Bundessozialgericht, Urteil vom 12.07.2012, Az. B 14 AS 189/11 R

14. Senat | REWIS RS 2012, 4749

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Verfassungsmäßigkeit der Neuermittlung der Regelbedarfe zum 1.1.2011


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] ([X.]) für die [X.] vom 1.5.2011 bis zum 31.10.2011.

2

Die im Jahr 1958 geborene erwerbsfähige Klägerin lebt allein in einer Wohnung im [X.]. Sie verfügt weder über Einkommen noch über Vermögen und bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Aufgaben nach dem [X.] nahmen bis zum 31.12.2011 die [X.] ([X.]) und der [X.] getrennt wahr, seit dem 1.1.2012 das Jobcenter [X.] (im Folgenden: Beklagter) als gemeinsame Einrichtung. Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin bewilligte die [X.] einen Regelbedarf in Höhe von monatlich 364 Euro für die [X.] vom 1.5.2011 bis zum 31.10.2011 (Bescheid vom [X.]). Den Widerspruch vom 27.4.2011 wies die [X.] zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.5.2011).

3

Mit der vor dem Sozialgericht ([X.]) [X.] erhobenen Klage hat die Klägerin für die [X.] vom 1.1.2011 bis zum 31.10.2011 höhere Leistungen, gestützt auf eine Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs, geltend gemacht und neben der Zahlung von 840 Euro Regelbedarf weitere 159,73 Euro für Versicherungsbeiträge begehrt. Das [X.] hat die Klage mit Gerichtsbescheid abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22.7.2011).

4

Das [X.] (L[X.]) hat die Berufung zurückgewiesen, nachdem die Klägerin ihr Klagebegehren auf den [X.] vom 1.5.2011 bis zum 31.10.2011 beschränkt hat (Urteil vom 21.10.2011). Der Streitgegenstand umfasse nicht die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, über die der kommunale Träger in einem eigenständigen Bescheid entschieden habe. Die ab dem 1.1.2011 geltenden Regelbedarfe, die mit Bescheid vom [X.] bewilligt worden seien, seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zur Begründung hat sich das L[X.] im Wesentlichen auf die im Verfahren L 12 AS 1077/11, das den vorangegangenen Leistungszeitraum bis Ende April 2011 betrifft, gemachten Ausführungen bezogen.

5

Gegen das Urteil hat die Klägerin die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt.

6

Die Klägerin rügt, das L[X.] habe ihr in der mündlichen Verhandlung kein rechtliches Gehör gewährt und ihren Vortrag wiederholt unterbrochen, um ihn zu unterbinden. Die Vorsitzende habe fortwährend gestört sowie versucht, sie einzuschüchtern und mundtot zu machen. In der Sache rügt die Klägerin, § 20 [X.] nF verstoße gegen den in Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) normierten Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit iVm Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1 GG, da das Existenzminimum durch den neuen Regelbedarf nicht gewährleistet sei. Sie habe ihre Bedarfsunterdeckung konkret nachgewiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin zur Begründung der Verfassungswidrigkeit der für die Bemessung des Regelbedarfs maßgebenden Vorschriften wird auf den Tatbestand im Verfahren B 14 AS 153/11 R Bezug genommen.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des L[X.] Baden-Württemberg vom 21. Oktober 2011 und den Gerichtsbescheid des [X.] [X.] vom 22. Juli 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die [X.] vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2011 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 840 Euro ohne die Bedarfe für Unterkunft und Heizung unter Anrechnung der bisher für diese Bedarfe erbrachten Leistungen zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegenden § 19 Abs 1 Satz 1, § 20 Abs 1 und [X.] idF des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453 - im Folgenden: [X.] nF) sind verfassungsgemäß. Es bestand kein Anlass, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des [X.] zur Vereinbarkeit der genannten Vorschriften mit Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG einzuholen.

1. Die Klägerin begehrt die Zahlung höherer Leistungen. Der von ihr beantragte Zahlbetrag von 840 Euro monatlich bezieht sich auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Regelbedarf nach § 19 Abs 1 Satz 1 und 3, § 20 [X.] nF und den Mehrbedarfen nach § 19 Abs 1 Satz 1 und 3, § 21 [X.] [X.] Die Beschränkung der Revision auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne die Bedarfe für Unterkunft und Heizung durch die Klägerin ist statthaft.

2. Das beklagte [X.] ist gemäß § 70 [X.] 1 Sozialgerichtsgesetz ([X.]) beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem [X.] handelt es sich vorliegend um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 [X.] idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der [X.] vom [X.], [X.] 1112). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 [X.] tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Trägers; dies gilt auch für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eingetretene [X.] stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 37 [X.] 5 Rd[X.] 11).

3. Die Revision ist nicht wegen des Vorliegens eines wesentlichen Verfahrensfehlers begründet. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das [X.] greift nicht durch. Angesichts der Tatsache, dass die mündliche Verhandlung vor dem [X.] (ohne Senatsberatung) laut Sitzungsprotokoll eine Stunde gedauert hat und die Klägerin wenige Monate zuvor vor demselben Senat zur streitigen Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfe bereits Stellung genommen hatte, sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Klägerin nicht ausreichend [X.] gewährt worden ist, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten.

4. Die Revision der Klägerin ist auch im Übrigen unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende gemäß § 19 Abs 1 Satz 1 und 3, Abs 3 Satz 1, § 20 Abs 1 und 2 Satz 1 [X.] nF ist für die hier maßgebende [X.] vom 1.5.2011 bis zum 31.10.2011 vom Gesetzgeber nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Wegen der Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 14 AS 153/11 R, das dasselbe Begehren der Klägerin in Bezug auf den Leistungszeitraum bis Ende April 2011 betrifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 14 AS 189/11 R

12.07.2012

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Mannheim, 22. Juli 2011, Az: S 1 AS 1907/11, Gerichtsbescheid

§ 19 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.03.2011, § 19 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 19 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 24.03.2011, § 19 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 13.05.2011, § 19 Abs 3 S 1 SGB 2 vom 24.03.2011, § 19 Abs 3 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 20 Abs 1 SGB 2 vom 24.03.2011, § 20 Abs 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 20 Abs 2 S 1 SGB 2 vom 24.03.2011, § 20 Abs 2 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 20 Abs 5 SGB 2 vom 24.03.2011, § 20 Abs 5 SGB 2 vom 13.05.2011, § 28 SGB 12, § 28a SGB 12, RBEG, RBEG/SGB2/SGB12ÄndG, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.07.2012, Az. B 14 AS 189/11 R (REWIS RS 2012, 4749)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4749

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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