Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.10.2015, Az. B 6 KA 12/15 B

6. Senat | REWIS RS 2015, 3228

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Gegenstand

(Vertragsärztliche Versorgung - § 116 SGB 5 - keine Ermächtigung eines Arztes für Kinder- und Jugendmedizin zur Erbringung von Leistungen für Erwachsene trotz vorliegender Schwerpunktbezeichnung (hier: Kinderkardiologie) oder Zusatzqualifikation - Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung auf das Fachgebiet)


Leitsatz

Einem Arzt für Kinder- und Jugendmedizin darf eine Ermächtigung zur Erbringung von Leistungen für Erwachsene nicht erteilt werden, auch wenn er über eine Schwerpunktbezeichnung (hier: Kinderkardiologie) oder eine Zusatzqualifikation verfügt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiol[X.]ie und Chefarzt der Klinik für Kinderkardiol[X.]ie des [X.]. Der Zulassungsausschuss ermächtigte ihn zur Erbringung näher bezeichneter kinderkardiol[X.]ischer Leistungen. Seinen Antrag, die Ermächtigung auf kardiol[X.]ische Leistungen für erwachsene Patienten zu erweitern, lehnte er ab. Widerspruch und Klage des [X.] waren ohne Erfolg. Nach Auslaufen der befristeten Ermächtigung hat der Kläger im Berufungsverfahren ebenfalls ohne Erfolg die Feststellung begehrt, dass die ablehnende Entscheidung des beklagten [X.] rechtswidrig war. Das [X.] hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass ein Krankenhausarzt keinen Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung für Leistungen habe, die er nicht erbringen und abrechnen dürfe. Als Arzt für Kinder- und Jugendmedizin dürfe der Kläger keine Erwachsenen behandeln. Daran ändere auch die Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiol[X.]ie nichts.

2

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) sowie Rechtsprechungsabweichungen ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend macht.

3

II. Die Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

4

1. Soweit der Kläger das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G rügt, ist die Beschwerde zwar zulässig, aber unbegründet.

5

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]; s auch [X.]-1500 § 160a [X.]9 S 34 f; [X.]-1500 § 160a [X.] f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB [X.]-1500 § 146 [X.] S 6; [X.]-2500 § 75 [X.]; [X.]-1500 § 160a [X.]1 S 38; vgl auch [X.]-4100 § 111 [X.] S 2 f).

6

a) Der Kläger fragt,

        

"ob die Weiterbehandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin - hier Kinderkardiol[X.]en - in eng begrenzten Fällen bei fachgebietseigenen Indikationen fachfremd [ist]."

7

Soweit der Kläger die [X.] "in eng begrenzten Fällen bei fachgebietseigenen Indikationen" anspricht, ist die Rechtsfrage nicht klar formuliert und die Entscheidungserheblichkeit wird nicht vollständig dargelegt. Wenn mit den "fachgebietseigenen Indikationen" das Fachgebiet der Kinder- und Jugendheilkunde angesprochen würde, ergäbe die Frage nach der [X.] keinen Sinn. Unter Berücksichtigung der Begründung kann die Frage allerdings in der Weise sinnvoll interpretiert werden, dass es ihm mit den "fachgebietseigenen Indikationen" um Indikationen im Bereich seiner Schwerpunktqualifikation, der Kinderkardiol[X.]ie, jedoch ohne die Beschränkung auf Kinder geht.

8

Soweit der Kläger formuliert, dass es sich nur um "eng begrenzte Fälle" handeln würde, so kann diese Begrenzung nur dahin verstanden werden, dass er sich - soweit er Erwachsene behandelt - auf ganz bestimmte Erkrankungen, nämlich auf die angeborenen Herzerkrankungen, beschränken möchte. Dagegen geht es ihm ersichtlich nicht darum, nur gelegentlich Erwachsene zu behandeln. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass Gegenstand des Verfahrens die dem Kläger zu erteilende Ermächtigung ist. Eine Ermächtigung ist nach § 116 Satz 2 [X.]B V nur zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Der Kläger hat zur Begründung der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der formulierten Rechtsfrage vorgetragen, dass von dem Verbot der Behandlung von Erwachsenen durch Kinderärzte bereits im Jahr 2013 etwa 73 Kinderkardiol[X.]en mit [X.] (Zusatzqualifikation für die Betreuung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern) und geschätzte 200 000 Patienten mit angeborenen oder in der Kindheit erworbenen Herzfehlern betroffen seien und dass die Zahl der Patienten inzwischen gestiegen sein dürfte. Einen Beitrag zur Sicherstellung des geltend gemachten Bedarfs bei der Behandlung erwachsener Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen kann der Kläger danach nicht durch eine nur gelegentliche Behandlung dieses Personenkreises leisten. Dass es dem Kläger um die systematische Behandlung von Erwachsenen - allerdings nur bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen (angeborene Herzerkrankungen) - geht, ergibt sich im Übrigen aus dessen Stellungnahme gegenüber dem [X.] zur Höhe des Streitwerts. Danach würde er für den Fall, dass die Ermächtigung seinem Begehren entsprechend erweitert würde, etwa 100 Erwachsene mit angeborenem Herzfehler pro Quartal behandeln, woraus Honoraransprüche in Höhe von 10 000 Euro pro Quartal folgen würden. Der [X.] versteht die vom Kläger formulierte Rechtsfrage in diesem Sinne. Nur die Frage, ob der Kläger ermächtigt werden kann, systematisch auch Erwachsene zu behandeln, ist danach entscheidungserheblich. Diese Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus der vorliegenden Rechtsprechung des B[X.] und des [X.] sowie dem Inhalt der danach maßgebenden Weiterbildungsordnung ([X.]) der [X.] ergibt:

9

In der Rechtsprechung des B[X.] ist geklärt, dass Beschränkungen des Fachgebiets den Arzt auch in seiner Tätigkeit als Vertragsarzt erfassen (stRspr, s zB B[X.]E 93, 170 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.] 6; B[X.] [X.]-2500 § 95 [X.] Rd[X.] mwN). Für die Beurteilung, ob Leistungen fachzugehörig oder fachfremd sind, ist darauf abzustellen, welche Inhalte und Ziele der Weiterbildung für das jeweilige Fachgebiet in der [X.] genannt werden und in welchen Bereichen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssen. Die Inhalte werden in der jeweiligen [X.] des Landes festgelegt (B[X.] [X.]-2500 § 95 [X.] Rd[X.] 6; B[X.]E 93, 170 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 46/05 B - Juris Rd[X.]).

Die Auslegung der landesrechtlichen Regelungen zur Weiterbildung durch das [X.] bindet gemäß § 162 [X.]G grundsätzlich das B[X.]. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung, wenn landesrechtliche Vorschriften inhaltsgleich in den Bezirken verschiedener [X.] gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (vgl B[X.]E 106, 110 = [X.]-2500 § 106 [X.]7, Rd[X.] 30 mwN). Der [X.] lässt dahingestellt, ob der Kläger das Vorliegen einer solchen bewussten und gewollten Übereinstimmung hier in der erforderlichen Weise dargelegt hat (zu den Anforderungen an die Darlegung vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 75/04 R - Juris Rd[X.]4). Jedenfalls unterliegt die Auslegung des Landesrechts durch das [X.], nach der Leistungen für Erwachsene nicht Gegenstand der Weiterbildung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin sind, keinem Zweifel.

Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, ist die Definition des Fachgebietes der Kinder- und Jugendmedizin in Abschnitt B [X.]4 der [X.] der Sächsischen Landesärztekammer maßgebend, die wie folgt lautet:

        

"Das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin umfasst die Erkennung, Behandlung, Prävention, Rehabilitation und Nachsorge aller körperlichen, neurol[X.]ischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen und Behinderungen des Säuglings, Kleinkindes, Kindes und Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen, Neonatol[X.]ie und der Sozialpädiatrie."

Die Frage, ob Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin Erwachsene behandeln dürfen, ist nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort unmittelbar aus der [X.] ergibt. Danach ist für die Abgrenzung dieses Fachgebietes nicht die angewandte Methode oder ein Organsystem maßgebend, sondern der behandelte Personenkreis, nämlich Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Dass damit Erwachsene von der Behandlung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin grundsätzlich ausgeschlossen werden, wird durch die Ergänzung "von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen" betont. Bereits aufgrund der insoweit klaren normativen Regelung ist nicht klärungsbedürftig, ob das Fachgebiet der Kinder- und Jugendmedizin die Behandlung von Erwachsenen einschließt. Im Übrigen trifft die Angabe des [X.] nicht zu, das B[X.] habe zur Auslegung gerade der [X.] der Kinder- und Jugendmedizin noch keine Stellung bez[X.]en. Der [X.] hat bereits in einer Entscheidung vom [X.] ([X.] [X.] 74/04 R - [X.]-2500 § 73 [X.] Rd[X.]7; vgl auch B[X.] [X.]-2500 § 73 [X.] Rd[X.]5) dargelegt, dass Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin zwar ein den Ärzten für Allgemeinmedizin vergleichbares umfassendes Leistungsspektrum haben, aber sich von diesen dadurch unterscheiden, dass sie auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beschränkt sind. Damit ist bereits geklärt, dass gerade in der Beschränkung auf den genannten Personenkreis das entscheidende Abgrenzungsmerkmal der Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin von der Gruppe der Allgemeinärzte liegt. Die daraus folgende besondere Stellung der Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin an der Schnittstelle zwischen haus- und fachärztlicher Versorgung findet ihren Ausdruck insbesondere in der Möglichkeit, ihnen nach § 73 Abs 1 Satz 3 [X.]B V die gleichzeitige Teilnahme sowohl an der hausärztlichen wie an der fachärztlichen Versorgung zu eröffnen. Kinderärzte, die wie der Kläger über eine Schwerpunktbezeichnung verfügen, können gemäß § 73 Abs 1 Satz 4 [X.]B V s[X.]ar kraft Gesetzes sowohl an der hausärztlichen wie an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen (vgl B[X.] [X.]-2500 § 73 [X.] Rd[X.]5).

Dass bei der Definition von [X.] nicht (allein) auf die zur Anwendung kommenden Methoden oder auf Körperregionen bzw Organsysteme abgestellt wird, sondern dass (auch) der zu behandelnde Personenkreis für die Abgrenzung von Bedeutung sein kann, ist im Übrigen keine Besonderheit ausschließlich des Fachgebietes der Kinder- und Jugendmedizin, sondern gilt ebenso für die Frauenheilkunde. Dass ein Arzt für Frauenheilkunde grundsätzlich nicht berechtigt ist, routinemäßig Männer zu behandeln, hat der [X.] bereits als "auf der Hand" liegend und keiner näheren Erläuterung bedürftig bezeichnet (B[X.]E 93, 269 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.]1). Für die systematische Behandlung von Erwachsenen durch Kinderärzte kann insofern nichts anderes gelten.

b) Auch die Frage des Klägers,

        

"ob die Spezialisierung im Rahmen eines [X.] - hier zum Schwerpunkt Kinderkardiol[X.]ie im Rahmen der Kinder- und Jugendmedizin - eine Körperbez[X.]enheit des gesamten Fachgebiets eröffnet und damit Auswirkungen auf die Bestimmung der [X.] hat"

ist nicht klärungsbedürftig.

Wie oben ausgeführt ist der Rechtsprechung des [X.]s zu entnehmen, dass für die Beantwortung der Frage, welche ärztlichen Leistungen als fachfremd anzusehen sind, allein die [X.] entsprechend der Gebietsdefinition nach der [X.] maßgebend sind (stRspr, s zB B[X.]E 93, 170 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.] 6; B[X.] [X.]-2500 § 95 [X.] Rd[X.]; B[X.] [X.]-2500 § 95 [X.] Rd[X.]1 mwN). Daraus folgt, dass [X.] oder Zusatzbezeichnungen (zu Letzterem vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 75/04 R - Juris Rd[X.]4; [X.]-2500 § 95 [X.] S 29; B[X.]E 84, 290, 295 = [X.] 3-2500 § 95 [X.]1 S 89 f) keinen Einfluss auf die Beurteilung der [X.] einer Leistung haben. Dass es sich bei [X.] (auch) nach der [X.] [X.] um eine auf die Facharztweiterbildung aufbauende Spezialisierung handelt, die die [X.] nicht erweitert, hat das [X.] im Übrigen in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die maßgebenden landesrechtlichen Bestimmungen (§ 2 Abs 3 Satz 1 [X.]: "Ein Schwerpunkt wird durch eine auf der Facharztweiterbildung aufbauenden Spezialisierung im Gebiet beschrieben.") dargelegt. Neben der Bezeichnung des Schwerpunkts als "Kinderkardiol[X.]ie" sprechen auch die im Urteil des [X.] dargestellten Inhalte der landesrechtlich geregelten Weiterbildung in diesem Schwerpunkt gegen eine Erweiterung der [X.], weil danach nur kardiol[X.]ische Leistungen "bei Kindern und Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss ihrer somatischen Entwicklung" umfasst sind.

Da geklärt ist, dass eine Spezialisierung innerhalb eines Fachgebiets generell keinen Einfluss auf die [X.] und die [X.] einer Leistung hat, steht auch fest, dass eine Spezialisierung im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin nicht die Überschreitung der Grenzen dieses Fachgebietes ermöglicht. Weder die Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiol[X.]ie noch das s[X.] [X.] können danach eine Erweiterung der [X.] begründen.

Eine abweichende Beurteilung ist hier nicht deshalb geboten, weil nach Ansicht des [X.] die adäquate Versorgung Erwachsener mit angeborener Herzerkrankung nicht sichergestellt ist. In der Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass eine den gesetzlichen Vorgaben widersprechende Ermächtigung oder Abrechnungsgenehmigung auch unter Sicherstellungsgesichtspunkten nicht erteilt werden kann (B[X.]E 100, 154 = [X.]-2500 § 87 [X.]6, Rd[X.]5, 39 - 40; B[X.] [X.]-2500 § 135 [X.]0 Rd[X.]2; zur Sicherstellung der Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin vgl bereits B[X.] [X.]-2500 § 73 [X.] Rd[X.] 42 mwN).

c) Der Kläger hält ferner für klärungsbedürftig,

        

"ob die generelle und ausnahmslose Beschränkung eines Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin auf sein Fachgebiet auf Grundlage der [X.] allein wegen des [X.] den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entspricht."

Die Formulierung dieser Rechtsfrage unterstellt, dass die Beschränkung auf die [X.] generell und ausnahmslos gelten würde. Dies trifft indes nicht zu. So gelten nach ständiger Rechtsprechung Ausnahmen für Notfallbehandlungen und für Leistungen, bei denen dem behandelnden Arzt ausnahmsweise im Einzelfall die Überweisung an einen anderen Gebietsarzt nicht zumutbar wäre sowie für fachfremde Leistungen, die im Verhältnis zu der vorgenommenen Fachbehandlung von gänzlich untergeordneter Bedeutung sind (vgl B[X.]E 84, 290, 296 = [X.] 3-2500 § 95 [X.]1 S 90 f mwN). Um eine entsprechende ausnahmsweise Behandlung von Erwachsenen geht es dem Kläger hier aber gerade nicht. Vielmehr möchte er mit der Ermächtigung die Möglichkeit erhalten, systematisch fachfremde Leistungen innerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] zum Vertragsarztrecht jedoch ausgeschlossen. Auch wenn die Erbringung fachfremder Leistungen in geringfügigem Umfang toleriert wird, kann daraus keine "grundsätzliche Ermächtigung" eines [X.] hergeleitet werden, bestimmte fachfremde Leistungen generell in sein Leistungsangebot aufzunehmen (B[X.] [X.] 2200 § 368a [X.]0 S 72 f).

Die Vereinbarkeit der darin liegenden Beschränkung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist entgegen der Auffassung des [X.] ebenfalls geklärt. Bereits in seinem Beschluss vom 16.7.2004 (1 BvR 1127/01 - [X.]-2500 § 135 [X.]) hat das [X.] ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das B[X.] zur Abgrenzung abrechnungsfähiger ärztlicher Leistungen auf die für das jeweilige Fachgebiet in der [X.] genannten Inhalte und Ziele der Weiterbildung und die dort genannten Bereiche abstelle, in denen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssen. Im Hinblick auf die [X.] gefestigte Rechtsprechung des [X.]s zur vertragsarztrechtlichen Begrenzung des Arztes auf sein Fachgebiet sowie eine diese Rechtsprechung ausdrücklich billigende Entscheidung des [X.] besteht keine Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung auch von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin auf ihr Fachgebiet. Aus der Entscheidung des [X.] vom 1.2.2011 (1 BvR 2383/10 - [X.]K 18, 345 = [X.] 2012, 62) mit der sich bereits das [X.] in seiner Entscheidung befasst hat, folgt nichts anderes. Diese Entscheidung hatte nicht die Begrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit zum Gegenstand (vgl dazu [X.] in [X.], jurisPK-[X.]B V, 2. Aufl 2012, § 106a [X.]B V Rd[X.]07; [X.]/[X.], [X.] 2011, 728, 731 f; [X.] Nordrhein-Westfalen Urteil vom [X.] [X.] 36/11 - Juris Rd[X.] 38, Revision anhängig unter [X.] [X.] 13/15 R; [X.], [X.] 2/2011 [X.] 1). Das [X.] hat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vielmehr wegen einer berufsrechtlichen Verurteilung angenommen, die ihren Grund in einer nur geringfügigen Erbringung fachfremder Leistungen hatte. Darum geht es im vorliegenden Verfahren nicht. Bez[X.]en auf die vertragsärztliche Versorgung hält der [X.] in Kenntnis der [X.] genannten Entscheidung des [X.] vom 1.2.2011 an seiner - mit Beschluss des [X.] vom 16.7.2004 (1 BvR 1127/01 - [X.]-2500 § 135 [X.]) gebilligten - Rechtsprechung fest, nach der Ärzte grundsätzlich nicht berechtigt sind, systematisch Leistungen außerhalb der Grenzen ihres Fachgebiets zu erbringen und abzurechnen.

Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht hier auch nicht unter dem Aspekt des stetigen Wandels der medizinischen Erkenntnisse. Dazu hat der [X.] bereits entschieden, dass sich die für das [X.] zuständigen [X.] solchen Entwicklungen nicht generell verschließen und Anpassungen des Rechts nicht willkürlich unterlassen dürfen (vgl B[X.]E 84, 290, 297 = [X.] 3-2500 § 95 [X.]1 S 91 f; zu diesem Aspekt bereits [X.]-1500 § 96 [X.]. Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger als nicht sachgerecht bewertete Verweigerung einer Öffnung der Kinderkardiol[X.]ie für die Behandlung Erwachsener mit angeborenen Herzfehlern als willkürlich qualifiziert werden könnte, sind weder vom Kläger dargelegt worden noch für den [X.] erkennbar. Für die Entscheidung dieser Frage sind vielmehr zahlreiche, mitunter gegenläufige Gesichtspunkte zu beachten. Für die Öffnung des Fachgebietes in dem vom Kläger gewünschten Sinne spricht der Aspekt der Behandlungskontinuität; die Betroffenen könnten kardiol[X.]isch auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres von dem Arzt weiterbehandelt werden, der sie schon im Kinder- und Jugendalter behandelt hat. Dagegen kann angeführt werden, dass mit zunehmendem Alter der Patienten auch die kardiol[X.]ische Behandlung in die Hand von Ärzten übergehen sollte, deren Erfahrungen nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt sind, sodass sie mit typischen Erkrankungen von Erwachsenen und möglichen Wechselwirkungen mit der Herzerkrankung oder etwa mit Fragen der Familienplanung bei Frauen mit Herzfehlern nicht vertraut sind. Insoweit spricht vieles dafür, dass ein Behandlerwechsel auch bei angeborenen oder in der Kindheit erworbenen Herzerkrankungen im Lebensverlauf erforderlich wird. In diese Richtung weisen auch die Empfehlungen des "Gutachten 2009 des [X.] in einer Gesellschaft des längeren Lebens" (BT-Drucks 16/13770 [X.] ff) die sich nicht auf die Übergangsproblematik bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern beschränken, sondern vergleichbare Probleme bei der Behandlung weiterer chronischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter wie endokrinol[X.]ische Erkrankungen, Mukoviszidose, terminale Niereninsuffizienz und rheumatoide Arthritis zum Gegenstand haben. Daraus wird deutlich, dass die vom Kläger angesprochenen medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen nicht isoliert für Herzerkrankungen beantwortet werden können. Die Vorschläge des Sachverständigenrates gehen auch nicht dahin, dass Kinder- und Jugendliche mit bestimmten angeborenen Erkrankungen lebenslang von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin behandelt werden sollten, sondern in Richtung auf einen rechtzeitig eingeleiteten koordinierten Übergang der Versorgung sowie eine verbesserte Zusammenarbeit von Pädiatern und Erwachsenenmedizinern. Daraus wird deutlich, dass die Grenzziehung für die Behandlung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern mit Eintritt der Volljährigkeit vielleicht im Einzelfall nicht immer zwingend, jedenfalls aber nicht willkürlich ist. Deshalb sind die Vorgaben der zuständigen [X.] Ärztekammer weiterhin auch für den Kläger maßgeblich.

2. Soweit der Kläger das Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) rügt, ist die Beschwerde unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G genügt.

Für die Zulassung einer Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem Urteil des [X.] und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl [X.]-1500 § 160 [X.]6 S 44). Für eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G reicht nicht aus, aus dem Urteil des [X.] inhaltliche Schlussfolgerungen abzuleiten, die einem höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz widersprechen. Das Urteil des [X.] einerseits und die höchstrichterliche Entscheidung andererseits müssen vielmehr jeweils abstrakte Rechtssätze enthalten, die einander widersprechen. Das muss in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden. Dem genügen die Ausführungen des [X.] nicht, denn er zeigt keinen vom [X.] aufgestellten abstrakten Rechtssatz auf, der einem vom B[X.], dem [X.] oder dem [X.] aufgestellten Rechtssatz widerspricht.

Der Kläger hat der Rechtsprechung des B[X.] (B[X.] [X.]-2500 § 95 [X.]; B[X.]E 93, 170 = [X.]-2500 § 95 [X.]) den folgenden Rechtssatz entnommen:

        

"Solange bei körperbez[X.]enen Fachgebieten die Symptomatik, die Behandlung bzw. die [X.] eine Körperregion bzw. ein Organ des eigenen Fachgebietes betrifft, darf die Behandlung auch außerhalb der dem Fachgebiet zugeordneten Bereiche stattfinden."

Einen dem widersprechenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des [X.] hat der Kläger nicht aufgezeigt, sondern nur geltend gemacht, dass das [X.] diese Maßstäbe als nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar angesehen habe, weil dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendheilkunde keine Körperregion und kein bestimmtes Organ zugeordnet sei, sondern die Abgrenzung nach dem Personenkreis erfolge. Im Übrigen hat das [X.] richtig gesehen, dass die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des [X.]s auf eine Abgrenzung des Fachgebiets nach dem Personenkreis nicht übertragen werden kann (zu den verschiedenen Abgrenzungskriterien vgl [X.]E 106, 181, 198 = [X.] 3-2500 § 95 [X.] 35 S 177). Während es möglich ist, durch eine Behandlung außerhalb des dem eigenen Fachgebiet zuzuordnenden Organs bzw der Körperregion eine Symptomatik oder [X.] an dem dem eigenen Fachgebiet zuzuordnenden Organ oder in der dem eigenen Fachgebiet zuzuordnenden Körperregion zu behandeln, ist es jedenfalls bez[X.]en auf die hier in Betracht kommende Behandlung angeborener Herzerkrankungen grundsätzlich nicht möglich, eine nicht zum Personenkreis gehörende (erwachsene) Person zu behandeln, um einen Behandlungserfolg an einer anderen, zum entsprechenden Personenkreis gehörenden Person (Kind oder Jugendlicher) zu erzielen. Darum geht es dem Kläger bei der begehrten Ermächtigung auch nicht.

Der Entscheidung des [X.] vom 1.2.2011 (1 BvR 2383/10 - [X.]K 18, 345 = [X.] 2012, 62) hat der Kläger folgenden Rechtssatz entnommen:

        

"Sobald einem Facharzt jedwede Möglichkeit einer rechtmäßigen Leistungserbringung außerhalb seines Fachgebietes verboten wird, wird in unzulässiger Weise in sein Grundrecht auf Berufsfreiheit eingegriffen."

Auch insoweit fehlt es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung, weil der Kläger keinen davon abweichenden vom [X.] aufgestellten abstrakten Rechtssatz aufzeigt. Mit der Frage, ob dem Kläger "jedwede Möglichkeit einer rechtmäßigen Leistungserbringung außerhalb seines Fachgebietes" verboten wird, befasst sich das [X.] nicht, und es hatte sich mit dieser Frage auch nicht zu befassen, weil es darauf für die Entscheidung nicht ankam. Damit kann die Entscheidung des [X.] auch nicht auf der geltend gemachten Abweichung beruhen. Dem Kläger geht es - wie oben dargelegt - um die systematische und nicht nur geringfügige Erbringung kardiol[X.]ischer Leistungen außerhalb seines kinderärztlichen Fachgebietes auf der Grundlage des dafür erforderlichen vertragsarztrechtlichen Status in Gestalt einer Ermächtigung. Nur dazu verhält sich die Entscheidung des [X.].

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl B[X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.] 3, Rd[X.]6).

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Meta

B 6 KA 12/15 B

28.10.2015

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Dresden, 23. Mai 2013, Az: S 11 KA 178/12, Urteil

§ 116 S 1 SGB 5, § 116 S 2 SGB 5, § 73 Abs 1 S 3 SGB 5, § 73 Abs 1 S 4 SGB 5, § 31a Ärzte-ZV, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.10.2015, Az. B 6 KA 12/15 B (REWIS RS 2015, 3228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3228

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