Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.07.2013, Az. VIII ZR 334/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4075

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kraftfahrzeugleasing: Wirksamkeit der Verpflichtung des Leasingnehmers zum Minderwertausgleich; Verzugszinsen


Leitsatz

1. Dem Anspruch des Leasinggebers auf Minderwertausgleich bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung kann der Leasingnehmer schadensrechtliche Einwände nicht entgegenhalten (im Anschluss an die Senatsurteile vom 24. April 2013, VIII ZR 265/12, NJW 2013, 1420; vom 14. November 2012, VIII ZR 22/12, DAR 2013, 143).

2. Die Wirksamkeit einer Klausel in einem vom Leasinggeber vorformulierten Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, die den Leasingnehmer zum Minderwertausgleich verpflichtet, wenn er das Leasingfahrzeug nicht in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückgibt, scheitert nicht daran, dass die Klausel dem Leasingnehmer kein Recht zur Nacherfüllung einräumt und die Pflicht zum Minderwertausgleich nicht analog § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB von einer erfolglosen Fristsetzung hierzu abhängig macht.

3. Der Anspruch des Leasinggebers auf Minderwertausgleich bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung ist keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 8. Oktober 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, schloss im März 2007 mit dem Beklagten einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und einer Laufzeit von 36 Monaten über einen Pkw [X.]. Dem Vertrag lagen die Leasingbedingungen der Klägerin für [X.] in der Fassung von Dezember 2005 (im Folgenden: [X.]) zugrunde. Dort heißt es in Abschnitt IV. 1:

"Die Leasing-Raten, eine vereinbarte Sonderzahlung und eine Mehrkilometerbelastung nach Ziffer 3 sind Gegenleistungen für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges."

2

Unter Abschnitt XVI. ist im Hinblick auf die Rückgabe des Fahrzeugs unter anderem Folgendes bestimmt:

"2. Bei Rückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. Über den Zustand wird bei Rückgabe ein gemeinsames Protokoll angefertigt und von beiden Vertragspartnern oder ihren Bevollmächtigten unterzeichnet.

3. Bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Leasing-Zeit gilt folgende Regelung:

Entspricht das Fahrzeug bei Verträgen ohne Gebrauchtwagenabrechnung nicht dem Zustand gemäß Ziffer 2 Abs. 1, ist der [X.] zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet. (…)"

3

Der Beklagte gab das Fahrzeug nach Ablauf der regulären Vertragslaufzeit am 13. Juni 2010 zurück. Ein Übergabeprotokoll wurde nicht erstellt. In der Folgezeit ließ die Klägerin das Fahrzeug durch einen Sachverständigen begutachten.

4

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen behaupteter Mängel und Schäden an dem Fahrzeug auf Ausgleich des [X.] in Höhe von 3.335 € netto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Es sei gerichtsbekannt, dass die Klägerin - branchenüblich - geleaste Fahrzeuge zum kalkulierten Restwert an die Händler [X.] und diese letztlich die am Ausgang des Verfahrens Interessierten seien. Einen eigenen Schaden habe die Klägerin nicht.

8

Der Anspruch auf Ausgleich eines beschädigungsbedingten [X.] ziele nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf ab, die Differenz zwischen dem tatsächlichen Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem Wert bei einer Rückgabe in [X.] Zustand bis zu dem Betrag aufzufüllen, der zusammen mit den Leasingraten zur Amortisation des [X.] der Leasinggeberin beitrage. Die Frage, wie der Minderwert zu ermitteln sei, beantworte sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den vorzeitig beendeten und den regulär beendeten Vertrag gleich. Der Anspruch der Klägerin bemesse sich damit nach der Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkaufserlös und dem festgestellten Wert des beschädigten Fahrzeugs bei Rückgabe in [X.] Zustand nach Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer. Wenn aber das Fahrzeug zum kalkulierten Restwert dem Händler in Rechnung gestellt werde, dann betrage die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs an den Händler und dem Wert bei Rückgabe in [X.] Zustand null Euro. Die Klägerin habe deshalb nach dem Verkauf des Fahrzeugs zum kalkulierten Restwert keinen Schaden. Ansprüche des Händlers in gewillkürter Prozessstandschaft mache die Klägerin nicht geltend. Für eine direkte oder analoge Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation sei kein Raum, weil eine Vertragskette vorliege.

II.

9

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des [X.], der auf eine über normale Verschleißerscheinungen hinausgehende Verschlechterung des geleasten Fahrzeugs zurückzuführen ist, nicht verneint werden.

1. Wie der [X.] - nach Erlass des Berufungsurteils - bereits entschieden hat ([X.]surteile vom 24. April 2013 - [X.], [X.]/[X.], 199 f.; [X.], juris), wird durch die wiedergegebenen Vertragsklauseln ein Anspruch der Klägerin begründet, der aufgrund seiner leasingtypischen Amortisationsfunktion in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht als vertraglicher Erfüllungsanspruch zu charakterisieren ist ([X.]surteile vom 24. April 2013 - [X.], aaO Rn. 16 ff, und [X.], aaO Rn. 11; eingehend [X.]surteil vom 14. November 2012 - [X.], [X.], 2865 Rn. 19 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass der Leasingnehmer nach dem Wortlaut der Klausel "zum Ersatz des entsprechenden Schadens" verpflichtet wird. Die Begriffe "Minderwert" und "Schaden" werden hier synonym gebraucht; dies gilt ebenso für die Begriffe "Ausgleich" und "Ersatz" ([X.]surteil vom 14. November 2012 - [X.], aaO Rn. 21 f.).

2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es daher nicht darauf an, ob die Klägerin durch die Rückgabe des Fahrzeugs in schlechterem als dem vertragsgemäßen Zustand keinen Schaden erleidet oder sogar besser gestellt wird, weil sie das Fahrzeug in jedem Fall zum vorab kalkulierten Restwert an den Lieferanten veräußern könne und sie zusätzlich gegen den Leasingnehmer noch einen [X.]sanspruch habe. Der [X.] tritt wirtschaftlich und rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs des Leasinggebers auf Rückgabe des Fahrzeugs in einem vertragsgerechten Erhaltungszustand (so schon grundlegend [X.]surteil vom 1. März 2000 - [X.], [X.], 1009 unter II 2 a). Er ist ein vertraglicher Erfüllungsanspruch mit Amortisationsfunktion, dem der von der Revisionserwiderung geltend gemachte schadensrechtliche Einwand nicht entgegengesetzt werden kann. Aus demselben Grund scheitert der Anspruch auf [X.] auch nicht an einer fehlenden Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB.

3. Die von der Revisionserwiderung ins Feld geführten, in Teilen der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums geäußerten Bedenken gegen die Wirksamkeit der in Rede stehenden [X.]sklausel ([X.], [X.], 126 ff. [X.]) teilt der [X.] nicht. Ihrer Wirksamkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass dem Leasingnehmer kein Recht zur Nacherfüllung eingeräumt wird und dass der Anspruch des Leasinggebers auf [X.] nicht voraussetzt, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer zuvor entsprechend § 281 Abs. 1 BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der der Schadensersatznorm des § 281 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke überhaupt auf den Anspruch auf [X.] als vertraglichen Erfüllungsanspruch übertragbar ist. Soweit mit der Forderung nach Fristsetzung zur Leistung und Nacherfüllung Aktionsmöglichkeiten des Leasingnehmers für die [X.] nach Vertragsablauf angesprochen sind, steht dem schon der Umstand im Wege, dass der Leasingnehmer nach Vertragsablauf nicht mehr zum Besitz des [X.] berechtigt ist. [X.]nah vor dem Rückgabetermin bei Vertragsablauf hindert die [X.]sklausel den Leasingnehmer dagegen selbstredend nicht, das Leasingfahrzeug auf Mängel, Schäden und Abweichungen vom gewöhnlichen Erhaltungszustand begutachten zu lassen, soweit er diese nicht selbst zu erkennen oder zu beurteilen vermag, und für deren Beseitigung bis zur Rückgabe zu sorgen. Dementsprechend würde auch eine etwa erforderliche Fristsetzung zur Leistung - das heißt zur Beseitigung konkret bezeichneter Mängel, Schäden und übermäßiger Abnutzungsspuren - durch den Leasinggeber voraussetzen, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug dem Leasinggeber beziehungsweise dem von diesem bezeichneten Händler so rechtzeitig zur Untersuchung vorstellt, dass bis zum Vertragsablauf noch ausreichend [X.] für eine angemessene Frist verbleibt. Gibt der Leasingnehmer das Fahrzeug hingegen erst mit Vertragsablauf zurück, ohne die zur Vermeidung einer Wertminderung erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben, so begibt er sich der Möglichkeit, die Verpflichtung zum [X.] in Geld durch eine kostengünstigere Vornahme der erforderlichen Arbeiten abzuwenden. Dass die in Rede stehende Klausel für diesen - auch hier gegebenen - Fall keine nachvertragliche Abhilfemöglichkeit vorsieht, benachteiligt den Leasingnehmer nicht unangemessen.

4. Zinsen stehen der Klägerin allerdings, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu (§ 288 Abs. 1 BGB). Der um drei Prozentpunkte höhere Zinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB, den die Klägerin beansprucht, gilt nur für Entgeltforderungen. Darunter sind nur solche Forderungen zu verstehen, die auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistungen gerichtet sind, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen bestehen ([X.]surteil vom 16. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 3226 Rn. 10). Dazu zählt der Anspruch des Leasinggebers auf [X.] im Sinne der Klausel in Abschnitt [X.] Nr. 3 [X.] nicht (vgl. [X.]surteil vom 18. Mai 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1625 Rn. 23 ff. zur Frage der Umsatzsteuer auf den [X.]).

III.

Hiernach hat das angefochtene Urteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - nach seiner Auffassung folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu dem von der Klägerin behaupteten Wertverlust des Fahrzeugs getroffen hat. Sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ball                           Dr. Milger                                [X.]

          Dr. Achilles                          Dr. Schneider

Meta

VIII ZR 334/12

17.07.2013

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Braunschweig, 8. Oktober 2012, Az: 8 S 76/12 (007)

§ 281 Abs 1 S 1 BGB, § 288 Abs 2 BGB, § 535 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.07.2013, Az. VIII ZR 334/12 (REWIS RS 2013, 4075)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4075

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 265/12 (Bundesgerichtshof)

Kfz-Leasing: Bemessung des mängel- oder beschädigungsbedingten Minderwertausgleichs


VIII ZR 336/12 (Bundesgerichtshof)

Kfz-Leasing: Ersatz des Minderwerts im Kilometerleasingvertrag als Amortisationsausgleich; Verjährung des Minderwertsausgleichsanspruchs und Berücksichtigung des Restwerts …


VIII ZR 265/12 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 336/12 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 22/12 (Bundesgerichtshof)

Kraftfahrzeugleasingvertrag mit Kilometerabrechnung: Verjährungsfrist für einen formularmäßig vereinbarten Ausgleichsanspruch für einen nicht altersgemäßen Erhaltungszustand und …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.