Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. V ZB 187/06

V. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3184

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[X.][X.] vom 28. Juni 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 233 [X.] Ist ein für das Rechtsmittelgericht bestimmter fristgebundener Schriftsatz bei dem mit der Sache befassten erstinstanzlichen Gericht eingereicht worden, darf der Rechtsanwalt auf dessen Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang auch dann vertrauen, wenn er seinen Fehler noch rechtzeitig vor Fristablauf bemerkt. [X.], [X.]. v. 28. Juni 2007 - [X.]/06 - OLG [X.]resden [X.]

- 2 -[X.]er V. Zivilsenat des [X.] hat am 28. Juni 2007 durch [X.] [X.]r. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.]r. Stresemann und [X.] Czub und [X.]r. Roth beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der [X.]uss des 10. Zivilsenats des [X.]s [X.]resden vom 30. Oktober 2006 aufgehoben. [X.]er [X.] wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. [X.]ie Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. [X.]er Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 49.143,66 •. Gründe: [X.] [X.]ie Beklagte ist durch ein am 2. [X.]ezember 2005 verkündetes Urteil des [X.] zur Zahlung verurteilt worden. Mit einem an das [X.] gerichteten Schriftsatz vom 24. April 2006 legte der [X.] der [X.] gegen das noch nicht zugestellte Urteil Berufung ein und 1

- 3 -beantragte zugleich, ihm das Urteil kurzfristig zu übermitteln. [X.]ies geschah am 2. Mai 2006. [X.]en Schriftsatz vom 24. April 2006 leitete das [X.] nicht an das [X.] weiter. Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist fragte ein Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten der [X.] bei dem [X.] nach dem dortigen Aktenzeichen und erhielt die Mitteilung, dass eine Beru-fung in dieser Sache nicht registriert sei. [X.]ie Beklagte hat ihre rechtzeitig eingegangene Berufungsbegründung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist verbunden. 2 [X.]as [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückge-wiesen und die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] als unzulässig verworfen. [X.]agegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der [X.]. [X.]ie Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. 3 I[X.] [X.]as Berufungsgericht meint, die Beklagte könne sich nicht darauf be-rufen, dass das [X.] verpflichtet gewesen sei, die Berufungsschrift an das [X.] zu senden. Zwar müsse ein zuvor mit dem Verfahren befasstes Gericht nach der Rechtsprechung des [X.] eine [X.] an das zuständige Gericht weiterleiten. Hier gelte aber etwas anderes, weil der Schriftsatz vom 24. April 2006 inhaltlich nicht nur für das [X.], sondern auch für das [X.] bestimmt gewesen sei. Zudem habe der Prozessbevollmächtigte der [X.] anlässlich der Zustellung des Urteils am 2. Mai 2006 die falsche Adressierung der Beru-fungsschrift bemerken und die rechtzeitige Berufungseinlegung sicherstellen können. Er habe auch damit rechnen müssen, dass das [X.] den 4

- 4 -Schriftsatz vom 24. April 2006 durch die Urteilszustellung als beantwortet ansehen und ihn deshalb nicht an das [X.] weiterleiten würde. [X.]er Prozessbevollmächtigte sei deshalb gehalten gewesen, innerhalb der bis zum 2. Juni 2006 laufenden Berufungsfrist bei dem [X.] nach-zufragen, ob der Schriftsatz dort eingegangen sei. [X.]a er dies unterlassen habe, sei die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden der [X.] versäumt worden. II[X.] 1. [X.]ie Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch zulässig. [X.]ie Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.], weil das Berufungsgericht die Anforderung an das, was eine [X.] veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt und dadurch den Anspruch der [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt hat (vgl. Senat, [X.] 151, 221, 226). 5 2. [X.]ie Rechtsbeschwerde ist begründet. 6 a) [X.]as Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass die Beklagte die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) versäumt hat, weil die Einreichung einer [X.] bei einem unzuständigen Gericht nicht fristwahrend wirkt und der Schriftsatz vom 24. April 2006 nicht innerhalb eines Monats seit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an das [X.] gelangt ist. 7

- 5 -b) [X.]er [X.] ist auf ihren rechtzeitigen Antrag hin jedoch Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 ZPO). 8 aa) Nach der auf eine Entscheidung des [X.] zurückgehenden Rechtsprechung des [X.] darf ein Rechts-suchender darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes [X.] einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimm-ten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die [X.] auch darauf vertrauen, dass er noch fristgerecht bei dem Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, ist der [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewäh-ren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. [X.] 93, 99, 115; [X.], [X.]. v. 1. [X.]ezember 1997, [X.], NJW 1998, 908; [X.]. v. 3. September 1998, [X.], [X.], 1170, 1171; [X.]. v. 27. Juli 2000, [X.], NJW-RR 2000, 1730, 1731; [X.]. v. 6. Juni 2005, [X.], NJW-RR 2005, 1373; [X.]. v. 3. Juli 2006, [X.], [X.], 3499). Hiernach durfte die Beklagte darauf vertrauen, dass ihre mehr als fünf Wochen vor Ablauf der Berufungsfrist bei dem [X.] eingereichte Berufungsschrift an das [X.] weitergeleitet werden und dort rechtzeitig eingehen würde. 9 bb) [X.]ie von dem Berufungsgericht hervorgehobenen Besonderheiten des Sachverhalts rechtfertigen keine Abweichung von diesem Grundsatz. 10 (1) [X.]ie Verpflichtung des [X.], den Schriftsatz vom 24. April 2006 an das [X.] weiterzuleiten, entfiel entgegen der [X.] des Berufungsgerichts nicht deshalb, weil dieser neben der [X.] auch den - zutreffenderweise - an das [X.] gerichteten 11

- 6 -Antrag enthielt, das erstinstanzliche Urteil zu übermitteln. Zwar durfte und musste sich das [X.] zunächst mit dem in seinen Zuständigkeitsbe-reich fallenden Antrag befassen. [X.]a dieser in der Sache aber nur eine Erin-nerung an die Zustellung des verkündeten Urteils enthielt, also nichts erfor-derlich machte, was nicht ohnehin von Amts wegen zu geschehen hatte (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO), hätte das [X.] feststellen müssen, dass der Antrag die Weiterleitung des Schriftsatzes an das [X.] nicht hinderte. Aus diesem Grund und weil die Einlegung der Berufung - auch der äußeren Gestaltung nach - erkennbar das Hauptanliegen des Schriftsatzes war, musste der Prozessbevollmächtigte der [X.] auch nicht damit rechnen, dass das [X.] den Schriftsatz durch die nachfol-gende Zustellung des erstinstanzlichen Urteils als beantwortet ansehen wür-de. [X.]ie Weiterleitung an das [X.] durfte, anders als das Be-rufungsgericht meint, nicht deshalb unterbleiben, weil der Schriftsatz, da er inhaltlich auch für das [X.] bestimmt war, in die Akte des [X.]s gehörte. [X.]er Schriftsatz hätte seine Eigenschaft als Aktenbestandteil nicht dadurch verloren, dass er an das [X.] weitergereicht worden wäre, dieses anschließend die Akten des [X.] angefordert und den Schriftsatz dann in diese oder in einen neu anzulegenden [X.] eingeheftet hätte. 12 (2) Ob der Prozessbevollmächtigte der [X.] die falsche [X.] anlässlich der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils erkennen konnte oder tatsächlich erkannt hat, ist entgegen der Auf-fassung des Berufungsgerichts unerheblich. Es trifft nicht zu, dass die Ver-pflichtung eines Gerichts, eine [X.] an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten, nur dann zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt, 13

- 7 -wenn die falsche Adressierung bis zum Fristablauf unbemerkt bleibt. [X.]er Rechtssuchende darf darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst [X.] den bei ihm eingegangenen, aber für das Rechtsmittelge-richt bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin [X.] wird ([X.] 93, 99, 115). Wer darauf vertrauen darf, dass sein Fehler korrigiert wird, darf dies auch und gerade dann tun, wenn er seinen Fehler bemerkt. [X.]ementsprechend hat der [X.] bereits entschieden, dass es, wenn eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäfts-gang erwartet werden konnte, ohne Bedeutung ist, ob die [X.] oder ihr

- 8 -Prozessbevollmächtigter die falsche Adressierung der [X.] noch rechtzeitig bemerkt hat und daher selbst in der Lage war, durch [X.] einer neuen fehlerfreien Berufungsschrift die Frist auch auf anderem Weg zu wahren ([X.]. v. 1. [X.]ezember 1997, [X.], NJW 1998, 908, 909). [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.12.2005 - 5 O 4791/04 - OLG [X.]resden, Entscheidung vom 30.10.2006 - 10 U 1270/06 -

Meta

V ZB 187/06

28.06.2007

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. V ZB 187/06 (REWIS RS 2007, 3184)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3184

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