Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.04.2013, Az. V ZB 77/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6487

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Gegenstand

Notarkosten: Geschäftswert für die Beurkundung eines Grundstücksübertragungsvertrages und Mitbeurkundung eines Pflichtteilsverzichts der weichenden Geschwister


Leitsatz

1. Wird in einem zwischen einem Elternteil und einem seiner Kinder geschlossenen Grundstückübertragungsvertrag ein Pflichtteilsverzicht der Geschwister mitbeurkundet, handelt es sich um verschiedene Gegenstände im Sinne des § 44 Abs. 2 KostO, so dass der Verzicht neben dem Übertragungsvertrag gesondert zu bewerten ist.

2. Ein mit der Zahlung einer Abfindung verbundener Pflichtteilsverzicht stellt einen Austauschvertrag im Sinne des § 39 Abs. 2 KostO zwischen dem Elternteil und den weichenden Geschwistern dar. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Geschwister den Abfindungsbetrag direkt vom Übernehmer des Grundstücks erhalten sollen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Kostengläubigers wird der Beschluss des 15. Zivilsenats des [X.] vom 28. März 2012 aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 23. September 2010 wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des [X.] beträgt 249,90 €.

Gründe

I.

1

[X.] (fortan: Notar) beurkundete am 30. November 2007 einen als „Übergabe- und Abfindungsvertrag“ überschriebenen Vertrag. An dem Vertrag waren der Kostenschuldner (fortan: Übernehmer), seine Mutter (fortan: Übergeberin) und seine beiden Geschwister beteiligt. In dem Vertrag übertrug die Übergeberin dem Übernehmer ein Hausgrundstück im Wert von 260.000 €, während der Übernehmer ihr ein Wohnungsrecht hieran einräumte. Zugleich verpflichtete er sich, den Geschwistern einen [X.] von je 40.000 € zu zahlen. Diese wiederum verzichteten bezüglich des übertragenen Grundstücks und hinsichtlich aller ihnen von ihren Eltern bisher gemachten Zuwendungen auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Für die Beurkundung erhob der Notar gegenüber dem Übernehmer gemäß §§ 141, 32, 36 Abs. 2 [X.] eine Gebühr von 1.407,22 € nach einem Geschäftswert von 340.000 €, der sich aus einem Wert von 260.000 € für den „Übertragungsvertrag“ und einem Wert von 80.000 € für den „Abfindungsvertrag“ zusammensetzte.

2

Der Präsident des [X.] beanstandete die Bewertung des Erbverzichts und wies den Notar an, die Kostenrechnung dem [X.] zur Entscheidung vorzulegen. Dieses hat die „Beschwerde“ zurückgewiesen. Auf das - weisungsgemäß erhobene - Rechtsmittel des Notars hat das [X.] die Kostenrechnung dahingehend abgeändert, dass es einen Gesamtgeschäftswert von 266.000 € zugrunde gelegt und demgemäß die Gebühr auf 1.157,32 € reduziert hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Notars.

II.

3

Nach Auffassung des [X.]s haben die Beteiligten den Übergabevertrag und den mit einer Abfindungszahlung verbundenen Pflichtteilsverzicht durch eine [X.] im Sinne des § 39 Abs. 2 [X.] verknüpft und dadurch ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 44 Abs. 1 [X.], nämlich einen Austauschvertrag gestaltet. Maßgeblich für dessen Bewertung sei der Wert des übertragenen Grundstücks. Gesondert zu bewerten sei lediglich der über den Austauschvertrag hinausgehende Pflichtteilsverzicht der Geschwister, soweit er sich auf die „von den Eltern bisher gemachten Zuwendungen“ beziehe. Hierfür sei ein Wert von 6.000 € anzusetzen.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 156 Abs. 4 Satz 1 [X.] i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil sie von dem Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Sie ist nach §§ 71 f. FamFG und § 156 Abs. 3 Satz 2 [X.] auch sonst zulässig. Diese Vorschriften sind nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf den vorliegenden Altfall anwendbar. Die angegriffenen Kostenrechnungen sind zwar vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 156 [X.] erteilt. Maßgeblich ist aber, dass der Antrag auf gerichtliche Nachprüfung erst danach gestellt worden ist (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – [X.], NJW-RR 2012, 209).

5

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zu Recht hat der Notar die Gebühr aus den zusammengerechneten Werten des Übergabevertrages und des [X.] berechnet. Den Wert des [X.] hat er zutreffend mit 80.000 € angesetzt.

6

1. Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Beurkundung des - gegenständlich beschränkten - [X.] der weichenden Geschwister gemäß § 44 Abs. 1 [X.] gegenüber dem Übergabevertrag keine besondere Vergütung auslöst. Der Übergabevertrag und der Pflichtteilsverzicht haben nicht denselben Gegenstand im Sinne des § 44 Abs. 1 [X.].

7

a) Denselben Gegenstand betreffen alle zur Begründung, Feststellung, Anerkennung, Übertragung, Aufhebung, Erfüllung oder Sicherung eines Rechtsverhältnisses niedergelegten Erklärungen der Partner des Rechtsverhältnisses samt allen Erfüllungs- und Sicherungsgeschäften auch dritter Personen oder zu Gunsten dritter Personen. Ob mehrere gleichzeitig beurkundete Rechtsverhältnisse denselben oder einen verschiedenen Gegenstand haben, hängt daher von dem Bestehen eines inneren Zusammenhangs zwischen den Rechtsverhältnissen ab. Je mehr das mitbeurkundete weitere Rechtsverhältnis von dem Hauptgeschäft abhängt, desto eher ist Gegenstandsgleichheit anzunehmen. Auch wenn die Vertragspartner zur Erreichung des von ihnen erstrebten wirtschaftlichen Zieles mehrere Rechtsverhältnisse in der Weise verbunden haben, dass ein einheitliches Rechtsverhältnis eigener Art entsteht, besteht ein enger innerer Zusammenhang und damit Gegenstandsgleichheit (Senat, Beschluss vom 21. November 2002 – [X.], [X.], 22, 28).

8

b) Zwischen dem Übergabevertrag und dem Pflichtteilsverzicht besteht kein innerer Zusammenhang in dem vorstehend beschriebenen Sinn (nahezu einhellige Meinung, vgl. [X.], [X.], 323, 324; Assenmacher/Mathias/Göttlich/Mümmler, [X.], 16. Aufl., „Übergabevertrag“; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 44 Rn. 121, 241; [X.]/Wedewer, [X.] [Stand August 2012], § 39 Rn. 11, § 44 Rn. 7z; [X.], Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl., Rn. 2009; [X.], [X.], 4. Aufl., § 44 Rn. 16; [X.], [X.], 7. Aufl., Rn. 138; [X.], [X.], 245, 250; ders. in [X.] 2005, 240; Mümmler, [X.] 1988, 1640; [X.], Rpfleger 1966, 241, 244; offengelassen BayObLG, [X.] 1998, 372, 373; a. A. für den Fall, dass der Verzicht ausdrücklich als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung ausgestaltet ist, [X.], [X.] 1998, 430). Das von den Beteiligten angestrebte zentrale Rechtsverhältnis, von dem aus zu beurteilen ist, in welcher Beziehung zu ihm die in der notariellen Urkunde niedergelegten Erklärungen stehen, ist der Übergabevertrag. Zu diesem Vertrag stellt der Pflichtteilsverzicht der weichenden Geschwister kein Erfüllungs- oder Sicherungsgeschäft dar. Er dient allein dem Schutz des Übernehmers vor späteren Pflichtteilsergänzungsansprüchen seiner Geschwister und der Vermeidung späterer Erbstreitigkeiten, nicht aber der Sicherung oder Erfüllung des Übergabevertrages. Der Umstand, dass der Übergabevertrag möglicherweise nicht ohne den Pflichtteilsverzicht geschlossen worden wäre, rechtfertigt es nicht, die jeweils selbständigen Rechtsverhältnisse kostenrechtlich als eine Einheit zu behandeln ([X.], [X.] 1988, 891, 892; Mümmler, [X.] 1988, 1640). Der Übergabevertrag und der Pflichtteilsverzicht bilden auch nicht ein Rechtsverhältnis eigener Art. Ein solches Rechtsverhältnis entsteht nicht schon dadurch, dass die getroffenen Vereinbarungen das gemeinsame Ziel haben, die wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten zu einem Ausgleich zu bringen.

9

2. Da der Pflichtteilsverzicht der weichenden Geschwister im Verhältnis zu dem Übergabevertrag gegenstandsverschieden ist, erhöht sich der Geschäftswert für die 20/10-Gebühr des § 36 Abs. 2 [X.] um den Wert des [X.] (§ 44 Abs. 2a [X.]). Dessen Wert ist in der Kostenberechnung zutreffend mit 80.000 € angesetzt worden.

Der mit der Zahlung einer Abfindung verbundene Pflichtteilsverzicht stellt einen Austauschvertrag im Sinne des § 39 Abs. 2 [X.] zwischen der Übergeberin und den weichenden Geschwistern dar. Diese haben gegenüber der Übergeberin auf den Pflichtteil verzichtet und werden dafür von dieser mit einem Betrag von 80.000 € abgefunden. Der Annahme einer Austauschleistung der Übergeberin steht nicht entgegen, dass die Geschwister den [X.] direkt vom Übernehmer erhalten sollen. Indem der Übernehmer, der sich hierzu gegenüber der Übergeberin vertraglich verpflichtet hat, die Auszahlung unmittelbar an die Geschwister vornehmen sollte, wurde lediglich vermieden, dass das Geld den Umweg über die Übergeberin nimmt. Diese „abgekürzte“ Zahlung ändert aber nichts daran, dass es sich um eine Leistung der Übergeberin im Hinblick auf den Pflichtteilsverzicht der weichenden Geschwister handelt (vgl. [X.], [X.] 1998, 372, 373; [X.], Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl., Rn. 2011; [X.]/Wedewer, [X.] [Stand August 2012], § 39 Rn. 14). Der Umstand, dass die Abfindungszahlung zugleich auch eine Austauschleistung des Übernehmers an die Übergeberin ist, steht deren Berücksichtigung als Austauschleistung im Verhältnis zwischen der Übergeberin und den Geschwistern nicht entgegen. Denn bei dem Übergabevertrag und dem [X.] handelt es sich um selbständige, mit unterschiedlichen Leistungspflichten verbundene Rechtsverhältnisse, deren Wert unabhängig von dem des jeweils anderen Rechtsverhältnisses zu bestimmen ist (vgl. [X.]/Wedewer, [X.] [Stand August 2012], § 39 Rn. 14 [X.]. 28). Der Wert des [X.]es bemisst sich daher gemäß § 39 Abs. 2 [X.] nach dem [X.] von 80.000 €, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Wert des Verzichts höher als die Abfindung ist.

Anders als der Präsident des [X.] meint, ist der [X.] auch nicht von dem Wert des [X.] abzuziehen. Der Wert des Verzichts wird nicht dadurch gemindert, dass er an eine Abfindungszahlung geknüpft wird. In Abzug zu bringen sind lediglich solche Vermögenswerte, die dem [X.] bereits vor dem Vertragsschluss unter Anrechnung auf seinen Pflichtteilsanspruch (§ 2315 BGB) zugewendet worden waren, da insoweit kein Pflichtteilsrecht mehr besteht ([X.], [X.], 4. Aufl., § 30 [X.], Rn. 4 „Wert eines [X.]“; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 39 Rn. 30a; [X.], [X.], Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl., Rn. 618). Um eine solche Fallgestaltung geht es hier jedoch nicht.

IV.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, § 131 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 156 Abs. 6 Satz 2 [X.]. Kosten werden nicht erstattet.

Stresemann                       Roth                         Brückner

                   Weinland                    Kazele

Meta

V ZB 77/12

18.04.2013

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 28. März 2012, Az: I-15 W 605/10

§ 39 Abs 2 KostO, § 44 Abs 2 KostO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.04.2013, Az. V ZB 77/12 (REWIS RS 2013, 6487)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6487

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 77/12

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