Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2019, Az. VII R 24/18

7. Senat | REWIS RS 2019, 2408

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch auf Verzinsung nach Unionsrecht


Leitsatz

1. Ein Zinsbescheid über Prozesszinsen enthält nicht zugleich eine stillschweigende Ablehnung weiterer Zinsen, insbesondere auf unionsrechtlicher Grundlage.

2. Sieht eine Richtlinie eine obligatorische Steuerbefreiung vor, die der Mitgliedstaat nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt hat, und kann sich der Steuerpflichtige deshalb unmittelbar auf die entsprechende Richtlinienbestimmung berufen, stehen ihm nach den unionsrechtlichen Grundsätzen Zinsen auf den Entlastungsbetrag zu, wenn der Mitgliedstaat anfänglich dessen Auszahlung verweigert.

3. Der Behörde steht eine angemessene Frist für die Bearbeitung des --vollständigen-- Entlastungsantrags zu, die bei der Zinsberechnung zu berücksichtigten ist.

4. In Fällen der Energiesteuerentlastung beginnt der Zinslauf 4 Monate und 10 Arbeitstage nach Eingang des vollständigen Entlastungsantrags .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 13.06.2018 - 4 K 1304/17 AO sowie der Bescheid vom 08.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2017 aufgehoben, soweit der Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 betroffen ist.

Zugunsten der Klägerin werden weitere, nach § 238 der Abgabenordnung zu berechnende Zinsen auf den Erstattungsbetrag von 68.834,75 € für den Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 festgesetzt.

Die Berechnung der Zinsen wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin 30% und der Beklagte 70 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Motorenprüfstände, in denen die durch die Verbrennung von versteuertem Benzin erzeugte mechanische Energie unter Einsatz angeschlossener Generatoren in Strom umgewandelt wird.

2

Sie beantragte am 25.07.2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--), ihr für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 Energiesteuer für die Verwendung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des [X.] ([X.]) versteuerten Benzins für die Erzeugung von Strom nach § 49 [X.] zu vergüten. Zugleich beantragte sie für denselben Zeitraum, ihr weitere Energiesteuer für die Verwendung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i.V.m. § 49 Abs. 2a [X.] versteuerten Benzins für die Erzeugung von Strom nach § 53 [X.] zu vergüten.

3

Diese Anträge lehnte das [X.] ab. Nachdem der Einspruch hiergegen erfolglos geblieben war, hatte die am 26.02.2015 erhobene Klage Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) verpflichtete das [X.] mit Urteil vom 09.12.2015 - 4 K 625/15 VE, der Klägerin Energiesteuer in Höhe von [X.] € für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 zu vergüten. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/[X.] vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom (EnergieStRL).

4

In der Folge setzte das [X.] mit Bescheid vom 22.01.2016 für die Klägerin eine Entlastung von Energiesteuer fest. Zugleich erließ es einen "[X.] über [X.]" nach "Maßgabe von § 236 Abgabenordnung" und setzte zugunsten der Klägerin [X.] für den Zeitraum vom 26.02.2015 (Rechtshängigkeit der Klage) bis zum 25.01.2016 ([X.]) in Höhe von 3.784 € fest.

5

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.03.2016, beim [X.] eingegangen am 14.03.2016, die Zinsen auf den festgesetzten [X.] bereits für den Zeitraum ab dem 01.08.2011 festzusetzen. Sie habe gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL einen Anspruch auf die von ihr begehrte Steuerentlastung gehabt, weil eine nationale Regelung zur Entlastung gefehlt habe. Nach dem Unionsrecht stünden ihr deshalb Zinsen nicht erst ab Rechtshängigkeit des [X.] zu.

6

Das [X.] lehnte eine Änderung des [X.]s vom 22.01.2016 ab, weil dieser bestandskräftig geworden sei. Der Antrag auf Änderung sei nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt worden, wie von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung ([X.]) gefordert. Eine Änderung nach § 173 [X.] komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem mittlerweile ergangenen Urteil des [X.] ([X.]) vom 22.09.2015 - VII R 32/14 ([X.]E 251, 291, [X.], 323), nach dem Abgaben, die auf der Grundlage einer für ungültig erklärten Unionsverordnung erhoben wurden, ab dem Zeitpunkt der Zahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Abgaben zu verzinsen seien, nicht um eine neue Tatsache handele.

7

Nachdem ihr Einspruch erfolglos war, erhob die Klägerin Klage und begehrte weiterhin Zinsen ab dem [X.] Das [X.] wies die Klage als unbegründet ab. Das [X.] habe in dem [X.] stillschweigend eine Verzinsung für einen früheren Zeitraum abgelehnt. Dabei sei unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage (§ 236 [X.] oder Unionsrecht) die Zinsen festgesetzt worden seien. Änderungsvorschriften hielt das [X.] nicht für einschlägig. Die Bestandskraft stehe einer Änderung entgegen; darin liege kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Die Klägerin habe nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit gehabt, innerhalb einer angemessenen Frist einen Rechtsbehelf gegen den [X.] einzulegen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision. Die Klägerin trägt vor, der Bescheid über [X.] habe nicht zugleich die Ablehnung einer anderweitigen Verzinsung beinhaltet. Aus dem Zinsrecht der [X.] ergebe sich, dass die einzelnen [X.] nebeneinander bestünden. In der Praxis käme es regelmäßig zu verschiedenen Zinsfestsetzungen. Eine stillschweigende Ablehnung weitergehender Zinsansprüche widerspreche dem Bestimmtheitsgrundsatz. Der [X.] stehe somit einer weitergehenden Verzinsung nach Unionsrecht nicht entgegen. Hierzu verweist die Klägerin auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- (EuGH-Urteil Irimie vom 18.04.2013 - [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 23, [X.] --HFR-- 2013, 659) und des erkennenden Senats (Urteil in [X.]E 251, 291, BStBl II 2016, 323). Der [X.] sei durch die Stellung des [X.] in Gang gesetzt worden.

9

Die Klägerin beantragt, das Urteil des [X.] vom 13.06.2018 - 4 K 1304/17 [X.] aufzuheben und das [X.] unter Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2017 zu verpflichten, Zinsen von 6 % auf den [X.] von [X.] € für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 24.01.2016 festzusetzen.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Mit ihrem Antrag auf weitergehende Verzinsung habe die Klägerin kein weiteres Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, weil es sich um denselben Verfahrensgegenstand, nämlich den Zinsanspruch, gehandelt habe. Sie habe nicht die Festsetzung anderer Zinsen beantragt, sondern rückwirkend den Zeitraum erweitern wollen, für den sie für die zu Unrecht vorenthaltene Steuervergütung entschädigt werden wolle. Sowohl § 236 [X.] als auch der unionsrechtliche Zinstatbestand dienten der Entschädigung für die Vorenthaltung von Kapital. Deshalb habe es einer Änderung des [X.]s bedurft, die jedoch nach Eintritt der Bestandskraft mangels einschlägiger Änderungsvorschriften nicht möglich sei. Das Unionsrecht verpflichte eine Verwaltungsbehörde selbst bei unionsrechtlich rechtswidrigen Entscheidungen nicht zu einer Rücknahme, sofern die Bescheide nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs Bestandskraft erlangt hätten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass der Klägerin auf unionsrechtlicher Grundlage weitere Zinsen für den Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 zustehen. Die Vorentscheidung verletzt insoweit Bundesrecht und ist daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg; es bleibt insoweit bei der Klageabweisung.

Das [X.] hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass der Klägerin keine weiteren Zinsen zustehen. Der [X.] vom 22.01.2016 enthielt nicht zugleich die konkludente Ablehnung der Verzinsung vor Rechtshängigkeit (1.). Der Klägerin steht ein auf Unionsrecht gestützter Zinsanspruch zu (2.).

1. Der [X.] vom 22.01.2016 steht der Festsetzung weiterer Zinsen nicht entgegen. Zwar ist dieser Bescheid formell bestandskräftig, weil die Klägerin keinen Einspruch eingelegt hat, jedoch umfasste dieser Bescheid nicht die von der Klägerin begehrten weiteren Zinsen, so dass dessen Bestandskraft dem erweiterten Zinsanspruch nicht entgegenstehen kann. Der Ansicht des [X.], das [X.] habe in dem [X.] stillschweigend die Gewährung weiterer Zinsen --auch auf anderer Rechtsgrundlage als § 236 AO-- abgelehnt, folgt der [X.] nicht. Das [X.] hat durch den Bescheid vom 22.01.2016 ausschließlich Prozesszinsen auf der Grundlage von § 236 AO festgesetzt.

a) Ob das [X.] den Willen hatte, mit diesem Bescheid auch weitergehende Zinsansprüche abzulehnen, ist unerheblich. Denn der [X.] eines Verwaltungsakts bestimmt sich nicht nach dem, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat. Vielmehr wird ein Verwaltungsakt nur mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Maßgebend ist, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) verstehen konnte (BFH-Urteile vom 18.07.1994 - X R 33/91, [X.], 294, BStBl II 1995, 4, und vom 30.11.1999 - IX R 57/98, [X.], 678, m.w.N.). Die Auslegung des Verwaltungsakts muss dabei einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben (BFH-Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95, [X.], 348, BStBl II 1997, 791).

b) Die Auslegung eines Verwaltungsakts durch das [X.] ist im Revisionsverfahren überprüfbar, wenn die tatsächlichen Feststellungen des [X.] hierzu ausreichen (BFH-Urteile vom 12.06.1997 - I R 72/96, [X.], 30, [X.] 1997, 660; vom 24.08.2005 - II R 16/02, [X.], 515, [X.] 2006, 36, und vom 04.06.2008 - I R 72/07, [X.], 1977).

c) Der streitgegenständliche Bescheid ist mit "[X.] über Prozesszinsen" überschrieben und verweist ausdrücklich auf § 236 AO. Das [X.] hatte von Amts wegen entschieden; ein Antrag ist auch nicht erforderlich ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 236 AO Rz 35). Die Klägerin selbst hatte einen Antrag auf (unionsrechtliche) Zinsen erst mit Schreiben vom 11.03.2016 gestellt, wobei der [X.] dahinstehen lässt, ob ein solcher Antrag nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]-Urteil Irimie, [X.]:[X.], Rz 23, [X.], 659) erforderlich ist. Jedenfalls musste die Klägerin nicht davon ausgehen, dass das [X.] bereits mit Bescheid vom 22.01.2016 konkret hierüber entschieden hatte.

2. Der Klägerin steht ein weitergehender Zinsanspruch zu, der sich direkt aus dem Unionsrecht ergibt. Die Rechtsprechung des [X.] zur Verzinsung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.

a) In ständiger Rechtsprechung geht der [X.] davon aus, dass sich im [X.], die unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben worden sind, ein Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Beträge, sondern auch der Beträge ergibt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an den Mitgliedstaat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch Einbußen aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Geldbeträgen. Der Anspruch auf Erstattung der Beträge einschließlich der Zinsen ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ([X.]-Urteile Zuckerfabrik Jülich vom 27.09.2012 - [X.]/10, [X.]/10, und [X.]/10, [X.]:[X.], Rz 66, [X.], 1210; Metallgesellschaft vom 08.03.2001 - [X.]/98 und [X.]/98, [X.]:[X.], Rz 84 ff., [X.] 2001, 628; Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 - [X.]/10, [X.]:[X.], Rz 24 ff., [X.], 1018; Irimie, [X.]:[X.], Rz 21, [X.], 659, und [X.] vom 24.10.2013 - [X.]/12, [X.]:[X.], [X.], 1163). Dieser Rechtsprechung hat sich der [X.] angeschlossen ([X.]sbeschluss vom 05.12.2017 - VII B 85/17, [X.], 321; [X.]surteil in [X.], 291, [X.] 2016, 323).

b) Den bisherigen Entscheidungen des [X.] ist gemeinsam, dass ein Mitgliedstaat in Widerspruch zum Unionsrecht Abgaben erhoben hat. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall insofern, als es nicht um eine unionsrechtswidrige Erhebung einer Abgabe geht, sondern um eine unionsrechtswidrige Nichtgewährung einer obligatorischen Steuerbefreiung.

Der Klägerin stand aufgrund einer unmittelbaren Anwendung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieSt[X.] ein Anspruch auf die Vergütung der Energiesteuer zu, weil die [X.] ([X.]) diese Regelung nicht fristgerecht in [X.] Recht umgesetzt hatte ([X.]-Urteil [X.] vom 17.07.2008 - C-226/07, [X.]:C:2008:429, [X.] 2008, 1092). Unter Anwendung dieser [X.]-Rechtsprechung hatte das [X.] in seinem Urteil vom 09.12.2015 - 4 K 625/15 VE der Klägerin einen Vergütungsanspruch zugesprochen.

Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieSt[X.] haben die Mitgliedstaaten Energieerzeugnisse, die bei der Stromerzeugung verwendet werden, von der Energiesteuer zu befreien. Wie diese Steuerbefreiung von den Mitgliedstaaten umgesetzt wird [X.] als Ausnahme von der Besteuerung oder durch Gewährung von Entlastungsansprüchen-- ist diesen überlassen. Mit Blick auf den [X.] darf sich jedenfalls kein Nachteil für den Steuerpflichtigen daraus ergeben, dass die obligatorische Steuerbefreiung in einem Mitgliedstaat im Wege der Steuerentlastung realisiert wird, wie es in [X.] durch §§ 49 und 53 [X.] geschehen ist. Wie der [X.] entschieden hat, entfaltet Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieSt[X.] unmittelbare Wirkung, so dass ein Wirtschaftsbeteiligter unter Berufung auf diese Vorschrift die Erstattung einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung erhobene Steuer erwirken kann ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2008:429, [X.] 2008, 1092). Hinsichtlich der fehlenden Verfügbarkeit des [X.] darf ihm nach den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität eine angemessene Entschädigung nicht vorenthalten werden ([X.]-Urteile Irimie, [X.]:[X.], [X.], 659, und [X.], [X.]:[X.], [X.], 1163). Insoweit ist die dargestellte [X.]-Rechtsprechung auf den Streitfall übertragbar.

c) Dem steht nicht entgegen, dass der [X.] grundsätzlich nicht von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung rückständiger Staatsleistungen ausgeht, sondern das geltende Recht nur die Verzinsung nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände kennt (vgl. [X.]surteile vom 29.04.1997 - VII R 91/96, [X.], 253, [X.] 1997, 476; vom 06.05.2008 - VII R 10/07, [X.], 1714). Die genannten Entscheidungen befassten sich nicht mit der Verzinsung unionsrechtswidrig erhobener oder nicht erstatteter Abgaben, für die vorrangig die oben dargestellte [X.]-Rechtsprechung zu beachten ist.

3. Der Klägerin stehen unionsrechtliche Zinsen allerdings erst ab dem 10.12.2011 und --begrenzt durch die bereits festgesetzten [X.] nur bis zum 25.02.2015 zu.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] zum Mehrwertsteuerüberschuss und zur Durchsetzung des [X.] steht der Steuerbehörde eine angemessene Frist für die Bearbeitung zu (vgl. [X.]-Urteile Enel Maritsa Iztok vom 12.05.2011 - [X.]/10, [X.]:C:2011:298, Slg. 2011, [X.], und [X.], [X.]:[X.], [X.], 1163). Maßgeblich ist danach, in welchem angemessenen Zeitraum eine Bearbeitung des [X.] erwartet werden kann. Dieser Zeitraum ist bei der Berechnung des [X.], der dem Ausgleich des infolge des vorübergehenden [X.] entstandenen wirtschaftlichen Nachteils dient, zu berücksichtigen. Insoweit begrenzen die Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Vollzugs steuerrechtlicher Entlastungsregelungen den auf Unionsrecht beruhenden Zinsanspruch.

Nach diesen Grundsätzen ist auch bei der Prüfung von Anträgen auf Entlastung von der Energiesteuer der Behörde eine angemessene Bearbeitungszeit zuzubilligen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung orientiert sich der [X.] zur Bestimmung der Bearbeitungsfrist an den unionsrechtlichen Regelungen in der Richtlinie 2008/9/[X.] ([X.] 2008/9/[X.]) des Rates vom 12.02.2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/[X.] an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige ([X.] 2008/9/[X.]), weil darin die Wertung des [X.] Ausdruck gefunden hat, welche Bearbeitungsfrist er für angemessen erachtet.

Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2008/9/[X.] muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Sodann stehen der Behörde gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 1 [X.] 2008/9/[X.] insgesamt 4 Monate und 10 Arbeitstage zur Verfügung, um den Erstattungsantrag zu bearbeiten und den Erstattungsbetrag auszuzahlen. Muss die Behörde weitere Informationen beim Antragsteller anfordern, verlängert sich die Bearbeitungsfrist (vgl. Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 [X.] 2008/9/[X.]). Arbeitstage sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung ([X.], Euratom) Nr. 1182/71 des [X.], Daten und Termine alle Tage außer Feiertage, Sonntage und Sonnabende.

Eine Übernahme dieser Fristen für die vorliegende Konstellation erscheint dem [X.] sachgerecht, weil auch bei der Energiesteuer wegen der für alle Antragsteller gleichen Abgabefristen für [X.] mit einem erhöhten Antragsaufkommen zu bestimmten Zeiten zu rechnen ist.

Maßgebend für den Zinsbeginn ist die Abgabe des vollständigen Antrags auf Entlastung. Nur bei Vorlage eines ordnungsgemäßen und vollständigen Antrags wird die Behörde in die Lage versetzt, den Antrag zu bearbeiten und das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Steuerentlastung festzustellen. Im Streitfall hat das [X.] nicht festgestellt, dass ein unvollständiger Antrag vorliegt, so dass der [X.] von der Abgabe eines vollständigen Antrags am 25.07.2011 ausgeht.

Der [X.] beginnt mithin 4 Monate (25.11.2011) und 10 Arbeitstage (28.11.2011 bis 02.12.2011 und 05.12.2011 bis 09.12.2011) nach Abgabe dieses Antrags, also am 10.12.2011.

b) Schließlich ist der Anspruch der Klägerin begrenzt, weil bereits Zinsen nach § 236 AO festgesetzt wurden. Soweit der Klägerin bereits Zinsen zugesprochen wurden (ab Rechtshängigkeit 26.02.2015), steht einem weitergehenden Zinsanspruch der [X.] vom 22.01.2016 entgegen.

4. In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung obliegt es den Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Zahlung der Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode, festzulegen. Die Bedingungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität entsprechen ([X.]sbeschluss in [X.], 321, m.w.N.).

Nach § 238 Abs. 1 AO betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 %. Sie sind von dem Tag an, an dem der [X.] beginnt, nur für volle Monate zu zahlen (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).

Die Berechnung der Zinsen wird dem [X.] übertragen (§§ 121 Satz 1, 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 [X.]O.

Meta

VII R 24/18

22.10.2019

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 13. Juni 2018, Az: 4 K 1304/17 AO, Urteil

§ 124 Abs 1 S 2 AO, § 236 AO, § 238 AO, § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst b EnergieStG, § 49 EnergieStG, § 53 EnergieStG, Art 14 Abs 1 Buchst a EGRL 96/2003, Art 15 Abs 1 S 1 EGRL 9/2008, Art 19 Abs 2 EGRL 9/2008, Art 22 Abs 1 EGRL 9/2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2019, Az. VII R 24/18 (REWIS RS 2019, 2408)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2408

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII R 29/21 (VII R 17/18), VII R 29/21, VII R 17/18 (Bundesfinanzhof)

Verzinsung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer


VII R 33/14 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 22.09.2015 VII R 32/14 - Anspruch auf Verzinsung des …


VII R 32/14 (Bundesfinanzhof)

Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrags ab Zahlung einer unionsrechtswidrig erhobenen Abgabe


VII B 85/17 (Bundesfinanzhof)

Verzinsung zu erstattender Antidumpingzölle


VII R 26/20 (Bundesfinanzhof)

Entlastungsanspruch und unionsrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.