Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 19.11.2018, Az. 32 SA 47/18

32. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 1560

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Tenor

Sachlich zuständig ist das Amtsgericht C.

Gründe

Gründe:

I.

Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

Dem Rechtsstreit liegt – soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang – im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hat die Beklagte zu 1) mit Klageschrift vom 25.08.2016 ursprünglich auf Rückzahlung von unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlter Miete  in Höhe von 790,06 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 04.02.2017 hat der Kläger die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert und des Weiteren beantragt festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Schaden wegen Nichteinräumung des Mietervorkaufsrechts zu erstatten, nachdem das Objekt zwischenzeitlich veräußert worden war und der neue Eigentümer das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu 2027 gekündigt hatte. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger sodann mit Schriftsatz vom 20.03.2018 unter Erklärung der Erledigung des Feststellungsantrages beantragt, die Beklagte zu 2) wegen Nichteinräumung des Mietervorkaufsrechts zu verurteilen, an ihn 5.783,68 € nebst Zinsen zu zahlen.

Daraufhin hat das Amtsgericht C den Kläger mit Beschluss vom 15.05.2018 darauf hingewiesen, dass mit der Klageerweiterung die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht mehr gegeben sei und aus diesem Grund angeregt, Verweisung an das nunmehr zuständige Landgericht C zu beantragen. Sodann hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.05.2018 die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht C beantragt. Die Beklagten haben sich mit Schriftsatz vom 05.06.2018 mit der Verweisung einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 14.06.2018 hat das Amtsgericht C sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht C verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das angerufene Gericht „aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig [sei], insbesondere da der Streitwert über der Zuständigkeitsgrenze des Amtsgerichts [liege]“.

Mit interner Verfügung vom 02.07.2018 hat das Landgericht C darauf verwiesen, dass das Amtsgericht C gemäß § 29a ZPO auch nach Klageerweiterung für den Rechtsstreit weiterhin ausschließlich zuständig sei und den Rechtsstreit an das Amtsgericht C zurückgegeben. Daraufhin hat das Amtsgericht C mit interner Verfügung vom 19.07.2018 darauf verwiesen, dass die Verweisung jedenfalls nicht willkürlich gewesen sei, da sie mit Einverständnis beider Parteien erfolgt sei, und die Vorlage an das Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung angeregt.

Daraufhin hat sich das Landgericht C mit den Parteien bekannt gemachtem Beschluss vom 30.08.2018 unter Verweis auf § 29a ZPO für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Durchführung des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

Der Senat die Parteien mit Verfügung vom 21.09.2018 angehört. Hierzu haben die Parteien keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

Das Amtsgericht C und das Landgericht C haben sich beide im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt. Das Amtsgericht C hat den Rechtsstreit durch den grundsätzlich gemäß § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbaren und den Parteien bekannt gemachten Beschluss vom 15.05.2018 an das Landgericht C verwiesen. Das Landgericht C hat durch den Parteien bekannt gemachten Beschluss vom 30.08.2018 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, sich ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO auch zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit als das im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht berufen.

Sachlich zuständig ist das Amtsgericht C.

Das Landgericht C ist an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts C vom 15.05.2018 nicht gebunden.

Gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse grundsätzlich bindend, da - im Einklang mit der in § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen - im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden sollen.

Eine Bindung an den Verweisungsbeschluss ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 09.06.2015, X ARZ 115/15, juris Rn 9; BGH, Beschluss vom 17.05.2011, X ARZ 109/11, juris Rn 12; Senat, Beschluss vom 29.07.2011, 32 SA 57/11, juris Rn 19). Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss einen über einen einfachen Rechtsfehler hinausgehenden, schwerwiegenden Fehler aufweist, der unter Umständen begangen wurde, die den Verweisungsbeschluss in der Gesamtbetrachtung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und offensichtlich unhaltbar erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 09.06.2015, X ARZ 115/15, juris Rn 11 m.w.N.). Ein Verweisungsbeschluss kann insbesondere dann als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar und damit als willkürlich zu beurteilen sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt hat (BGH, Beschluss vom 17.05.2011, X ARZ 109/11, juris Rn 12; BGH, Beschluss vom 10.09.2002, X ARZ 217/02, juris, Rn 14ff; Senat, Beschluss vom 21,01.2016, I – 32 SA 69/15, juris; Schultzky in Zöller, ZPO 32. Aufl., § 281, Rn 17 m.w.N.).

So verhält es sich hier. Denn das Amtsgericht C hat die – unzweifelhaft gegebene – ausschließliche Zuständigkeit gemäß § 29a ZPO offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen, wie sich daran zeigt, dass der Verweisungsbeschluss vom 14.06.2018 allein auf den zwischenzeitlich erhöhten Streitwert gestützt ist.

Der Umstand, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 23.05.2018 – insoweit den Hinweis des Amtsgerichts C vom 15.05.2018 aufgreifend – selbst einen Verweisungsantrag gestellt hat, dem sich die Beklagten mit Schriftsatz vom 05.06.2018 angeschlossen haben, schließt Willkür entgegen der Annahme des Amtsgerichts C vorliegend nicht aus. Wenn das Gericht durch die Verweisung des Rechtsstreits einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht, kann dies zwar in manchen Fällen geeignet sein, einen rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Verweisungsbeschluss nicht willkürlich erscheinen zu lassen. Das gilt aber nicht, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, die sich bis dahin – wie vorliegend – zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Verweisung hinweist (BGH, Beschluss vom 10.09.2002, X ARZ 217/02, juris Rn 17). Der Kläger hat den Verweisungsantrag in seinem Schriftsatz vom 23.05.2018 ausdrücklich im Hinblick auf die Bewertung der sachlichen Zuständigkeit durch das Amtsgericht C gestellt. Der Antrag war aus anwaltlicher Sicht auch durchaus geboten, um der Gefahr einer Klageabweisung als unzulässig zu begegnen. Der Antrag nimmt der Verweisung daher die Einordnung als willkürlich nicht.

In der Sache ist das Amtsgericht C gemäß § 29a ZPO auch sachlich ausschließlich zuständig. Denn wie das Landgericht C in seinem Beschluss vom 30.08.2018 bereits zutreffend ausgeführt hat, sind von der ausschließlichen Zuständigkeit des § 29a ZPO nicht nur Primäransprüche, sondern auch alle sekundären Ansprüche wegen der Nicht- oder Schlechterfüllung vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten aus einem Mietverhältnis erfasst. Hierzu gehört insbesondere ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der mietvertraglichen Nebenpflicht, einen Drittverkauf bei Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes des Mieters mitzuteilen (BayObLG, Rechtsentscheid v. 16.04.1992, NJW-RR 1992, 1039 (1040); Vorwerk/Wolf, BeckOKZPO, 30. Edition, Stand 15.09.2018, § 29a, Rn 14), wie er Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Dies hat das Amtsgericht C bei seiner allein auf die Überschreitung der Streitwertgrenze von 5.000,00 € gestützten Verweisung offensichtlich übersehen.

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32 SA 47/18

19.11.2018

Oberlandesgericht Hamm 32. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: SA

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 19.11.2018, Az. 32 SA 47/18 (REWIS RS 2018, 1560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1560

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X ARZ 115/15

X ARZ 109/11

32 SA 69/15

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