Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 25.03.2014, Az. 26 U 177/12

26. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 9906

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. September 2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Der Kläger befand sich seit dem 25.5.2010 bei der Beklagten wegen Schmerzen im rechten Handgelenk in Behandlung. Die Beklagte stellte die Diagnose „Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom“ und beriet den Kläger über die Möglichkeit einer operativen Versorgung. Zugleich wurde zur Ruhigstellung eine Schiene verordnet, die der Kläger bis zum 07.06.2010 trug. Eine beabsichtigte neurologische Untersuchung war zwischenzeitlich nicht durchgeführt worden, da ein Untersuchungstermin wegen Erkrankung des Neurologen zeitnah nicht stattfinden konnte. Die Beklagte führte sodann auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers am 8.6.2010 einen Eingriff zur Spaltung des Karpalbandes durch. Anschließend erhielt der Kläger bis zum 18.6.2010 eine Kunststoffschiene zur Ruhigstellung sowie die Verordnung einer krankengymnastischen Behandlung. Nachdem keine Besserung eingetreten war, begab sich der Kläger am 1.7.2010 in die Handchirurgie des Evangelischen Krankenhauses X. Dort wurde am 4.7.2010 eine Revisionsoperation durchgeführt.

Der Kläger hat ein Schmerzensgeld i.H.v. 8000 EUR sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden mit der Begründung geltend gemacht, die Beklagte habe das Karpaltunnelsyndrom fehlerhaft behandelt. Auch sei er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Trotz einer Reha-Maßnahme sei die Hand noch völlig taub und könne nicht vollständig wiederhergestellt werden.

Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und dessen mündlicher Erläuterung hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, es sei weder ein Behandlungsfehler noch ein Aufklärungsversäumnis

feststellbar. Der Beklagte habe fehlerfrei ein Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert und die Operation aufgrund der klinischen Untersuchungen und des zuvor durchgeführten vergeblichen konservativen Behandlungsversuchs als indiziert angesehen. Wegen der zweifelsfreien klinischen Diagnose sei die ohnehin nicht verpflichtende vorherige neurologische Untersuchung nicht erforderlich gewesen. Die Operation sei fachgerecht erfolgt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aufgrund der Revisionsoperation im Evangelischen Krankenhaus X. Entgegen dem dortigen Operationsbericht könne nicht sicher festgestellt werden, dass das Karpalband nur unvollständig gespalten gewesen sei und es bei der Operation durch den Beklagten zu einer Schädigung des Thenarastes gekommen sei, denn die Feststellungen des Operationsberichtes seien widersprüchlich. Da der angeblich durchtrennte Nervenast unter dem Karpalband liege, müsse dieses gespalten worden sein, um an den Nerv zu gelangen. Die angeblich unvollständige Durchtrennung mache die Nervschädigung hingegen unmöglich. Das Ergebnis der nach der Revisionsoperation durchgeführten neurologischen Untersuchung in X spreche zudem gegen eine Schädigung des Thenarastes. Es sei daher möglich, so der Sachverständige, dass bei der Revisionsoperation fehlerhaft von einer unvollständigen Durchtrennung des Karpalbandes ausgegangen worden sei. Wenn eine Nervenläsion eingetreten sei, handele es sich um eine typische Komplikation der Operation. Auch die postoperative Behandlung durch den Beklagten sei fehlerfrei gewesen. Es könne dahinstehen, ob eine Ultraschallbehandlung stattgefunden habe, da diese Behandlung jedenfalls nicht fehlerhaft gewesen wäre. Auch habe es keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Überprüfung einer Nervenläsion gegeben, da die damit einhergehende Unbeweglichkeit des Daumens nicht aufgetreten sei. Wie aus dem Aufklärungsbogen hervorgehe, sei der Kläger auch ordnungsgemäß, insbesondere über das Risiko einer Nervschädigung und die Notwendigkeit einer Revisionsoperation, aufgeklärt worden. Wegen der weiteren Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt der Kläger aus, das Landgericht habe

fehlerhaft angenommen, dass die Operation indiziert gewesen sei, weil das Karpaltunnelsyndrom eindeutig klinisch zu erkennen gewesen sei. Das Beschwerdebild des Klägers sei aber für andere Erkrankungen ebenfalls typisch gewesen. Eine eindeutige Diagnose sei nicht dokumentiert worden. Vielmehr sei in den Arztberichten immer nur von einem Verdacht die Rede gewesen. Es hätte deshalb differenzialdiagnostisch abgeklärt werden müssen, ob eine Erkrankung der  HWS vorgelegen habe. Die zweiwöchige konservative Behandlung durch das Anlegen einer Unterarmschiene unmittelbar vor der Operation sei nicht ausreichend gewesen. Der Sachverständige habe selbst darauf hingewiesen, dass ein Karpaltunnelsyndrom bei einem jungen, männlichen Patienten ungewöhnlich sei. Deshalb sei auch eine neurologische Untersuchung geboten gewesen. Die Ausführungen des Sachverständigen zum Verlauf des Thenarastes unterhalb des Karpalbandes berücksichtige nicht die Möglichkeit, dass anatomische Verhältnisse variabel seien. Fehlerhaft sei das Karpalband nur unvollständig durchtrennt worden, wie es aus der Dokumentation im Krankenhaus in X hervorgehe. Außerdem sei im Operationsbericht des Krankenhauses in X ein typischer Befund einer Nervenläsion dokumentiert. Die Dokumentation des Beklagten sei unzureichend, so dass nicht beurteilt werden könne, ob die Operation indiziert gewesen sei. Der Kläger sei nicht über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt worden. Postoperativ seien Bewegungsübungen nicht durchgeführt worden. Die Verordnung einer Unterarmschiene widerspräche den Leitlinien.

Der Kläger beantragt,

das am 12.09.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Hilfsweise beantragt er abändernd,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Festsetzung der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen

des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem

Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden weiteren materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft, sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn die nach dem RVG die nicht konsumierten außergerichtlichen Kosten des Klägers bei den Prozessbevollmächtigten i.H.v. 1.579,73 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, die Aufhebung und Zurückverweisung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil Verfahrensfehler nicht ersichtlich seien. In der Sache habe das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Sachverständige habe bestätigt, dass die Beklagte aufgrund eindeutiger Befunde und nicht nur aufgrund eines Verdachts die Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms gestellt habe. Eine neurologische Untersuchung sei nicht erforderlich gewesen. Da der Kläger an einem Taubheitsgefühl in der Hand gelitten habe, sei eine konservative Behandlung nicht mehr in Betracht gekommen. Der Sachverständige habe bestätigt, dass der Eingriff lege artis durchgeführt worden sei. Alternative Behandlungsmethoden hätten nicht zur Verfügung gestanden. Der Kläger hätte sich ohnehin in jedem Fall für die operative Behandlung entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die Parteien persönlich gem. § 141 ZPO angehört. Der Sachverständige Prof. Dr. Q hat sein schriftliches Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.03.2014 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die von ihm gegen das landgerichtliche Urteil vorgebrachten Einwendungen sind unbegründet und rechtfertigen keine abändernde Entscheidung.

1.              Mit seiner Berufung verlangt der Kläger hauptsächlich die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Bochum. Die Voraussetzungen für die allein in Betracht kommende Möglichkeit der Aufhebung des Urteils gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen indessen nicht vor. Dass das Verfahren an einem Mangel leidet, hat der Kläger weder gerügt noch ist ein Verfahrensfehler sonst ersichtlich. Eine Zurückverweisung der Sache kommt aber auch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Senat im Rahmen des ihm nach § 538 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessens befugt ist, die Sache selbst zu entscheiden.

2.              Auch nach dem Ergebnis der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme kann weder ein Behandlungsfehler der Beklagten noch ein Aufklärungsversäumnis festgestellt werden. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q, der sein schriftliches Gutachten im Senatstermin noch einmal mündlich erläutert hat.

a)      Die Rüge des Klägers, eine eindeutige Indikation für das Vorliegen eines Karpaltunnelsyndroms habe nicht vorgelegen, ist unbegründet.

aa)              Soweit der Kläger vorgetragen hat, die klinischen Symptome hätten nicht eindeutig für ein Karpaltunnelsyndrom gesprochen, vermag der Senat dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu folgen. Der Sachverständige hat zwar dem Kläger darin zugestimmt, dass ein Karpaltunnelsyndrom bei einem jungen männlichen Patienten eher untypisch sei. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Senatstermin hat er jedoch erklärt, dass die klinische Symptomatik eindeutig für ein Karpaltunnelsyndrom gesprochen habe. Der Senat folgt deshalb dem Sachverständigen in der Einschätzung, dass es als „Ausreißer“ gewertet werden müsse, dass es sich hier nicht um den typischen Fall gehandelt habe. Wie der Sachverständige nachvollziehbar erläutert hat, habe auch der frustrame Verlauf der konservativen Behandlung für ein Karpaltunnelsyndrom gesprochen. Der Sachverständige hat schließlich seine Einschätzung eindeutig dahingehend zusammengefasst hat, dass es „etwas anderes im handchirurgischen Bereich nicht gebe“. Daher geht der Senat davon aus, dass entgegen der Auffassung des Klägers eine weitere Abklärung nicht mehr notwendig gewesen ist. Soweit in der Dokumentation der Beklagten „nur“ von einem „Verdacht“ auf ein Karpaltunnelsyndrom die Rede ist, hat dies hingegen nach Auffassung des Senats keine Bedeutung. Auch kommt es nicht darauf an, dass der Operationsbericht keine Darstellung des Befundes enthält. Der Senat folgt auch insoweit dem Sachverständigen Prof. Dr. Q, der im Senatstermin erläutert hat, dass der Normalbefund nicht dokumentiert werde und nur Abweichungen davon im Operationsbericht erwähnt werden.

bb)              Der Einwand des Klägers, der Eingriff sei durch die Beklagte bereits vorgenommen worden, ohne zuvor den Erfolg der konservativen Behandlung abgewartet zu haben, geht ebenfalls fehl. Vor dem operativen Eingriff ist unstreitig eine konservative Behandlung durch Ruhigstellung mittels einer Schiene erfolgt. Dem Einwand des Klägers ist der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens mit der nachvollziehbaren Begründung entgegen getreten, dass die Verlängerung der konservativen Behandlung nur dann sinnvoll gewesen wäre, wenn sich eine Besserung gezeigt hätte. Nur die dadurch angezeigte

Erholung des Nervs wäre ein Hinweis darauf gewesen, konservativ weiter zu behandeln. Eine Besserung ist indessen unstreitig nicht eingetreten. Aus der Behandlungsdokumentation der Beklagten geht eindeutig hervor, dass der Kläger auch noch am 07.06.2010 über Schmerzen im rechten Handgelenk geklagt hat, obwohl bereits am 25.05.2010 eine Schiene angelegt worden war. Eine andere konservative Behandlungsmöglichkeit  besteht nach der klaren Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. Q nicht. Eine medikative Behandlung, insbesondere eine Behandlung mit Cortison, schied danach eindeutig aus.

b)              Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dass behandlungsfehlerhaft eine weitere Befunderhebung unterblieben sei, weil der Eingriff ohne die notwendige neurologische Untersuchung durchgeführt worden sei. Der Verzicht auf eine neurologische Messung der Nervenleitgeschwindigkeit vor Durchführung der Operation des Karpaltunnelsyndroms stellt nicht zwingend einen Behandlungsfehler dar, denn eine operative Behandlung ohne eine solche neurologische Untersuchung muss nicht gegen den fachärztlichen Standard verstoßen. Der Senat folgt auch insoweit der Einschätzung des Sachverständigen, der bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hatte, dass eine neurologische Untersuchung zum zuverlässigen Nachweis eines Karpaltunnelsyndroms zwar zu empfehlen, die Durchführung der neurologischen Messung jedoch keine Verpflichtung sei. Diese Einschätzung hat der Sachverständigen im Kammertermin beim Landgericht bestätigt und dort ausgeführt, dass die Messung durch den Neurologen letztlich nur eine Empfehlung sei, wenn Unsicherheiten im Hinblick auf die Diagnose bestünden. Die Diagnose für ein Karpaltunnelsyndrom werde aber, so der Sachverständige, entscheidend anhand der Klinik gestellt. Bei einer – wie hier – eindeutigen Klinik, könne deshalb auch unabhängig vom Ergebnis der neurologischen Messung operiert werden. Bei dieser Einschätzung ist der Sachverständige auch im Rahmen der Befragung durch den Senat geblieben. Er hat noch einmal erklärt, dass bei einem eindeutigen Befund operiert werde, selbst wenn eine Diskrepanz zur neurologischen Messung bestehe.

c)              Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit der Kläger vorträgt, dass eine Schädigung des Thenarastes durch den operativen Eingriff infolge der Spaltung des Karpalbandes aufgrund anatomischer Besonderheiten nicht ausgeschlossen sei. Dieser Einwand ist schon deshalb unerheblich, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen, dieses Verletzungsrisiko keinen Behandlungsfehler, sondern eine typische Komplikation der Operation darstellt, in die der Kläger ausweislich des von ihm unterzeichneten Aufklärungsbogens wirksam eingewilligt hat. Unabhängig davon reicht für eine Begründung der Haftung der Beklagten nicht aus, dass eine Schädigung nicht auszuschließen ist. Es obliegt dem Kläger zu beweisen, dass eine Schädigung des Nervs tatsächlich eingetreten ist. Davon kann indessen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden. Schon nach den Ausführungen des Sachverständigen im Kammertermin bestehen keine Anhaltspunkte für eine Nervschädigung durch die Beklagte. Da eine Verletzung des Thenarastes bei der durch das Krankenhaus in X durchgeführten neurologischen Untersuchung gerade nicht festgestellt werden konnte, ist es nach Einschätzung des Sachverständigen unwahrscheinlich, dass eine Schädigung bei der streitgegenständlichen Operation eingetreten ist. Die unauffällige Messung spreche, so der Sachverständige, daher gegen eine Nervschädigung, da es nicht sein könne, dass dieses Ergebnis binnen weniger Monate nach der Durchtrennung des Nervs erzielt werde. Dass keine Anhaltspunkte für eine Durchtrennung des Thenarastes vorliegen, ergibt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen auch daraus, dass eine Schädigung regelmäßig dazu führe, dass der Daumen nicht mehr bewegt werden könne. Eine solche Beeinträchtigung sei jedoch – so der Sachverständige - nicht dokumentiert worden. Der Kläger selbst hat auch nicht vorgetragen, dass er den Daumen nach der Operation nicht mehr habe bewegen können. Er hat mit der Berufung lediglich vorgetragen, dass er nicht versucht habe, den Daumen zu bewegen, weil die Hand nach der Operation geschient worden sei. Das reicht zur Erklärung einer Nervverletzung aber nicht aus. Schließlich hat der Sachverständige noch darauf hingewiesen, dass eine Nervverletzung zwar auch auftreten könne, wenn bei dem Kläger der seltene Fall eines gänzlich anderen Verlaufs des Thenarastes vorgelegen habe. Von einer solchen anatomischen Besonderheit kann

allerdings beim Kläger nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Wie der

Sachverständige im Senatstermin erläutert hat, wäre eine solche Abweichung dokumentiert worden. Aus der fehlenden Dokumentation muss daher geschlossen werden, dass auch diese Möglichkeit für die Schädigung des Nervs ausscheidet.

d)              Unbegründet ist weiterhin der Einwand des Klägers, bei der Operation durch die Beklagte sei das Karpalband behandlungsfehlerhaft nicht vollständig durchtrennt worden. Der Sachverständige hat dazu bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht ausgeführt, dass in der nicht vollständigen Durchtrennung des Bandes ein Behandlungsfehler liege, wenn es postoperativ zu weiteren Beschwerden gekommen sei. Jedoch hat der Kläger – worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hatte - den Beweis dafür, dass das Karpalband tatsächlich, wie von ihm behauptet, nicht vollständig durchtrennt worden ist, nicht geführt. Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Hinweis auf den Operationsbericht der Klinik in X dazu nicht ausreicht, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen ist dieser nicht nachvollziehbar. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Q ausgeführt hat, kann die in dem Operationsbericht beschriebene Exploration des Thenarastes nicht geschehen sein, wenn das Karpalband nicht zuvor vollständig gespalten worden sei. Von einer außergewöhnlichen anatomischen Situation, die dies auch bei unvollständiger Durchtrennung möglich macht, ist – wie oben dargelegt – nach den Erläuterungen des Sachverständigen hingegen nicht auszugehen, da sie im Operationsbericht nicht erwähnt worden ist.

e)              Dem vom Kläger mit der Berufung geltend gemachten Einwand, die postoperative Behandlung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, stehen die Feststellungen des Sachverständigen entgegen, der bereits in seinem schriftlichen Gutachten auf eine engmaschige postoperative Kontrolle hingewiesen hat. Darüber hinaus haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht übereinstimmend ausgeführt, dass nach der Operation neben einer Physiotherapie auch eine Ultraschallbehandlung stattgefunden habe.

f)              Schließlich vermag der Senat auch ein Aufklärungsversäumnis der Beklagten nicht festzustellen. Alternative Behandlungsmethoden, über die der Kläger hätte aufgeklärt werden müssen, bestanden nicht. Der Sachverständige hat dazu bereits in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass die operative Versorgung wegen ihrer Erfolgsaussichten konservativen Behandlungsmethoden vorzuziehen sei. Im Senatstermin hat der Sachverständige zudem klar zum Ausdruck gebracht, dass eine medikamentöse Behandlung, insbesondere mit Cortison, entgegen der Meinung des Klägers nicht in Betracht gekommen sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind solche des Einzelfalls.

Meta

26 U 177/12

25.03.2014

Oberlandesgericht Hamm 26. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Vorgehend: Landgericht Bochum, 6 O 79/11

§§ 280, 823 BGB

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 25.03.2014, Az. 26 U 177/12 (REWIS RS 2014, 9906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 9906

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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