Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.09.2017, Az. VII ZB 64/14

7. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5125

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Zulässigkeit der isolierten Pfändung des Anspruchs des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs und des darauf beruhenden Anspruchs auf Vorauszahlung der Erstellungskosten


Leitsatz

Die isolierte Pfändung der Rechte aus § 887 ZPO in Verbindung mit dem Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c Abs. 2 HGB ist nichtig. Diese Rechte sind als unselbständige Nebenrechte untrennbar mit dem Provisionsanspruch verbunden und können nicht unabhängig von diesen geltend gemacht werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 11. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] trägt die Gläubigerin.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid und einem Kostenfestsetzungsbeschluss.

2

Der Schuldner war seit April 2003 als Handelsvertreter für die [X.] tätig. Das Handelsvertreter-Vertragsverhältnis endete durch fristlose Kündigung der [X.] vom 28. Oktober 2005. [X.] war persönlich haftende Gesellschafterin der [X.].

3

Mit Urteil des [X.] vom 12. Februar 2010 in der Fassung des Berufungsurteils des [X.] vom 28. Juli 2011 wurde die Drittschuldnerin verurteilt, dem Schuldner einen Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 [X.] zu erteilen. Mit Beschluss vom 10. Mai 2013 ermächtigte das [X.] den Schuldner, die der Drittschuldnerin auferlegte Pflicht zur Erteilung eines [X.] durch einen von ihm zu beauftragenden Steuerberater vornehmen zu lassen. Zugleich verpflichtete das [X.] die Drittschuldnerin, 12.960 € als Vorauszahlung für die Kosten der Beauftragung eines Steuerberaters an den Schuldner zu zahlen.

4

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 31. Juli 2013 "sämtliche Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aus dem Beschluss des [X.] vom 10. Mai 2013, insbesondere ... der Anspruch des Schuldners auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung der für die Erstellung des [X.] voraussichtlich anfallenden Kosten ..." gepfändet. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 27. März 2014 zurückgewiesen. Auf die vom Schuldner gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - aufgehoben, soweit dieser den Anspruch auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung für die Erstellung des [X.] betrifft. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Gläubigerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg.

6

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

7

Mit seiner Beschwerde wende sich der Schuldner gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur insoweit, als der Anspruch auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung der für die Erstellung des [X.] voraussichtlich anfallenden Kosten gepfändet sei. Insoweit sei die Beschwerde begründet. Der Anspruch auf Vorauszahlung unterliege nicht der Pfändung. Gemäß § 399 Fall 1 BGB sei eine Forderung unübertragbar und damit gemäß § 851 ZPO unpfändbar, wenn der [X.] den Inhalt der Leistung ändern würde. Hierzu gehörten insbesondere zweckgebundene Forderungen. Der [X.] für die Kosten der Erstellung des [X.] sei in diesem Sinne zweckgebunden, da er allein der Erstellung des [X.] diene. Im Falle der Übertragung des [X.]es könne der Zweck nicht mehr erreicht werden, weil der Drittschuldner zur Erteilung des [X.] gerade nur gegenüber dem Schuldner verpflichtet sei.

8

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

9

a) Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere fehlt es der Gläubigerin nicht deshalb am Rechtsschutzbedürfnis für die Rechtsbeschwerde, weil der [X.] vom 31. Juli 2013 vom Beschwerdegericht aufgehoben worden ist. Die Aufhebung des [X.]es durch den Beschluss des [X.] ist ungeachtet der Anfechtbarkeit dieses Beschlusses sofort wirksam geworden. Ein aufgehobener [X.] lebt bei Wegfall des [X.] nicht wieder auf; er kann vom Rechtsmittelgericht auch nicht mehr in seiner ursprünglichen Fassung (mit demselben Rang) wiederhergestellt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn - was hier nicht geschehen ist - das den [X.] aufhebende Gericht zugleich die Anordnung trifft, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird ([X.], Beschluss vom 18. Mai 2017 - [X.]/16, [X.], 1161 Rn. 19).

Ist ein [X.] durch instanzgerichtlichen Beschluss aufgehoben worden und hat das aufhebende Gericht keine Anordnung getroffen, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Rechtsbeschwerde des Gläubigers gleichwohl gegeben, wenn mit ihr das Ziel verfolgt wird, eine Vollstreckung mit neuem Rang zu ermöglichen ([X.], Beschluss vom 18. Mai 2017 - [X.]/16, [X.], 1161 Rn. 20). In diesem Sinne ist die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin zu verstehen.

b) Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht die Pfändbarkeit des [X.]es verneint. Der Anspruch auf Erteilung des [X.] nach § 87c Abs. 2 [X.] und der darauf beruhende Anspruch auf Vorauszahlung aus § 887 Abs. 2 ZPO stellen Nebenrechte zum Provisionsanspruch des Schuldners dar, die nicht selbständig pfändbar sind. Die Beschlagnahme dieser Nebenrechte erfolgt vielmehr mit der Pfändung des Provisionsanspruchs.

aa) Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne weiteres auf alle Nebenrechte, die im Fall einer Abtretung nach §§ 401, 412 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- und Hilfspfändung bedarf es dazu nicht. Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese Vorschrift unter anderem auf [X.] entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind. Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln ([X.], Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - [X.]/11, [X.]Z 196, 62 Rn. 8; vom 18. Juli 2003 - [X.], [X.], 114, juris Rn. 6; vgl. zudem [X.], Urteil vom 19. März 1998 - [X.], [X.]Z 138, 179, 184, juris Rn. 16).

bb) Der Anspruch auf Erteilung eines [X.] stellt zum Provisionsanspruch des Handelsvertreters aus § 87 [X.] einen solchen unselbständigen Nebenanspruch dar. Der Anspruch aus § 87c Abs. 2 [X.] soll den Handelsvertreter in die Lage versetzen, die Abrechnung seines Vertragspartners nachzuprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen, und hat deshalb den Zweck, die Durchsetzung des Provisionsanspruchs zu ermöglichen und zu erleichtern (MünchKomm[X.]/von [X.], 4. Aufl., § 87c Rn. 4; [X.] in [X.]/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 5. Aufl., [X.] Rn. 1; [X.], Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 87c Rn. 8; [X.] in [X.]/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 87c [X.] Rn. 7; [X.], Handelsvertreterrecht, 5. Aufl., § 87c Rn. 1, 13). Dementsprechend geht der Anspruch aus § 87c Abs. 2 [X.] mit der Abtretung des Provisionsanspruches entsprechend § 401 BGB auf den [X.] über. Damit sind die Ansprüche aus § 87c Abs. 2 [X.] nicht selbständig pfändbar ([X.], NJW-RR 1997, 1322, 1323, juris Rn. 4 - zur Abtretbarkeit; MünchKomm[X.]/von [X.], aaO; [X.], aaO Rn. 21; [X.], in [X.]/Wauschkuhn, aaO; [X.], aaO Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 87c Rn. 5d, 13; a. [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 87c Rn. 25).

cc) Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für den nach § 887 Abs. 2 ZPO ausgeurteilten [X.] zur Deckung der Kosten des zu beauftragenden Steuerberaters. Die Verurteilung zur Erstellung eines [X.] nach § 87c Abs. 2 [X.] wird nach § 887 ZPO vollstreckt, wenn der Buchauszug - wie hier - aufgrund vorhandener Unterlagen nicht nur vom Schuldner, sondern auch von einem Dritten erstellt werden kann ([X.], Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.], [X.], 1380 Rn. 10). Der nach § 887 Abs. 2 ZPO ausgeurteilte [X.] dient deshalb der Verwirklichung des Anspruches auf Erstellung eines [X.] und damit der Klärung der Voraussetzungen des Provisionsanspruches.

dd) Sollte die Gläubigerin Provisionsansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin gepfändet haben oder pfänden, kann das für diese Pfändung zuständige Vollstreckungsgericht auf Antrag der Gläubigerin die Mitpfändung des [X.]s klarstellend aussprechen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 - [X.]/11, [X.]Z 196, 62 Rn. 12).

ee) Aus dem Umstand, dass sich der Schuldner nach den Feststellungen des [X.] ausschließlich gegen die Pfändung und Überweisung des [X.]s, aber nicht gegen eine Pfändung der Ermächtigung zur Selbstvornahme der Erstellung des [X.] gewandt hat, folgt nichts anderes. Damit geht kein Auseinanderfallen der Verfügungsbefugnis einerseits zur Selbstvornahme und andererseits zum [X.] einher. Denn eine isolierte Pfändung des Rechts auf Selbstvornahme der Erstellung des [X.] ist nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig, und kann deshalb unabhängig von einer gerichtlichen Aufhebung keine Wirkungen entfalten (vgl. [X.], [X.] 2001, 1133, 1134, juris Rn. 57).

Die Nichtigkeit eines [X.]es setzt voraus, dass ein schwerer und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundiger Fehler gegeben ist. Offenkundig ist ein Fehler, wenn für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter die schwere Fehlerhaftigkeit ohne weiteres ersichtlich ist ([X.], Urteil vom 17. Dezember 1992 - [X.], [X.]Z 121, 98, 102 f., juris Rn. 23; Jurgeleit, Die Haftung des Drittschuldners, 2. Aufl., Rn. 3).

Auf dieser Grundlage ist die isolierte Pfändung des Rechtes aus § 887 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c Abs. 2 [X.] nichtig. Diese Rechte sind als unselbständige Nebenrechte untrennbar mit dem Provisionsanspruch verbunden und können nicht unabhängig von diesem geltend gemacht werden. Werden diese Rechte gleichwohl isoliert gepfändet, liegt darin ein schwerer Fehler, der für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

       

Halfmeier     

       

Kartzke

       

Jurgeleit     

       

Sacher     

       

Meta

VII ZB 64/14

19.09.2017

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Augsburg, 11. November 2014, Az: 42 T 2208/14

§ 829 ZPO, § 887 Abs 1 ZPO, § 887 Abs 2 ZPO, § 87c Abs 2 HGB, § 401 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.09.2017, Az. VII ZB 64/14 (REWIS RS 2017, 5125)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3525 MDR 2018, 56 REWIS RS 2017, 5125

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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