Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2010, Az. V ZB 172/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8907

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Gegenstand

Freiheitsentziehungsverfahren: Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit nach Erledigung der Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren; Überprüfung der Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten Drittstaatsangehörigen


Leitsatz

1. Auch in den Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG ist ein § 62 FamFG entsprechender Feststellungsantrag des Betroffenen zulässig. Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es auch in diesen Fällen nicht .

2. Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten Drittstaatsangehörigen (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist nicht schon dann unzulässig, wenn der Ausländer bei der Grenzbehörde um Asyl nachgesucht hat (§ 18 Abs. 1 AsylVfG) .

3. Bei seiner Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, muss der Haftrichter das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen .

4. Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung) - solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen und hat auf die Beschwerde des Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss der 18. Zivilkammer des [X.] vom 14. Oktober 2009 aufgehoben und festgestellt, dass dieser Beschluss die Beteiligte zu 1 in ihren Rechten verletzt hat.

Der weitergehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.

Die in den Rechtsmittelverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten werden beiden Beteiligten zu gleichen Teilen auferlegt. Die [X.] trägt die Hälfte der der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1, eine [X.] Staatsangehörige, traf am 9. September 2009 mit einem Flug aus [X.] kommend auf dem [X.] ein. Bei einer Kontrolle durch Beamte der Beteiligten zu 2 wies sie sich durch einen gefälschten [X.] Reisepass aus. Bei der Vernehmung anlässlich ihrer Ingewahrsamnahme gab sie an, aus ihrem Heimatland über den [X.] mithilfe einer Schlepperorganisation mit gefälschten Dokumenten in die [X.] gekommen und von dort mit einem Boot nach [X.] befördert worden zu sein. Sie stelle in [X.] einen Asylantrag. Das von dem Asylersuchen unterrichtete [X.] für Flüchtlinge und Migration (im Folgenden: [X.]) bat die [X.] Behörden um Übernahme der Beteiligten zu 1.

2

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das [X.] am 10. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 angeordnet. Die Beteiligte zu 1 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, sie umgehend aus der Haft zu entlassen. Der Beschwerdebegründung vom 6. Oktober 2009 hat sie eine Abschrift des an demselben Tage bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Maßnahmen zum Vollzug ihrer Verbringung nach [X.] beigefügt.

3

Das [X.] hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen; diese ist jedoch auf Grund der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung des [X.] über die Aussetzung aller Maßnahmen zur Verbringung nach [X.] mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen worden. Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Beteiligte zu 1, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft und die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung festzustellen.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, schon wegen der unerlaubten Einreise ohne Pass und Aufenthaltstitel sei ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu bejahen. Zudem liege der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 [X.] vor, weil wegen der unerlaubten Einreise der Beteiligten zu 1 mithilfe von Schleusern und ohne gültige Papiere und ihrer Erklärung, nicht nach [X.] zurückkehren zu wollen, der begründete Verdacht bestehe, dass sie sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde.

5

Der gegenüber der Beteiligten zu 2 mündlich gestellte Asylantrag stehe der Haft nicht entgegen, da die Beteiligte zu 1 dadurch noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben habe. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, dass eine Zurückschiebung nach [X.] wegen der dortigen Verhältnisse unzulässig sei, obliege die Prüfung dieses Einwands nicht dem Haftrichter, sondern sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte.

6

Auch die Entscheidungen des [X.] vom 8. September 2009 (2 [X.]/09) und vom 23. September 2009 (2 [X.]/09) rechtfertigten keine Aufhebung der Haftanordnung, weil nicht erkennbar sei, welche tatsächlichen Umstände ihnen zugrunde gelegen hätten.

7

Die Haftanordnung sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] unzulässig, weil das Beschwerdegericht auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1 nicht feststellen könne, dass eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die die Beteiligte zu 1 nicht zu vertreten habe, nicht möglich sein werde.

III.

8

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

9

Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheitsentziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 [X.]. §§ 19, 22, 27, 29 [X.]) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden ([X.] NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war ([X.], a.a.O.; Senat [X.], 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines [X.] für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden ([X.], FamFG, 16. Aufl., § 74 [X.]. 9; [X.]/Weinreich/[X.], FamFG [2009], § 62 [X.]. 4).

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die freiheitsentziehende Maßnahme ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sich - wie hier - die Hauptsache bereits vor Anhängigkeit des Rechtsmittels erledigt hat und mit diesem allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts durch die Inhaftierung festzustellen.

2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte [X.] ist teilweise begründet. Zwar verletzte nicht schon die Inhaftierung, aber die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des [X.] die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

a) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 [X.] bejaht.

aa) Die Anordnung der Freiheitsentziehung auf Antrag der Beteiligten zu 2 war nach § 417 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beteiligte zu 2 ([X.]) ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde, der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.] für die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören (HK-AuslR/[X.], [X.], § 71 [X.]. 13) - durchzuführenden Zurückweisungen und [X.] von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen ist (vgl. [X.] NVwZ-RR 2009, 616, 617).

bb) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 war im Zeitpunkt der Anordnung der Haft begründet.

(1) Es lag der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] vor. Die Beteiligte zu 1 war auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 [X.] von dem Haftrichter zu prüfen (vgl. Senat, [X.]. v. 16. Dezember 2009, [X.] 148/09, Rz. 7 - juris; KG NVwZ 1997, 516).

(2) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] wegen des begründeten Verdachts, dass die Beteiligte zu 1 sich der Zurückschiebung nach [X.] entziehen werde, auf Grund der unerlaubten Einreise und der Erklärung der Beteiligten zu 1, in [X.] bleiben zu wollen, bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

b) Dass die Beteiligte zu 1 gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ihrer Zurückschiebung nicht entgegen.

aa) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist einem Ausländer, der gegenüber der Grenzbehörde um Asyl nachsucht (§ 18 Abs. 1 AsylVfG), die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat der [X.] für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist eine gesetzliche Anordnung für das Verfahren der Grenzbehörden bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat der [X.]. Hintergrund der Regelung ist die Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist ([X.]. Nr. L 50 S. 1, im Folgenden: [X.] II-Verordnung). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG soll dem Ausländer bereits die Einreise verweigert werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat der [X.] für die sachliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (HK-AuslR/[X.], § 18 AsylVfG [X.]. 14; [X.], AsylVfG, 7. Aufl., § 18, [X.]. 58).

§ 18 Abs. 3 AsylVfG erweitert die Aufgaben der Grenzbehörden in den Fällen, in denen sie dem Ausländer zwar nicht mehr die Einreise verweigern können, weil dieser bereits die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat und damit eingereist ist (§ 13 Abs. 2 [X.]), er jedoch noch im grenznahen Raum und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. Die Grenzbehörde hat dann dessen Zurückschiebung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Ausländer ihr gegenüber erklärt, in [X.] einen Asylantrag zu stellen.

bb) Der Ausländer erwirbt durch das gegenüber der Grenzbehörde geäußerte Asylersuchen noch nicht die unmittelbar auf Gesetz beruhende Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.] Diese schlösse allerdings eine Zurückschiebung auf Grund unerlaubter Einreise grundsätzlich aus, was von dem Haftrichter auch von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. zum früheren Recht: [X.] 1993, 154, 155; 1993, 311, 313; [X.] NVwZ 1993, 811, 812). Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem Asylersuchen gegenüber der Grenz- oder der Ausländerbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit der Stellung eines Asylantrags nach §§ 13, 14, 23 AsylVfG bei dem zuständigen [X.] erworben (vgl. Senat, [X.], 18, 20).

Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Bestimmungen über den Asylantrag und über den Zeitpunkt seiner Stellung (Art. 2 Buchstabe c, Art. 4 Abs. 2 [X.] II-Verordnung) meint, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der [X.] die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits mit der Protokollierung des [X.] durch die Grenzbehörde entstehe, ist ihr nicht zu folgen. Die Inhaftierung des Asylbewerbers wegen unerlaubter Einreise ist nicht bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in dem ihm die Entscheidung nach Art. 19 [X.] II-Verordnung mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag nicht geprüft und er an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde widerspricht nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 [X.] Sie lässt sich auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. [X.] in Art. 17 Abs. 2 [X.] II-Verordnung vereinbaren. Dieses ist dann anzuwenden, wenn der Asylantrag nach einer Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts gestellt, der Betroffene wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen worden ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen angekündigt oder vollzogen werden oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet. Das [X.] setzt somit eine Festnahme und eine Inhaftierung eines sich um Asyl bewerbenden Ausländers wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat voraus; es verpflichtet jedoch den um die Aufnahme des Asylbewerbers ersuchten anderen Mitgliedstaat um beschleunigte Prüfung und Entscheidung, andernfalls seine Zustimmung zur Aufnahme wegen Verfristung nach Art. 18 Abs. 6, 7 [X.] II-Verordnung als erteilt gilt (Filzwieser/[X.], [X.] II-Verordnung, 2. Aufl., Art. 17 [X.]. [X.] und Art. 18 K 12 ff.).

c) Erfolg hat die Rechtsbeschwerde jedoch deshalb, weil das Beschwerdegericht den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] verkannt hat.

aa) Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des [X.], dass für Entscheidungen, ob [X.] von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des [X.]es (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von [X.] zu befinden ([X.], 145, 147; Senat, [X.], 109, 112).

bb) Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] abverlangten Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Abschiebung in den kommenden drei Monaten nicht befugt ist, nur auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu verweisen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungs- und die Zivilgerichte darf sich nicht zu Lasten des Ausländers auswirken. Die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 GG) verlangt vielmehr eine eigene Sachverhaltsermittlung des [X.], der den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen muss ([X.] NJW 2009, 2659, 2660).

cc) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Angesichts der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vorgelegten [X.]üsse des [X.] vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und 23. September 2009 (2 [X.]/09 - juris) drängte es sich auf, dass auch das Verwaltungsgericht dem anhängigen Eilantrag der Beteiligten zu 1 stattgeben und deren Zurückschiebung nach [X.] aussetzen würde. Jedenfalls durfte das Beschwerdegericht nicht ohne eine Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht zu dem dort anhängigen Verfahren die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Haftanordnung zurückweisen.

Maßgebend für die Aussetzung der [X.] von Asylbewerbern nach [X.] waren nämlich nicht besonders gelagerte Umstände in den jeweiligen Einzelfällen, sondern - wie das [X.] allgemein und das [X.] (NVwZ 2009, 1571) detailliert ausgeführt haben - davon unabhängige ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass [X.] die europarechtlichen Mindestnormen für die Anerkennung und den Status der Bewerber um internationalen Schutz nach der Richtlinie 2004/83/[X.] des Rates vom 29. April 2004 ([X.]) und für das Verfahren nach der Richtlinie 2005/85/[X.] des Rates vom 1. Dezember 2005 ([X.]. L 326/13) nicht einhält. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Regelung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art. 5 bis 14 der [X.] II-Verordnung) und die Überstellungen der Asylbewerber nach Art. 19 [X.] II-Verordnung durch den Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, in den für die Sachentscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat ([X.], aaO, 1572).

Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach [X.] nach der [X.] II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des [X.] und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 [X.]G oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

3. Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auch der Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 ist dagegen unbegründet.

a) Das Hindernis, das einem baldigen Vollzug eines sofort vollziehbaren Zurückschiebungsbescheids entgegensteht, entsteht erst, wenn der Antrag gestellt ist, aufgrund dessen die zuständigen Verwaltungsgerichte den Vollzug der behördlichen Entscheidung aussetzen.

Die Behandlung der Asylbegehren unter Anwendung der [X.] II-Verordnung obliegt den nach §§ 2, 3 AsylVfBV zuständigen Behörden, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird (HK-AuslR/[X.], AsylVfG, § 27a [X.]. 14, 18 und 23; [X.], AsylVfG, 7. Aufl., § 27a [X.]. 18 ff. und [X.]. 59 ff.). Die Aussetzung einer Zurückschiebung setzt daher einen Antrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Verwaltungsgericht voraus. Legt der betroffene Ausländer dagegen kein Rechtsmittel ein, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass die zuständige Behörde die Zurückschiebung (an den nach der [X.] II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat) so schnell wie ihr möglich vollziehen wird.

b) Der Pflicht des [X.], den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seine Prognose einzubeziehen ([X.] NJW 2009, 2569, 2570), fehlt ohne den Antrag des Betroffen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das zuständige Verwaltungsgericht die Grundlage. Nach Aktenlage hat die Beteiligte zu 1 den Antrag nach § 123 VwGO an das Verwaltungsgericht erst zeitgleich mit der Begründung der Beschwerde gestellt, so dass nicht schon das die Haft anordnende und über die Abhilfe entscheidende erstinstanzliche Gericht, sondern erst das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 die Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Zurückschiebung bei der Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung in den nächsten drei Monaten berücksichtigen konnte.

IV.

Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 [X.].

Krüger     

        

Lemke     

        

Schmidt-Räntsch

        

Stresemann     

        

Czub     

        

Meta

V ZB 172/09

25.02.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Düsseldorf, 14. Oktober 2009, Az: 18 T 51/09, Beschluss

§ 62 Abs 1 FamFG, § 70 Abs 3 S 1 Nr 3 FamFG, § 426 FamFG, § 57 Abs 1 S 1 AufenthG, § 62 Abs 2 S 4 AufenthG, § 18 Abs 1 AsylVfG, § 18 Abs 2 Nr 2 AsylVfG, § 18 Abs 3 AsylVfG, Art 19 EGV 343/2003, § 80 VwGO, § 123 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2010, Az. V ZB 172/09 (REWIS RS 2010, 8907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8907

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3 XIV 67/16 (B)

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3 ZB 8/19

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V ZB 167/10

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XIII ZB 8/20

XIII ZB 20/19

V ZB 218/09

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V ZB 144/12

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39 T 39/22

XIII ZB 47/21

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