Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2014, Az. IV ZR 30/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5961

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 30/13

Verkündet am:

30. April 2014

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z:

nein

[X.]R: ja

[X.] § 2332 Abs. 1 a.F.

Ist der Verjährungsbeginn kenntnisabhängig, kommt es für Beginn und Lauf der [X.] im Falle des Gläubigerwechsels -
gleich aus welchem Rechtsgrund
-
zu-nächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an. Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch so, d.h. mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser die Kenntnis nicht mit oder erst nach dem Übergang des Anspruchs auf ihn erhält.

[X.], Urteil vom 30. April 2014 -
IV ZR 30/13 -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat durch den
Richter
Wendt, die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhand-lung vom 30. April 2014

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird der Beschluss des 24.
Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 19.
Dezember 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte, seine Schwester, einen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des am 27.
Oktober 2001 verstorbe-nen Großvaters der Parteien
(im Folgenden: Erblasser)
geltend.

Dieser hatte durch notarielles Testament
vom 1.
März 2000 die Beklagte zur Alleinerbin eingesetzt. Der am 1.
März 2002 verstorbene [X.] des Erblassers und Vater der Parteien
hatte mit notariellem Testa-ment vom 3.
Juni 1996 den Kläger zum Alleinerben eingesetzt.
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3
-

Nach dem Tod des [X.] der Parteien
legte dessen Witwe ein handschriftliches "Gemeinsames Testament"
mit Datum vom 14.
Oktober 1997 vor, in
dem sich die Eheleute gegenseitig zu "Alleinerben"
einge-setzt hatten und der Vater der Parteien sein Testament vom 3.
Juni 1996 aufgehoben hatte. In einem nachfolgenden Rechtsstreit wurde die Er-bunwürdigkeit der Witwe
wegen Fälschung dieses Testaments rechts-kräftig festgestellt. Zur Finanzierung dieses Prozesses gewährte die [X.] dem Kläger im Mai 2005 ein Darlehen.

Auf die am 8.
April 2009 eingereichte und am 27.
Mai 2009 zuge-stellte Klage erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und rechnet hilfsweise mit Gegenansprüchen auf.

Das [X.] hat der Klage dem Grunde nach, aber vorbehalt-lich der Entscheidung über die von der [X.] hilfsweise erklärte [X.], stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Ober-landesgericht durch Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewie-sen.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegeh-ren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der
Berufungsent-scheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.
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4
-

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Pflichtteilsan-spruch des [X.] noch nicht verjährt. Die
nach §
2332 Abs.
1 [X.] in der vom 1.
Januar 2002
bis zum 31.
Dezember 2009
geltenden Fassung (a.F.) maßgebliche Verjährungsfrist von
drei Jahren habe zu [X.], als der pflichtteilsberechtigte Vater der Parteien kurz vor seinem eigenen Tod von dem Eintritt des Erbfalls und der ihn beeinträchtigenden Alleinerbeneinsetzung der [X.] durch den Erblasser erfahren habe. Nach dem Tod seines [X.] habe sich die Verjährung der eigenen erb-rechtlichen Ansprüche des [X.] nach §
197 Abs.
1 Nr.
2
[X.] ge-richtet. Begonnen habe die 30-jährige Verjährungsfrist gemäß §
200 Satz
1 [X.] mit der Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs. Der Anspruch des [X.]
setze die Entstehung des ererbten [X.] und die eigene Erbenstellung des [X.]
voraus. [X.] habe erst mit der Klärung der Erbenstellung des [X.] einset-zen
können, weil das Erbe zunächst nicht bei dem Kläger, sondern

infolge des gefälschten Testaments

bei der erbunwürdigen Witwe des [X.] der Parteien angefallen sei. Da die Anfechtung wegen Erbunwür-digkeit mit der Rechtskraft des [X.] im [X.] wirke, sei der Kläger erst mit der Zurückweisung der Nicht-zulassungsbeschwerde durch den [X.]sbeschluss vom 27.
Februar 2008 zum Erben geworden; dies gelte auch hinsichtlich des
ererbten [X.]. Ab Zugang dieser Entscheidung habe die Frist des §
2332 Abs.
1 [X.] des nun als Erbe feststehenden [X.] wieder zu laufen begonnen. Bis zur Klagezustellung seien maximal weitere 14 Monate und 27 Tage vergangen. Ob die Parteien durch den Darlehensvertrag konkludent eine Vereinbarung nach §
202 Abs.
1 [X.] getroffen hätten und welchen Umfang die dortige Sicherungsabtretung 8
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sämtlicher Rechte des [X.] aus der Erbschaft an die Beklagte habe, sei daher irrelevant.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat den Beginn der Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch, der dem Kläger als Erbe seines [X.] zugefal-len ist, falsch bestimmt.

a) Es hat im Ansatz zutreffend als maßgebliche Rechtsnorm für die Verjährung des ererbten [X.] gegen die Beklagte §
2332 Abs.
1 [X.] zugrunde gelegt. Nach dieser Vorschrift verjährte der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem [X.]punkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn [X.] Verfügung Kenntnis erlangte, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an. Da [X.] zunächst der vom Erblasser enterbte Vater der Parteien war, kommt es darauf an, ob und wann dieser vom Tode des Erblassers und der von diesem verfügten Einsetzung der [X.] als Alleinerbin Kenntnis erlangte. Das Berufungsgericht hat unterstellt, der Vater der Parteien habe vom Tod des Erblassers und von der [X.] der [X.] kurz vor seinem eigenen Tod am 1.
März 2002 erfahren. Ob nicht von vornherein von der Hand zu weisende [X.] gegen die den Vater der Parteien beeinträchtigende Verfügung be-standen
haben, die seiner Kenntnis hätten entgegenstehen können, ist zwischen den Parteien umstritten
und vom Berufungsgericht offengelas-sen
worden. Für das Revisionsverfahren ist zugunsten der [X.] auszugehen, dass der Vater der Parteien vor seinem Tod am 1.
März 9
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2002 diese Kenntnis erlangt hatte. Mithin lief bereits zu Lebzeiten des [X.] der Parteien die Verjährungsfrist des §
2332 Abs.
1 [X.]

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts richtete sich nach dem Tod des Erblassers die Verjährung des auf den Kläger über-gegangenen [X.] nicht nach §
197 Abs.
1 Nr.
2 [X.] Der Tod des [X.] der Parteien hat nichts daran geändert, dass die Verjährungsfrist gemäß §
2332 Abs.
1 [X.]
weitergelaufen ist.

[X.]) Ist der Verjährungsbeginn kenntnisabhängig, kommt es nach allgemeiner Auffassung für Beginn und Lauf der Verjährung im Falle des Gläubigerwechsels

gleich aus welchem Rechtsgrund

zunächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an. Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch so, d.h. mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser die Kenntnis nicht mit oder erst nach dem Übergang des Anspruchs auf ihn erhält. Nur wenn der Kenntnisstand des [X.] nicht geeignet war, die Verjährung in Lauf zu setzen, ist auf den Rechtsnachfolger abzustellen ([X.]/Schmidt-Räntsch, [X.], 13.
Aufl. §
199 [X.] Rn.
17; MünchKomm-[X.]/[X.], 6.
Aufl. §
199 [X.] Rn.
36; jurisPK-[X.]/[X.], §
199 [X.] Rn.
45; [X.]/[X.], 73.
Aufl.
§
199 [X.] Rn.
26; [X.]/[X.]/[X.] [2009], §
199 [X.] Rn.
56; so auch [X.], Urteil vom 19.
Januar 2011, 9
O 13128/10, juris Rn.
26). Diese Beurteilung wurde auch zu der vergleich-baren Regelung des §
852 [X.] vertreten ([X.], Urteile vom 19.
De-zember 1989

VI
ZR 57/89, [X.], 497 unter [X.]; vom 2.
März 1982

VI ZR 245/79, [X.], 546 unter [X.] d; vom 10.
Juli 1967

III
ZR 78/66, [X.]Z 48, 181, 183; vom 11.
Juli 1961

VI
ZR 11/61, [X.], 910
unter I; [X.], 12.
Aufl. §
852 [X.] Rn.
38). Sowohl 12
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7
-

im Falle der [X.] gemäß den §§
412, 404 [X.] als auch im Falle der Universalsukzession nach §
1922 Abs.
1 [X.] erwirbt der Rechtsnachfolger die der Verjährung unterliegende Forderung in dem Zustand, in dem sie sich im [X.]punkt des [X.] befindet, d.h. bereits verjährt, mit laufender Verjährung oder mit noch nicht [X.] Verjährung (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 1967 [X.]O). Demnach hat der Kläger den von seinem Vater ererbten Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte belastet mit schon laufender Verjährungsfrist
erworben.

[X.]) Auf die vom Berufungsgericht erörterten Umstände, unter de-nen der Kläger in die Erbenstellung
nach seinem Vater eingerückt ist,
kommt es nicht an. Die Verjährungsfrist begann entgegen der [X.] des Berufungsgerichts für den Kläger nicht
erst mit Klärung seiner Erbenstellung. Das von der Witwe seines [X.] vorgelegte gefälschte Testament konnte ihre Erbenstellung nicht begründen. Durch das gegen sie ergangene Anfechtungsurteil wurde gemäß den §§
2339 Abs.
1 Nr.
4, 2342 Abs.
2 [X.] festgestellt, dass sie auch unter keinem anderen recht-lichen Gesichtspunkt Erbin nach ihrem Ehemann geworden war. Die tes-tamentarische Erbenstellung des [X.] wurde dadurch nicht berührt.
In jedem Fall beendete der Tod des [X.] der Parteien die noch zu seinen Lebzeiten in Gang gesetzte Verjährungsfrist nicht; vielmehr lief die [X.] in der Person desjenigen weiter, auf den der Pflichtteilsanspruch kraft Erbfolge übergegangen war.

[X.]) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionserwiderung ohne Erfolg auf das [X.]surteil vom 19.
Juni 1985 ([X.] ZR 114/83, [X.]Z 95, 76).
In dem zugrunde liegenden Fall kannte der ursprünglich Pflichtteilsberechtigte das ihn enterbende Testament und meinte, es sei durch späteres Testament aufgehoben worden. Nachdem ein entspre-14
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chender Erbschein, der ihn als Miterben ausgewiesen hatte, eingezogen worden war, machte er
seinen Pflichtteilsanspruch geltend.
Der [X.] hat auf diese Konstellation die Lösung eines vergleichbaren Problems für die Anfechtung der Ehelichkeit übertragen ([X.]surteil vom 11.
Juli 1973

[X.], [X.]Z 61, 195, 198
ff.). Ebenso wie die für den Be-ginn der Anfechtungsfrist
erforderliche Kenntnis von den gegen die [X.] sprechenden Umständen wieder entfallen kann, fällt die frühere Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der ihn enterbenden Verfügung fort, wenn er kurze [X.] darauf von einer weiteren Erklärung des [X.] erfährt, durch die

allem Anschein nach

die Enterbung später [X.] aufgehoben worden ist
([X.]surteil vom 19.
Juni 1985 [X.]O 78
ff.). Damit ist der
hier für das Revisionsverfahren zu unterstellende Sachver-halt nicht vergleichbar. Der Vater der Parteien hatte seine Kenntnis vom Tod des Erblassers und von der [X.] der [X.] nicht infolge neuer Umstände verloren.
Die beim Kläger durch Vorlage des [X.] ausgelösten
Zweifel an seiner Erbenstellung las-sen
die für den Beginn der Verjährung des zum Nachlass gehörenden [X.] erforderliche Kenntnis nicht entfallen.

Den Schwierigkeiten, die sich aus einer solchen Fallgestaltung für Erben ergeben, trägt §
211 Satz
1 [X.] Rechnung. Nach dieser Vor-schrift tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass ge-hört,

abgesehen vom Fall der Nachlassinsolvenz

nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem [X.]punkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird. Es kann
dahinstehen, ob der Kläger die Erbschaft bereits mit Erhebung der Anfechtungsklage im Jahre 2003
oder
erst nach Zustellung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurück-weisenden [X.]sbeschlusses
vom 27.
Februar 2008 annahm oder sie nicht gemäß §
1944 Abs.
1 und 2 Satz
2 [X.] binnen sechs Wochen 16
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ausschlug. In jedem Fall
war die sechsmonatige Frist des §
211 Satz
1 [X.] schon abgelaufen, als die Klage am 8.
April 2009 eingereicht [X.].

[X.] [X.] ist nicht zur abschließenden Entscheidung reif. Das Berufungsgericht wird noch zu prüfen haben, ob die Verjährung nach dem Übergang des [X.] auf den Kläger gehemmt war, etwa durch ein Stillhalteabkommen im Sinne von §
205 [X.] im [X.] der vom Kläger behaupteten Vereinbarungen im Oktober 2002 oder im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Darlehensvertrag im Mai 2005.

Wendt [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 26.08.2011 -
1 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.12.2012 -
24 U 26/12 -

17

Meta

IV ZR 30/13

30.04.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2014, Az. IV ZR 30/13 (REWIS RS 2014, 5961)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5961

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I - 7 U 78/16 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


I-7 U 2/07 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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IV ZR 30/13

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