Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2010, Az. XII ZB 66/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2639

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[X.][X.]/10 [X.]/10 vom 6. Oktober 2010 in den Familiensachen Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 85 Abs. 2, 233 [X.] in mehreren Verfahren gleicher Parteien mehrere Fristen für Rechtsmittel und Rechtsmittelbegründung zu notieren sind, muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen verhindern, dass eine Verwechslung in der [X.] der verschiedenen Verfahren entstehen kann. Er muss durch geeig-nete Anweisungen sicherstellen, dass grundsätzlich bei zwei oder mehr Rechtsmitteln in der Angelegenheit eines Mandanten die Frist für jedes dieser Rechtsmittel auch bei gleichzeitigem Fristablauf gesondert notiert wird. Hat er die Fristenkontrolle auf eine Fachangestellte übertragen, ist es darüber hinaus geboten, die notierten Fristen mit zusätzlichen eindeutigen Erkennungszeichen zu versehen. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2010 - [X.]/10 und 67/10 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 6. Oktober 2010 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und [X.], Schilling und [X.] beschlossen: [X.] gegen die Beschlüsse des 7. [X.] des [X.] vom [X.] 2009 und vom 19. Januar 2010 werden auf Kosten des [X.] verworfen. Streitwert: 3.000 • Gründe: [X.] Mit Urteil vom 27. August 2009 hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller ver-urteilt, an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Das Urteil wurde dem Antragsteller am 10. September 2009 zugestellt. 1 Mit einem am 23. September 2009 eingegangenen Schriftsatz legte der Antragsteller gegen dieses Urteil Berufung ein. Am 18. November 2009 wies das [X.] den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers darauf hin, dass noch keine Berufungsbegründung eingegangen sei. Mit einem am 1. Dezember 2009 eingegangenen Schriftsatz beantragte der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begrün-dungsfrist, weil die Fachangestellte seines Prozessbevollmächtigten diese Frist 2 - 3 - versehentlich gestrichen habe. Mit einem am 21. Dezember 2009 eingegange-nen Schriftsatz reichte er eine eidesstattliche Versicherung der Fachangestell-ten seines Prozessbevollmächtigten nach. 3 Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. Dezember 2009 zurück-gewiesen und die Berufung mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Januar 2010 verworfen. Dagegen richten sich die Rechtsbeschwerden des [X.]. I[X.] Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - [X.] ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 [X.]. 5). 4 [X.] sind gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft; sie sind aber nicht zulässig, weil es an einem Zulas-sungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Entgegen den Angriffen der Rechts-beschwerde ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidungen des [X.] beruhen nicht auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten und wahren auch das rechtliche Gehör des Antragstellers (vgl. hierzu [X.] 151, 221, 226 f.). Auch der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. Senatsbe-schluss vom 31. August 2005 - [X.] ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901) ist nicht verletzt. 5 - 4 - 1. Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht zurückgewiesen, weil der Antragsteller nicht hinrei-chend glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, die [X.] einzuhalten. 6 7 a) Zwar darf ein Rechtsanwalt mit der Notierung, Überwachung und Lö-schung von Fristen grundsätzlich sein voll ausgebildetes und sorgfältig über-wachtes Personal betrauen (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - [X.] ZB 109/04 - FamRZ 2007, 2059 Rn. 15). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro aber eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass die im [X.] vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tat-sächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumin-dest postfertig gemacht worden ist. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle ge-hört eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden [X.] anhand des [X.]s überprüft wird (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - [X.] ZB 109/04 - FamRZ 2007, 2059 Rn. 13; [X.] Be-schluss vom 14. März 1996 - [X.] - [X.], 1298). b) Für den Fall, dass in mehreren Verfahren gleicher Parteien mehrere Fristen für Rechtsmittel und Rechtsmittelbegründung zu notieren sind, genügen diese Anweisungen allerdings noch nicht. Der Rechtsanwalt muss für solche Fälle durch organisatorische Maßnahmen verhindern, dass eine Verwechslung in der Behandlung der verschiedenen Verfahren entstehen kann. Er muss durch geeignete Anweisungen sicherstellen, dass grundsätzlich bei zwei oder mehr Rechtsmitteln in der Angelegenheit eines Mandanten die Frist für jedes dieser Rechtsmittel auch bei gleichzeitigem Fristablauf gesondert notiert wird ([X.] - 5 - beschlüsse vom 4. Februar 1987 - [X.] - FamRZ 1987, 1017, 1018 und vom 9. November 2005 - [X.] ZB 140/05 - [X.], 190, 191). 9 Wenn es - wie hier - Aufgabe des [X.] ist, anhand der in der Kanzlei erstellten Rechtsmittelschriften selbständig zu beurteilen, auf [X.] Sache sie sich jeweils beziehen, und die zu wahrenden Fristen aufgrund dieser Beurteilung zu streichen, ist es darüberhinaus geboten, die notierten Fristen bei derartigen [X.]n mit zusätzlichen eindeutigen Erkennungs-zeichen zu versehen (Senatsbeschlüsse vom 17. Januar 2007 - [X.] ZB 166/05 - FamRZ 2007, 547 Rn. 19, vom 9. November 2005 - [X.], 190, 191 und vom 5. Februar 1992 - [X.] ZB 92/91 - FamRZ 1992, 794). c) Diesen Anforderungen genügt die vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorgetragene und glaubhaft gemachte Büroorganisation nicht. 10 Zwar hat die Fachangestellte des Prozessbevollmächtigten, der die Fris-tenkontrolle übertragen ist, in der [X.] zum Trennungsunterhalt nach Eingang des [X.] und postfertiger Erstellung eines Wiedereinsetzungsantrags nebst nachzuholender Berufung und Berufungsbe-gründung zu Recht die entsprechenden Fristen in jener Sache löschen wollen. Sie hat dies auch anhand der Akten zum Trennungsunterhalt zutreffend geprüft. Wegen der nicht ausreichenden Unterscheidung der beiden Verfahren im Fris-tenbuch hat sie dann allerdings nicht die Fristen im Verfahren zum [X.] gelöscht, was bereits der Prozessbevollmächtigte selbst erledigt hatte, sondern die Berufungsbegründungsfrist in dem Verfahren zum nachehelichen Unterhalt. 11 Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat bei der Darlegung seiner Büroorganisation keine besonderen Vorkehrungen vorgetragen oder glaubhaft gemacht, die - wie vom Senat verlangt - eine Verwechslung [X.] - 6 - dener Verfahren der gleichen Parteien verhindern könnten. Die bloße Ergän-zung im Aktenzeichen, die beim Trennungsunterhalt "([X.])" und im hier vorlie-genden Verfahren über den nachehelichen Unterhalt "(S)" lautet, genügt als Unterscheidungskriterium nicht. Denn dieser Hinweis deutet lediglich auf den Verfahrensgegenstand hin und ist für sich genommen nicht geeignet, ein siche-res Unterscheidungskriterium von Parallelverfahren aufzuzeigen. Das wird an dem hier vorliegenden Fall besonders deutlich, weil auch in dem Scheidungs-verbundverfahren nur noch der nacheheliche Unterhalt mit der Berufung ange-griffen werden sollte. Beide Berufungsverfahren bezogen sich mithin auf [X.], so dass sich der Zusatz "([X.])" nicht zur Unterscheidung eigne-te. Im Übrigen ist trotz des Zusatzes aus den Fristen jedes einzelnen Verfah-rens nicht ersichtlich, ob weitere Parallelverfahren mit laufenden Fristen anhän-gig sind. Mangels eines geeigneten Unterscheidungskriteriums ist der Fachan-gestellten des [X.] auch nicht aufgefallen, dass sie im vorlie-genden Verfahren lediglich die Berufungsbegründungsfrist gelöscht hat, obwohl im Verfahren zum Trennungsunterhalt die Berufungsfrist und die Frist zur [X.] gelöscht werden konnten. Für mehrere Verfahren derselben Parteien genügt die vom Antragsteller vorgetragene Büroorganisation seines Prozessbevollmächtigten folglich nicht den Anforderungen, die der [X.] an die Unterscheidbarkeit stellt. Das sich daraus ergebende [X.] muss sich der Antragsteller nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Er hat die Berufungsbegründungsfrist also nicht schuldlos versäumt, was eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt. 13 2. Auch die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung ist statthaft. Zwar würde einem die Berufung verwerfenden Beschluss im Falle der Wiedereinsetzung in die versäumte Frist die Grundlage entzogen und er damit 14 - 7 - gegenstandslos (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2005 - [X.] ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 und vom 10. Mai 2006 - [X.] ZB 42/05 - NJW 2006, 2269). Einer ausdrücklichen Anfechtung des [X.] hätte es deswegen nicht bedurft. Das steht einem Rechtsschutzbedürfnis jedoch nicht entgegen. Vielmehr kann der Verwerfungsbeschluss auch isoliert mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden (Senatsbeschluss vom 15. August 2007 - [X.] ZB 101/07 - FamRZ 2007, 1725 Rn. 4). Die Rechtsbeschwerde ist aber ebenfalls unzulässig, weil es ihr an ei-nem Zulassungsgrund fehlt. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zu Recht verworfen. Die Berufungsbegründung ist nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO eingegangen und der Antrag auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] hatte keinen Erfolg. 15 Hahne [X.] [X.]: [X.], Entscheidung vom [X.] - 10 F 43/07 - [X.], Entscheidung vom 22.12.2009 - [X.]/09 -

Meta

XII ZB 66/10

06.10.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2010, Az. XII ZB 66/10 (REWIS RS 2010, 2639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2639

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