründung vom 11. Mai 2016 enthalte nur die pauschale Behauptung, der [X.] sei auch nach dem 28. Mai 2008 und zum [X.]punkt des Zugangs der Androhung "im Januar 2012" geschäftsunfähig gewesen.

Inhaltlich genüge die Androhung vom 29. Januar 2013 den gesetzlichen Anforderungen. Es habe auch ein Handelskauf im Sinne des § 373 HGB zugrunde gelegen, weil der Kaufvertrag über die Lieferung von Aktien zumindest für die Klägerin ein Handelsgeschäft gewesen sei.

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]n.

I[X.]

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das Berufungsgericht den Anspruch des [X.]n auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - [X.], [X.], 135, 139 f., vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 2279 Rn. 9 und vom 10. Januar 2017 - [X.], [X.], 164 Rn. 8).

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zwar angenommen, dass die Klägerin mit ihrem wörtlichen Angebot, den Aktienbestand in ein vom [X.]n zu benennendes Depot zu übertragen, die ihr obliegende Leistung - die Wirksamkeit des Kaufvertrages unterstellt - gemäß § 295 Satz 1 Fall 2, Satz 2 [X.] in einer den Annahmeverzug begründenden Weise ordnungsgemäß angeboten hat.

a) Die [X.]en haben mit der Regelung in Abschnitt D. § 4 Abs. 3 Satz 2 der [X.], nach der die Aktien in ein vom [X.]n benanntes Depotkonto zu liefern sind, die Übertragung der in einer Globalurkunde verbrieften, sammelverwahrten Aktien im Wege des im heutigen Massengeschäft ohnehin üblichen Effektengiroverkehrs, d.h. ohne die körperliche Bewegung von [X.]n, sogar ausdrücklich in ihren Willen aufgenommen. Dabei wird die Besitzverschaffung mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Umbuchung von [X.] ersetzt (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2004 - [X.], [X.], 189, 191 f. mwN und [X.], Urteil vom 24. September 2015 - [X.], [X.]Z 207, 23 Rn. 15). Die für die Übertragung des anteilmäßigen Miteigentums nach Bruchteilen am Sammelbestand nach § 929 Satz 1 [X.] erforderliche Übergabe wird in der Weise vollzogen, dass die Wertpapiersammelbank als unmittelbare Fremdbesitzerin des Sammelbestands auf entsprechendes Geheiß den [X.] bezogen auf diesen Miteigentumsanteil umstellt und nunmehr nicht mehr der Depotbank des Veräußerers den Besitz mittelt, sondern der Depotbank des Erwerbers, die neue mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe wird und ihrerseits den Besitz ihrem Kunden - dem Erwerber - als mittelbarem Eigenbesitzer zweiter Stufe mittelt (vgl. Senatsurteil vom 22. April 1997 - [X.], [X.], 1136; [X.], Urteil vom 24. September 2015, aaO Rn. 15 ff.; MünchKommHGB/[X.], Band 6, 3. Aufl., [X.] Rn. 108; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 5.67 und 5.81; Klanten in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], [X.]., § 72 Rn. 104 f.; [X.][X.], Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 18.96 und 18.113).

b) Aus der Tenorierung des Zug-um-Zug-Vorbehalts im Vorprozess (Zug um Zug gegen "Übergabe" und Übertragung) ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.]n nichts Abweichendes. Wie die Auslegung anhand der Urteilsgründe zweifelsfrei ergibt, ist die Formulierung im Antrag und [X.] nicht so aufzufassen, dass der Kaufpreiszahlungsanspruch der Klägerin über die in der [X.] getroffene Regelung (Zahlung Zug um Zug "gegen Lieferung" der verkauften Aktien) hinaus in dem Sinne eingeschränkt werden soll, dass sie tatsächlichen Gewahrsam an Einzelurkunden verschaffen muss. Letzteres wäre nur dann überhaupt möglich gewesen, wenn die Einzelverbriefung nicht gemäß § 10 Abs. 5 [X.] satzungsmäßig ausgeschlossen gewesen wäre (§ 9a Abs. 3 Satz 2 [X.]; vgl. Senatsurteil vom 30. November 2004 - [X.], [X.], 189, 191 f.). Für die Frage, welche Leistung die Klägerin dem [X.]n aus dem Kaufvertrag schuldet, ist der [X.] zum Zug-um-Zug-Vorbehalt ohne Bedeutung, weil er nicht in Rechtskraft erwächst ([X.], Urteil vom 19. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 117, 1, 2 f.).

2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass die Klägerin Inhaberin eines entsprechenden Miteigentumsbruchteils am Sammelbestand war (§ 286 ZPO), so dass dem mit der Nichtzulassungsbeschwerde wiederholten Einwand des [X.]n, die Klägerin sei nicht imstande gewesen, die angebotene Leistung zu erbringen (§ 297 [X.]), die tatsächliche Grundlage fehlt. Überdies wäre der für das fehlende Leistungsvermögen der Gegenseite darlegungs- und beweisbelastete [X.] (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 7. Aufl., § 297 Rn. 4; [X.]/ [X.], [X.], 77. Aufl., § 297 Rn. 3) beweisfällig geblieben. Er hat für seine Behauptung, die [X.] habe die Aktien weder selbst innegehabt noch sei sie mangels entsprechender Geldmittel in der Lage gewesen, die Aktien zu erwerben, keinen Beweis angeboten.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt jedoch zu Recht, dass das angegriffene Urteil den Anspruch des [X.]n auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es seinem unter Beweis gestellten Vortrag, er sei sowohl bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin vom 31. März 2009 als auch beim Zugang der unter dem 29. Januar 2013 erfolgten Androhung des [X.] geschäftsunfähig gewesen, nicht nachgegangen ist.

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Bei Auslegung und Anwendung der Präklusionsvorschriften sind die Gerichte einer strengeren verfassungsrechtlichen Kontrolle unterworfen als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist. Die Überprüfung geht insoweit über eine bloße Willkürkontrolle hinaus ([X.], NJW 2000, 945, 946). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann verletzt ist, wenn das Berufungsgericht Tatsachenvortrag unter offensichtlich fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift für ausgeschlossen erachtet hat ([X.], Beschlüsse vom 3. März 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 1278 Rn. 7, vom 6. April 2016 - [X.], [X.], 1209 Rn. 8 und vom 13. Dezember 2017 - [X.], [X.], 890 Rn. 10, jeweils mwN). Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, gilt derselbe Maßstab; sie verletzt Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn sie offenkundig unrichtig ist ([X.], Beschlüsse vom 12. Juni 2008 - [X.], [X.], 2068 Rn. 5 und vom 11. September 2013 - [X.]/12, NJW 2014, 149 Rn. 15; Senatsbeschluss vom 5. Juni 2018 - [X.], juris Rn. 15; vgl. auch [X.], NJW 2001, 1565). Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht Tatsachenvortrag unberücksichtigt gelassen hat, weil es sich offensichtlich fehlerhaft gemäß § 314 ZPO an eine tatsächlich nicht getroffene tatbestandliche Feststellung der Vorinstanz gebunden erachtet hat ([X.], Beschluss vom 14. November 2017 - [X.]/17, NJW 2018, 866 Rn. 16).

b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

aa) Zwar zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf, dass der [X.] auch in der Berufungsinstanz noch vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, bereits am 28. Mai 2008 bei Abschluss der [X.] und Abgabe seines Kaufangebots geschäftsunfähig gewesen zu sein. Das von der Beschwerdebegründung zur Darlegung ihrer Gehörsrüge hierfür in Bezug genommene Vorbringen in der Berufungsbegründung weist im Gegenteil aus, dass der [X.] auf seinen beweisbewehrten Vortrag erster Instanz lediglich insoweit Bezug genommen hat, als er dort vorgebracht hat, "jedenfalls in der [X.] von September 2008" geschäftsunfähig gewesen zu sein ([X.] 576). Damit ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör insoweit zumindest nicht den Anforderungen des § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechend dargelegt.

bb) Das Berufungsgericht hat aber den beweisbewehrten Vortrag des [X.]n, bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin vom 31. März 2009 aufgrund einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen, wegen der er vom 16. Februar bis zum 8. April 2009 in der Klinik rechts der [X.] mit einer Elektrokrampftherapie behandelt worden sei, geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 [X.]) gewesen zu sein, gehörswidrig übergangen. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit diesem Tatsachenvorbringen sei der [X.] durch die aus der Rechtskraft folgende Präklusionswirkung des Urteils im Vorprozess ausgeschlossen, weil dort die synallagmatische Verknüpfung von Forderung und Gegenforderung und die sich hieraus ergebende Beschränkung des [X.] auch für den vorliegenden Prozess bereits bindend festgestellt worden sei, ist offenkundig fehlerhaft.

(1) Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage dient dazu, mittels öffentlicher Urkunde den Nachweis führen zu können, dass der [X.] befriedigt ist, um so die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO herzustellen. Sachlich läuft sie damit auf eine Wiederholung der Leistungsklage aus dem Vorprozess ohne einschränkenden Zug-um-Zug-Vorbehalt hinaus (vgl. [X.], 197, 199). Diesem uneingeschränkten Leistungsbegehren konnte der [X.] entgegen der Annahme des Berufungsgerichts entgegenhalten, sich bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin (§ 131 Abs. 1 [X.]) in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden zu haben.

Richtig ist zwar, dass die rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den [X.]en als notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen kann (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. Juni 2017 - [X.], [X.], 684 Rn. 8 ff.). Im Folgeprozess können Tatsachen aber nur insoweit ausgeschlossen sein, als sie den Streitgegenstand betreffen, über den auch im Vorprozess rechtskräftig entschieden worden ist. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, selbst wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden ([X.], Urteil vom 30. Juni 2017, aaO Rn. 11). Danach steht die Rechtskraft des Berufungsurteils im Vorprozess dem hier verfolgten Begehren auf unbedingte Verurteilung des [X.]n offenkundig nicht entgegen, weil beiden Prozessen im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde liegen. Im Vorprozess hatte die Klägerin nämlich nicht auf unbedingte Verurteilung des [X.]n, sondern auf Verurteilung Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Aktien angetragen. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ist daher durch den rechtskräftigen Abschluss des [X.] über die sich aus der synallagmatischen Verknüpfung ergebende Beschränkung des Zahlungsanspruchs nicht rechtskräftig entschieden (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 117, 1, 2 f.).

(2) Überdies hat das Berufungsgericht verkannt, dass es sich bei der Frage, ob der Kaufvertrag über die Aktien wirksam zustande gekommen ist, lediglich um eine Vorfrage handelt. Die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO setzt der Rechtskraft des Urteils bewusst enge Grenzen dergestalt, dass diese sich auf die im Hinblick auf den Streitgegenstand ausgesprochene Rechtsfolge beschränkt, nicht jedoch die einzelnen Tatsachen, präjudiziellen Rechtsverhältnisse und sonstigen Vorfragen erfasst, aus welchen das Gericht diese Rechtsfolge abgeleitet hat. Das Gericht des Zweitprozesses ist daher nicht gebunden, wenn nicht die im ersten Prozess rechtskräftig ausgesprochene Rechtsfolge im Folgeprozess präjudiziell ist, sondern beiden Prozessen lediglich eine gemeinsame Vorfrage zugrunde liegt ([X.], Urteile vom 26. Juni 2003 - I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059, vom 23. Juli 2008 - [X.], [X.], 2922 Rn. 22 und vom 5. November 2009 - [X.], [X.]Z 183, 77 Rn. 9). So liegt der Fall hier. Dass der [X.] an die Klägerin den ausgeurteilten Geldbetrag zahlen muss, spielt für die hier aufgeworfene Frage, ob der [X.] hinsichtlich der an ihn zu erbringenden Leistung durch den Selbsthilfeverkauf befriedigt ist, keine Rolle. Der Umstand, dass es bereits im Vorprozess entscheidungserheblich darauf ankam, ob der Kaufvertrag wirksam ist, bindet das Gericht des Folgeprozesses nicht.

cc) Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet darüber hinaus mit Erfolg, dass die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe den Selbsthilfeverkauf wirksam angedroht, Vortrag des [X.]n gehörswidrig übergeht. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass nur ein ordnungsgemäß angedrohter Selbsthilfeverkauf die Erfüllungswirkung herbeiführt und dass die Vorschriften über Willenserklärungen auf die Androhung als geschäftsähnliche Handlung jedenfalls entsprechend anzuwenden sind ([X.]/[X.]/[X.], HGB, 38. Aufl., § 374 Rn. 13, 15, 23, 26; [X.]/Boujong/[X.]/[X.]/[X.], HGB, 3. Aufl., § 373 Rn. 51, 62, 67; Oetker/[X.], HGB, [X.]., § 374 Rn. 77, 93). Daher wäre - wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat - die Androhung nicht wirksam, wenn der [X.], wie von ihm behauptet und unter [X.] gestellt, bei Zugang der Erklärung gemäß § 104 Nr. 2 [X.] geschäftsunfähig gewesen wäre (§ 131 Abs. 1 [X.] entsprechend). Die schriftliche Androhung ist, wie unter Ziffer [X.] der Gründe noch zutreffend festgestellt und aus der konkret in Bezug genommenen Anlage [X.] ersichtlich, unter dem 29. Januar 2013 erfolgt. Soweit das Berufungsgericht - offenbar von dem in den Entscheidungsgründen stellenweise falsch wiedergegebenen Datum "29. Januar 2012" beeinflusst - gemeint hat, dem [X.] sei nicht nachzugehen, weil der Vortrag des [X.]n nicht hinreichend substantiiert sei, hat es die Anforderungen an das Vorbringen offenkundig überspannt.

(1) Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 [X.] liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen ([X.], Beschluss vom 14. März 2017 - [X.]/16, [X.], 950 Rn. 13). [X.] dargelegt ist ein solcher Ausschluss nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 2279 Rn. 14 mwN) dann, wenn das Gericht auf Grund des tatsächlichen Vorbringens der [X.] in die Lage versetzt wird zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 [X.] vorliegen. Auf die Wahrscheinlichkeit des Vortrags kommt es nicht an ([X.], Beschluss vom 14. März 2017, aaO).

(2) Gemessen hieran ist der Vortrag des [X.]n hinreichend substantiiert. Er hat in der Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen, u.a. durch Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag Bezug genommen, aufgrund seiner depressiven Erkrankung auch zum [X.]punkt der Androhung des [X.] Ende Januar 2013 so schwer erkrankt gewesen zu sein, dass er geschäftsunfähig gewesen sei. Er hat dazu unter Bezugnahme auf das vom [X.] in zeitlichem Zusammenhang eingeholte Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr.      O.  vom 30. November 2012 (Anlage [X.]) vorgetragen, aufgrund seiner Depression und seiner Gedächtnisstörung damals nicht in der Lage gewesen zu sein, eigenständig eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Er hat ferner bereits in der Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf das am 10. Juni 2013 erstellte Gutachten des Dr.      G.       (Anlage [X.]) geltend gemacht, es habe ein komplexes neurologisch-psychiatrisches Krankheitsbild bestanden, welches durch hirnorganische Auffälligkeiten in Verbindung mit einer schweren chronifizierten Depression gekennzeichnet gewesen sei und mit einer völligen Gedächtnisunfähigkeit einhergegangen sei. Der [X.] hat zudem unter Verweis auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29. Juli 2013 eine ärztliche Bescheinigung der Universitätsklinik M.     vom 7. Juni 2013 (Anlage [X.]) in Bezug genommen, die ausweist, dass sich der [X.] seit dem 6. Mai 2013 aufgrund einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung in stationärer Behandlung befunden hat, damals prozess- und verhandlungsunfähig und nicht in der Lage gewesen ist, eine korrekte eidesstattliche Versicherung abzugeben. Damit hat der [X.] die vom Berufungsgericht vermissten "nachvollziehbare[n] Angaben zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands bzw. zum Auftreten einer erneuten schweren depressiven Episode in diesem [X.]raum" gemacht. An diesen Vortrag hat der [X.] mit Schriftsatz vom 11. November 2016, nachdem das Berufungsgericht in der Verfügung vom 10. Oktober 2016 darauf hingewiesen hatte, dass es den Vortrag für nicht hinreichend substantiiert halte, nochmals erinnert.

c) Das Berufungsurteil beruht auf den Gehörsverletzungen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrags, der sich gegen das Zustandekommen des Kaufvertrags und die ordnungsgemäße Durchführung des [X.] richtet, anders entschieden hätte ([X.]E 60, 247, 250; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.).

II[X.]

Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2014 - [X.], [X.], 295 Rn. 6).

[X.]     

      

Grüneberg     

      

Matthias

      

Derstadt     

      

Dauber     

      

Meta

XI ZR 74/17

18.09.2018

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 12. Januar 2017, Az: 32 U 1437/16

Art 103 Abs 1 GG, § 322 Abs 1 ZPO, § 543 Abs 2 S 1 Nr 2 Alt 2 ZPO, § 104 Nr 2 BGB, § 295 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.09.2018, Az. XI ZR 74/17 (REWIS RS 2018, 3702)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 692-694 REWIS RS 2018, 3702


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI ZR 74/17

Bundesgerichtshof, XI ZR 74/17, 18.09.2018.


Az. 32 U 1437/16

OLG München, 32 U 1437/16, 12.01.2017.


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