26. Senat | REWIS RS 2014, 3830
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Markenbeschwerdeverfahren – "Bullneck" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 062 330
hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 23. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie der Richter [X.] und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 31. Juli 2012 aufgehoben.
I.
Der [X.] hat am 6. Dezember 2011 die Wortmarke
Bullneck
zur Eintragung in das Register für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 18: Taschen; Sporttaschen; Rucksäcke;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das [X.] betreffend Taschen, Sporttaschen, Rucksäcke, Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Sport- und Motoraccessoires; Werbung; Präsentation von Firmen und Waren im [X.]
angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 18 des [X.] hat mit Bescheid vom 19. Januar 2012 die Anmeldung beanstandet. Der Eintragung der angemeldeten Marke stünden für die Waren und Dienstleistungen
- Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen
- Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das [X.] betreffend Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen
die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 [X.] entgegen. Die angemeldete Marke „[X.]“ bestehe aus den beiden schutzunfähigen Bestandteilen „bull“ (englisch für Bulle, Stier) und „neck“ (englisch für Hals, Nacken, [X.]). Die [X.] werde als Größenangabe (Stiernacken) von den beteiligten Kreisen sofort verstanden. Die Wortkombination „[X.]“ sei glatt warenbeschreibend und deshalb nicht geeignet, auf die Herkunft von Waren und Dienstleistungen aus einem Unternehmen hinzuweisen, weshalb ihr jegliche Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 1 Nr. 1 [X.] fehle. Zudem bestehe ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].
Der [X.] hat dem entgegengehalten, die Bezeichnung der Ware mit „[X.]“ lasse mehrere Interpretationen zu. Neben der Möglichkeit, diesen Ausdruck als schlagwortartigen Hinweis auf die besondere Größe der Kleidung zu verstehen, kämen auch andere Interpretationen in Betracht. Das Zeichen könne darauf hinweisen, dass Kleidungsstücke an bestimmten Stellen besonders verstärkt seien (zum Beispiel doppelt genähter Kragen) oder von besonderer Qualität, beispielsweise besonders reißfest seien. Insofern sei die Marke mehrdeutig, weise keinen beschreibenden Charakter auf und sei deshalb unterscheidungskräftig [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. [X.] des Ausdrucks „[X.]“ [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bestehe nicht.
Die Markenstelle für Klasse 18 des [X.] hat mit Beschluss vom 31. Juli 2012 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Markenanmeldung für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 25: Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen;
Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das [X.] betreffend Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen.
zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie erklärt, der angemeldeten Marke komme für die genannten Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft zu. Die [X.] gebildete Marke „[X.]“ sei in ihrer Bedeutung „Stiernacken“ geeignet, die genannten Waren in Bezug auf Qualität, Design oder Aussehen zu beschreiben, was der Anmelder auch gar nicht bestreite, weil er erklärt habe, die Bezeichnung „[X.]“ könne ein Hinweis auf die besondere Größe der Kleidung bzw. auf ihre Qualität sein. Die angemeldete Bezeichnung stelle daher auf dem einschlägigen Warensektor eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Das Zeichen enthalte einen klaren Hinweis auf die Größen- und Qualitätsbezeichnung der Waren. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden dem Zeichen deshalb keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen. Weil die angemeldete Marke deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung auszuschließen sei, könne die Frage, ob darüber hinaus das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) vorliege, dahingestellt bleiben.
Hiergegen wendet sich der [X.] mit der Beschwerde. Er hat zur Begründung vorgetragen, die angemeldete Bezeichnung „[X.]“ sei weder beschreibend noch anpreisend in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 18, 25 und 35, weil das angemeldete Zeichen „[X.]“ nicht zum [X.] Sprachschatz gehöre und in der [X.] einen vielfältigen Bedeutungsinhalt habe. Der [X.] Übersetzung „Stiernacken“ komme insbesondere eine medizinische Bedeutung als außerhalb der Norm liegende, sichtbare Gewebeansammlung oder –vergrößerung im Bereich des Nackens zu. Weil es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder um Medikamente noch um medizinische Produkte handeln würde, bleibe der Bedeutungsinhalt des Zeichens „[X.]“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen vage und unscharf und sei nicht beschreibend. Auch ein Freihaltebedürfnis von Wettbewerbern sei nicht erkennbar.
Der [X.] beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 31. Juli 2012 aufzuheben.
II.
Klasse 25: Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen;
Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das [X.] betreffend Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen.
in das Register einzutragen.
1. Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]
Unterscheidungskraft fehlt Zeichen und Angaben, die die beanspruchten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreiben. Was Waren und Dienstleistungen inhaltlich beschreibt, individualisiert sie nicht nach ihrer betrieblichen Herkunft. Unterscheidungskraft ist bei Angaben zu verneinen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.], 1151, 1152 – marktfrisch; [X.], 417, 418 f. - [X.]; [X.], 850 Rn. 19 – [X.];
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.]. 2004, 635 Rn. 44 – Dreidimensionale Tablettenform II; [X.]. 2005, 135 Rn. 20 – [X.]; [X.], 261, 262 – [X.]; [X.], 240, 241 – [X.] ARMY; [X.], 162, 163 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION;
Die Eintragung eines in der Sprache eines [X.] nicht unterscheidungskräftigen Wortes als nationale Marke in einem anderen Mitgliedstaat kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn die beteiligten Verkehrskreise in dem Staat, in dem die Eintragung begehrt wird, im Stande sind, die eine betriebliche Herkunftsunterscheidung ausschließende Bedeutung dieses Wortes zu erkennen. Die insoweit maßgeblichen beteiligten Verkehrskreise sind der Handel und/oder der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher ([X.] [X.], 411 Rn. 24, 32 – Matratzen [X.]/[X.];
Der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen und Abbildungen konfrontiert zu werden. Der Durchschnittsverbraucher nimmt erfahrungsgemäß Kennzeichen so auf, wie sie ihm entgegentreten. Der Durchschnittsverbraucher wird deshalb auch bisher noch nicht verwendete oder grammatikalisch fehlerhafte, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen durchaus als solche und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen ([X.], 778, 779 – [X.] DIREKT; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch;
Eine aus beschreibenden Elementen bestehende Wortneubildung ist nur dann schutzfähig, wenn die Wortverbindung wegen ihrer Ungewöhnlichkeit einen merklichen Unterschied zu der bloßen Zusammenfügung der Bestandteile aufweist ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 98-100 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 39-41 - [X.]; [X.], 229 Rn. 34-37 – BioID; [X.] 2007, 204 Rn. 77, 78 – [X.]; GRUR 2008, 608 Rn. 45, 69 – [X.]; [X.], 931 Rn. 61-63 – [X.]). An die Eintragungsfähigkeit von [X.] werden insofern erhebliche Anforderungen gestellt, was insbesondere für Verbindungen schutzunfähiger Wortelemente gilt (
Die Bezugnahme der Markenstelle für Klasse 18 in ihrem Zurückweisungsbeschluss vom 31. Juli 2012 auf die Entscheidungen „[X.]“ und „[X.]“ des [X.] deutet darauf hin, dass die Markenstelle das angemeldete Zeichen „[X.]“ als Wortneubildung verstanden hat und den für diese vom [X.] und [X.] entwickelten Rechtsgrundsätzen unterwerfen will. Bei dem Zeichen „[X.]“ handelt es sich indes nicht um eine Wortneubildung, weil der Begriff „[X.]“ im [X.] mit einem Begriffsgehalt belegt ist und hier insbesondere einen Bezug zum Sport „Bodybuilding“ sowie im medizinischen Bereich zu einem Diphtherie-Erreger aufweist, wie eine Übersicht bei Eingabe dieses Begriffs in der [X.]suchmaschine [X.] belegt. Unter der Übersetzung „Stiernacken“ des angemeldeten Zeichens versteht das Onlinelexikon Wikipedia „eine außerhalb der Norm liegende, sichtbare Gewebeansammlung oder -vergrößerung im Bereich des Nackens“, bei der es sich überwiegend um Fettgewebe handelt. Im Bereich des Bodybuilding wird der Begriff „Stiernacken“ als Ziel des Trainings der Kopf- und Nackenmuskulatur „zu einem wahren Stiernacken“ benutzt. [X.] legt dem Wort „Stiernacken“ die Bedeutung „feister, starker Nacken eines Menschen“ bei. Insofern stellt die angemeldete Marke „[X.]“ keine Wortneubildung dar, auf die die Grundsätze der vom [X.] und [X.] in diesem Zusammenhang entwickelten Rechtsgrundsätze anwendbar wären.
Das angemeldete Zeichen „[X.]“ ist auch nicht geeignet, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen, hinsichtlich derer die Markenanmeldung zurückgewiesen worden ist, zu beschreiben. Dass es sich – wie die Markenstelle für Klasse 18 ausgeführt hat – bei dem Zeichen „[X.]“ um einen Hinweis auf die besondere Größe und Qualität von Bekleidungsstücken handelt, und „[X.]“ deshalb eine verkehrswesentliche Eigenschaft für die genannten Waren und Dienstleistungen darstellt, ist allenfalls bei einer näheren analysierenden Betrachtungsweise erkennbar, die der Durchschnittsverbraucher aber nicht vornimmt, weil er ein als Marke verwendetes Zeichen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt. Insofern tritt eine möglicherweise beschreibende Aussage von „[X.]“ als besonders große und besonders qualitative Bekleidung nicht so deutlich und unmissverständlich hervor, dass sie für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar wäre. Es bleibt bloß theoretisch möglich, dass der Verkehr die Sachaussage von Bekleidung besonderer Größe und besonderer Qualität mit dem angemeldeten Zeichen verbindet, was zur Verneinung der Unterscheidungskraft indes nicht ausreicht. Daher kann der angemeldeten Marke „[X.]“ die erforderliche Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht abgesprochen werden.
2. Beschreibende Zeichen oder Angaben, § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]
Die angemeldete Marke „[X.]“ besteht nicht ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Insofern ist für die hier relevanten Waren und Dienstleistungen nicht erkennbar, dass die Allgemeinheit ein Interesse daran haben könnte, das Zeichen „[X.]“ für Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen frei verwenden zu können. Insofern steht der Eintragung der Marke „[X.]“ auch nicht das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.
Meta
23.07.2014
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.07.2014, Az. 26 W (pat) 561/12 (REWIS RS 2014, 3830)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 3830
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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