Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2023, Az. 5 StR 527/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 901

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Verletzung der Mitteilungspflicht für Verständigungsgespräche


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2022, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und [X.] getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf eine Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des Urteils. Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht eine Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO.

2

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3

Nach Erhebung der Anklage fand auf Anregung der Vorsitzenden ein [X.] statt, an dem neben den Mitgliedern der [X.] unter anderem Vertreterinnen der Staatsanwaltschaft sowie die Verteidiger des Angeklagten und des nicht revidierenden Mitangeklagten teilnahmen. Im Verlauf des Gesprächs äußerten die zuständige Staatsanwältin und später auch die Vorsitzende ihre Strafmaßvorstellung für den Angeklagten für den Fall einer geständigen Einlassung. Dessen Verteidiger äußerte sich ablehnend. Das Gespräch wurde letztlich ergebnislos beendet. Die Vorsitzende fertigte einen Vermerk über das Gespräch an, der zu den Akten genommen und den Verteidigern per Fax übermittelt wurde.

4

Am ersten Tag der Hauptverhandlung stellte die Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes fest, „dass Erörterungen zur Vorbereitung einer Verständigung“ stattgefunden hätten. Sie nahm Bezug auf den hierzu gefertigten Vermerk. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Verteidiger bestätigten, den Vermerk zu kennen. Über das [X.] und dessen Inhalt teilte die Vorsitzende ansonsten nichts mit. Auch der Vermerk wurde nicht verlesen oder sonst bekanntgegeben. Weitere Erklärungen wurden von den Verfahrensbeteiligten nicht abgegeben.

5

2. Es liegt danach ein durchgreifender Verstoß gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vor.

6

a) Indem die Vorsitzende der [X.] in der Hauptverhandlung lediglich die Gesprächsführung als solche und als deren Ergebnis das Ausbleiben einer Verständigung, nicht aber den wesentlichen Inhalt des Gesprächs mitteilte, genügte sie nicht der sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ergebenden Pflicht zur Information über außerhalb der Hauptverhandlung geführte verständigungsbezogene Erörterungen, die ohne Einschränkungen auch im Fall erfolgloser Verständigungsbemühungen gilt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 12. Januar 2022 – 4 [X.], NStZ-RR 2022, 79; Urteil vom 18. November 2020 ‒ 2 StR 317/19, [X.], 290 Rn. 45 mwN).

7

b) Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar war der Angeklagte durch seinen Verteidiger in inhaltlich nicht näher bekannter Weise mündlich über das [X.] und dessen Ergebnislosigkeit informiert worden (zum Fehlen eines aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Vortragserfordernisses hierzu vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. November 2019 – 3 StR 336/19, [X.], 87; vom 3. August 2022 – 5 StR 62/22). Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte sein Prozessverhalten bei einer durch die Vorsitzende erteilten Information über den Inhalt des [X.]s anders als geschehen ausgerichtet hätte (vgl. nur [X.], Beschluss vom 12. Januar 2022 – 4 [X.], NStZ-RR 2022, 79; KK-StPO/[X.], 9. Aufl., § 243 Rn. 118; [X.]/[X.], § 243 Rn. 96).

Cirener     

  

Gericke     

  

[X.]

  

von Häfen     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 527/22

14.02.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 29. Juli 2022, Az: 3 KLs 713 Js 60099/20

§ 202a StPO, § 212 StPO, § 243 Abs 4 S 1 StPO, § 257c StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2023, Az. 5 StR 527/22 (REWIS RS 2023, 901)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 901

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Referenzen
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2 StR 317/19

4 StR 209/21

3 StR 336/19

5 StR 62/22

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