Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2018, Az. 1 StR 233/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7198

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:260618B1STR233.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 233/18

vom
26. Juni
2018
in der Strafsache
gegen

wegen
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge

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2
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Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des Beschwerde-führers
am 26. Juni
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 18. Januar 2018 im Schuldspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verwor-fen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltrei-bens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Ange-klagte mit seinem auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestütz-ten Rechtsmittel, das in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg hat.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Der Angeklagte betrieb im Februar und März 2016 einen Onlinehandel mit Betäubungsmitteln. Am 19. April 2016 bewahrte er in dem von ihm bewohn-ten [X.] 54 [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 2,448 mg und 49,45 g Alpha-Pyrrolidinovalerophenon mit einem Basengehalt von 72 % auf, was einer Menge von 35,6 g Base und 41,3 g Alpha-Pyrrolidinovalerophenon-Hydro-chlorid entspricht. Beide Stoffe waren für den Weiterverkauf bestimmt. Auf dem Schreibtisch des [X.]s lag griffbereit ein Dolch mit einer 9,5 cm langen und 2,2 cm breiten feststehenden, beidseitig geschliffenen Klinge und ein Kampf-messer mit einer 16,5 cm langen, einseitig geschliffenen Klinge, das über eine Länge von 9 cm über eine [X.] verfügte. Auf dem Sideboard in unmittelbarer Nähe zur [X.]tür befand sich eine Machete in einer Leder-scheide mit einer 36,5 cm langen und 6 cm breiten feststehenden und geschlif-fenen Klinge. Der Angeklagte wollte sich mit diesen Gegenständen im Falle einer Entdeckung zur Wehr setzen und die im [X.] befindlichen [X.] damit verteidigen.
2. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Menge des [X.] um eine nicht geringe Menge handelt, da der Grenzwert für diesen Wirkstoff bei sechs Gramm anzusetzen sei. Im Rahmen der Strafzumessung hat es das Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge um das etwa siebenfache strafschärfend gewertet.
II.
1. Zwar sind die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen
und haben deshalb Bestand;
dennoch konnte der Schuldspruch der auf die Sachrüge hin gebotenen Überprüfung des Urteils nicht standhalten. Die Bestimmung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge ist nicht tragfähig begründet, so dass 3
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dem Schuldspruch nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG die Grundlage fehlt. Dies zieht die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich.
a) Das [X.] legt der Bestimmung der nicht geringen Menge zu-grunde, dass es sich bei [X.] um ein [X.] des früheren Arzneimittelwirkstoffes Pyrovaleron handele und den synthetischen [X.] zuzuordnen sei. Es werde als
[X.] oral, intranasal, inhalativ, intravenös und rektal appliziert. Es führe zu einer erhöhten Aktivität des Sympathikus, die
zu einer Steigerung der Herzfrequenz, der [X.] und des Blutdrucks führe. Die stimulieren-den Wirkungen führten zu Reizbarkeit, Unwohlsein, Verwirrtheit, Angstzustän-den, Depressionen, Nervosität, Unruhe, Schlafstörungen und Schwindelgefühl, in körperlicher
Hinsicht seien Zähneknirschen, verkrampfte Kiefermuskulatur, Augenzittern, Gänsehaut, Schüttelfrost, Tachykardie, Herzklopfen, Hypertonie, erektile Dysfunktion, Obstipation, Schwitzen, präkardiale Schmerzen die Folge.
Da keine gesicherten Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis vorliegen, hat das [X.] den Grenzwert ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit bestimmt. Diese hat es anhand von Angaben in Internetforen auf 30 mg bestimmt. Die Maßzahl hat es auf 200 festgelegt und so den Grenzwert auf sechs Gramm bestimmt.
b) Diese Berechnung des Grenzwerts ist nicht nachvollziehbar begrün-det.
aa) Das Tatgericht hat nach der vom [X.] in ständiger Rechtsprechung angewandten Methode (vgl. nur [X.], Urteil vom 14. Januar 2015

1 [X.], [X.]St 60, 134 ff. Rn. 35; Beschlüsse
vom 13. Oktober 2016

1 StR 366/16 Rn. 7, [X.], 47 und vom 5. November 2015
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4 StR 124/14, [X.], 37) den Grenzwert der nicht geringen Menge ei-nes Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungs-weise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährli-che, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs ([X.], Urteile
vom 22. Dezember 1987

1 [X.], [X.]St 35, 179
und
vom 14. Januar 2015

1 [X.], [X.]St 60, 134 ff. Rn. 35). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das [X.] ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines [X.] auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2008

2 [X.], [X.]St 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnis-se gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. [X.], Urteile vom 24. April 2007

1 [X.], [X.]St 51, 318; vom 17.
November 2011

3 [X.], [X.]St 57, 60
und
vom 14. Januar 2015

1 [X.], [X.]St 60, 134 ff. Rn. 35).
[X.]) Zwar hat sich das [X.] an dieser Vorgehensweise orientiert; es hat aber die Bestimmung der
durchschnittlichen Konsumeinheit auf keine tragfähige Tatsachengrundlage gestellt und das Vielfache, die sogenannte Maßzahl, ohne weitere auf den Stoff bezogene Begründung festgesetzt.
(1) Soweit sich das [X.] auf die in Internetforen berichtetee-r-Urteil vom 14.
Januar 2015

1 [X.], [X.]St 60, 134 ff. Rn. 51) zur durchschnittli-chen Konsumeinheit eines
nicht an den Konsum des Stoffes gewöhnten [X.] dar. Dies gilt zum einen, weil es sich bei Einträgen in User-Foren nicht um wissenschaftlich gesicherte Daten handelt (vgl. [X.], Urteil 10
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vom 4. April 2016

2 OLG 8 Ss 173/15 zum Wirkstoff 3,4-Methylendioxypyro-valeron), diese Angaben häufig auf erfahrene Konsumenten zurückgehen, bei denen bereits mit einer Toleranzentwicklung zu rechnen ist und interindividuelle Unterschiede in der Reaktion auf den Wirkstoff unberücksichtigt bleiben. Wieso sich
das [X.] vor diesem Hintergrund angesichts der Angaben in den
h-tert. Zum anderen beziehen sich ausweislich s-n-sumform. Dies lässt sowohl die [X.] der jeweiligen Konsumform als auch deren jeweiligen Einfluss auf die Wirkungsweise offen. Es ist nicht dargelegt, wieso auf dieser, undifferenziert auf verschiedenste Konsumformen bezogenen Grundlage auf die durchschnittliche Konsumeinheit für die orale und nasale Applikation geschlossen werden kann.
(2) Zur Maßzahl hat das [X.] nur angeführt, dass damit die [X.] und auch das Gefährdungspotential gewichtet worden sei. An anderer [X.] psychischen und körperlichen Störungen, die im Zusammenhang mit [X.] (Amphetamine-Type-s-reichend, um die für die Maßzahl relevante Gewichtung der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere das Abhängigkeits-
und Gesundheitsschädigungspoten-zial (vgl. [X.], Urteile
vom 9. Oktober 1996

3 [X.], [X.]St 42, 255, 267, dort auch zur Berücksichtigung der die Gefährlichkeit steigernden szene-typischen Begleitumstände des Konsums und
vom 17. November 2011

3 StR 12
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315/10, [X.]St 57, 60, 64 ff.
Rn. 11 ff.) im Vergleich zu anderen Stoffen nach-vollziehbar darzulegen.
[X.]) Da der aufgezeigte Fehler die Feststellungen nicht betrifft, konnten diese bestehen bleiben. Das neu zuständige Tatgericht muss den Grenzwert für die nicht geringe Menge [X.] unter Hinzuziehung eines Sachverständigen klären. Dabei wird es in den Blick zu nehmen haben, dass das [X.] für den Wirkstoff 3,4-Methylen-dioxypyrovaleron unter ausführlicher Begründung bereits nach der oben aufge-zeigten Methode einen Grenzwert festgesetzt hat (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 2016

2 OLG 8 Ss 173/15 zum Wirkstoff 3,4-Methylen-dioxypyrovaleron) und ob zwischen diesem Stoff, der große chemisch struktu-relle Ähnlichkeiten zum früher als Arzneimittel verwendeten Pyrovaleron auf-weisen soll, und [X.] relevante Unter-schiede bestehen oder sich neuere Erkenntnisse insoweit ergeben haben.
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2. Die allein gegen den Rechtsfolgenausspruch gerichtete [X.] erweist sich aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift [X.] Gründen als unzulässig. Das nun zuständige Tatgericht wird Gele-genheit haben, gemäß § 246a StPO unter Hinzuziehung eines Sachverständi-gen die Voraussetzungen des § 64 StGB zu prüfen.
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Graf ist in den Ruhestand
getreten und daher gehindert zu
unterschreiben.

Jäger

Jäger Cirener

Fischer Hohoff
14

Meta

1 StR 233/18

26.06.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2018, Az. 1 StR 233/18 (REWIS RS 2018, 7198)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7198

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 315/10

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