Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2013, Az. IX ZB 85/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8314

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB 85/12

vom

7. Februar
2013

in dem
Insolvenzverfahren

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
den
Richter
Vill, die Richterin [X.], [X.]
[X.] und Dr. Pape

am
7. Februar
2013
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 14.
Juni 2012 in der Fassung des [X.] vom 3.
August 2012 wird auf Kos-ten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 7.200

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Am 9.
August 2011 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zum Treuhänder bestellt. Die Schuldnerin ist langfristig erkrankt und bezieht
ein monatliches
Krankengeld

.
Mit Schriftsatz vom 21.
November 2011 hat der Treuhänder beim Insolvenzgericht beantragt, das
pfändbare
Arbeitsein-kommen
der Schuldnerin zu berechnen.
Dem Krankengeld
der Schuldnerin
sei
der
Wert der von ihr unentgeltlich genutzten Immobilie, der auf
anteilig 600

pro Monat festzusetzen sei, hinzuzurechnen. Die Schuldnerin ist diesem Antrag 1
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-
entgegengetreten. Das Insolvenzgericht hat ihn abgelehnt.
Die sofortige Be-schwerde des Treuhänders ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Beschwer-degericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt
der Treuhänder die Aufhe-bung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zusammenrechnung der von der Schuldnerin bezogenen Sozialleistungen und des Nutzungswerts der
von ihr mitbewohnten Immobilie.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §
574 Abs. 1 Satz
1 Nr.
2, §
793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

1. Das Insolvenzgericht hat als besonderes Vollstreckungsgericht (§
36 Abs.
4 Satz
1 [X.])
gemäß § 850e ZPO
über die Höhe des pfändungsfreien Einkommens des Schuldners entschieden. In einem solchen Fall bestimmt sich auch der Rechtsmittelzug nach den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften ([X.], Beschluss vom
16.
Juni 2011 -
IX
ZB 166/11, [X.], 486, Rn.
4; vom 5.
Juni 2012 -
IX
ZB 31/10, [X.], 1260 Rn.
3; vom 13.
Dezember 2012 -
IX
ZB 7/12,
Z[X.] 2013, 98
Rn.
3). Gegen vollstreckungsrechtliche [X.] gemäß § 793 ZPO ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn sie vom Beschwerdegericht zugelassen ist. Dies ist hier der Fall.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.], [X.] vom 24.
November 2003 -
II
ZB 37/02, [X.], 1698, 1699; vom 12.
März 2009 -
IX
ZB 193/08, [X.], 885 Rn.
5
ff; vom 10.
Mai 2012
-
IX
ZB 295/11, [X.], 1085 Rn.
15) ist die Entscheidung über die Zulas-sung schon in dem Beschluss des [X.] zu treffen, mit dem es 2
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-

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-
über die sofortige Beschwerde entschieden hat. Eine nachträgliche Entschei-dung über die Zulassung kommt regelmäßig nicht in Betracht. Hiervon ausge-nommen sind jedoch Fälle, in denen das Beschwerdegericht eine beschlossene Zulassung der Beschwerde versehentlich
nicht
in seine Entscheidung aufge-nommen hat
und
sich aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder seiner Verkündung ergibt, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen und nur verse-hentlich nicht in dem Beschluss ausgesprochen worden ist ([X.], Beschluss vom 12.
März 2009, aaO Rn. 8 mwN).
In diesen Fällen kann eine Berichtigung des Beschlusses nach §
319 ZPO erfolgen.

b) Im Streitfall kann dem Beschluss des [X.] vom 14.
Juni 2012 entnommen werden, dass die Entscheidung über die Rechtsbe-schwerde nur versehentlich unvollständig geblieben ist und damit eine offenba-re Unrichtigkeit im Sinne des §
319 ZPO vorgelegen hat. Das [X.] hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, soweit sich seine Entschei-dung darauf bezieht, ob der Ehemann der Schuldnerin bei der Berechnung des pfändungsfreien Einkommens als Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen ist. Hieraus folgt, dass es sich bei Erlass seiner Entscheidung mit der Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde auseinandergesetzt hat. Die Formulierung:
"

soweit sich die vorliegende Entscheidung " im Tenor des Beschlusses lässt darauf schließen, dass im Übrigen die Rechtsbeschwerde zugelassen werden sollte.
Dies
ist
in dem Berichtigungsbeschluss vom 3. August
2012 nachträglich geschehen. Damit liegt eine
das Rechtsbeschwerdegericht bin-dende (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO)
nachträgliche Zulassung vor.

2. Die Rechtsbeschwerde ist
auch im Übrigen
zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.
Der weitere Beteiligte hat mit der nach Zustellung des 5
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-

5

-
[X.] am 13. August 2012
am 17. August 2012 beim Bun-desgerichtshof eingelegten Rechtbeschwerde die Frist des §
575 Abs.
1 Satz 1 ZPO gewahrt. Die von dem weiteren Beteiligten vorsorglich beantragte Wieder-einsetzung in die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ist damit gegen-standslos.

Die Berichtigung eines Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß
§
319
ZPO hat grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von [X.] ([X.], Beschluss vom 17. Januar 1991 -
VII
ZB 13/90, [X.]Z 113, 228, 230; vom 28. Juni 2000 -
XII
ZB 157/99, NJW-RR 2001, 211; vom 12. [X.] 2004 -
V
ZR 125/03, NJW-RR 2004, 712, 713). Etwas anderes gilt
aus-nahmsweise
dann,
wenn die Entscheidung
als Grundlage für die Entschließun-gen und
das weitere Handeln der Verfahrensbeteiligten
und für die Entschei-dung des Rechtsmittelgerichts
nicht geeignet ist, insbesondere
wenn die [X.] erst durch die Berichtigung Kenntnis davon erlangt, dass
das Rechtsmittel aus-drücklich zugelassen ist ([X.], Urteil vom 7. November 2003 -
V
ZR 65/03, WM
2004, 891, 893;
Beschluss
vom 12. Februar 2004, aaO;
vom 11. Mai 2004
-
VI
ZB 19/04; NJW 2004, 2389).

Die Voraussetzungen dieses Ausnahmefalls sind hier gegeben.
Das
Be-schwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde
ausdrücklich
nicht schon in dem Beschluss vom 14.
Juni 2012, sondern erst in
dem nachfolgenden Berichti-gungsbeschluss vom 3. August 2012
zugelassen.
Die [X.] deshalb aus Sicht des weiteren Beteiligten
erst nach Zustellung dieses [X.]es wirksam eingelegt werden.

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6

-
III.

In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

1.
Das Beschwerdegericht meint, eine Zusammenrechnung
der Einkünfte der Schuldnerin mit dem Nutzungswert der Immobilie komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Folge der Anordnung der Zwangs-verwaltung der Schuldnerin und ihrem Ehemann entzogen worden und auf den Zwangsverwalter übergegangen seien. Dieser habe zu entscheiden, welche Nutzungen auf dem Grundstück stattfänden und ob der Schuldnerin und ihrem Ehemann die Nutzung des gesamten Anwesens überlassen bleibe. Ein Verwal-tungs-
und Verfügungsrecht
hinsichtlich des Grundstücks
gemäß §
313 Abs.
1 Satz
2, §
80 Abs.
1 Satz
1 [X.] habe der Treuhänder aufgrund der Anordnung der Zwangsverwaltung nicht erworben.

2.
Diese Ausführungen halten der Rechtsbeschwerde
nur
im Ergebnis stand. Deren Auffassung, der anteilige Nutzungswert des Grundstücks stelle ungeachtet der
Anordnung der Zwangsverwaltung sonstiges Einkommen der Schuldnerin dar, das mit ihren Einkünften zusammengerechnet werden müsse, um eine Gleichstellung von Schuldnern, die zur Miete wohnten, und von Schuldnern, die eine
eigene
Immobilie nutzten, zu erreichen, kann der Rechts-beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Grundlage des Begehrens des Treuhänders ist zunächst § 850e Nr. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift sind auf Antrag mehrere Arbeitseinkommen des Schuldners bei der Pfändung zusammenzurechnen. Zuständig für den Antrag ist nach § 850e Nr. 2 ZPO im eröffneten Insolvenzverfahren das Insolvenzge-9
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-
richt als besonderes Vollstreckungsgericht (§ 36 Abs. 4 [X.]). Die Vorausset-zungen der Vorschrift des § 850e Nr. 2 ZPO sind jedoch nicht erfüllt. Grundvo-raussetzung für eine Zusammenrechnung ist, dass die einzubeziehende Leis-tung Arbeitseinkommen darstellt, also von einem Arbeitgeber aufgrund eines Arbeitsvertrages als Entgelt für Arbeitsleistungen des Schuldners gezahlt wird. Der hier gegebene Fall, dass der Schuldner mietfrei im eigenen Haus wohnt, ist damit nicht erfasst. Gleiches gilt für die Vorschrift des § 850e Nr. 2a ZPO, [X.] ein Zusammenrechnen von Arbeitseinkommen mit Ansprüchen
auf laufen-de Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch erlaubt. Der Wohnvorteil stellt keine Sozialleistung dar. Eine Anwendung der Vorschrift des § 850e Nr. 3 ZPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nur Leistungen ein und desselben Arbeitgebers erfasst.

Kayser
Vill

[X.]

[X.]
Pape
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.02.2012 -
110 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 14.06.2012 -
4 [X.] -

Meta

IX ZB 85/12

07.02.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2013, Az. IX ZB 85/12 (REWIS RS 2013, 8314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8314

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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