Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2012, Az. X B 37/10

10. Senat | REWIS RS 2012, 9947

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Gegenstand

Festsetzung eines Ordnungsgeldes


Leitsatz

NV: Gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht zum Termin erscheint, kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, sofern das Fernbleiben nicht rechtzeitig genügend entschuldigt ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger im Verfahren 15 K 4063/06 wandte sich mit seiner Klage gegen mehrere Steuerbescheide. Für ihn handelte als Bevollmächtigte die in [X.] und den [X.] ansässige [X.]. Die [X.]. wurde durch den Beschwerdeführer ([X.]) vertreten. Bei diesem handelt es sich um einen ehemaligen Steuerberater, dem durch einen rechtskräftig gewordenen Verwaltungsakt die Steuerberaterbestellung entzogen worden war.

2

In diesem Klageverfahren machte der Kläger geltend, die Betriebsausgaben seien in der in den Steuererklärungen angegebenen Höhe anzusetzen. Hierzu bot er Beweis durch Vernehmung des [X.]eugen [X.] an. Am 5. Oktober 2009 beschloss das [X.] ([X.]), über das vom Kläger benannte Beweisthema Beweis zu erheben durch Vernehmung des [X.]eugen [X.]. Die Ladung wurde dem [X.]eugen per Einschreiben gegen Rückschein am 19. Oktober 2009 zugestellt.

3

Am 28. Oktober 2009 beantragte der Kläger in einem von [X.] verfassten Schriftsatz die Aufhebung des auf den 6. November 2009 anberaumten Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermins. Der Antrag wurde damit begründet, das Finanzamt für [X.] und Steuerfahndung Y ([X.]) habe eine Steuerfahndungsprüfung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der unerlaubten Hilfe in Steuersachen durch [X.] durchgeführt. Die [X.] habe hierbei auch den terminierten Prozess betreffende Unterlagen weggenommen. Es liege "ein Komplott unter Beteiligung des [X.] vor, um die durch [X.] vertretene [X.]. wehrlos zu machen". Auch weil die Sitzung "eine Farce" sei, werde die Klägerseite hierzu nicht erscheinen.

4

Das [X.] lehnte die Terminsverlegung ab. In zwei am 5. November 2009 beim [X.] eingegangenen Schriftsätzen, die von [X.] verfasst waren, wurde erneut angekündigt, für die Klägerseite würde niemand zur Sitzung erscheinen.

5

In der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2009 hob das [X.] den Beweisbeschluss vom 5. Oktober 2009 auf. [X.]udem wies es gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 der [X.]sordnung ([X.]O) die [X.]. als Prozessbevollmächtigte zurück. Im [X.] an diese mündliche Verhandlung wies das [X.] die Klage ab.

6

Ebenfalls an diesem Tag erging gegenüber [X.] in seiner Eigenschaft als [X.]euge der Beschluss, wonach ihm die durch sein Ausbleiben in der mündlichen Verhandlung verursachten Kosten auferlegt werden und gegen ihn ein Ordnungsgeld von 100 € festgesetzt wird. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht [X.] geltend, der Beschluss sei aufzuheben. Das [X.] habe das Klageverfahren hauptsächlich dazu benutzt, auf ihn, der direkt bzw. über die [X.]. [X.] des Klägers gewesen sei, Druck auszuüben. Es sei dem [X.] darum gegangen, sein persönliches Erscheinen zu erzwingen, um ihn dann "geplant und konzeptionell-theatralisch vorbereitet" zurückweisen zu können. Auch stehe das Verfahren in untrennbarem [X.]usammenhang mit der Verfolgung der [X.]. und deren Berater durch die [X.].

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Festsetzung des Ordnungsgelds durch das [X.] ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

8

1. Nach § 82 [X.]O sind, soweit §§ 83 bis 89 [X.]O nichts Abweichendes bestimmen, im finanzgerichtlichen Verfahren u.a. §§ 380 ff. der [X.]ivilprozessordnung ([X.]PO) anwendbar. Nach § 380 Abs. 1 [X.]PO werden einem ordnungsgemäß geladenen [X.]eugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Auch wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt. Ist das Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt, unterbleiben diese Anordnungen bzw. sie werden nachträglich wieder aufgehoben (§ 381 Abs. 1 [X.]PO).

9

Die Anordnung der in § 380 [X.]PO vorgesehenen Maßnahmen ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend. Dabei kann der Umstand, dass das [X.] trotz des Ausbleibens des [X.]eugen im Termin zur Beweisaufnahme und zur mündlichen Verhandlung --ohne diese vertagen zu müssen-- zu einem Endurteil gelangt, jedenfalls bei Vorliegen eines nicht nur geringen Verschuldens grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (gefestigte Rechtsprechung des [X.] --BFH--; vgl. [X.] vom 4. August 1993 [X.]/93, [X.] 1994, 640; vom 9. Juli 2007 [X.]/07, [X.], 17, [X.], 605, und vom 27. August 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 2291).

2. Im Streitfall ist [X.], wie von ihm angekündigt, dem Beweisaufnahmetermin ferngeblieben. Er war ordnungsgemäß nach Maßgabe von § 377 [X.]PO geladen worden. Da seine Verpflichtung als [X.]euge zu erscheinen, nicht nach § 386 Abs. 2 [X.]PO entfallen war und auch keine Gründe i.S. des § 381 Abs. 1 [X.]PO vorlagen, die sein Ausbleiben genügend rechtfertigen konnten, sind gegen ihn zu Recht die in § 380 Abs. 1 [X.]PO angesprochenen Maßnahmen angeordnet worden.

a) Ob [X.] als ehemaliger Steuerberater oder als Gehilfe eines solchen (§ 386 [X.]PO i.V.m. § 84 Abs. 1 [X.]O und i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 2 der Abgabenordnung) berechtigt gewesen wäre, das [X.]eugnis zu verweigern, kann dahinstehen. Denn eine Befreiung von der Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, tritt nur ein, wenn der [X.]euge seine [X.]eugnisverweigerung ordnungsgemäß nach § 386 Abs. 1 [X.]PO vor dem Termin schriftlich oder zu Protokoll erklärt, was im Streitfall nicht geschehen ist ([X.] vom 18. August 2010 [X.]/10, [X.] 2011, 5).

b) Sein Ausbleiben ist auch nicht genügend gerechtfertigt. Eine genügende Entschuldigung, die ein Ausbleiben im [X.] als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt, erfordert das Vorliegen schwerwiegender Gründe, die den [X.]eugen ohne sein [X.]utun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben ([X.] vom 27. Juni 2002 [X.]/01, [X.] 2002, 1335, und vom 17. März 2011 [X.]/11, [X.] 2011, 1004).

Solche triftigen Gründe werden von [X.] nicht dargetan. Sein Vorbringen, das [X.] habe das gerichtliche Verfahren, in dem seine [X.]eugenvernehmung angeordnet worden sei, verfahrensfehlerhaft geführt und sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen, rechtfertigen unabhängig davon, ob diese Vorwürfe zutreffen, sein Ausbleiben im Beweisaufnahmetermin nicht. Ein [X.]euge ist eine Person, die kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtung in einem fremden Rechtsstreit Auskunft über bestimmte Tatsachen oder tatsächliche Vorgänge geben soll. Da der [X.]euge in dem Verfahren, in dem er aussagen soll, nicht selbst Beteiligter oder dessen gesetzlicher Vertreter ist, kann er aus der Art und Weise wie das [X.] den für ihn fremden Prozess führt, keine Befugnis zum Fernbleiben von dem Beweisaufnahmetermin herleiten. Dass [X.] in dem Verfahren zugleich im Auftrag der als Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgetretenen [X.]. gehandelt hat, ändert hieran nichts, weil hierdurch die gesetzlichen [X.]eugenpflichten nicht eingeschränkt werden.

Ergänzend weist der beschließende Senat darauf hin, dass das Vorbringen von [X.], das [X.] habe ihn allein deshalb als [X.]eugen geladen, um ihn zu zwingen, bei der Verkündung des Beschlusses über die [X.]urückweisung der [X.]. als Prozessbevollmächtigte anwesend zu sein, fernliegend und unplausibel ist. Der Kläger selbst hat in einem von [X.] verfassten Schriftsatz dessen [X.]eugenvernehmung beantragt. Diesem Antrag ist das [X.] in dem daraufhin ergangenen Beweisbeschluss gefolgt. Dieser Beschluss ist erst aufgehoben worden, nachdem der klägerische [X.]euge [X.] nicht zum Beweisaufnahmetermin erschienen ist. Ob diese Aufhebung zu Recht erfolgt ist, ist in Bezug auf den hier zu beurteilenden Ordnungsgeldbeschluss ohne Belang.

3. Gegen die Höhe des angeordneten Ordnungsgelds hat [X.] keine Einwendungen erhoben. Auch nach Lage der Akten besteht kein Grund zur Beanstandung.

Meta

X B 37/10

19.01.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 6. November 2009, Az: 15 K 4063/06, Beschluss

§ 380 Abs 1 ZPO, § 381 Abs 1 ZPO, § 386 Abs 1 ZPO, § 82 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2012, Az. X B 37/10 (REWIS RS 2012, 9947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9947

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