Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.09.2014, Az. IV ZR 402/12

4. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3147

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Fondsgebundene Lebensversicherung: Prämienrückerstattungsanspruch bei nach Ablauf der Jahresfrist erklärten Widerspruch


Tenor

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil der Zivilkammer 2 des [X.] vom 8. November 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a [X.] erklärten Widerspruch gestützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 4.928,57 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.

2

Diese wurde - unter Wahl einer monatlichen Prämienzahlung - aufgrund eines Antrags [X.] mit Vertragsbeginn zum 1. Mai 2006 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a [X.] in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Der Vertrag endete aufgrund einer Kündigung [X.] zum 1. Juni 2010 und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 18. März 2011 erklärte [X.] den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. und hilfsweise unter anderem den Widerruf gemäß § 355 BGB.

3

Mit der Klage verlangt [X.] - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

4

Nach Auffassung [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355, 495 BGB a.F. widerrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S. von § 499 Abs. 1 BGB a.F. handele. Schließlich habe [X.] Anspruch auf Schadensersatz im Hinblick auf die sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

5

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat auf die hiergegen gerichtete Berufung dem Hilfsantrag auf Auskunft über den Mindestrückkaufswert stattgegeben und sie im Übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt [X.] das Klagebegehren, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist, weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist bezüglich eines [X.]s nach § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 355, 495, 499 BGB a.F. und eines Schadensersatzanspruchs als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

A. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint. Auch wenn der Versicherer nicht bewiesen habe, dass er d. [X.] die Versicherungsunterlagen übergeben habe, sei der Vertrag gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. Ein Widerrufsrecht nach § 355, § 495 Abs. 1 a.F., § 499 Abs. 1 BGB und ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.

8

B. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Widerrufsrechts aus § 355 Abs. 3 Satz 3, § 495 Abs. 1, § 499 Abs. 1 BGB a.F. und eines Schadensersatzanspruchs nicht zulässig.

9

Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 [X.] a.F. für unwirksam erachtet hat.

Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage zugelassen, ob die Vorschriften des § 5a [X.] a.F. den Regelungen der [X.] entsprechen. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - [X.], [X.], 817, 818 Rn. 11; für [X.] vorgesehen). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss und für das Rückgewährschuldverhältnis maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Im Übrigen hätte die Revision insoweit auch in der Sache keinen Erfolg. Durch Senatsurteil vom 6. Februar 2013 ([X.], [X.] 196, 150) ist mittlerweile geklärt, dass die vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs ist. Außerdem hat der [X.]. Zivilsenat des [X.] entschieden, dass die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmten Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt ([X.], Urteile vom 29. November 2011 - [X.] ZR 220/10, NJW-RR 2012, 416, 420 Rn. 39 und vom 1. Juli 2014 - [X.] ZR 247/12, [X.], 1621, 1623 Rn. 19 ff.).

C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

I. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

1. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

a) Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass der Versicherer d. [X.] nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. über das Widerspruchsrecht belehrt hat. Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Das Widerspruchsrecht bestand hier bei unterstellter nicht ordnungsgemäßer Belehrung aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 19. Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ([X.], [X.], 817, 819 ff. Rn. 19-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] - wie hier - nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).

b) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

II. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

III. Da es hierzu und zur Frage der ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Widerspruchsrecht an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).

Mayen                           Felsch                                   Dr. Karczewski

               Lehmann                       Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 402/12

03.09.2014

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Stendal, 8. November 2012, Az: 22 S 19/12

§ 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, Art 1 EWGRL 619/90, Art 1ff EWGRL 619/90, Art 1 EWGRL 96/92, Art 1ff EWGRL 96/92, § 5a Abs 2 S 4 VVG vom 02.12.2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.09.2014, Az. IV ZR 402/12 (REWIS RS 2014, 3147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3147

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 145/12 (Bundesgerichtshof)

Privater Rentenversicherungsvertrag: Richtlinienkonforme Auslegung der Altregelung über das Erlöschen eines Rücktritts- oder Widerrufsrechts ein Jahr …


IV ZR 402/12 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 328/12 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 347/14 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 76/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.