Bundessozialgericht, Urteil vom 13.11.2012, Az. B 1 KR 6/12 R

1. Senat | REWIS RS 2012, 1531

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Gegenstand

Krankenversicherung - Geltendmachung einer weiteren Vergütung des Krankenhausträgers gegenüber der Krankenkasse nach Ablauf des Haushaltsjahres der Behandlung - Verstoß gegen Treu und Glauben


Leitsatz

Fordert ein Krankenhaus nach Ablauf von mehr als einem vollen Geschäftsjahr wegen Unvollständigkeit seiner plausiblen Schlussrechnung von der Krankenkasse für die Behandlung eines Versicherten eine weitere Vergütung, verstößt dies regelmäßig gegen Treu und Glauben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. November 2011 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 3727,82 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

2

Der 1925 geborene [X.] (Versicherter) ist bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert. Das [X.], eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, behandelte den Versicherten im Wege einer koronaren Bypass-Operation mit invasiver kardiologischer Diagnostik und komplizierenden Prozeduren stationär vom 15.2. bis 7.3.2005 wegen Atherosklerose der [X.] vom Becken-Bein-Typ mit Ruheschmerzen ([X.]> [X.]) und während der Behandlung aufgetretenem akuten transmuralen Myokardinfarkt der Vorderwand ([X.]> [X.]; weitere [X.]>-Nebendiagnosen: [X.]; [X.]; I72.4; I72.9; Z95.88; [X.]; [X.]; [X.]; [X.]; [X.]; E87.6). Der Kläger berechnete der Beklagten hierfür 15 610,03 Euro (Schlussrechnung vom 15.3.2005). Die Beklagte bezahlte den Betrag Anfang April 2005. Der Kläger forderte Ende 2009 vergeblich weitere 3727,82 Euro (Rechnung vom 30.11.2009), weil er zusätzliche Nebendiagnosen (Hypokaliämie; Bluthochdruck) sowie - [X.] - die Gabe von Blutkonserven/Plasmapräparaten nachkodierte (nunmehr [X.] <2005> [X.], [X.], [X.]. 6,276). Die Beklagte berief sich darauf, die Nachforderung verstoße gegen [X.] und Glauben (entsprechend [X.]-2500 § 109 [X.]). Das [X.] hat die Zahlungsklage deshalb abgewiesen (Urteil vom 12.10.2010). Das L[X.] hat dagegen die Beklagte antragsgemäß verurteilt: Die allein maßgeblichen Ausschlusskriterien der Rechtsprechung des 3. B[X.]-Senats (B[X.]E 105, 150 = [X.]-2500 § 109 [X.]) seien nicht erfüllt (Urteil vom 10.11.2011).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung insbesondere des § 242 BGB iVm § 69 [X.]B V. Das L[X.]-Urteil verstoße gegen die Rechtsprechung der B[X.]-Senate, die sich gegenseitig ergänze.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 10. November 2011 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2010 zurückzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist begründet. Das L[X.] ist aufzuheben und die Berufung des klagenden Krankenhausträgers gegen das [X.] zurückzuweisen, da der Kläger mit seinem Begehren auf zusätzliche Vergütung ausgeschlossen ist.

8

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger macht zu Recht den Anspruch auf vollständige Bezahlung seiner Rechnung über die Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten gegen die Beklagte mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend (vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9 mwN).

9

2. Die Beklagte war verpflichtet, die Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Hochschulklinik vom 15.2. bis 7.3.2005 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 [X.] erforderlich ist (stRspr, vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] mwN). Die Vorinstanzen sind zu Recht hiervon ausgegangen und haben festgestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Kläger hätte auch rechtmäßig in seiner ersten Rechnung für die erbrachten Krankenhausleistungen unter Berücksichtigung der [X.] dem [X.] ([X.] <2005> [X.], [X.], [X.]. 6,276) 19 337,85 Euro ansetzen dürfen. Der Kläger hätte zusätzlich [X.] die Gabe der tatsächlich verabreichten Blutkonserven/Plasmapräparate kodieren dürfen. Das ergibt sich konform zum Akteninhalt bei einer entsprechenden Eingabe in den [X.], wie auch die Beteiligten übereinstimmend nicht in Zweifel ziehen.

3. Der Kläger war indes nach [X.] und Glauben mit seiner Nachforderung vom 30.11.2009 nach der ersten Endabrechnung vom 15.3.2005 ausgeschlossen.

a) Nach den Feststellungen des [X.] und dem Vorbringen der Beteiligten ist eine Nachforderung nicht vertraglich ausgeschlossen. § 12 Entgeltvereinbarung 2005 sieht lediglich vor, dass die übersandten Rechnungen - sofern Leistungspflicht besteht - spesenfrei und ohne Abzug sofort, spätestens jedoch 14 Tage nach [X.] zu begleichen sind.

b) Eine Schlussrechnung, wie sie der Kläger hier nach den [X.], den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen der Vorinstanzen am 15.3.2005 erteilt hat, schließt nicht umfassend und ausnahmslos Nachforderungen aus. Vielmehr richtet sich die Zulässigkeit von Nachforderungen mangels ausdrücklicher Regelung gemäß dem über § 69 S 3 [X.] aF (idF durch Art 1 [X.]6 [X.] 2000 vom 22.12.1999, [X.] 2626 mWv 1.1.2000, ab [X.] § 69 S 4 gemäß Art 1 [X.] 40a [X.] vom [X.], [X.] 378) auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und [X.] einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 BGB nach [X.] und Glauben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (vgl BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 19 Rd[X.] 16).

Den Krankenhäusern ist bekannt, dass die [X.]n aufgrund des laufenden Ausgabenvolumens die Höhe ihrer Beiträge - grundsätzlich bezogen auf das Kalenderjahr - kalkulieren müssen, auch wenn inzwischen seit 2009 aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds nur noch geringere Gestaltungsmöglichkeiten der [X.]n bestehen. Der erkennende 1. Senat des BSG hat deshalb nach Erteilung einer Schlussrechnung ohne Vorbehalt eine Nachberechnung wegen Verstoßes gegen [X.] und Glauben ausgeschlossen, wenn ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen Schlussrechnung und Nachforderung bestand (vgl BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 19; zustimmend [X.], [X.], 807, 808; [X.]/[X.], [X.], 242, 243; [X.]/[X.], [X.], 295 f; kritisch Korthus, [X.], 49 f und 664 f; Leber, [X.], 665, 666; derselbe, Das Krankenhaus 2011, 48, 49). Weil die [X.]n auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen sind, müssen sie sich nämlich grundsätzlich auf die "Schlussrechnung" eines Krankenhauses verlassen können. Das Krankenhaus verfügt für die Erteilung einer ordnungsgemäßen, verlässlichen Abrechnung - anders als die [X.] - umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten betreffen. Die erforderlichen Informationen betreffen die rechtlichen Vorgaben für die Abrechnung und die tatsächlich erbrachten Leistungen, die abzurechnen sind. Lässt sich ein Krankenhaus länger als ein ganzes Rechnungsjahr Zeit, um eine ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt erteilte "Schlussrechnung" im Wege der Nachforderung mit Blick auf Grundlagen zu korrigieren, die dem eigenen Verantwortungsbereich entstammen, ist es in der Regel nach [X.] und Glauben mit seiner Nachforderung ausgeschlossen.

Das Krankenhaus ist nämlich regelmäßig in der Lage, in rechtlicher Hinsicht professionell korrekt abzurechnen und sich ggf stellende Abrechnungsprobleme zu erkennen. Hinzu kommt, dass die im Verhältnis Krankenhaus - [X.] geltenden [X.] auch bei Fallpauschalen gezielt einfach strukturiert sind, um ihre sachgerechte Anwendung durch das Krankenhaus zu ermöglichen. Dementsprechend erfolgt ihre Anwendung allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten [X.], ergänzend auch nach dem systematischen Zusammenhang; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben dagegen außer Betracht (stRspr, vgl zB [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7 mwN; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 19 Rd[X.] 17; [X.]-5565 § 15 [X.] 1 S 6 mwN). [X.] verfahren der erkennende 1. und der 6. Senat des BSG bei der Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen (vgl zB [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7 mwN; BSG [X.]-2500 § 28 [X.] 4 Rd[X.]; BSG [X.]-2500 § 106a [X.] 4 Rd[X.] 12; BSG [X.]-2500 § 75 [X.] 10 Rd[X.]).

Bestehen auf Seiten eines Krankenhauses dennoch Unsicherheiten bei der Anwendung von [X.], ist es auf [X.] der generellen vertraglichen Regelung Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, diese durch Weiterentwicklung zB der Fallpauschalen- oder Sonderentgelt-Kataloge und der [X.] zu beheben. Denn das [X.]-basierte Vergütungssystem ist vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz <[X.]>) und damit "lernendes" System angelegt. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen sind in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7 mwN; [X.], 140 = [X.]-2500 § 109 [X.]1, Rd[X.] 18; BSG [X.]-5565 § 14 [X.] 10 Rd[X.] 14; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 11 Rd[X.] 18; zur Bundespflegesatzverordnung: [X.]-5565 § 14 [X.] S 15; [X.]-5565 § 15 [X.] 1 S 6). Kommt es dabei zu keiner Einigung, ist zunächst die Schiedsstelle (vgl § 18a Abs 6 [X.]) anzurufen, bevor sich die Gerichte mit Fragen der Angemessenheit von Vergütungen befassen können. Von alledem sind die eng untereinander vernetzten Krankenhäuser regelmäßig informiert. Ihnen ist es deshalb zumutbar, bei auslegungsbedingten [X.] in der "Schlussrechnung" explizit Vorbehalte zu erklären, die den [X.]n den eventuell erforderlichen Rückstellungsbedarf transparent machen. Ein pauschaler Hinweis, der allgemein bei jeder Abrechnung den Vorbehalt noch weiterer Nachforderungen vorbehält, genügt hierfür bei Schlussrechnungen nicht. Solange das Krankenhaus den zu fordernden Rechnungsbetrag pauschal nicht überblickt, kann es Abschlagszahlungen auf vorläufige Teilrechnungen fordern.

Entgegen der Auffassung des [X.] ist es diesbezüglich nicht von Bedeutung, dass die von ihm genutzte elektronische Abrechnung keinen Raum für die Erklärung ausdrücklicher Vorbehalte vorsieht. Solange nichts anderes vereinbart ist, kann der Kläger - abweichend vom vorliegenden Fall - auch schriftlich abrechnen, um einen spezifischen Vorbehalt ausdrücklich zu erklären. Ebenso kann er mit den [X.]n für den elektronischen Abrechnungsverkehr eine Eingabemaske vereinbaren, die Raum für Vorbehalte vorsieht.

In tatsächlicher Hinsicht muss dem Krankenhaus klar sein, welche Leistungen es erbracht hat. Es muss diese Leistungen schon im Interesse einer funktionierenden arbeitsteiligen Versorgung der Patienten dokumentieren, die Dokumentation gegen Zerstörungen oder Beschädigungen sichern und über das Dokumentierte Rechenschaft ablegen können. Organisation, Art, Umfang und Sicherung der Dokumentation liegen in der Hand des Krankenhauses. Klarheit über die erbrachten Leistungen liegt aber auch im Interesse der [X.]n und des Krankenhauses selbst. Die [X.]n müssen sich regelmäßig darauf verlassen können, dass die abgerechneten Leistungen die erbrachten Leistungen vollständig und zutreffend widerspiegeln. Sie können andernfalls ihrer begleitenden Funktion nicht gerecht werden, den Behandlungsverlauf mit Hilfe des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]) zu überwachen und notfalls im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben hierauf einzuwirken (s §§ 275 bis 277 [X.] und zB § 51 [X.]). Nachforderungen lösen zudem bei den betroffenen [X.]n Doppelprüfungen aus, da sie nicht nur nach der ersten, sondern auch nach der zweiten oder einer weiteren Schlussrechnung jeweils überprüfen müssen, ob die Abrechnung sachlich-rechnerisch richtig ist und ob nun Anlass besteht, den [X.] einzuschalten (vgl § 275 [X.]; s zum Ganzen auch [X.], 150 = [X.]-2500 § 109 [X.]0). Auch bei Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht kann zwar ein Krankenhaus einen Vorbehalt erklären, etwa wenn wegen eines Systemabsturzes des internen Abrechnungssystems einschließlich aller Sicherungssysteme zunächst nur die auf jeden Fall erbrachten Mindestleistungen abgerechnet werden können. Es liegt in solchen absoluten Ausnahmefällen indes nahe, dass das Krankenhaus wegen der bestehenden Unsicherheit zunächst gerade keine Schluss-, sondern eine Abschlagsrechnung erteilt.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 19) können sich die [X.]n allerdings nicht ausnahmslos gegenüber Nachforderungen des Krankenhauses nach Erteilung einer Schlussrechnung auf das Fehlen eines Vorbehalts des Krankenhauses in der Rechnung berufen. Vielmehr gehört es auch zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach [X.] und Glauben, dass [X.]n je nach der Art des Fehlers, etwa bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses, bereit sein müssen, die Fehler durch das Krankenhaus korrigieren zu lassen. Wird etwa einer [X.] bei Eingang einer Krankenhaus-Schlussrechnung deutlich, dass durch einen Dateneingabefehler der Rechnungsbetrag des Krankenhauses sich zB anstelle von (richtig) 15 000 Euro auf lediglich (unrichtig) 150 Euro beläuft, wird das Krankenhaus sogar umgekehrt einen entsprechenden Hinweis des Rechnungsempfängers aus eigenem Antrieb erwarten dürfen. Es wäre in einem solchen Fall jedenfalls treuwidrig, wollte sich die [X.] trotz zeitnaher Nachforderung auf die Erteilung einer "Schlussrechnung" durch das Krankenhaus berufen (vgl BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 19 Rd[X.] 19; in der Zielrichtung ähnlich BSG [X.]-2500 § 106a [X.] 5 Rd[X.] 39 ff mwN).

c) Die Rechtsprechung des [X.]s steht den dargelegten Grundsätzen nicht entgegen, sondern baut hierauf auf und ergänzt sie. Danach ist die Korrektur einer Schlussrechnung durch ein Krankenhaus innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungsstellung grundsätzlich möglich. Nach Ablauf dieser Frist kann eine Schlussrechnung nach [X.] und Glauben - von offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern abgesehen - gegenüber der [X.] nur noch dann korrigiert werden, wenn die Nachforderung über 100 Euro (ab 25.3.2009: über 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5 % des [X.] erreicht (vgl zum Ganzen [X.], 150 = [X.]-2500 § 109 [X.]0 LS 1 und 2). Davon, dass die Entscheidungen des erkennenden 1. und des [X.]s sich ergänzen, geht auch der [X.] aus. Er hat nicht etwa wegen Divergenz den Großen Senat angerufen. Zutreffend hat der [X.] darauf hingewiesen, dass die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und [X.]n zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt (vgl [X.], 150 = [X.]-2500 § 109 [X.]0, Rd[X.] 10). Diesem Ansatz folgt auch der erkennende 1. [X.] (kritisch dagegen Korthus, [X.], 49 f).

d) Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger mit seiner Nachforderung ausgeschlossen. Er hat seiner ursprünglich erteilten Schlussrechnung vom 15.3.2005 nicht alle Leistungen zugrunde gelegt, die er tatsächlich erbrachte. Es handelte sich nicht um ein rechtliches Abrechnungsproblem bei der Anwendung der [X.], das den Kläger an der vollständigen Abrechnung hinderte, sondern er kodierte seine Leistungen unvollständig. Der Fehler begründete nach seiner Art keinen offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf zu Gunsten des [X.]. Die Schlussrechnung war nämlich auch ohne die nicht kodierten Leistungen der Gabe tatsächlich verabreichter Blutkonserven/Plasmapräparate nicht unplausibel. Der Beklagten konnte sich aufgrund der Abrechnung vom 15.3.2005 in keiner Weise erschließen, dass der Kläger die später kodierten Blutkonserven/Plasmapräparate tatsächlich verabreicht hatte. Das entspricht nicht nur dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen der Vorinstanzen. Der Kläger zieht dies auch nicht in Zweifel. Der Kläger erklärte in seiner ersten Schlussrechnung auch weder einen ausdrücklichen noch einen nur sinngemäßen spezifischen Vorbehalt späterer Nachforderung. Die korrigierende Nachforderung des [X.] erfolgte schließlich nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht innerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Beklagten, sondern mehr als vier Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung. [X.]n müssen indes nicht hinnehmen, dass Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen durch Nachforderungen trotz erteilter Schlussrechnung ihre Abrechnung noch nach Jahren nachträglich um Positionen ergänzen, die sie bei normaler Sorgfalt von Anfang an in ihrer ersten Schlussrechnung hätten berücksichtigen können. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Krankenhaus seinerseits ein vollständiges Geschäftsjahr Zeit gehabt hat, die nicht offensichtliche Unvollständigkeit der eigenen Schlussrechnung zu korrigieren.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 6/12 R

13.11.2012

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Lübeck, 12. Oktober 2010, Az: S 33 KR 1338/09, Urteil

§ 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 69 S 3 SGB 5 vom 22.12.1999, § 69 S 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.11.2012, Az. B 1 KR 6/12 R (REWIS RS 2012, 1531)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1531

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