OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.02.2019, Az. 1 W 1/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 10527

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zur Zuständigkeitsbestimmung bei einem Kompetenzkonflikt zwischen Zivilsenaten an einem OLG; § 119a Satz 1 Nr. 1 GVG.


Leitsatz

1. Bei der Spezialzuständigkeit nach § 119a Satz 1 Nr. 1 GVG handelt es sich um eine gesetzliche Zuständigkeit, die nicht der Entscheidung des Präsidiums überlassen werden darf, so dass die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog gegeben sind.(Rn.5)

2. Voraussetzung dafür ist, dass den Parteien die Entscheidungen der streitenden Spruchkörper bekannt gemacht worden sind.(Rn.5)

3. Im Fall des § 119a GVG kommt es nur auf die materielle Zuständigkeit der Spezialsenate an. Es kommt nicht darauf an, ob in der Vorinstanz durch eine Spezialkammer oder eine allgemeine Zivilkammer entschieden worden ist.(Rn.6)

4. Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften sind Streitigkeiten, an denen eine Bank, eine Sparkasse, ein Kredit- oder Finanzinstitut beteiligt ist, sofern Ansprüche aus in § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a Satz 2 KWG genannten Geschäften (Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Depotgeschäfte, Anlagenberatung und -vermittlung) betroffen sind.(Rn.7)

5. Zu den Kreditgeschäften gehören auch Ansprüche der Bank gegen Bürgen und Sicherungsgeber.(Rn.8)

Tenor

Zum zuständigen Zivilsenat des [X.] wird der 11. Zivilsenat bestimmt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung, dass der Beklagte der Klägerin die Zahlung eines Betrages von insgesamt 1.022.528,78 € - festgestellt im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten beim [X.] - schuldet, vor dem [X.] in Anspruch. Die Klägerin ist eine Bank. Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.], der die Klägerin Darlehen gewährte, für die der Beklagte selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaften übernahm, die Gegenstand dieses Verfahrens sind.

2

Zwischen den Parteien ist unter anderem der Wohnsitz des Beklagten streitig, der behauptet, seinen Wohnsitz in [X.]/[X.] zu haben. Das [X.] hat mit Zwischenurteil vom 21.11.2018 die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das angerufene Gericht nicht international und örtlich zuständig sei.

3

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.12.2018 Berufung eingelegt. Das Verfahren ist gemäß [X.]. A. Ziff. [X.] 1. des Geschäftsverteilungsplanes des [X.]) im Rahmen des Turnussystems dem 8. Zivilsenat zugeteilt worden. Der 8. Zivilsenat hat mit Verfügung vom 20.12.2018 unter Hinweis auf [X.]. A Ziff. II. 1. Buchstabe k GVP den 11. Zivilsenat um Übernahme des Verfahrens gebeten. Der 11. Zivilsenat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan für Bank- und Finanzgeschäfte im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 1 [X.] zuständig. Mit Verfügung vom 21.12.2018 hat der 11. Zivilsenat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, weil nach seiner Auffassung keine [X.] gegeben sei.

4

Mit den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 28.12.2018 hat der 8. Zivilsenat dem für Kompetenzkonflikte zuständigen 1. Zivilsenat die Sache zur Bestimmung des zuständigen Senats vorgelegt. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Bestimmung der Senatszuständigkeit. Die Klägerin geht davon aus, dass es sich um eine bankrechtliche Angelegenheit handele.

II.


5

Bei der Frage der [X.] nach § 119a Satz 1 Nr. 1 [X.] handelt es sich um eine gesetzliche Zuständigkeit, die nicht der Entscheidung des Präsidiums überlassen werden darf, so dass die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog gegeben sind ([X.], Beschluss vom 31. August 2018 - 2 [X.]/18 -, juris = NJW-RR 2018, 1386; [X.], Beschluss vom 06. August 2018 - 6 AR 10/18 -, juris = [X.], 1327; [X.], Beschluss vom 12. Oktober 2018 - 6 AR 17/18 -, juris zu § 72a [X.]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juni 2018 - 11 SV 25/18 -, juris = NJW-RR 2018, 1274). Voraussetzung dafür ist, dass den Parteien die Entscheidungen der streitenden Spruchkörper bekannt gemacht worden sind (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Oktober 2018 - 6 AR 17/18 -, juris zu § 72a [X.]; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018 - 1 [X.]/18 -, juris = [X.],1015).

6

Im Fall des § 119a [X.] kommt es nur auf die materielle Zuständigkeit der Spezialsenate an. Es handelt sich nicht um eine formelle Anknüpfung an die Entscheidung der Vorinstanz wie in § 119 Abs. 1 Nr. 1 [X.], sodass es nicht darauf ankommt, ob in der Vorinstanz durch eine Spezialkammer oder eine allgemeine Zivilkammer entschieden worden ist (vgl. [X.]/[X.] 32. Aufl. § 119a [X.] Rn. 2).

7

Hier ist der 11. Zivilsenat zuständig, der nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] für Bank- und Finanzgeschäfte gemäß § 119a Satz 1 Nr. 1 [X.] ist. Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften sind Streitigkeiten, an denen eine Bank, eine Sparkasse, ein Kredit- oder Finanzinstitut beteiligt ist, sofern Ansprüche aus in § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a Satz 2 KWG genannten Geschäften (Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Depotgeschäfte, Anlagenberatung und -vermittlung) betroffen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 06. August 2018 - 6 AR 10/18 -, juris = [X.], 132 mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstands; [X.], Beschluss vom 20. Juni 2018 - 11 SV 25/18 -, juris = NJW-RR 2018, 1274). Die Formulierung des § 119a Satz 1 Nr. 1 [X.] deckt sich mit § 348 Abs. 1 Nummer 2b ZPO (Einzelrichterzuständigkeit) und § 72a [X.] (Zuständigkeit von Spezialkammern beim [X.]).

8

Die [X.] verlangt, dass auf der einen Seite an dem Geschäft eines der in § 1 KWG bezeichneten Unternehmen beteiligt ist. Dazu gehören Banken wie die Klägerin. Es müssen ferner Ansprüche aus den in § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a Satz 2 KWG genannten Geschäften betroffen sein, wozu die hier zugrundeliegenden Kreditgeschäfte gehören (vgl. [X.], Beschluss vom 06. August 2018 - 6 AR 10/18 -, juris = [X.], 1327 mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstands). Zu den Kreditgeschäften gehören auch Ansprüche der [X.] und Sicherungsgeber (vgl. [X.]/ [X.] 32. Aufl. § 72a [X.] Rn. 4).

9

Nicht unter die [X.] fallen dagegen Geschäfte, bei denen ein Privatmann einem anderen ein Darlehen gewährt oder für ihn eine Bürgschaft übernimmt, ohne dass an dem Geschäft ein in § 1 KWG angeführtes Unternehmen beteiligt ist. Die vom 11. Zivilsenat herangezogene Entscheidung des [X.] ([X.], Beschluss vom 02. April 2014 - 20 W 503/14 -, juris = [X.] 2014, 724 zu §§ 348 ZPO, § 266 FamFG) betrifft einen Darlehensvertrag und daraus resultierende Rückzahlungsansprüche zwischen zwei Privatpersonen, die nicht als Streitigkeiten aus Bank und Finanzgeschäften aufzufassen sind.

Zur besseren Lesbarkeit wurden ggf. Tippfehler entfernt oder Formatierungen angepasst.

Meta

1 W 1/19

08.02.2019

OLG Braunschweig 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: W

§ 119a GVG, § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO

Zitier­vorschlag: OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.02.2019, Az. 1 W 1/19 (REWIS RS 2019, 10527)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10527

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 ZIV AR 2/18 (OLG Bamberg)

Bestimmung der gesetzlichen Spezialzuständigkeit für Bank- und Finanzgeschäfte


8 U 2112/22 (OLG München)

Zur Frage, ob eine Streitigkeit aus Bank- und Finanzgeschäften gem. § 119a Abs. 1 Nr. …


6 AR 10/18 (OLG Hamburg)

Zur Zuständigkeit nach § 119a Satz 1 Nr. 1 GVG.


1 AR 118/19 (BayObLG München)

Zuständigkeitsbestimmung bei Klagen nach UKlaG


6 AR 17/18 (Hanseatisches Oberlandesgericht)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.