Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 30.10.2018, Az. III-1 RVs 214/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 2241

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Tenor

Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe

Gründe

I.

Das Amtsgericht – Schöffengericht – Leverkusen hat den Angeklagten am 25. August 2017 wegen „23 Fällen des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges, in einem davon als Versuch“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt und im Hinblick auf einen Betrag von 97.455,52 € die „Einziehung von Wertersatz“ angeordnet.

In der Berufungshauptverhandlung hat der Angeklagte sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht hat dieses mit der angefochtenen Entscheidung verworfen.

Zum Tatgeschehen ist festgestellt, dass der Angeklagte sich - gemeinsam mit dem gesondert verfolgten T – zunächst im sog. „Darknet“ E-Mail-Adressen potentieller Tatopfer beschaffte. Diese verwendete er, um über „Phisching“-E-Mails an die für das Telefonbanking-Verfahren notwendige PIN der auf diese Weise Angegangenen zu gelangen. In der Folge verwendete der Angeklagte die PIN zur Identifikation bei den jeweiligen Kreditinstituten der Geschädigten und veranlasste Transaktionen in unterschiedlicher Höhe. Die Überweisungen erfolgten dabei auf Konten sog. „Finanzagenten“, die dem Angeklagten überwiegend nicht persönlich bekannt waren. Diese hoben die überwiesenen Beträge jeweils zeitnah von ihren Konten ab und leiteten sie – unter Einbehalt einer Entlohnung – an den Angeklagten und weitere Mittäter weiter.

Drei Verurteilungsfällen liegen darüber hinaus Warenbestellungen unter missbräuchlicher Verwendung zuvor erlangter (u.a. Kreditkarten-)Daten zugrunde.

Die Revision des Angeklagten rügt – unter näherer Darlegung – die Verletzung sachlichen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Tenor des angefochtenen Urteils dahin abzuändern, dass der Angeklagte des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges oder Computerbetruges in 23 Fällen schuldig ist und die Revision im Übrigen zu verwerfen.

II.

Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel erzielt insofern einen Teilerfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln führt.

1.

Zum Schuldspruch, hinsichtlich der Bemessung der Einzelstrafen und zur Gesamtstrafe hat allerdings die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils im Ergebnis keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt, so dass sein hierauf bezogenes Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen war.

a)

Namentlich erweist sich - was der Prüfung durch den Senat von Amts wegen unterliegt (st. Senatsrechtsprechung s. nur SenE v. 05.07.2016 – III-1 RVs 67/16; SenE v. 03.03.2017 – III-1 RVs 41/17 je m. N.) – die erklärte Rechtsmittelbeschränkung als wirksam. Die zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen sind weder widersprüchlich noch unklar. Sie sind auch nicht in einer die Wirksamkeit der Beschränkung in Frage stellenden Weise lückenhaft (vgl. insgesamt BGHSt 62, 155). Die Generalstaatsanwaltschaft weist in ihrer Vorlageverfügung zwar zutreffend darauf hin, dass Telefonbanking-Transaktionen auch und – wie hinzuzufügen ist – regelmäßig allein mittels Sprach- und Tastatureingaben getätigt werden können und sich die Urteilsfeststellungen zur genauen Vorgehensweise des Angeklagten unter diesem Gesichtspunkt nicht verhalten. Mangels Täuschung einer natürlichen Person schiede eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß § 263 StGB bei einer rein computergesteuerten Abwicklung der jeweiligen Transaktion aus. Indessen hätte sich der Angeklagte - wovon auch die Generalstaatsanwaltschaft mit Recht ausgeht – bei Annahme einer solchen Sachgestaltung wegen Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1 in der Variante der unbefugten Datenverwendung strafbar gemacht (Fischer, StGB, 65. Auflage 2018, § 263a Rz. 11a m. N.; vgl. zur Möglichkeit wahldeutiger Verurteilung wegen Betrugs oder Computerbetrugs BGH NJW 2008, 394). Die Verurteilung wegen Betruges gemäß § 263 StGB stellte sich dann als reiner Subsumtionsfehler dar, der die Wirksamkeit der Beschränkung nicht hindert (SenE v. 19.06.2001 - Ss 231/01 -; SenE v. 27.12.2005 - 83 Ss 72/05 -; SenE v. 25.03.2014 - III-1 RVs 30/14 -; SenE v. 02.12.2016 – III-1 RVs 235/16 -; OLG Hamburg VRS 123, 88), zumal beide Vorschriften – auch hinsichtlich der besonders schweren Fälle – dieselben Strafrahmen eröffnen.

Die vorstehenden Erwägungen gelten für die Warenbestellungen betreffenden Fälle 21 - 23 der Urteilsgründe sinngemäß. Da die getroffenen Feststellungen demnach in allen Fällen den Unrechts- und Schuldgehalt hinreichend erkennen lassen und so eine genügend sichere Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen bilden, ist die erklärte Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam. Die von der Generalstaatsanwaltschaft erstrebte Schuldspruchänderung kommt daher nicht in Betracht (SenE v. 02.08.2002 - Ss 306/02 - m. w. Nachw. ; SenE v. 27.12.2005 - 83 Ss 72/05 -).

b)

Einzelne Strafzumessungserwägungen in dem angefochtenen Urteil begegnen – worauf die Verteidigung in ihrem Schriftsatz vom 22. Oktober 2018 im Grundsatz mit Recht hinweist – rechtlichen Bedenken. Das gilt mangels erkennbaren Bezugs zu den abgeurteilten Taten (vgl. Fischer, StGB, 65. Auflage 2018, § 46 Rz. 37b) namentlich, soweit dem Angeklagten vorgehalten wird, dass er den Betäubungsmittelkonsum bis in die Gegenwart hinein nicht aufgegeben und solches noch nicht einmal als Ziel für sich formuliert habe. Das gilt aber auch, soweit die Berufungsstrafkammer mögliche – indessen nicht festgestellte – Tatfolgen für die Geschädigten zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Der Senat kann aber angesichts der – bei rechtsfehlerfreier Strafrahmenwahl – nur um ein Weniges über der Mindeststrafe liegenden Einzelstrafen sowie angesichts der moderaten Gesamtstrafe sicher ausschließen, dass diese ohne Berücksichtigung der beanstandeten Erwägungen (noch) niedriger ausgefallen wären.

c)

Durch den auf Schuldspruchänderung lautenden Antrag ist der Senat an einer Verwerfung der Revision im Beschlusswege nicht gehindert, denn auch nach dem Willen der Generalstaatsanwaltschaft soll das Rechtsmittel im Endergebnis keinen Erfolg haben (vgl. BGH BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 4).

2.

Indessen kann - was auch bei einer Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch der Überprüfung durch den Senat unterliegt (SenE v. 22.10.2004 – 8 Ss 410/04) – der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz, den das Landgericht in einer Höhe von 97.455,52 € bestätigt hat, keinen Bestand haben.

a)

Mit Recht haben freilich zunächst die Tatgerichte die §§ 73 ff. StGB in der seit dem 1. Juli 2017 geltenden Fassung (BGBl. I S. 872 ff.) angewendet. Das folgt aus Art. 316h S. 1 EGStGB; gegen die durch diese Vorschrift angeordnete Rückwirkung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken nicht (BGH Urt. v. 15.05.2018 – 1 StR 651/17 – bei Juris Tz. 47 ff.; SenE v. 23.01.2018 – III-1 RVs 274/17 – bei Juris Tz. 12 ff.).

b)

Hat der Täter durch eine rechtswidrige Tat etwas erlangt, ordnet das Gericht gemäß § 73 Abs. 1 StGB dessen Einziehung an. Ist die danach in erster Linie anzuordnende Einziehung des körperlichen Gegenstandes selbst (vgl. Köhler NStZ 2017, 497 [498 f.]) wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund – hier: wegen des Verbrauchs des Geldes bzwl. erlangter Waren - nicht möglich, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c S. 1 StGB).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist – durch die Neufassung der Vorschriften über die Vermögensabschöpfung unverändert - ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben (vgl. jüngst BGH NStZ-RR 2018, 278; BGH NStZ 2011, 83; zahlr. Rspr.-Nachweise bei Graf/Jäger/Wittig-Wiedner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 73 StGB Rz. 28).

Daran gemessen belegen die Urteilsgründe nicht, dass dem Angeklagten hier aus der Tatbestandsverwirklichung die eingezogenen 97.455,52 € zugeflossen sind. Eine eigene Sachentscheidung des Senats zur Einziehung des Wertes von Taterträgen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kommt nicht in Betracht.

aa)

Soweit die Berufungsstrafkammer bei der Bemessung des Erlangten – was der Senat mangels näherer Begründung dieses Entscheidungsteils nicht sicher zu beurteilen vermag - in den Fällen 1 – 20 der Urteilsgründe auf die Überweisungen vom Konto des jeweils Geschädigten auf das Konto des „Finanzagenten“ abstellt, belegen die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte etwas durch die Tat erlangt hat. Durch die im Sinne von § 263 Abs. 1 tatbestandsmäßige Verfügung bzw. die im Sinne von § 263a Abs. 1 StGB tatbestandsmäßige Beeinflussung des Ergebnisses des Datenverarbeitungsvorgangs (Fischer a.a.O. § 263a Rz. 20) erzielte der Angeklagte keinen Vermögenszuwachs; durch diese Tathandlung entzog er vielmehr die entsprechenden Vermögenswerte gerade seiner Zugriffsmöglichkeit (für eine ganz parallel liegende Fallgestaltung ebenso BGH B. v. 17.03.2016 – 1 StR 628/15 – bei Juris Tz. 14; NK-StGB-Saliger, 5. Auflage 2018, § 73 Rz. 7). Denn dass der Angeklagte Zugriff auf die Konten der Finanzagenten hatte, ist nicht festgestellt und liegt angesichts des Umstands, dass diese ihm überwiegend unbekannt waren, sogar fern.

bb)

An einer eigenen Sachentscheidung (auch hierzu vgl. BGH B. v. 17.03.2016 – 1 StR 628/15 – bei Juris Tz. 20) sieht sich der Senat dadurch gehindert, dass zur Bestimmung des Einziehungsbetrags „weitere tatsächliche Erörterungen“ im Sinne von § 354 Abs. 1 StPO erforderlich sind. Stellt man nämlich – etwa - hinsichtlich des „Erlangten“ auf die dem Angeklagten nach Abhebung durch die „Finanzagenten“ zugeflossenen Barbeträge ab, sind diese der Höhe nach in einer Reihe von Fällen (etwa in den Fällen 4, 10, 11, 12 und 14 – 19 der Urteilsgründe) nicht ausreichend bestimmt. Das gilt umso mehr, als die Berufungsstrafkammer aufgrund eigener Feststellungen davon ausgeht, dass sich der Anteil des Angeklagten an dem erbeuteten Geld auf fünf bis zehn Prozent belaufen habe (UA 29).

c)

Eine Aufhebung von Feststellungen zum Wert des Erlangten kommt nicht in Betracht, da diese entweder – als doppelt relevant – durch die Berufungsbeschränkung bindend geworden sind oder aber – wie die den bindend gewordenen widersprechenden zum Anteil des Angeklagten an der Gesamtbeute – diesen begünstigen (zum umgekehrten Fall der Erweiterung des Schuldumfangs vgl. SenE v. 02.03.2018 – III-1 RVs 14/18), so dass der Senat auf die alleinige Revision des Angeklagten zur Aufhebung dieser Feststellungen mangels Beschwer nicht befugt ist. Dem neuen Tatrichter bleiben bei dieser Sachlage ergänzende, den bislang getroffenen nicht wiedersprechende Feststellungen möglich, die geeignet sind, den Wert des „Erlangten“ zu bestimmen.

Meta

III-1 RVs 214/18

30.10.2018

Oberlandesgericht Köln 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: RVs

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 30.10.2018, Az. III-1 RVs 214/18 (REWIS RS 2018, 2241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2241

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