Landgericht Hamburg, Urteil vom 12.11.2008, Az. 308 O 548/08

8. Zivilkammer | REWIS RS 2008, 889

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Redaktioneller Leitsatz

Es besteht kein Anspruch eines Urhebers gegen einen Access-Provider auf Sperrung urheberrechtsverletzender Webseiten

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Gegenstand

Zur Frage des Anspruchs eines Urhebers gegen einen Access-Provider auf Sperrung einer Internetseite, die urheberrechtsverletzende Inhalte zum Download anbietet.


Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerinnen zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerinnen dürfen die Kostenvollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des [X.] Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerinnen nehmen die Antragsgegnerin im Verfahren der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der nach ihrer Auffassung urheberrechtswidrigen Zugangsvermittlung zu Spielfilmen auf der Domain … im [X.] in Anspruch.

Die Antragstellerinnen sind international und national führende Filmstudios und Filmverleihe. Alle Antragstellerinnen verwerten ihr [X.] in [X.] zunehmend auch in der Weise, dass sie [X.] das entgeltpflichtige Angebot der Filme über das [X.] („Video on demand“) gestatten. Eine solche Online-Filmauswertung beginnt jedoch frühestens mit der DVD-Veröffentlichung der jeweiligen Spielfilme.

Die Antragstellerin zu 1) ist Inhaberin der weltweiten ausschließlichen Auswertungsrechte, einschließlich des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung im [X.] zum individuellen Download, für den Kinospielfilm „[X.]“. Kinostart für diesen Film war in [X.] der 23. Oktober 2008, die weltweite Erstveröffentlichung erfolgte in [X.] am 6. August 2008.

Die Antragstellerin zu 2) ist Inhaberin der ausschließlichen Auswertungsrechte, einschließlich des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung im [X.] zum individuellen Download, für den Kinospielfilm „[X.]“. Kinostart für diesen Film war in [X.] der 25. September 2008; in keinem Land erfolgte die Kinoauswertung früher.

Die Antragstellerin zu 3) ist Inhaberin der weltweiten ausschließlichen Auswertungsrechte, einschließlich des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung im [X.] zum individuellen Download, für den Kinospielfilm „[X.] - Außer Kontrolle“. Die weltweite Erstveröffentlichung erfolgte in [X.] am 16. September 2008, in [X.] am 9. Oktober 2008.

Die Antragstellerin zu 4) ist Inhaberin der weltweiten ausschließlichen Auswertungsrechte, einschließlich des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung im [X.] zum individuellen Download, für den Kinospielfilm „[X.]“. Kinostart für diesen Film war in [X.] der 11. September 2008, die weltweite Erstveröffentlichung erfolgte in [X.] am 20. August 2008.

Die Antragstellerin zu 5) ist Inhaberin der weltweiten ausschließlichen Auswertungsrechte, einschließlich des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung im [X.] zum individuellen Download, für den Kinospielfilm „[X.] - [X.]“. Kinostart für diesen Film war in [X.] am 16. Oktober 2008, in [X.] am 3. Juli 2008.

Alle fünf Filme befinden sich in [X.] noch in der exklusiven Kinoauswertung.

Die insbesondere unter ihrer Marke … bekannte Antragsgegnerin ist ein führender [X.] [X.]zugangsanbieter („Access Provider“). Sie vermittelt ihren Kunden gegen Entgelt - meist im Wege einer „Flatrate“ - den Zugang zum [X.] und damit zu [X.] im [X.] verfügbaren [X.]angeboten. Die Antragsgegnerin verfügt über ein eigenes, hochmodernes Telekommunikationsnetz mit umfassenden Angeboten und Services im Bereich Sprach-, Daten- und Multimedialeistungen.

Auf der Webseite „…“, die unter einer [X.] Top-Level-Domain registriert ist, jedoch in [X.] Sprache verfasst ist, findet sich eine Videothek aktueller Kinospielfilme und Fernsehserien, die über eine Verlinkung auf Drittseiten zum Abruf angeboten werden. Der Schwerpunkt der Website, die mit „Kino im [X.]“ wirbt, liegt fast ausschließlich auf dem Filmangebot. Es gibt unter anderem die Rubrik „Kino - Top Neuerscheinungen“. Klickt man auf diese Rubrik, so kann der Benutzer zwischen zahlreichen Kino-Neuerscheinungen wählen. Daneben gibt es weitere Rubriken wie beispielsweise „Aktuelle Kinofilme“, „Komödie“, „Action & Kriegsfilm“, „[X.]“, „Thriller“, „Science Fiction“, „Drama & Romantik“, „Abenteuer, Doku & Western“, „Animation & Zeichentrick“ und „Serien-Stream“ (Anlage Ast 8). Auf der Webseite werden unter diesen Rubriken einschließlich der Folgen von Fernsehserien mehr als 1.700 Filme angeboten. Andere Rubriken f[X.] quantitativ nicht ins Gewicht. „…“ wird über Werbung finanziert. Der Abruf der Filme erfolgt primär als „Stream“, d.h. der Nutzer lädt keine Datei dauerhaft auf seiner Festplatte herunter. Vielmehr wird der Film beim Nutzer temporär gespeichert und nach einer kurzen Wartezeit vorgeführt. Es ist aber möglich, dass der Nutzer die „gestreamten“ Dateien endgültig auf seinem Rechner speichert. Die für den Abruf der Streams zu verwendende Software (z.B. [X.], [X.]) erlaubt die Auswahl einer dauerhaften Vervielfältigung. Technisch besteht die Besonderheit, das die zum Abruf angebotenen Filmdateien nicht unmittelbar auf dem Server von ,,…“ gespeichert sind, sondern auf - weltweit verstreuten und oftmals versteckt agierenden - Servern lagern. „…“ verweist auf die Dateien im Wege eines „deep links“, wobei der Nutzer häufig gar nicht merkt, dass er den „…“-Dienst verlässt.

Weder die Antragstellerinnen noch die [X.] von Urheberrechtsverletzungen e.V. ([X.]) konnten ermitteln, wer die Betreiber von „…“ sind, da die Webseite kein Impressum aufweist und bei der [X.] Domainvergabestelle nur ein Anonymisierdienst registriert ist. Die Abmahnung des [X.], der das Webseiten-Angebot „...“ auf seinen Servern speichert, blieb ohne Erfolg; das Angebot wurde weder entfernt noch gesperrt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Oktober 2008 (Anlage Ast 24) mahnten die Antragstellerinnen die Antragsgegnerin erfolglos ab.

Die Antragstellerinnen machen geltend, dass die Antragsgegnerin die Rechte an ihren jeweils ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechten an den 5 streitgegenständlichen Kinofilmen verletze, indem sie ihren Kunden den Zugang zu der Webseite „…“ vermittelt und es damit ihren Kunden ermöglicht, die Filme - jedenfalls vorübergehend - zu vervielfältigen. Am 24. Oktober 2008 seien die streitgegenständlichen Filme über einen bei der Antragsgegnerin abonnierten [X.]zugang abgerufen worden. Die Antragsgegnerin hafte jedenfalls als Störerin bei den Vervielfältigungshandlungen ihrer Kunden auf Unterlassung. Eine Sperrung der Webseite „…“ im Wege einer [X.] sei der Antragsgegnerin auch zumutbar. Eine [X.] sei auch für die Sperrung geeignet. Zwingende Voraussetzung für die Ermöglichung des [X.]zugangs sei für die Antragsgegnerin der Betrieb und die Nutzung eines [X.]s. Dieser speichere in einer täglich aktualisierten Datenbank weltweit alle verfügbaren [X.]adressen (Domains) ab und löse die von dem [X.]nutzer angefragte URL/[X.]adresse in eine IP-Adresse, so dass der Zugang zu dem betreffenden Webserver und der Abruf der Webseite ermöglicht werde. Der [X.] sei etwa einem Telefonverzeichnis vergleichbar. Finde der [X.] für eine aufgerufene Domain keinen Eintrag, so könne der Zugang zu der Webseite nicht hergestellt werden. Der Antragsgegnerin sei es ohne nennenswerten Aufwand möglich, den [X.] für die zu sperrende Webseite zu entfernen. Damit werde ein Kunde der Antragsgegnerin, der „…“ eingibt, nicht mehr weitergeleitet. Eine Umgehung dieser Sperre wie etwa die direkte Eingabe der IP-Adresse oder die Verwendung eines alternativen [X.]s sei für einen Durchschnittsnutzer des [X.]s nicht ohne weiteres möglich. Bei einer entsprechenden Sperrung käme es auch zu keiner Beeinträchtigung legaler Inhalte, da nur die „…“-Inhalte, die größtenteils rechtwidrig seien, gesperrt würden.

Die Antragstellerinnen haben in der mündlichen Verhandlung klar gestellt, dass jede Antragstellerin die Unterlassung nur hinsichtlich des [X.] begehrt, an dem sie über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt.

Die Antragstellerinnen beantragen,

der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, Kunden bei Eingabe der Domain … den Zugang zu darunter abrufbaren Inhalten zu gewähren, soweit dort Links abrufbar sind, die den Kunden eine mindestens temporäre Vervielfältigung folgender Filmwerke oder von Teilen davon ermöglichen:

im Verhältnis zur Antragstellerin zu 1): „[X.]“,
im Verhältnis zur Antragstellerin zu 2): „[X.]“,
im Verhältnis zur Antragstellerin zu 3): „[X.] - Außer Kontrolle“,
im Verhältnis zur Antragstellerin zu 4): „[X.]“,
im Verhältnis zur Antragstellerin zu 5): „[X.] - [X.]“.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin stellt das Vorliegen der Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs in Abrede. Ihre Inanspruchnahme scheide wegen § 8 TMG und mangels Störereigenschaft aus. Es sei nicht ersichtlich, dass einer ihrer Kunden die streitgegenständlichen Filme vervielfältigt hätte oder dass diesbezüglich eine Gefahr konkret drohe. Selbst wenn eine Störerhaftung in Betracht gezogen werde, habe sie keine zumutbaren Prüfpflichten verletzt. Eine [X.] sei wegen der leichten Umgehungsmöglichkeit kein geeignetes Mittel zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen und kein zumutbares Mittel dagegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist, Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

A.

1

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, weil die Antragsgegnerin weder als Täterin oder Teilnehmerin noch als Störerin verpflichtet ist, ihren Kunden den Zugang zu dem [X.]auftritt „…“ mit den streitgegenständlichen Filmwerken oder von Teilen davon zu verwehren. Sie haftet auch nach Auffassung der Antragstellerinnen nicht für das öffentliche Zugänglichmachen der Filme durch die Betreiber von „…“.

I.

2

Eine Haftung der Antragsgegnerin als Täterin oder Teilnehmerin an den ihren Kunden vorgeworfenen rechtsverletzenden Vervielfältigungen der Filme ist nicht begründet. Sie ist Access-Provider und ihr Dienst beschränkt sich auf das passive automatische Verfahren der Durchleitung von fremden Informationen: Sie vermittelt ihren Kunden also nur den Zugang zu allen im [X.] vorhandenen Angeboten und hinsichtlich konkreter Inhalte - etwa der des [X.]auftritts “… “ - hat sie keine Kenntnis und darf sie auch keine Kenntnis nehmen. An [X.] der Kunden nimmt sie nicht teil.

II.

3

Eine ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlage, welche die Voraussetzungen einer Verpflichtung eines [X.] zu einer Sperrung des Zuganges zu einem [X.]auftritt, auf die das Begehren der Antragstellerinnen im Ergebnis gerichtet ist, fehlt. In Betracht kommt daher nur eine Verpflichtung der Antragsgegnerin nach den Regeln der Störerhaftung. Dabei geht das Gericht davon aus, dass in dem [X.]auftritt „…“ in weitaus überwiegendem Umfang rechtsverletzende Inhalte offeriert werden und dass auch Kunden der Antragsgegnerin dort unter anderem die Filme der Antragstellerinnen aufgerufen und heruntergeladen haben.

4

1. Auch ein Access-Provider unterliegt grundsätzlich der Störerhaftung. Zwar ist unter anderem der Access-Provider gemäß § 8 [X.] für das passive automatische Verfahren der Durchleitung von fremden Informationen von der Verantwortlichkeit für deren Inhalte freigestellt und gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] besteht keine Verpflichtung, die vermittelten Informationen zu überwachen. Nach der Rechtssprechung des [X.] (seit dem Urteil „[X.]versteigerung I“, [X.], 860, bestätigt und auf den vorbeugenden Unterlassungsanspruch erweitert durch das Urteil [X.]versteigerung II, [X.], 708, erweitert auch auf Forenbetreiber durch das Urteil „Meinungsforum“, [X.], 724) gelten diese Privilegierungen allerdings nicht für den Unterlassungsanspruch bei der Verletzung von Immaterialgüterschutzrechten. Zwar sind die Entscheidungen des [X.] nicht zur Haftung von [X.] ergangen, allerdings wird vom [X.] insoweit auch nicht differenziert. Zudem lässt § 7 Abs. 2 Satz 2 [X.] Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Grundsätzen von der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters ohne Differenzierung zwischen den Diensteanbietern unberührt. Dem entspricht auch die Intention von Art. 8 Abs. 3 der [X.] (EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft - [X.] 2001/29 [X.]) und dem dortigen Erwägungsgrund Nr. 59. Damit ist der Weg zur Störerhaftung auch des [X.] grundsätzlich eröffnet, ohne dass dazu es einer besonderen Umsetzung von Art. 8 Abs. 3 der [X.] bedarf (so auch die Stellungnahme der Bundesregierung vom [X.] im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie - BT-Drucksache 15/38, Anlage 3 „Zu Buchstabe d“).

5

2. Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Um eine solche Haftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, wird die Haftung des Störers durch Zumutbarkeitserwägungen im Hinblick auf Prüf- und Handlungspflichten zur Verhinderung und/oder der Störungsbeseitigung eingegrenzt, deren Art und Umfang sich nach [X.] und Glauben bestimmt (vgl. zu zumutbaren Vorkehrungsmaßnahmen: [X.] GRUR 1984, 54, 55 -Kopierläden; vgl. zu zumutbaren Prüfpflichten: [X.] GRUR 1999, 418, 420 – Möbelklassiker – und [X.] GRUR 1997, 313, 315 - Architektenwettbewerb). Bei einem Access-Provider kommt dabei, davon gehen auch die Antragstellerinnen aus, eine Störerhaftung erst in Betracht, nachdem ihm Kenntnis von der Rechtsverletzung vermittelt worden ist, und, so die Gesetzesbegründung zu § 10 TDG, wenn die Entfernung oder Sperrung technisch möglich sowie zumutbar ist (BT-Drucksache 14/6098, [X.], 25). Das gilt unverändert für das [X.] weiter, denn nach der Gesetzesbegründung sind in den §§ 7 bis 10 [X.] die in den §§ 5 bis 11 TDG enthaltenen Regelungen unverändert übernommen worden (BT-Drucksache 16/3078, [X.]). Im Übrigen finden sich diese Voraussetzungen auch in der Regelung des § 59 Abs. 4 RStV mit einer vergleichbaren Zielrichtung im öffentlichen Recht.

6

3. Die Dienstleistung der Antragsgegnerin ist adäquat kausal für die geltend gemachten Rechtsverletzungen. Ein Verhalten ist adäquat kausal, wenn es im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen ( [X.] NJW 2005, 1420, 1421 [X.]). Wenn die Antragsgegnerin ihren Kunden den Zugang zum [X.] vermittelt, dann führt das nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auch zum Aufruf und Download rechtswidriger Inhalte aus dem [X.] wie den streitgegenständlichen Filmen. Das begründet die erforderliche Adäquanz der Kausalität des Dienstes der Antragsgegnerin für die [X.] ihrer Kunden. Die Auffassung, dass es sich beim [X.] um eine sozial erwünschte Tätigkeit handele und es damit nicht zu vereinbaren sei, die Vermittlung des Zugangs zum [X.] als adäquat kausale Herbeiführung aller im [X.] stattfinden Verstöße gegen [X.] Recht anzusehen mit der Folge einer mit diesem Geschäftsmodell nicht zu vereinbarenden Flut von Ansprüchen gegen die Accessprovider (so Schnabel , Anmerkung zu [X.], Urteil vom 23.11.2007, [X.], 123, 125), verkennt die insoweit wertfreie Voraussetzung der Adäquanz eines ursächlichen Verhaltens. Das Korrektiv zur Vermeidung einer danach ausufernden Haftung ist die Begrenzung der Haftung danach, wieweit sie der als Störer in Anspruch genommenen [X.] billigerweise zugemutet werden kann (so schon [X.] GRUR 1965, 104, 106 – Personalausweise). Aus dieser Erwägung dürfte auch der durchaus bedenkenswerte Ansatz nicht zum Tragen kommen, den Verursachungsbeitrag, der der gebilligten und erwünschten Tätigkeit des [X.] innewohnt, unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Störerhaftung bereits bei der [X.] dahingehend zu überprüfen, ob dieser Beitrag das Verletzungsrisiko gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko überhaupt in beachtlicher Weise erhöht hat; dahingehende Wertungen fließen nach der dargestellten Rspr. des [X.] vielmehr in die nachfolgende Zumutbarkeitsprüfung ein.

7

4. Die Frage der Störerhaftung des [X.] entscheidet sich daher bei der Voraussetzung der technischen Möglichkeit und der Zumutbarkeit der mit der begehrten Sperrungsanordnung verbundenen Pflichten.

8

a) Die verlangte Sperrungsanordnung ist technisch möglich.

9

Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzung der technischen Möglichkeit im Hinblick auf die allgemeinen Regelungen zur Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB lediglich deklaratorisch oder gar überflüssig ist. In jedem Falle ist ein Anspruch auf eine unmögliche Leistung ausgeschlossen.

10

Die hier begehrte Leistung ist der Antragsgegnerin jedoch nicht unmöglich. Nach Auffassung der Kammer setzt die technische Möglichkeit einer Sperrung nicht voraus, dass die Erreichbarkeit einer rechtswidrigen Information dadurch endgültig verhindert wird. Es reicht vielmehr, wenn eine Zugangsbeschränkung im Sinne einer Erschwerung herbeigeführt werden kann. [X.] der Sperrung sind bei der Möglichkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen( [X.], [X.], 348, 351f - Sperrungsverfügung; VG Düsseldorf, Sperrungsverfügung gegen Access-Provider MMR 2005, 794, 797; [X.]/[X.], K&R 2004, 418, 423). Es kommt nur darauf an, dass dem Nutzer der Zugriff auf dem Weg nicht mehr möglich ist, den die Sperrung den die Sperrung unterbricht (vgl. Billmeier, „ Die [X.] Sperrungsverfügung“, [X.] 2007, [X.]). Erforderlich für die Annahme der technischen Möglichkeit einer Sperrung ist nach Auffassung der Kammer auch nicht, dass diese sich auf die zu sperrende rechtswidrige Information beschränkt ([X.]/[X.], K&R 2004, [X.], 423; a.A.: Billmeier, a.a.[X.]; [X.], [X.], 208, 210; [X.], K&R 2002, 398, 408). Die Fragen der [X.] und der überschießenden Sperrung anderer Inhalte können Gegenstand der im Rahmen der Zumutbarkeit anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sein.

11

Davon ausgehend ist die verlangte [X.] bereits in Form der im Vordergrund erörterten [X.] technisch möglich.

12

b) Die mit der begehrten Sperrungsanordnung verbundenen Pflichten sind der Antragsgegnerin aber nicht zumutbar.

13

aa) Der [X.] fordert im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung eine Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen ([X.], [X.], 634, 637 - Jugendgefährdende Medien bei [X.]). Soweit die zitierte Entscheidung wettbewerbliche Verkehrspflichten betrifft, gilt das, wie auch die Bezugnahme auf Entscheidung betreffend Immaterialgüterrechte verdeutlicht ([X.] GRUR 1997, 313, 315 f. - Architektenwettbewerb; [X.] MMR 2001, 671 - ambiente.de ), in gleicher Weise für die Pflichtenprüfung bei Störerhaftung zum Schutz absoluter Rechte im Bereich der Immaterialgüterrechte.

14

bb) Das Interesse der Antragstellerinnen ist dadurch geprägt, dass durch das unterstellte rechtsverletzende Vervielfältigen ihrer jeweiligen Filme durch Kunden der Antragsgegnerin in ihr entsprechendes urheberrechtliches Nutzungsrecht eingegriffen wird und sie dadurch bei der wirtschaftlichen Auswertung der Filme behindert werden. Ein Zugriff auf die nicht bekannten Betreiber der des [X.]auftritts „…“ ist nicht möglich und eine Inanspruchnahme des [X.] nicht erfolgversprechend. Eine Sperrung des Zuganges ihrer Kunden zu dem [X.]auftritt durch die Antragsgegnerin stellt sich für sie derzeit als einzige Möglichkeit dar, weiteres Herunterladen der Filme durch Kunden der Antragsgegnerin zu unterbinden.

15

cc) Bei der Antragsgegnerin ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass diese lediglich ein automatisch ablaufendes Verfahren zur Verfügung stellt, welches ihren Kunden den Zugriff auf die [X.]inhalte vermittelt. Ihr passiv neutraler automatischer Beitrag ist nicht vergleichbar mit dem eines Plattformbetreibers, wie er den [X.]-Entscheidungen zu den [X.]auktionshäusern zugrunde lag (so auch [X.], [X.], 93, 94 - Access-Provider, dort zu wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen), und dem eines Forenbetreibers. Dort hat bei der Frage der Zumutbarkeit von Pflichten darauf abgestellt werden können, dass die Betreiber der Plattformen und Foren selbst die Gefahrenquellen für Rechtsverletzungen gesetzt haben, es ihnen gerade auch auf die Inhalte ankommt und dass dort ganz andere Möglichkeiten einer besseren Beeinflussung und Kontrolle der Inhalte bestand. Die Antragsgegnerin hat dem gegenüber selbst keine neue Gefahrenquelle gesetzt und als neutraler technischer Vermittler mit den von ihr vermittelten Inhalten nichts zu tun und keinerlei Einfluss darauf. Sie hat damit einen deutlich größeren Abstand zu den rechtsverletzenden Inhalten, wodurch auch die Zumutbarkeitsgrenzen eingeengt werden.

16

dd) Die Erfüllung der Verpflichtung wäre für die Antragsgegnerin mit zusätzlichem wirtschaftlichen Aufwand verbunden.

17

Die Antragsgegnerin schuldet ihren Kunden vertraglich den ungehinderten Zugang zum [X.]. Wenn von ihr verlangt wird, den Zugang zu einem [X.]auftritt zu sperren, weil ihre Kunden beim Aufruf dieser Seite eine Rechtsverletzung begehen, dann bedarf es einer umfassenden Prüfung in sachlicher und rechtlicher Hinsicht, ob die Sperrung tatsächlich gerechtfertigt ist. Bei einem Sachverhalt wie dem [X.] sind die Aktivlegitimation von fünf Antragstellerinnen und der Umfang der in Betracht zu ziehenden Rechtsverletzungen zu beurteilen. Das bedingt eine zeitlich durchaus aufwendige juristische Prüfung. Weiter müsste die geforderte [X.] eingerichtet und gegebenenfalls kontrolliert werden. Insgesamt wird für die Erfüllung dieser Aufgaben eine neue Infrastruktur erforderlich sein.

18

Der damit verbundene Aufwand entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen bei der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen. Denn das von der [X.] nicht nur gebilligte, sondern für das Funktionieren des [X.]s unabdingbare Kerngeschäft der Antragsgegnerin ist das inhaltsneutrale automatische Vermitteln und durch die hier dargestellten Pflichten werden ihr davon abweichende zusätzliche Aufgaben abverlangt, so dass es gerechtfertigt erscheint, den damit verbundenen Aufwand in die Zumutbarkeitsprüfung einfließen zu lassen.

19

ee) Bei der Frage der Zumutbarkeit ist schließlich mit der Eignung der in Betracht kommenden Maßnahme zu berücksichtigen, hier die der geforderten „[X.]“. Denn je geringer die Eignung ist, umso weniger wird von der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des dargestellten zusätzlichen Aufwandes die Einrichtung einer solchen Sperre verlangt werden können.

20

Die Eignung einer „[X.]“ zur Verhinderung des Zugriffs auf einen [X.]auftritt ist aufgrund von [X.], etwa durch Eintragung eines anderen Nameservers, nur beschränkt (vgl. [X.], [X.], 123, 124; [X.], [X.], 291). Ohne Erfolg verweisen die Antragstellerinnen darauf, dass die Mehrzahl der durchschnittlichen [X.]nutzer durch eine [X.] davon abgehalten würden, einen anderen Weg zu dem gesperrten [X.]auftritt zu suchen. Dem Gericht ist es in wenigen Minuten gelungen, eine [X.]seite mit einer Anleitung zur Umgehung mit den verfügbaren [X.] zu finden. Den Nutzern solcher Filmdownloadseiten wie „…“, es dürften im Wesentlichen internetaktive Jugendliche und junge Erwachsene sein, wird das im Zweifel noch schneller gelingen.

21

ff) Insgesamt ist unter Berücksichtigung der eingeschränkten Wirkung der geforderten [X.], der durch die rein objektive Unterstützung der behaupteten Verletzungshandlungen durch die Antragsgegnerin eingeschränkten Zumutbarkeit und des [X.] auch unter Berücksichtigung der Interessen der Antragstellerinnen ein Anspruch aus Störerhaftung zu verneinen.

22

c) Damit erweist sich der geltend gemachte Anspruch als nicht begründet. Die Kammer verkennt nicht, dass ihre Wertungen dazu führen, dass eine zivilrechtliche Inanspruchnahme eines [X.] auf Sperrung eine [X.]seite derzeit mit der Störerhaftung praktisch kaum durchsetzbar sein dürfte, und dass es danach vielmehr entgegen der Stellungnahme der Bundesregierung vom [X.] im Rahmen der Umsetzung der [X.] (BT-Drucksache 15/38, Anlage 3 „Zu Buchstabe d) einer der Intention von Art. 8 Abs. 3 der [X.] entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft hätte, wie etwa mittlerweile im Rahmen des § 101 [X.] im Hinblick auf Auskunftsansprüche gegen Provider geschehen ist.

B.

23

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung war daher mit den sich aus den Regelungen der §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO ergebenden Nebenentscheidungen zurückzuweisen.

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Meta

308 O 548/08

12.11.2008

Landgericht Hamburg 8. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

§ 1004 BGB, §§ 7, 8 TMG

Zitier­vorschlag: Landgericht Hamburg, Urteil vom 12.11.2008, Az. 308 O 548/08 (REWIS RS 2008, 889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 889

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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