Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2010, Az. 4 StR 264/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2295

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Gegenstand

Gefährliche Körperverletzung: Tatbegehung "mittels" eines gefährlichen Werkzeugs bei Kleben von Reißzwecken unter die Fersen des Opfers


Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Februar 2010

1. mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Insoweit wird das Verfahren eingestellt und hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen;

2. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte

a) in den Fällen [X.] und 13 der Urteilsgründe jeweils der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und

b) im Fall II. 12 der Urteilsgründe der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung

schuldig ist;

3. im Strafausspruch dahin

a) geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 12 der Urteilsgründe zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wird;

b) ergänzt, dass für den Fall II. 15 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von einem Monat festgesetzt wird.

II. Zur Klarstellung wird der Schuldspruch wie folgt neu gefasst:

Der Angeklagte ist der Vergewaltigung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der vorsätzlichen Körperverletzung in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Nötigung, der gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung, sowie der Nötigung schuldig.

[X.] Die weiter gehende Revision wird verworfen.

[X.] Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung, wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung und wegen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es [X.] getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

2

Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Soweit das [X.] den Angeklagten im [X.] 3 der Urteilsgründe wegen einer "an einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag Ende 2001" begangenen vorsätzlichen Körperverletzung verurteilt hat, stellt der Senat das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 206a Abs. 1 StPO ein, weil die Tat bereits bei [X.] am 21. Juli 2009 verjährt war.

4

2. In den Fällen [X.] und 13 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte entgegen der Ansicht des [X.]s jeweils tateinheitlich mit einer gefährlichen Körperverletzung nur einer versuchten Nötigung schuldig gemacht, weil die Geschädigte die Erklärungen, zu welchen sie der Angeklagte durch die Verletzungshandlungen zwingen wollte, nicht abgegeben hat ([X.], 18). Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Da das [X.] die erkannten Einzelstrafen jeweils der Vorschrift des § 224 Abs. 1 StGB entnommen hat, schließt der Senat aus, dass diese Änderungen Einfluss auf die Höhe dieser Einzelstrafen gehabt haben.

5

3. Im [X.] 12 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte die Körperverletzung "mittels" eines gefährlichen Werkzeugs begangen hat (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 12. Januar 2010 - 4 [X.], [X.], 512 f.). Das körperliche Wohlbefinden der Geschädigten wurde nicht unmittelbar durch die unter ihre Fersen geklebten Reißzwecken erheblich beeinträchtigt, sondern dadurch, dass sie stundenlang gezwungen war, auf den vorderen Fußballen zu stehen. Der Angeklagte hat sich mithin nur der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Nötigung strafbar gemacht.

6

Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend um. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung der Körperverletzung ist vom [X.] bejaht worden.

7

Die Schuldspruchänderung wirkt sich auf die Bemessung der Einzelstrafe aus, da das [X.] diese der Vorschrift des § 224 Abs. 1 StGB entnommen hat. Dies nötigt hier jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Vielmehr kann der Senat ausnahmsweise in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in Übereinstimmung mit dem Antrag des [X.]s und nach Anhörung des Beschwerdeführers selbst entscheiden. Er setzt eine Einzelstrafe von elf Monaten fest, da das [X.] auch in den tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fällen II. 10 und 11 der Urteilsgründe auf eine solche erkannt hat und auszuschließen ist, dass die [X.] im vorliegenden Fall eine geringere Strafe festgesetzt hätte.

8

4. Schließlich bedarf der Strafausspruch insoweit der Ergänzung, als die [X.] versäumt hat, für den [X.] 15 der Urteilsgründe, in dem sie den Angeklagten wegen Nötigung verurteilt hat, eine Einzelstrafe festzusetzen. Nach den Gesamtumständen ist auszuschließen, dass das [X.] eine Geldstrafe verhängt hätte. In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO erkennt der Senat daher in Übereinstimmung mit dem Antrag des [X.]s vom 4. Oktober 2010 auf die in §§ 240 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB bestimmte [X.] von einem Monat.

9

5. Der Senat schließt im Hinblick auf die Vielzahl und die Höhe der verbleibenden Einzelstrafen - allein für die Vergewaltigungstaten wurden [X.] von dreimal drei Jahren und neun Monaten und zweimal drei Jahren und drei Monaten verhängt - sowie deren straffen Zusammenzug aus, dass sich der Wegfall der Einzelstrafe von zehn Monaten ([X.] 3) und die Herabsetzung der Einzelstrafe um sieben Monate ([X.] 12) auf die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben.

6. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt keine teilweise Auferlegung der Kosten des Verfahrens und der Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse (§ 473 Abs. 4 StPO).

Ernemann                                 [X.]Cierniak

                          [X.]                                             Bender

Meta

4 StR 264/10

19.10.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 4. Februar 2010, Az: 13 KLs 17/09, Urteil

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 224 StGB, § 240 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2010, Az. 4 StR 264/10 (REWIS RS 2010, 2295)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2295

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 264/10

Zitiert

4 StR 589/09

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