Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2012, Az. 5 AZR 815/11

5. Senat | REWIS RS 2012, 1452

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Gegenstand

Warengutschein


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] - [X.] - vom 24. Mai 2011 - 14 [X.] - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. November 2010 - 6 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Gewährung eines Personalrabatts bei Einsatz von [X.].

2

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweitem Filialsystem und wendet die Tarifverträge des Einzelhandels an. Die Klägerin ist in [X.] im Verkauf beschäftigt. Nach den Feststellungen des [X.] gewährt die Beklagte ihren Mitarbeitern entsprechend „einer gefestigten betriebsüblichen Praxis“ bei Käufen für den eigenen Bedarf auf den gültigen Laden- bzw. Verkaufspreis einen Personalrabatt i[X.]v. 25 %. In einer nicht mitbestimmten Anlage 2 zu der Gesamtbetriebsvereinbarung „Personaleinkaufskarte“ vom 28. September/12. Oktober 2007 finden sich hierzu nähere Regelungen.

3

Am 10. Juli 2008 vereinbarten der Einzelhandelsverband [X.] e. V. und der [X.]andelsverband BAG [X.] e. V. mit der [X.] ([X.]) eine Änderung des Manteltarifvertrags Einzelhandel [X.] (fortan: [X.]).

4

§ 19C [X.] erhielt folgende Fassung:

        

„1.     

Arbeitnehmer/-innen im Verkauf erhalten ab 1.1.2009 bis zum 31.12.2010 eine Vorsorgeleistung in [X.]öhe von 150,00 [X.].

        

…       

        
        

4.    

Dieser Betrag kann grundsätzlich nur in den nachfolgend genannten Formen und nicht als Barlohn vom Arbeitnehmer beansprucht werden. Der Arbeitgeber kann wählen, in welcher der folgenden Formen er die Leistung erbringen will:

                 

-       

Erhöhung des [X.] zur Altersvorsorge nach § 2.a) des [X.] über tarifliche Altersvorsorge vom 28.06.2001 um 150,00 Euro auf 450,00 Euro. Entscheidet sich der Arbeitgeber für diese Leistungsform, so gelten die Regelungen des Tarifvertrags über tarifliche Altersvorsorge für diesen erhöhten Arbeitgeberbeitrag entsprechend.

                 

-       

Wertguthaben auf einem Langzeitkonto, soweit eine betriebliche Regelung besteht.

                 

Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist die Leistung in Form von [X.] zu erbringen.

        

5.    

... Will der Arbeitnehmer abweichend von den oben genannten Vorsorgeleistungen den Warengutschein erhalten, so hat er dies dem Arbeitgeber bis zum 30.11. des Vorjahres (erstmals zum 30.11.2008) schriftlich mitzuteilen.

        

6.    

Die Leistung ist unabhängig von der gewählten Leistungsform auf bisher erbrachte und zukünftig zu erbringende übertarifliche Leistungen voll anrechenbar.“

5

Die Klägerin wählte einen Warengutschein. Anlässlich der Aushändigung wies die Beklagte darauf hin, dass bei der Verwendung des [X.] kein Personalrabatt in Anspruch genommen werden könne.

6

Die Klägerin bezog 2010 unter Verwendung des [X.] Waren im Verkaufswert von 149,60 Euro. Die Beklagte gewährte keinen Personalrabatt.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch bei Verwendung von [X.] sei der übliche Personalrabatt zu gewähren. Der Gutschein stehe Bargeld gleich.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr beim Einkauf mit dem auf Grundlage von Ziff. 4 des Tarifvertrags für den Einzelhandel vom 10. Juli 2008 erteilten Warengutschein den Personalrabatt i[X.]v. 25 % zu gewähren,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Warengutschein i[X.]v. 37,40 Euro zu erteilen,

        

3.    

hilfsweise,

                 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 37,40 Euro netto zuzüglich fünf Prozent Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie habe einseitig bestimmen dürfen, dass sie den Personalrabatt als freiwillige Leistung nicht auf den neu eingeführten Warengutschein gewähre. [X.] der Anspruch, sei er auf die übertarifliche Leistung Personalrabatt voll anrechenbar. [X.]ilfsweise rechne sie mit dem der Klägerin für 2009 und 2010 gewährten Personalrabatt auf.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat dem Feststellungsantrag und dem [X.]ilfsantrag stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]n ist begründet. Das [X.] hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die [X.] ist nicht verpflichtet, der Klägerin bei einem Einsatz von [X.] einen Personalrabatt zu gewähren.

I. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Klägerin an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige rechtliche Interesse zukommt, denn dieses Interesse ist lediglich für eine stattgebende Entscheidung unverzichtbar (st. Rspr., vgl. [X.] 24. September 2008 - 6 [X.]/07 - [X.]E 128, 73, 76 f.).

II. Beim Bezug von Waren unter Inanspruchnahme von [X.] hat die [X.] der Klägerin keinen Personalrabatt einzuräumen.

1. Ein Anspruch auf Gewährung des Personalrabatts folgt nicht aus dem Tarifvertrag. Die [X.] hat die nach § 19C [X.] geschuldete Vorsorgeleistung auf Wunsch der Klägerin (§ 19C Ziff. 4 aE [X.]) in Form eines [X.] erbracht. Der Tarifvertrag regelt aber nicht, ob der Nominalwert des [X.] dem Ladenpreis der bezogenen Waren oder dem für den Personaleinkauf verminderten Preis entspricht.

2. Ein Anspruch auf Gewährung des Personalrabatts folgt ebenfalls nicht aus der Gesamtbetriebsvereinbarung „Personaleinkaufskarte“, denn diese regelt keine Rabattansprüche einzelner Arbeitnehmer. Die insofern allein in Betracht zu ziehenden Anlagen 1 und 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung sind allein von der [X.]n formuliert und nicht mitbestimmt (§ 6 Satz 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung).

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Rabattgewährung ergibt sich auch nicht aus der (nicht mitbestimmten) Anlage 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung oder einer von dieser als rechtlich existent vorausgesetzten Gesamtzusage oder betrieblichen Übung. Denn der Bezug von Waren der [X.]n gegen Vorlage von [X.] ist kein „Personaleinkauf“ im Sinne dieser Regelungen. Vielmehr stellt die Leistung von Waren auf der Grundlage von [X.] eine Naturalvergütung dar, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses, nicht aber auf der Grundlage eines Kaufvertrags geschuldet wird. Der Warengutschein ist ein Sachbezug.

a) § 19C Ziff. 4 [X.] begründet einen Sachbezugsanspruch der Arbeitnehmer im Verkauf mit flexibler Arbeitszeit. Bereits sprachlich ist ein Warengutschein als tariflich geschuldete Vergütung auf den Bezug einer Ware und damit eines Sachwerts gerichtet. Diese Wortbedeutung wird dadurch bestätigt, dass der [X.] ausdrücklich die Leistung eines Barlohns anstelle des [X.] ausschließt. Es soll dem Arbeitnehmer nicht ein weiterer [X.]-Betrag, sondern eine Ware geleistet werden. Allerdings bestimmt nicht der Arbeitgeber als Schuldner der Naturalvergütung das Produkt oder die Produkte, die dem Arbeitnehmer als Sachbezug übereignet werden sollen, sondern der Arbeitnehmer hat das Recht, eine von seinem Arbeitgeber im Einzelhandel vertriebene Ware im Wert von bis zu 150,00 [X.] auszuwählen, ersatzweise mehrere Waren im entsprechenden Gesamtwert. Somit wird durch die Verwendung des Begriffs Warengutschein schuldrechtlich ein Wahlrecht des Arbeitnehmers als Gläubiger begründet.

Das Vorliegen eines Sachbezugs wird besonders durch den tariflichen Zusammenhang bestätigt. Die drei Durchführungswege der tariflichen Vorsorgeleistung sind so ausgestaltet, dass sie die Voraussetzungen der jeweiligen steuerrechtlichen Privilegierung einhalten. Aufbau und Inhalt der Tarifnorm belegen den Normzweck, den Arbeitnehmern im Verkauf eine steuerbegünstigte Sondervergütung zukommen zu lassen. Die Hingabe von [X.] im Werte von 150,00 [X.] pa. unterfällt aber nur bei der Ausgestaltung als Sachbezug dem Freibetrag und bleibt auch nur dann vom [X.] ausgenommen. Im Sinne des Einkommensteuerrechts sind Sachbezüge alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen. Ob ein solcher Sachbezug vorliegt, entscheidet sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, also danach, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann (vgl. [X.] 11. November 2010 - VI R 21/09 - [X.]E 232, 50 zu § 8 Abs. 2 EStG; 6. März 2008 - VI R 6/05 - [X.]E 220, 478). Nach § 19C Ziff. 4 [X.] kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Leistung einer oder mehrerer Waren im Gesamtwert von bis zu 150,00 [X.] pa. verlangen, eine Geldleistung ist ausgeschlossen.

b) Die besonderen gesetzlichen Regelungen über [X.] in § 107 Abs. 2 [X.] erfordern kein abweichendes Ergebnis, denn der durch den Warengutschein verkörperte Sachbezug tritt zu dem in [X.] zu leistenden Tarifentgelt hinzu und ersetzt dieses weder ganz noch teilweise. Deshalb findet auch keine Bewertung der bezogenen Waren mit dem „Selbstkostenpreis“ des Arbeitgebers statt.

c) Die Anlage 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung „Personaleinkaufskarte“ verdeutlicht, dass die [X.] lediglich für den Fall des Einkaufs ihrer Mitarbeiter, nicht aber für Sachbezüge einen Personalrabatt versprochen hat. Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs entspricht bereits der Überschrift der Gesamtbetriebsvereinbarung, die auf den Personal-„Einkauf“ abstellt. Auch die vom [X.] festgestellte „gefestigte [X.] Praxis“, den Mitarbeitern bei „Käufen“ für den eigenen Bedarf auf den gültigen Laden- bzw. Verkaufspreis einen Personalrabatt iHv. 25 % zu gewähren, ist unabhängig von der möglichen Einordnung als betriebliche Übung oder Gesamtzusage auf Kaufverträge der Arbeitsvertragsparteien zu Sonderkonditionen bezogen. Die durchgehende Verwendung des Rechtsbegriffs „Kauf“ und die abschließende Nennung der zugelassenen [X.] in der Anlage 2 belegen, dass sich die [X.] nur für den Fall des Kaufs ihrer Waren unter Einsatz eigener finanzieller Mittel der Arbeitnehmer zu einer Rabattgewährung verpflichtet hat (vgl. zu diesem allgemeinen Kennzeichen des Personaleinkaufs [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 26, [X.] § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22). Mit dem Warengutschein iSv. § 19C Ziff. 4 [X.] setzt der Arbeitnehmer jedoch keine eigenen finanziellen Mittel ein, sondern nimmt einen vom Arbeitgeber versprochenen Sachbezug wahr.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Klose    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 815/11

14.11.2012

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mannheim, 26. November 2010, Az: 6 Ca 112/10, Urteil

§ 107 Abs 2 GewO, § 256 ZPO, § 1 Abs 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2012, Az. 5 AZR 815/11 (REWIS RS 2012, 1452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1452

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