Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2015, Az. 5 StR 80/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10361

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
5 StR 80/15

vom
2. Juni 2015
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.

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Der 5.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Juni 2015, an der teilgenommen
haben:
[X.] Prof. Dr. Sander

als Vorsitzender,

[X.] [X.],
[X.] Prof. Dr. König,
[X.] Dr. [X.],
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

A.

,
Rechtsanwalt V.

als Verteidiger,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 18. November 2014, soweit es den Angeklagten

T.

betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen be-stehen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine allgemeine [X.] des [X.]s zu-rückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:

r-pressung im minder schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverlet-e-ckung zur Bewährung ausgesetzt. Die vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.
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1. Das
[X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Der
mehrfach,
auch wegen gefährlicher Körperverletzung vorbelaste-te, Angeklagte fuhr mit zwei [X.] in seinem Fahrzeug durch Salzgit-ter. Auf seine Aufforderung
stieg der Zeuge P.

zu ihnen ein. Während der Fahrt wurde dem Angeklagten bewusst, dass es sich bei P.

um den Cous-in von Personen handelte, mit denen er

der Angeklagte

in der [X.] körperliche Auseinandersetzungen gehabt hatte, in
deren Folge er wochen-lang stationär behandelt und mehrfach operiert werden musste. Aufgebracht und in dem Bestreben, P.

für das Verhalten seiner Cousins zu bestrafen, fuhr der Angeklagte in ein Waldstück. Nachdem er dort mit dem [X.] Ab.

den P.

bespuckt und Ab.

diesem ins Gesicht geschlagen hatte, zog der Angeklagte dem Geschädigten die Hose herunter und schlug ihm mit einem Teleskopschlagstock auf Beine, Rücken und Gesäß. Zudem drohte er unter fortwährenden Beleidigungen, i
e-monstrativ durch und führte sie am Körper P.

s vom Genitalbereich bis [X.] würgte er P.

, so dass dieser keine Luft bekam und ihm schwindelig wurde. Zudem versetzte er ihm noch einen Kopfstoß. Während weiterer Beleidigungen und der vom Angeklagten erzwungenen Erklärung P.

s, seine Mutter sei eine Hure und sein Vater ein Bastard, forderte der Angeklagte, einem plötzli-chen Einfall folgend, P.

auf, seine Taschen zu leeren, um [X.] wegzunehmen. Aus Todesangst kam P.

der Aufforderung nach und übergab dem Angeklagten mehrere Gegenstände, darunter ein Handy sowie eine Armbanduhr und ein Armband. Anschließend fuhren alle wieder nach 2
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Salzgitter zurück, wo der Angeklagte P.

aussteigen ließ. Während der Fahrt verteilte er die Uhr und das Armband an die [X.]. Zuvor hatte er P.

mit Ausnahme des Handys die restlichen Gegenstände wieder [X.].
P.

trug schmerzhafte Verletzungen an beiden Oberschenkeln, am Gesäß und im Gesicht davon. Im Laufe des Strafverfahrens zahlte der Ange-klagte an P.

.

trotz ursprünglich weit höherer Forderung einverstanden.
b) Die [X.] (§
239a StGB) und der Geiselnahme (§ 239b
StGB) hat die [X.] nicht erkennbar erwogen. Im Rahmen der Strafzumessung hat sie schon auf-grund allgemeiner Strafzumessungserwägungen, namentlich auch des Um-standes, dass der Angeklagte aufgrund der früheren Auseinandersetzung mit Verwandten des [X.] zur Tat veranlasst worden sei, einen minder schwe-ren Fall gemäß § 250 Abs. 3 StGB bejaht und darüber hinaus eine Strafrah-menverschiebung gemäß § 46a [X.]. § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
2. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben.
a) Dazu hat der [X.] in Übernahme von Ausführungen der [X.] im Wesentlichen Folgendes an-gemerkt:

nicht erörtert hat, ob sich der Angeklagte T.

nicht auch [X.] erpresserischen Menschenraubs in Form der 2. Alternative des § 239 a Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat. Diese Tat begeht nicht nur ein Täter, der einen Menschen entführt oder sich seiner bemächtigt, um von Anfang an die Sorge des Opfers um sein 4
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Wohl zu einer Erpressung auszunutzen, sondern auch derjenige, der die durch eine solche Handlung geschaffene Lage zu einer Erpressung ausnutzt.
Die vom [X.] getroffenen Feststellungen legen nahe, dass sich der Angeklagte T.

des Geschädigten bemächtigt hat. Dazu
muss der Täter die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewonnen, eine stabile Bemächtigungslage geschaf-fen und diese Lage zu einer Erpressung oder zum Raub ausge-nutzt haben. Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf das [X.] eigenständige Bedeutung [X.]. Damit ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben ha-ben muss (vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 2012

3 [X.], NStZ-

Die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass es sich um ein über einen erheblichen [X.]raum andauerndes Geschehen han-delte. Ein Verlassen des Tatorts war für den Geschädigten auf-grund der fortwirkenden Einschüchterung auf Grund der [X.] Misshandlungen und der Anwesenheit von [X.] drei Tätern vor Ort ausgeschlossen, so dass sich die Be-mächtigungslage stabilisiert und eine eigenständige
Bedeutung erlangt haben dürfte. Es liegt auch nahe, dass der Angeklagte T.

diese ursprünglich zu anderen Zwecken geschaffene [X.] zu einer räuberischen Erpressung ausnutzte, wobei er kon-

b) Dem stimmt der Senat zu. Die Tat stellt sich aus den durch den Gene-ralbundesanwalt angeführten Gründen auch als erpresserischer Menschenraub in der Variante des Ausnutzens einer Bemächtigungslage dar (§ 239a Abs. 1 Alt. 2 StGB). Darüber hinaus liegt auch eine Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 Alt. 2 StGB) vor, weil der Angeklagte den Geschädigten dazu veranlasste, seine [X.] zu beleidigen. Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat kommt im Blick auf § 265 StPO nicht in Betracht. Daher ist die Verurteilung aufzuhe-ben. Die Aufhebung erstreckt sich auch auf die an sich rechtsfehlerfreie [X.]
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teilung wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung und (besonders) schwerer räuberischer Erpressung (vgl. [X.]/[X.], 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). In Anbetracht dessen, dass lediglich [X.] in Frage stehen, können anders als bei einem erstinstanzlichen Freispruch (vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 23. April 2015

4 [X.] Rn. 19)
die zum Schuld-spruch getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zu treffen.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage.
a) Dieser hätte indessen ohnehin keinen Bestand gehabt. Insoweit ist in der Stellungnahme des [X.]s ausgeführt:

[X.] bei der Erörterung des Vorliegens eines minder schweren Falles dem Umstand, dass Anlass der Tat eine frühere körperliche Auseinandersetzung zwischen Verwandten des [X.] und dem Angeklagten T.

gewesen sei, wesentli-ches strafmilderndes Gewicht beigemessen hat. Zwar kann in ei-nem menschlich verständlichen Vergeltungsbedürfnis nach einer Provokation ein Strafmilderungsgrund liegen. Ist der Täter vom Verletzten gereizt worden, so kann dies bei einer Körperverlet-zung zugunsten des [X.] ins Gewicht fallen. Der Beweggrund der Vergeltung ist jedoch nicht stets strafmildernd. Wer erst nach längerer [X.] Vergeltung übt, steht einem Täter, der auf der Stelle zur [X.] hingerissen worden ist, nicht gleich. [X.] der Beweggrund in reine Rachsucht aus, so kann darin ein straf-schärfender niedriger Beweggrund liegen ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Auflage 2014, § 46 Rn. 13). Dies muss erst recht gelten, wenn sich die Tat nicht gegen den Täter der früheren Tat selbst, sondern gegen einen unbeteiligten Fami-lienangehörigen richtet.
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Vorliegend lassen die Strafzumessungserwägungen besorgen, dass die [X.] verkannt hat, dass der Geschädigte
selbst keinen Anlass zu der Tat gegeben hat. An der Tat sollen viel-mehr ausschließlich in den Urteilsgründen nicht näher [X.] sein. Die Tat richtete sich ledig-lich deshalb gegen den Geschädigten, weil dieser zur Familie der Personen gehört, mit denen der Angeklagte T.

die frühere Auseinandersetzung hatte. Ein menschlich verständliches [X.] für die Tat, das strafmildernd berücksichtigt

b) Über die von der Revision beanstandete durchgreifend rechtsfehler-hafte strafmildernde Wertung des durch den Angeklagten T.

behaupteten Anlasses der Tat hinaus liegt die Annahme eines minder schweren Falles auch wegen des brutalen und das Opfer in besonderem Maße erniedrigenden Tatbil-des fern.
4. Für die neue Hauptverhandlung ist ferner auf Folgendes hinzuweisen:
a) Es handelt sich um eine Tat im Rechtssinne (vgl. auch [X.], [X.] vom 18. Mai 2010

3 [X.], [X.], 213).
b) Entgegen der Auffassung der Revision begegnet die durch das Erst-gericht erfolgte Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB keinen rechtlichen Bedenken. Ausweislich der Urteilsgründe ([X.]) hat der Ge-s-stiftenden Ausgleich akzeptiert. Weitere Feststellungen musste die Jugend-kammer hierzu nicht treffen.
c) Hingegen durfte die Verbüßung zweimonatiger Untersuchungshaft oh-ne Hinzutreten besonderer Umstände (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2015

5 StR 6/15 Rn. 8
mwN) nicht

wie im angefochtenen Urteil geschehen (UA 11
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als mildernder Umstand in Ansatz gebracht werden (st. Rspr., vgl. etwa [X.], Urteil vom 20. August 2013

5 [X.], [X.], 31 mwN).
5. Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an ei-ne allgemeine [X.] des [X.]s zurück, weil die neue [X.] nur noch gegen einen erwachsenen Angeklagten geführt werden wird (vgl. [X.], Beschluss vom 15. März 2011

5 StR 44/11 mwN).

Sander [X.] König

[X.] Bellay

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Meta

5 StR 80/15

02.06.2015

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2015, Az. 5 StR 80/15 (REWIS RS 2015, 10361)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10361

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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