Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2022, Az. II R 45/19

2. Senat | REWIS RS 2022, 3787

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grunderwerbsteuer bei Erwerb eines Grundstücks mit Weihnachtsbaumpflanzung


Leitsatz

1. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sind diejenigen Leistungen, die für den Erwerb des Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts zu erbringen sind. Eine Gegenleistung für Scheinbestandteile gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

2. Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Das gilt auch für sog. Weihnachtsbaumkulturen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14.11.2019 - 8 K 168/19 GrE wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 2018 zwei Grundstücke von zwei Verkäufern zu einem Gesamtkaufpreis von 341.364,35 €. Nach den Vertragsbestimmungen setzte sich der für eines der Grundstücke vereinbarte Kaufpreis von 321.364,35 € aus einem Anteil von 225.000 € für den Grundbesitz und einem Anteil von 87.050 € zuzüglich Umsatzsteuer (10,7 %) für den Aufwuchs in Gestalt von angepflanzten Weihnachtsbaumkulturen (Nordmanntanne und Blaufichte) zusammen. [X.] die Bäume bestimmungsgemäß zu gegebener [X.] gefällt und veräußert, pflegte der Kläger die Wurzelballen mit einer Fräsmaschine zu zerkleinern und zu mulchen.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) setzte mit Bescheid vom 11.06.2018 Grunderwerbsteuer in Höhe von 22.188 € fest (6,5 % auf den gesamten Kaufpreis von 341.364 €) und bezog dabei den Anteil für den Aufwuchs in die Bemessungsgrundlage ein.

3

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der sich der Kläger gegen die Einbeziehung des Kaufpreisanteils für den Aufwuchs in die Bemessungsgrundlage wandte, hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts ([X.]) sind die Bäume Scheinbestandteile des Grundstücks i.S. von § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), da sie von Beginn an zum Verkauf als Weihnachtsbäume bestimmt gewesen seien.

4

Mit der Revision rügt das [X.] eine Verletzung der §§ 94, 95 BGB. Die Weihnachtsbaumkulturen seien Erzeugnisse des Grundstücks und könnten deshalb, solange sie mit dem Boden zusammenhingen, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. So könne auch Holz auf dem Stamm nicht selbständig übereignet werden. Abweichendes gelte nur für Baumschulen und Gärtnereien, in denen ein lebender Organismus vom Grundstück getrennt und die Pflanze selbst in intaktem Zustand veräußert werde. Weihnachtsbäume seien hingegen von vornherein dazu bestimmt, bis zum Erreichen einer bestimmten Größe und damit ihrer gesetzten Lebenserwartung auf dem Grundstück zu verbleiben, bis sie unter Zerstörung der Pflanzen als deren Produkt geerntet würden.

5

Das [X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid insoweit rechtswidrig war, als das [X.] den auf die [X.]en entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen hat.

9

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 [X.] die Gegenleistung für das Grundstück. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (Urteil des [X.] --BFH-- vom 25.04.2018 - II R 50/15, [X.], 169, [X.], 602, Rz 13, m.w.N.). Soweit sich ein Kaufvertrag auch auf Gegenstände bezieht, die nicht Grundstück sind, gehören die hierauf entfallenden Teile des Kaufpreises nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage, denn es können nur solche Leistungsverpflichtungen des Erwerbers Gegenleistung sein, die er um des Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 08.09.2010 - II R 28/09, [X.], 244, [X.], 227, Rz 10, m.w.N.).

2. Unter Grundstück im Sinne des [X.] ist das Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Ob Gehölze zum Grundstück zählen, hängt davon ab, zu welchem Zweck die Aussaat bzw. das Einpflanzen des Gehölzes erfolgt ist.

a) Grundstück im bürgerlichen Rechtssinne ist der räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts ohne Rücksicht auf die Art seiner Nutzung unter einer besonderen Nummer eingetragen ist (vgl. Beschluss des [X.] --BGH-- vom 19.12.1967 - V [X.] 24/67, [X.], 145; BFH-Urteil vom [X.], [X.], 2261, Rz 29; [X.]/Herrler, [X.], 81. Aufl., Überbl v § 873 Rz 1, m.w.N.). Es umfasst nach §§ 94, 95 BGB auch seine wesentlichen Bestandteile, soweit es sich nicht um Scheinbestandteile handelt.

b) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, darunter auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). [X.] Gehölze sind deshalb im Ausgangspunkt wesentliche Bestandteile des Grundstücks, gleich, ob sie durch Selbst- oder Fremdaussaat unmittelbar am Standort gewachsen oder anderweit vorgezogen und eingepflanzt sind (vgl. [X.] vom 04.11.2010 - III ZR 45/10, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2011, 852, Rz 14; [X.] vom 17.03.2016 - V ZR 185/15, Neue Juristische Wochenschrift - [X.] 2016, 587, Rz 4, und vom 26.11.2020 - V ZB 151/19, NJW 2021, 2121, Rz 8).

c) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB), die sog. Scheinbestandteile. Die Vorschrift schränkt den Anwendungsbereich des § 94 BGB ein (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 95 Rz 1). [X.]en sind Scheinbestandteile des Grundstücks (so ausdrücklich auch Urteil des [X.] vom 28.02.1992 - 9 [X.], Monatsschrift für Deutsches Recht --[X.]-- 1992, 1034; Urteil des [X.] vom 28.04.1994 - 1 U 6995/93, Versicherungsrecht 1995, 843; Beschluss des [X.] vom 24.08.2021 - 5 W 74/21, juris, Rz 10).

aa) Eine Verbindung erfolgt zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss allerdings mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein ([X.] vom 07.04.2017 - V ZR 52/16, [X.], 2099, Rz 7). Einem vorübergehenden Zweck steht es weder entgegen, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist ([X.] vom 16.11.1973 - V ZR 1/72, [X.] 1974, 298, unter [X.]) noch, wenn sie wegen der Art der eingefügten Sachen zwangsläufig zu deren Zerstörung führt ([X.] vom 22.12.1995 - V ZR 334/94, [X.], 368, NJW 1996, 916, unter [X.]; BFH-Urteil vom 09.04.1997 - II R 95/94, [X.], 373, [X.] 1997, 452, unter [X.]; beide betreffend massiv errichtete Gebäude). Deshalb ist es ebenso wenig wie im Falle eines nur zu vorübergehendem Zweck errichteten massiven Gebäudes erforderlich, dass die Scheinbestandteileigenschaft auf den ersten Blick sichtbar ist (a.A. Beschluss des [X.] vom 24.08.2021 - 5 W 74/21, juris, Rz 12). Es reicht aus, wenn der äußere Anschein damit vereinbar ist.

bb) Bei Verkaufspflanzen in Baumschulen ist von vornherein die vollständige Entfernung von dem Grundstück beabsichtigt. Es handelt sich um Scheinbestandteile (vgl. bereits Urteile des [X.] vom 27.04.1907 - V 459/06, [X.] in Zivilsachen --RGZ-- 66, 88, und vom 04.10.1922 - V 611/21, [X.], 213; BFH-Urteil vom 14.08.1986 - IV R 341/84, [X.], 449, [X.] 1987, 23, unter 2.).

cc) Scheinbestandteile können aber auch vorliegen, wenn aufstehende Bäume gefällt werden sollen (vgl. [X.] in NJW 2011, 852, Rz 15; [X.]/[X.], [X.], 20. Aufl., § 2 Rz 41), sofern dies von Anfang an beabsichtigt war. Wie viel Zeit bis zur planmäßigen Entfernung der Bäume verstreicht, ist unbeachtlich. Werden anders als bei [X.] die Bäume beim Entfernen als lebende Organismen zerstört, steht dies der Eigenschaft als Scheinbestandteil nicht entgegen. Unerheblich ist ferner, ob ein nicht mehr lebensfähiger Rest (Wurzeln mit Baumstumpf) weiter mit dem Grundstück verbunden ist. Die umgekehrte Frage, wie es zu beurteilen wäre, wenn trotz Kappen des aufstehenden Holzes der Baum als lebensfähiger Organismus bestehen bleibt und planmäßig wieder ausschlägt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

dd) Aus dem BFH-Urteil vom 11.05.1966 - II 171/63 ([X.], 252, [X.]I 1966, 400), auf das sich das [X.] beruft, folgt nichts anderes. Es setzt sich nicht mit den §§ 94, 95 BGB auseinander und hat auch keine Feststellungen dahin getroffen, dass der Baumbestand bereits zum Zwecke der späteren Abholzung gesät oder gepflanzt war. Die Überlegung des [X.], das Holz auf dem Stamm könne nicht gesondert übereignet werden ([X.]/[X.] (2021) zu § 94 BGB Rz 17), ist nur zutreffend, soweit das Holz nicht Scheinbestandteil ist (explizit wie hier [X.]/[X.] (2021) zu § 95 BGB Rz 13). Das BFH-Urteil vom 05.06.2008 - IV R 67/05 ([X.], 265, [X.] 2008, 960), das das [X.] weiter heranzieht, befasst sich lediglich mit der --getrennt vom Grund und Boden [X.] Bewertung des stehenden Holzes in der Gewinnermittlung, während das Urteil des [X.] vom 24.03.2009 - 2 U 17/08 (juris) ohne allgemeingültige Aussage auf die konkreten Umstände abgestellt hat.

3. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] zutreffend entschieden, dass als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nur die auf den Grund und Boden entfallenden Anteile des Kaufpreises berücksichtigt werden. Der Kaufpreisanteil für die [X.]en wurde nicht für den Erwerb des Grundstücks geleistet, da die Bäume als Scheinbestandteile nicht Teile des Grundstücks waren. Sie waren bereits bei Pflanzung dazu bestimmt, als Weihnachtsbäume geschnitten und damit wieder von dem Grundstück entfernt zu werden.

Es bedarf keiner weiteren Tatsachenfeststellungen zur Beurteilung der Frage, ob dies mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Wenn nicht die [X.] als solche schon durch eine Reihenpflanzung der als Weihnachtsbäume bekannten Baumarten unmittelbar erkennbar sein sollte, widerspräche auch eine äußerlich ungeordnetere Anpflanzung der Zweckbestimmung des [X.] nicht. Auf die Verweildauer der Bäume kommt es nicht an. Soweit die Bäume als lebende Organismen anders als [X.] durch das Fällen sowie die Zerkleinerung der Wurzeln zerstört werden, steht dies der Scheinbestandteileigenschaft nicht entgegen.

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

5. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O ohne mündliche Verhandlung.

Meta

II R 45/19

23.02.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 14. November 2019, Az: 8 K 168/19 GrE, Urteil

§ 94 Abs 1 S 1 BGB, § 94 Abs 1 S 2 BGB, § 95 Abs 1 S 1 BGB, § 90 Abs 2 FGO, § 121 Abs 1 FGO, § 135 Abs 2 FGO, § 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 2 Abs 1 S 1 GrEStG 1997, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2022, Az. II R 45/19 (REWIS RS 2022, 3787)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3787

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 36/19 (Bundesfinanzhof)

Grunderwerbsteuer bei Erwerb forstwirtschaftlich genutzter Waldflächen


II B 53/10 (Bundesfinanzhof)

Grunderwerbsteuerbarkeit der Veräußerung eines Gebäudes auf fremdem Boden


II R 31/20 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 28.09.2022 - II R 32/20 - Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstückskauf …


II R 32/20 (Bundesfinanzhof)

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstückskauf von erschließungspflichtiger Gemeinde


II R 23/10 (Bundesfinanzhof)

(Vorlage an BVerfG: Bemessung der Grunderwerbsteuer nach Grundbesitzwerten verfassungswidrig? - Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 45/10

V ZR 185/15

V ZR 52/16

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.