Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.03.2015, Az. 4 C 12/14

4. Senat | REWIS RS 2015, 13752

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Gegenstand

Einordnung zweier grenzständiger Baukörper als Doppelhaus


Leitsatz

Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual bestimmen (wie BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <360>). Es bedarf einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung ihres grenzständig errichteten Wohnhauses.

2

Der Kläger und die Beigeladenen sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Abgesehen von einer Baustufenordnung fehlen bauplanerische Festsetzungen. Auf dem Grundstück der Beigeladenen wurde 1967 grenzständig zum Grundstück des [X.] ein zweigeschossiges Wohnhaus mit traufständigem Satteldach (30°) und einer Wohnfläche von 127,93 qm errichtet; das Gebäude ist etwa 9 m tief und 9 m breit. Hinzu treten eine zum nordöstlich liegenden Nachbargrundstück grenzständige Garage sowie ein Wintergarten im hinteren Grundstücksteil. Das Grundstück des [X.] wurde 1983 grenzständig zum vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit traufständigem Satteldach (35°) bebaut. Dieses Gebäude verfügt über eine Wohnfläche von etwa 177 qm und trat sowohl zur Straßen- als auch zur Gartenseite um 1 m gegenüber dem Gebäude der Beigeladenen vor. Seine Firsthöhe liegt etwa 1,50 m höher als bei dem Gebäude der Beigeladenen.

3

Der angegriffene Bescheid der Beklagten genehmigt den Umbau und die Erweiterung des Gebäudes der Beigeladenen durch eine straßenseitige Erweiterung des Bestandsgebäudes mit einem zum Grundstück des [X.] hin grenzständigen, zweigeschossigen und 5 m tiefen Anbau, der gegenüber dem Gebäude des [X.] um 4 m hervortritt, mit einem Satteldach und einer Dachneigung von 30°. Die Giebelseite des Anbaus ist zur Straße ausgerichtet. Am Standort des früheren [X.] ist ein an die Garage angebauter Abstellraum mit einem gemeinsamen Satteldach vorgesehen.

4

Die gegen den Bescheid gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des [X.] verstößt die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, insbesondere nicht gegen die Anforderungen der "Doppelhausrechtsprechung" des [X.]. Die beiden Gebäude bildeten auch nach dem genehmigten Umbau ein Doppelhaus. Maßgeblich seien sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte. Im Interesse einer möglichst rechtssicheren Handhabung sei ein einheitlicher Baukörper unter den quantitativen Aspekten Geschossigkeit, Bautiefe und Gebäudehöhe der grenzständigen Gebäudeteile sowie des oberirdischen Brutto-Raumvolumens im Regelfall nicht mehr anzunehmen, wenn sich nur eines der genannten Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide. Diesen Rahmen wahre das Bauvorhaben der Beigeladenen. Auch qualitative Gesichtspunkte sprächen nicht gegen ein Doppelhaus. Das Haupthaus der Beigeladenen und das Haus des [X.] wiesen identische Dachformen und Neigungen auf. Die Firste beider Gebäude seien parallel zur Straße ausgerichtet. Auch der Anbau trage ein Satteldach. Dessen abweichende Ausrichtung sei dem Orts- und Stadtbild geschuldet. Durch den Anbau schließe das Haus zur [X.] des nordöstlich gelegenen [X.] auf. Die Gebäude des [X.] und der Beigeladenen würden so optisch in die übrige Bebauung integriert. Das Gebot der Rücksichtnahme werde ferner weder durch eine Verschattung des klägerischen Wohnzimmers verletzt noch wirke der genehmigte Bau erdrückend. Beeinträchtigungen durch Regenwasser und Schneebretter seien im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Abstandflächenrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Fortentwicklung der Grundsätze der Rechtsprechung zum planungsrechtlichen Begriff des Doppelhauses zugelassen. Von diesem Rechtsmittel hat der Kläger Gebrauch gemacht. Die Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Zurückverweisung an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist unter Anlegung bundesrechtswidriger Maßstäbe (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene [X.]augenehmigung Rechte des [X.] nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

7

1. Die Annahmen des [X.] zum Außerkrafttreten der [X.]austufenordnung der [X.] und zum Prüfungsumfang eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 [X.]auO NW beruhen auf der Auslegung irrevisiblen Landesrechts und unterliegen keiner revisionsgerichtlichen Prüfung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

8

2. Ohne Verstoß gegen [X.]undesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, das genehmigte Vorhaben sei weder wegen seines Schattenwurfs noch wegen einer erdrückenden Wirkung dem Kläger gegenüber rücksichtslos.

9

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene [X.]augenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dies ist der Fall, wenn das genehmigte Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in unmittelbarer Nähe vorhandene [X.]ebauung fehlt (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - [X.]VerwGE 55, 369 <385 f.>). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen geprüft und als Tatgericht verneint. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

3. Das [X.]erufungsurteil verletzt demgegenüber [X.]undesrecht, soweit es einen Verstoß gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme "im Hinblick auf die auch im unbeplanten Innenbereich anwendbare Doppelhausrechtsprechung des [X.]" verneint hat.

Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben entgegen § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] nach den dort genannten Merkmalen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgebend für den Verstoß gegen Rechte eines Nachbarn ist insoweit, dass sich aus den individualisierenden [X.] der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - [X.]VerwGE 148, 290 Rn. 21 m.w.N.). Der [X.] hat diese Aussagen für Doppelhäuser konkretisiert: Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener [X.]auweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 [X.] den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] grundsätzlich nicht nach der [X.]auweise ein, das unter [X.]eseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - [X.]VerwGE 148, 290 Ls. 1). Diesen Rechtsgrundsatz legt das Oberverwaltungsgericht zugrunde, wenn es - stark verkürzend - auf die "Doppelhausrechtsprechung im unbeplanten Innenbereich" ([X.] f.) verweist.

a) Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Verstoß gegen [X.]undesrecht bei der Auslegung des § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] die Vorschriften der [X.] als Auslegungshilfe heranziehen. Sie definieren, was die [X.]egriffe der offenen oder geschlossenen [X.]auweise meinen. Aus diesem Grund kann im unbeplanten Innenbereich auf den [X.]egriff des Doppelhauses der [X.] zurückgegriffen werden, um Vorhaben zu würdigen ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - [X.]VerwGE 148, 290 Rn. 12; [X.], in: [X.], 1995, S. 353 <355 f.>). Hieran hält der [X.] fest. Der Revision ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber nicht an die [X.]egriffe der [X.] gebunden ist und § 34 [X.]auG[X.] in seinem Absatz 1 anders als in Absatz 2 auf die [X.] nicht [X.]ezug nimmt. Angesichts des Wortlauts des § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] liegt jedoch die Annahme fern, der Gesetzgeber habe den dort verwendeten [X.]egriffen eine von den [X.]egriffen der [X.] abweichende [X.]edeutung zumessen wollen. Auch die Revision benennt hierfür keinen Anhaltspunkt.

b) Das Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] maßgebliche Rahmen der näheren Umgebung durch Einzelhäuser, Doppelhäuser oder [X.]. § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] gebildet wird oder ob eine Gemengelage verschiedener [X.]auweisen vorliegt. [X.] war ihm diese Vorgehensweise nicht versperrt. Ob die nach § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] maßgebende Umgebung einer [X.]ebauung in offener [X.]auweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] entspricht oder mit [X.]lick auf dieses Merkmal eine "Gemengelage" vorliegt, bedarf keiner Entscheidung, wenn das [X.] auch nach Ausnutzung der Genehmigung ein Doppelhaus ist. Denn in beiden Fällen wäre der [X.]auweise nach ein Doppelhaus zulässig. Hiervon geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus ([X.]). Es legt seiner tatrichterlichen Würdigung aber einen bundesrechtswidrigen [X.]egriff des Doppelhauses zugrunde.

Das Oberverwaltungsgericht hat für das Vorliegen eines Doppelhauses quantitative und qualitative Aspekte betrachtet. Unter den quantitativen Aspekten der Geschossigkeit, der [X.]autiefe, der Gebäudehöhe und des oberirdischen [X.] könne ein Doppelhaus im Regelfall nicht mehr angenommen werden, wenn sich auch nur eines dieser Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide ([X.]). Es müsse auch in qualitativer Hinsicht der Charakter eines Doppelhauses gewahrt bleiben. Diese Anforderungen versteht das Oberverwaltungsgericht nach den weiteren Ausführungen nicht als notwendige, sondern als hinreichende [X.]edingungen für das Vorliegen eines Doppelhauses, die getrennt voneinander zu prüfen sind. Wann das Fehlen eines Regelfalls zu einem anderen Ergebnis führen kann, bleibt offen. Dieses [X.]egriffsverständnis ist mit [X.]undesrecht nicht vereinbar.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.]s lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen ([X.]VerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - [X.]VerwGE 110, 355 <360>). Hieran hält der [X.] fest. Auch für die weiteren vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen quantitativen Kriterien ist eine mathematisch-prozentuale Festlegung nicht möglich.

Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] verlangt, dass das Doppelhaus ein Gebäude mit seitlichem Grenzabstand ist. Zwei selbständige [X.]aukörper, die sich an der Grenze berühren, aber praktisch allseitig freistehend sind, bilden kein Doppelhaus ([X.]VerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - [X.]VerwGE 110, 355 <358 f.>). Der [X.]egriff des Doppelhauses hat dabei vom Ziel der offenen [X.]auweise auszugehen. Leitbild ist ein Haus, das nach beiden Seiten mit Grenzabstand errichtet wird und so einen Vorgarten mit einem Hausgarten verbindet ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2014, § 22 [X.] Rn. 17). Die grundsätzlich nach beiden Seiten geforderten Grenzabstände sollen dabei als die [X.]ebauung gliedernde und auflockernde Elemente wahrgenommen werden (König, in[X.]. 2014, § 22 Rn. 17). Ein einseitig grenzständiger [X.]au fügt sich in dieses System nur ein, wenn das gegenseitige [X.] an der Grundstücksgrenze auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden wird ([X.]VerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - [X.]VerwGE 110, 355 <359>).

Der vom Oberverwaltungsgericht gewählte mathematisch-prozentuale Ansatz trägt dem nicht Rechnung. Allerdings liegt es nahe, bei der Gebäudehöhe ein Verhältnis als Ausgangspunkt zu wählen, weil dieses nach außen besonders sichtbar wird. Eine gemeinsame Gebäudehöhe ist für das Maß der Übereinstimmung beider Gebäude deshalb von besonderer [X.]edeutung. Für eine feste oder indizielle Grenze von 50 % fehlt indes jeder Anhalt. [X.]ei der [X.]autiefe liegt es anders: Ob ein Versprung durch unterschiedliche [X.]autiefen den Eindruck eines gemeinsamen [X.]aukörpers aufhebt und das Grenzgrundstück abriegelt, hängt nur zum Teil davon ab, auf welcher Länge die Gebäude aneinander gebaut sind, namentlich, wenn die Länge der gemeinsamen Wand nicht sichtbar ist. Es sind regelmäßig weitere Kriterien in [X.]etracht zu ziehen, etwa die Höhe der einseitig grenzständigen Wand sowie die Frage, ob der Versprung in voller Länge auf einer Gebäudeseite auftritt oder in jeweils geringerem Maße Vorder- und Rückseite belastet. Diese Einwände sprechen auch gegen einen mathematisch-prozentualen Maßstab beim oberirdischen [X.], weil dieses durch Gebäudehöhe und [X.]autiefe maßgeblich mitbestimmt wird. Schließlich macht es für das Maß an hinnehmbarer Abweichung keinen Unterschied, ob die Gebäude ursprünglich übereinstimmend eingeschossig oder übereinstimmend zweigeschossig sind. Insoweit ist die [X.]etrachtung eines Verhältnisses als Ausgangspunkt verfehlt.

Trotz des unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verstößt die Annahme des [X.] nicht gegen [X.]undesrecht, dass die quantitativen Kriterien jeweils für sich den Charakter eines Doppelhauses auch in der Gestalt der angegriffenen Genehmigung nicht aufheben. Dies liegt für die Kriterien der Geschossigkeit, der Gebäudehöhe und des oberirdischen [X.] auf der Hand. Hinsichtlich der [X.]autiefe gestatten die tatrichterlichen Feststellungen zum Schattenwurf und zur verneinten erdrückenden Wirkung den Schluss, dass der Charakter eines Doppelhauses insoweit noch gewahrt ist.

bb) Die tatrichterliche Würdigung der qualitativen Kriterien verstößt gegen [X.]undesrecht. Die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus hängt nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit [X.]lick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der [X.]ebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und [X.] geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - [X.]VerwGE 148, 290 Rn. 16). Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes ([X.]VerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - [X.]VerwGE 110, 355 <361>), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten [X.]ebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Es kommt also für die Frage, ob grenzständige Gebäude ein Doppelhaus bilden, auf die wechselseitige Verträglichkeit dieser Gebäude an (so für eine Hausgruppe auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. März 2015 - 4 [X.] 65.14 - juris Rn. 6). Diesen [X.]lick hat sich das Oberverwaltungsgericht verstellt, als es für die Würdigung der unterschiedlichen Dachausrichtung nicht das Gebäude des [X.] in den [X.]lick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, dass der Anbau zur [X.]auflucht des Hauses auf dem zur anderen Seite benachbarten Grundstück aufschließe und so optisch in die übrige [X.]ebauung integriert werde.

cc) Schließlich verstößt das angegriffene Urteil gegen [X.]undesrecht, weil es an der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalls fehlt.

Qualitative und quantitative Kriterien dürfen nicht nur isoliert betrachtet werden: Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es vorstellbar ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Eine isolierte [X.]etrachtung vernachlässigt auch, dass Fälle denkbar sind, in denen erst das Zusammenwirken quantitativer und qualitativer Kriterien den Charakter eines Doppelhauses entfallen lässt. Das Oberverwaltungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob insbesondere der Unterschied in der [X.]autiefe zusammen mit der abweichenden Gestaltung des Anbaus in ihrem Zusammenwirken den Charakter eines Doppelhauses aufheben.

4. Die Auslegung der Regelungen zur [X.] in § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]uchst. b [X.]auO [X.] ist revisibel, soweit die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Doppelhausbebauung in Rede steht, weil die landesrechtliche Norm an die bundesrechtliche Regelung lediglich anknüpft (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 4. November 1976 - 5 C 73.74 - [X.]VerwGE 51, 268 <273> und vom 7. Juni 2006 - 4 C 7.05 - [X.]RS 70 Nr. 84 S. 449 f.; zum [X.]egriff des Doppelhauses bei Auslegung des § 6 Abs. 1 [X.]auO NW vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 10. April 2012 - 4 [X.] 42.11 - [X.]RS 79 Nr. 95 Rn. 8). Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen [X.]undesrecht vor, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt.

5. Der [X.]undesrechtsverstoß zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) zur Klärung der Fragen, ob das [X.] nach dem Umbau weiterhin ein Doppelhaus bildet und - verneinendenfalls - ob die maßstabsetzende [X.]ebauung nach der [X.]auweise eine einseitig grenzständige [X.]ebauung nur in Form eines Doppelhauses zulässt.

Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an. Sie könnten, ihre [X.]egründetheit unterstellt, ebenfalls nur zur Zurückverweisung führen. Zur Forderung der Revision, der [X.] des [X.] habe den Augenschein in voller [X.]esetzung einholen müssen, weist der [X.] aber auf Folgendes hin: Für die Frage, ob ein Gericht nach § 96 Abs. 2 VwGO schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten [X.] [X.]eweis erheben lassen kann, gelten die Kriterien für die [X.]eweisaufnahme durch den Vorsitzenden oder [X.]erichterstatter im vorbereitenden Verfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 VwGO (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. April 1994 - 1 [X.] 14.94 - [X.]uchholz 11 Art. 140 GG Nr. 54 S. 2 f.). Es kommt darauf an, dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das [X.]eweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der [X.]eweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Dies gilt auch für [X.] ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. August 1997 - 4 [X.] 130.97 - [X.]uchholz 310 § 87 VwGO Nr. 9 S. 2). Dass nach diesen Maßstäben eine Ortsbesichtigung durch den [X.] des [X.] erforderlich sein könnte, hat die Revision nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. November 2014 - 7 [X.] 27.14 - NVwZ-RR 2015, 94 Rn. 6).

Meta

4 C 12/14

19.03.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 26. Juni 2014, Az: 7 A 1276/13, Urteil

§ 34 Abs 1 BauGB, § 34 Abs 2 BauGB, § 22 Abs 2 BauNVO, § 96 Abs 2 VwGO, § 87 Abs 3 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.03.2015, Az. 4 C 12/14 (REWIS RS 2015, 13752)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13752

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