Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.05.2022, Az. B 2 U 134/21 B

2. Senat | REWIS RS 2022, 4621

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht - Bezeichnung eines Beweisantrags - "ohne hinreichenden Grund" iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG - sachlich-rechtlicher Standpunkt des LSG - Einholung weiterer Sachverständigengutachten - Voraussetzungen)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 5. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob beim Kläger Kniebeschwerden als Berufskrankheit ([X.]) nach [X.] 2102 der Anlage 1 der [X.] ([X.]V) anzuerkennen sind.

2

Die Beklagte lehnte die Anerkennung ab. Das [X.] hat nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens die auch auf die Anerkennung einer [X.] nach [X.] 2112 der Anlage 1 der [X.]V gerichtete Klage insgesamt abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.3.2021). Das L[X.] hat die nur noch auf Anerkennung der [X.] nach [X.] 2102 gerichtete Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.7.2021).

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] rügt der Kläger das Vorliegen eines [X.] wegen Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

5

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

6

Konkret erfordert die Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G), dass die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnet, dem das L[X.] nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des L[X.] wiedergibt, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigt, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angibt und (5.) erläutert, weshalb die Entscheidung des L[X.] auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 16.3.2022 - [X.] U 164/21 B; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 51/20 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 3 Rd[X.] 5 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des [X.] nicht gerecht.

7

Es wird bereits kein formeller Beweisantrag bezeichnet, der den Erfordernissen des § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 403 ZPO genügt. Die Beschwerdebegründung gibt Ersuchen auf Einholung "medizinischer Sachverständigengutachten" wieder. Dies ist jedoch für die Bezeichnung einer mangelhaften Sachaufklärung nach § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G nicht ausreichend, die zumindest die Benennung eines geeigneten Sachverständigen seiner medizinischen Ausrichtung nach erfordert (B[X.] Beschluss vom 25.11.2020 - [X.] [X.]/20 B - juris Rd[X.] 21 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 2. Aufl 2021, § 160 Rd[X.] 73).

8

Ferner zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, warum das L[X.] sich aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht heraus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G ist im Hinblick auf das Erfordernis "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen. Ohne "hinreichenden" Grund bedeutet in diesem Zusammenhang, ohne einen Grund, der hinreichend für die Annahme ist, dass das L[X.] sich nicht hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 13 R 77/20 B - juris Rd[X.] 7 mwN; B[X.] Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - [X.] 1500 § 160 [X.] 5 S 6). Entscheidend ist, ob sich das L[X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem L[X.] vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des L[X.] entscheidungserheblich sind. Vor diesem Hintergrund besteht eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung weiterer Sachverständigengutachten nur dann, wenn vorhandene Gutachten iS von § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 412 Abs 1 ZPO ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl B[X.] Beschluss vom 14.12.1999 - [X.] U 311/99 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 13 R 77/20 B - juris Rd[X.] 7 mwN; B[X.] Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 3 Rd[X.] 9). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Vortrag, sodass die Beschwerde auch aus diesem Grund unzulässig ist. Vorliegend nicht maßgeblich ist, ob das L[X.] - wie vorgetragen - Beweisanträge des [X.] im Urteil überhaupt formell beschieden hat oder nicht. Wie dargelegt, ist "ohne hinreichende Begründung" materiell zu verstehen. Ebenso nicht entscheidend ist, ob der Kläger aus seiner Sicht weiteren Aufklärungsbedarf annimmt.

9

Der Kläger wendet sich mit seinem Vortrag im Wesentlichen allein gegen die Beweiswürdigung des L[X.] nach § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G. Diese ist einer Verfahrensrüge jedoch ausdrücklich nicht zugänglich (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G).

Auch dass der Kläger die Entscheidung der Vorinstanz für falsch hält, vermag als im [X.] unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers die Zulassung der Revision nicht zu begründen (zB B[X.] Beschluss vom 23.3.2022 - [X.] U 197/21 B; B[X.] Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris Rd[X.] 6).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

2. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.]G.

[X.]                [X.]                [X.]

Meta

B 2 U 134/21 B

10.05.2022

Bundessozialgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: U

vorgehend SG Konstanz, 16. März 2021, Az: S 6 U 2844/18, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 403 ZPO, § 412 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.05.2022, Az. B 2 U 134/21 B (REWIS RS 2022, 4621)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4621

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 2 U 152/19 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht - Hilfsbeweisantrag des Klägers - begründete …


B 2 U 141/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Gewährleistung des rechtlichen Gehörs - Fragerecht der Beteiligten …


B 2 U 74/22 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde - Fristversäumnis - Formverstoß - elektronischer Rechtsverkehr - Versendung …


B 2 U 214/19 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - zulässige und begründete Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Verletzung der tatrichterlichen Aufklärungspflicht gem …


B 2 U 76/17 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler gem § 160 Abs 2 S 3 Halbs 2 …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.