Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.03.2012, Az. IX ZR 116/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7551

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX [X.]

Verkündet am:

29. März 2012

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 287 Abs. 2, § 292 Abs. 1; ZPO § 767
Der Treuhänder ist während der Laufzeit der Abtretungserklärung des Schuldners kraft Amtes befugt,
das nachträgliche Erlöschen von Forderungen, die in das [X.] des Insolvenzverfahrens aufgenommen worden sind, gegen den jeweiligen Insolvenzgläubiger im Klagewege geltend zu machen (Verteilungsabwehr-klage).
[X.] §§
43, 52, 294 Abs.
3
Führt die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers gegen Forderungen des [X.], die von seiner Abtretungserklärung nicht erfasst sind, während ihrer Laufzeit zu einer teilweisen Befriedigung, so darf der Insolvenzgläubiger an den weiteren [X.] nur nach dem Berücksichtigungswert seiner Restforderung teilnehmen.
[X.], Urteil vom 29. März 2012 -
IX [X.] -
LG Halle

AG Halle

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
29. März 2012
durch [X.] [X.],
die [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 22.
Juli 2011 aufgehoben. Die Beru-fung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 20.
Januar 2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten der
Rechtsmittelverfahren
hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Treuhänder im [X.] des M.

K.

. Gegen ihn bestand nach dem [X.] des am 19.
Dezember
2008 aufgehobenen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Steuerforderung des beklagten [X.] von 125,25

rechnete das Land gegen den Einkommensteuererstattungsanspruch des [X.] 2007 in Höhe von 105,25

Das Amtsgericht hat antragsgemäß die weitere Teilnahme des beklagten [X.] an Verteilungen des Treuhänders für unzulässig erklärt, soweit seine in das [X.] aufgenommene Forderung den Betrag von 20

r-1
2
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3
-
steige. Die zugelassene Berufung hatte Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsge-richtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Revision und Klage sind ebenso zulässig wie begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat schon die [X.] im [X.] zur Geltendmachung nachträglicher Einwendungen gegen die in das [X.] aufgenommenen Forde-rungen verneint. Es hat ferner angenommen, dass die erhobene Klage auch mangels Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig sei; denn das beklagte Land mache infolge seiner Aufrechnung keine höhere Restforderung mehr geltend
als die im Klageantrag bezeichneten 20

e-gründet, weil die in das [X.] aufgenommene Forderung des [X.] [X.] unstreitig noch nicht vollständig befriedigt sei. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

II.

Die Klage des Treuhänders ist entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts zulässig.
3
4
5
-
4
-

1. Der Treuhänder ist als Partei kraft Amtes befugt, gegen die zur Tabelle festgestellten, in das [X.] des aufgehobenen Insolvenzverfah-rens aufgenommenen Forderungen eine Verteilungsabwehrklage entsprechend §
767 ZPO
zu erheben. Diese Rechtsschutzform ist wegen der [X.] und der Bindungswirkung des Verzeichnisses hier genauso statthaft wie für den Insolvenzverwalter, der mit der Begründung, die festgestellte Forderung sei ganz oder teilweise erloschen, ihre Aufnahme in ein Verteilungsverzeichnis ablehnt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 4.
Oktober 1984
-
IX
ZR 159/83, NJW 1985, 271, 272 unter II.
2.; vom 11.
Dezember 2008
-
IX
ZR 156/07, [X.], 275 Rn.
12). Die unmittelbare Anwendung der Vor-schrift kommt in beiden Fällen wegen der Vollstreckungsverbote des §
89 Abs.
1 [X.] und des §
294 Abs.
1 [X.] nicht in Betracht.

Auch der Treuhänder während des [X.]s ist zur Erhebung dieser Abwehrklage befugt. Denn für seine Verteilung an die [X.] nach §
292 Abs.
1 Satz
2 [X.] bleibt sonst das Schlussver-zeichnis maßgebend. [X.] eigener Rechtsmacht kann der Treuhänder die Be-rücksichtigungswerte des [X.]ses nicht ändern. Durch die un-veränderte Fortsetzung der Ausschüttungen trotz nachträglichen Erlöschens einer festgestellten Insolvenzforderung würde deren Gläubiger auf Kosten der anderen Insolvenzgläubiger und ihrer Verteilungsquote ungerechtfertigt berei-chert. Es entstünde ein mit allen Durchsetzungsrisiken behafteter Rückforde-rungsanspruch (vgl.
für den Fall der Verwertung eines Absonderungsrechts MünchKomm-[X.]/Ganter, 2.
Aufl.,
§
52 Rn.
27).

Könnte der Treuhänder den Eintritt dieser Lage nicht als Partei kraft Am-tes durch eine eigene Abwehrklage verhindern, bliebe nur eine Klage des 6
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-
5
-
Schuldners und der benachteiligten Insolvenzgläubiger, die von den [X.] in notwendiger Streitgenossenschaft gemäß §
62 ZPO zu erheben wä-re. Denn der Streit über das nachträgliche Erlöschen des [X.] könnte den anderen Gläubigern gegenüber
entspre-chend §
183 Abs.
1 [X.]
nur einheitlich entschieden werden. [X.] mit der Möglichkeit widersprechender Entscheidungen wären unzulässig. Die Wah-rung dieses Gesamtinteresses an der richtigen Verteilung des schuldnerischen Sondervermögens während der Laufzeit der Abtretungserklärung des §
287 Abs.
2 [X.]
gehört folglich nach Sinn und Zweck des Amtes zu den Aufgaben des Treuhänders, der dementsprechend prozessführungsbefugt ist. Er [X.] dabei nach §
292 Abs.
3 Satz
2, §
58 [X.] der Aufsicht des [X.], wie die Revision mit Recht gegen das Berufungsurteil rügt. Die Frage der Treuhänderhaftung entsprechend §
60 Abs.
1 [X.] (vgl. HK-[X.]/[X.], 6.
Aufl. §
292 Rn.
23 mwN) für einen etwaigen Verteilungsschaden kann hier wie in der bisherigen Senatsrechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 2008 -
IX
ZR 118/07, Z[X.] 2008, 971 Rn.
20) offenbleiben.

Die vom Berufungsgericht ansonsten herangezogenen Unterschiede zwischen dem Amt des Insolvenzverwalters und des Treuhänders im [X.] sind im hier gegebenen Zusammenhang ohne Be-deutung.

2. [X.] fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Ihr Ziel ist nicht die unstreitige Feststellung, dass die in das [X.] aufgenommene Forderung des beklagten [X.] jedenfalls in Höhe von 105,25

oder die Abwehr einer nach §
294 Abs.
1 [X.] unzulässigen und nicht beab-sichtigten Zwangsvollstreckung. Es geht um die offene Streitfrage, welches Ver-teilungsanrecht dem beklagten Land nach den erklärten Aufrechnungen noch 9
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6
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zusteht und die danach womöglich notwendige Umgestaltung in der Bindungs-wirkung des [X.]ses.

III.

Die Klage dringt sachlich in dem erhobenen Umfang durch.

1.
Die Aufrechnung
des beklagten [X.] war wirksam. Das Aufrech-nungsverbot des §
294 Abs.
3 [X.] stand nicht entgegen, weil die Abtretung nach §
287 Abs.
2 [X.] den Gegenanspruch auf Einkommensteuerrückerstat-tung nicht umfasst ([X.], Urteil vom 21.
Juli 2005 -
IX
ZR 115/04,
[X.]Z 163, 391, 392
ff; Beschluss vom 12.
Januar 2006 -
IX
ZB 239/04, [X.], 246 Rn.
9
f; [X.], 1, 3).

2.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Verteilungsanspruch des beklagten [X.] nach §
292 Abs.
1 [X.] trotz der Teilaufrechnung bis zum gänzlichen Erlöschen seiner in das [X.] nach §
197 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 [X.] aufgenommenen Forderung unverändert fortbesteht. Der [X.] hat diesen Grundsatz der Doppelberück-sichtigung für den Fall der nachträglichen Zahlung eines Bürgen auf die festge-stellte Insolvenzforderung aus § 68 KO (jetzt §
43 [X.]) abgeleitet (Urteil vom 4.
Oktober 1984, aaO) und auch auf andere Fälle persönlicher Mithaftung [X.] (vgl. Urteil vom 11.
Dezember 2008, aaO Rn.
14). Um eine solche Sachlage geht es, wie die Revision zutreffend rügt, im Streitfall nicht. Das [X.] hat nur einen Schuldner. Diesem standen aus den [X.] und 2008 Ansprüche zu, gegen die der Beklagte aufrechnen konnte, solange ihre Insolvenzbeschlagnahme im Wege 11
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13
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7
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einer Nachtragsverteilung gemäß §
203 Abs.
1 [X.] unterblieb (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 12.
Januar 2006, aaO Rn. 11
f).

In der allgemeinen insolvenzrechtlichen Interessenwertung wird der Gläubiger
durch eine Aufrechnungsmöglichkeit in ähnlicher Weise geschützt wie durch ein Absonderungsrecht ([X.], Urteil vom 9.
Mai 1960 -
II
ZR 95/58, [X.], 720, 721 unter 3.
b; vom 24.
März 1994 -
IX
ZR 149/93, [X.], 1045, 1046 unter 1.
c; Beschluss vom 29.
Mai 2008 -
IX
ZB 51/07, [X.]Z 177, 1 Rn.
29
f; Urteil vom 8.
Januar 2009 -
IX
ZR 217/07, [X.], 416 Rn.
32 unter Hinweis auf die gleiche Schutzwürdigkeit der Gläubiger; differenzierend Urteil vom 15.
Juli 2004 -
IX
ZR 224/03, [X.]Z 160, 107, 111 unter II.
3. zur [X.]). Auch das beklagte Land kann deshalb im Verteilungsver-fahren während der Laufzeit der Abtretungserklärung nicht besser stehen, als wenn es durch nachträgliche Verwertung einer im Insolvenzverfahren freigege-benen Schuldnersicherheit, die es zur abgesonderten Befriedigung berechtigte, teilweise Deckung seiner in das [X.] aufgenommenen Forde-rung erlangt hätte. Die Rechtsfolge dieses Tatbestandes findet sich in dem [X.] des §
52 Satz
2 [X.]. [X.] war mithin zur anteilsmäßi-gen Befriedigung aus dem vom Treuhänder verwalteten Sondervermögen des Schuldners nur noch berechtigt, soweit seine Aufrechnung zu einer [X.] nicht geführt hatte, ein Ausfall daher
eingetreten war. In
dieser Höhe hatte das beklagte Land auch auf seine weitergehende Aufrechnungsmöglichkeit ver-zichtet und den Erstattungsbetrag ausgekehrt.
Entsprechend §
52 Satz
2 [X.]

14
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8
-
ist die Klage auf Änderung des [X.] gerechtfertigt. In die-sem Sinne ist das amtsgerichtliche Erkenntnis auszulegen.

Kayser
Raebel
Gehrlein

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.]), Entscheidung vom 20.01.2011 -
93 [X.] -

LG Halle, Entscheidung vom 22.07.2011 -
2 S 35/11 -

Meta

IX ZR 116/11

29.03.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.03.2012, Az. IX ZR 116/11 (REWIS RS 2012, 7551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7551

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