5. Senat | REWIS RS 2020, 3230
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 06.02.2020 V R 36/19 (V R 30/15) - Zum Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG)
Wer Post-Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG, § 4 Nr. 11b UStG erbringt, hat Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG.
Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 09.12.2015 - 2 K 1715/11, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 27.04.2011 sowie der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 04.08.2010 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b des Umsatzsteuergesetzes zu erteilen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (nachfolgend: [X.]). [X.] betrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahre 2011 --neben weiteren mit ihr über die gemeinsame Muttergesellschaft (B ... [X.]G) verbundenen Unternehmen der B-Gruppe-- ein Unternehmen, das insbesondere Postzustellungsaufträge im Inland ausführte.
[X.] beantragte im Jahr 2010 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--), ihr eine Bescheinigung über die "Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt Postzustellungsaufträge (PZ[X.]) gemäß §§ 176 ff. ZPO [Zivilprozessordnung]" nach § 4 Nr. 11b des Umsatzsteuergesetzes in der ab dem 01.07.2010 geltenden Fassung (UStG) zu erteilen. Zur Begründung führte [X.] aus, dass das Produkt "[X.]" dem Post-Universaldienst zuzuordnen sei.
[X.] hatte sich gemäß § 4 Nr. 11b UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, bundesweit flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der [X.] und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der [X.] zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.
Das BZSt lehnte den [X.]ntrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG durch Bescheid vom 04.08.2010 mit der Begründung ab, das Produkt "[X.]" sei keine Post-Universaldienstleistung.
[X.]m 01.07.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Das Finanzgericht (FG) wies die vom Kläger weiterverfolgte Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2016, 774 veröffentlichten Urteil mit der Begründung ab, dass ein "[X.]" bei unionsrechtskonformer [X.]uslegung von § 4 Nr. 11b UStG nicht zu den Post-[X.] gehöre.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, förmliche Zustellungen seien in allen [X.] --mit [X.]usnahme des [X.] von der Umsatzsteuer befreit.
Der Kläger beantragt,
das [X.], die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2011 und den [X.]blehnungsbescheid vom 04.08.2010 aufzuheben und das BZSt zu verpflichten, die beantragte Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG zu erteilen.
Das BZSt beantragt sinngemäß,
das [X.] aufzuheben und das Verfahren an das FG zurückzuverweisen.
Im Revisionsverfahren hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 31.05.2017 - V R 8/16 ([X.] 259, 464, BStBl II 2018, 245) den Gerichtshof der [X.] ([X.]) um Vorabentscheidung zur Klärung folgender Fragen zur [X.]uslegung der Richtlinie des [X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/[X.] (MwStSystRL) ersucht:
"1. Ist die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (Vorschriften der [X.] und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln --§ 33 [X.]bsatz 1 des [X.]) eine Post-Universaldienstleistung nach [X.]rt. 3 [X.]bs. 4 der Richtlinie 97/67/[X.] vom 15.12.1997 (Post-Richtlinie)?
2. Sollte die Frage 1. zu bejahen sein:
Ist ein Unternehmer, der die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchführt, ein '[X.]nbieter von [X.]' im Sinne des [X.]rt. 2 Nr. 13 der Richtlinie 97/67/[X.] vom 15.12.1997, der die Leistungen des postalischen Universaldienstes ganz oder teilweise erbringt, und sind diese Leistungen nach [X.]rt. 132 [X.]bs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/[X.] des [X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem steuerfrei?"
Hierauf hat der [X.] mit Urteil [X.] u.a. vom 16.10.2019 - C-4/18 und [X.] ([X.]:C:2019:860) wie folgt geantwortet:
"[X.]rt. 2 Nr. 13 und [X.]rt. 3 der Richtlinie 97/67/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des [X.] und die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die Richtlinie 2008/6/[X.] des Europäischen Parlaments und des [X.] geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass [X.]nbieter von [X.] wie die in den [X.]usgangsverfahren in Rede stehenden, die in ihrer Eigenschaft als Inhaber einer nationalen Lizenz, die ihnen die Erbringung dieser Dienstleistung gestattet, verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, als 'Universaldiensteanbieter' im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen sind, so dass solche förmlichen Zustellungen als von 'öffentlichen Posteinrichtungen' erbrachte Dienstleistungen nach [X.]rt. 132 [X.]bs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/[X.] des [X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem von der Umsatzsteuer zu befreien sind."
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das BZSt hält die Sache für nicht spruchreif, weil noch weitere tatbestandliche Voraussetzungen von § 4 Nr. 11b UStG, [X.]rt. 3 der [X.] sowie § 11 [X.]bs. 1 und 2 des [X.] ([X.]) i.V.m. §§ 1 ff. der Post-Universaldienstleistungsverordnung zu prüfen seien.
II.
Die Revision ist begründet; sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat [X.]nspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG. Bei den von [X.] ausgeführten [X.] handelt es sich um [X.].
1. § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG befreit [X.] nach [X.]rt. 3 [X.]bs. 4 der Richtlinie 97/67/[X.] und des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des [X.] und die Verbesserung der Dienstequalität (Richtlinie 97/67/[X.]). Gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG setzt die Steuerbefreiung voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend einer Bescheinigung des BZSt gegenüber dieser Behörde verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der [X.] die Gesamtheit der [X.] oder einen Teilbereich dieser Leistungen nach Satz 1 anzubieten.
Nach dem EuGH-Urteil [X.] u.a. ([X.]:C:2019:860), dem sich der erkennende Senat anschließt (s. das BFH-Urteil vom 06.02.2020 in der Sache V R 36/19), hat sich [X.] verpflichtet, mit der [X.]usführung von Postzustellungen derartige [X.] zu erbringen. Denn wie in der Vorentscheidung festgestellt, hat [X.] sich gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der [X.] und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der [X.] zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.
2. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist --entgegen der [X.]uffassung des BZSt-- spruchreif. Es besteht ein [X.]nspruch auf Erteilung der Bescheinigung, denn weitere Voraussetzungen stellt § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG nicht auf. Im Übrigen wäre die Versagung der Steuerbefreiung für [X.] aufgrund von Besonderheiten des nationalen Rechts ein Verstoß gegen das Unionsrecht (EuGH-Urteil [X.] u.a., [X.]:C:2019:860, Rz 66). Die Bescheinigung ist bei Vorliegen von [X.] daher zwingend zu erteilen.
3. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 1 FGO.
Meta
V R 37/19 (V R 8/16), V R 37/19, V R 8/16
06.02.2020
Urteil
vorgehend FG Köln, 9. Dezember 2015, Az: 2 K 1715/11, Urteil
§ 4 Nr 11b UStG 2005, § 33 Abs 1 PostG, Art 132 Abs 1 Buchst a EGRL 112/2006, Art 2 Nr 13 EGRL 67/97, Art 3 Abs 4 EGRL 67/97, UStG VZ 2010
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2020, Az. V R 37/19 (V R 8/16), V R 37/19, V R 8/16 (REWIS RS 2020, 3230)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 3230
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
V R 36/19 (V R 30/15), V R 36/19, V R 30/15 (Bundesfinanzhof)
Zur Steuerfreiheit von Post-Universaldienstleistungen
Förmliche Zustellungen von Postsendungen als Teilbereich der Post-Universaldienstleistungen
Bescheinigung für steuerfreie Postuniversaldienstleistungen setzt Leistungsangebot über sechs Arbeitstage pro Woche voraus
Förmliche Zustellung von Briefsendungen als Teilbereich der Post-Universaldienstleistungen
I ZR 116/11 (Bundesgerichtshof)
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