Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2011, Az. 2 StR 302/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1760

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Gegenstand

Begünstigung: An einen Tatbeteiligten gezahlter Tatlohn als Vorteil der Tat


Leitsatz

Vorteil im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB ist auch der an einen Tatbeteiligten gezahlte, nicht aber der ihm versprochene Tatlohn.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2009 dahin ergänzt, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten zwei Monate [X.] als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Begünstigung in zwei Fällen und wegen Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es dem Angeklagten für die Dauer von vier Jahren verboten, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben sowie als angestellter oder selbständiger Rechtsassessor oder in sonstiger Weise rechtsberatend tätig zu sein, soweit diese Tätigkeit mit einem persönlichen Kontakt mit Mandanten verbunden ist. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg; das Urteil war lediglich um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen.

I.

2

Zu den [X.] in den Fällen [X.] und 3 hat das [X.] Folgendes festgestellt: Der gesondert verfolgte [X.]fasste im Frühjahr 2008 den Entschluss, in betrügerischer Absicht über eine GmbH nicht existierende Solarmodule gegen Vorkasse zu verkaufen und die so erzielten Beträge für sich zu vereinnahmen. Er zahlte vorab 50.000 € an [X.].  , der hierfür einen Scheingeschäftsführer und einen Firmenmantel beschaffen sollte. [X.].  gewann zu diesem Zweck den arbeitslosen [X.]    und sorgte dafür, dass dieser als Geschäftsführer der [X.], einer reinen Briefkastenfirma, eingetragen wurde. Als Entgelt stellte [X.].   [X.]    einen Betrag von 30.000 bis 50.000 € in Aussicht und zahlte vorab 15.000 € an diesen. In der [X.] von Ende Juni bis 11. August 2008 nahm die [X.] Vorkassengelder in Höhe von über 1,5 Mio. € ein, ohne die bestellten Solarmodule zu liefern.

3

Ende Juli/Anfang August 2008 wandte sich [X.].  an den als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten, da er Bargeld von über 65.000 € in der [X.] "verstecken" wollte. Darunter befand sich u.a. der von [X.] erhaltene [X.] in Höhe von 35.000 € (50.000 € abzüglich der an [X.]    gezahlten 15.000 €) aus den Betrugsgeschäften im Kontext der [X.], den [X.].  bei sich zu Hause aufbewahrt hatte. Der Angeklagte, dem die Herkunft der 35.000 € bekannt war, begab sich am 19. August 2008 mit [X.].  in die [X.] und bereitete mit Unterstützung eines ihm bekannten [X.] die Gründung der [X.] vor. Auf Anraten des Angeklagten eröffnete [X.].  in der [X.] ein Konto, zahlte das bei sich geführte Bargeld ein und überwies das Geld auf ein Konto der [X.] als Stammkapital (Fall [X.]).

4

Im November 2008 ließ [X.]    dem gesondert verfolgten [X.].  über den Angeklagten ausrichten, dieser schulde ihm für seine Tätigkeit als "Strohmann" der Firma [X.] noch 35.000 €. [X.].  übergab dem Angeklagten daraufhin 1.000 € als Anzahlung für [X.]   . Hiervon händigte der Angeklagte [X.]    500 € aus und behielt den Rest mit Wissen des [X.]     als Entlohnung für seine anwaltliche Tätigkeit für sich. Zudem stellte er [X.]    im Auftrag des [X.].   als Tatentlohnung eine lebenslange monatliche Zahlung von 1.000 € in Aussicht, um diesen so in Abhängigkeit von [X.].  zu halten und von der Preisgabe der Straftaten des [X.].  gegenüber den Ermittlungsbehörden abzuhalten. [X.]    lehnte dies jedoch ab ([X.] 3).

5

Das [X.] hat das Handeln des Angeklagten in den Fällen [X.] und 3 als Begünstigung in zwei Fällen gewertet, wobei es im [X.] 3 zwei tateinheitlich begangene Fälle angenommen hat.

[X.]

6

Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist hinsichtlich der Begünstigung des [X.]    im [X.] 3 begründet; einer Änderung des Schuldspruchs bedarf es insoweit nicht, da das [X.] die tateinheitliche Verwirklichung zweier [X.] im Tenor nicht zum Ausdruck gebracht hatte. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

7

1. Zutreffend hat das [X.] das Handeln des Angeklagten in den Fällen [X.] und 3 als Begünstigung in zwei Fällen, jeweils begangen zugunsten des [X.].  , gewertet.

8

a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das [X.] im Fall [X.] den [X.] in Höhe von 35.000 €, den [X.].  für seine Beteiligung an dem Betrug erhielt, als "Vorteil der Tat" im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB angesehen hat. Die Begünstigung (§ 257 StGB) verlangt, dass der Täter einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, diesem die Vorteile der Tat zu sichern. Nach dem Wortlaut der Strafnorm sind umfassend "Vorteile der Tat" erfasst. Er unterscheidet nicht zwischen Vorteilen "für" und "aus" der Tat, sondern beinhaltet jeglichen Vorteil, der sich im Zusammenhang mit der Tatbegehung ergibt. Nicht erforderlich ist danach, dass dieser "aus" der Tat resultiert. Gemessen hieran sind "Vorteile der Tat" nicht nur die Früchte der Vortat, hier also die von den Kunden der [X.] betrügerisch erlangten Gelder. Einen Vorteil im Sinne des § 257 StGB stellt vielmehr auch der (vorab) an einen Tatbeteiligten - wie vorliegend von [X.] an [X.].   - gezahlte [X.] dar. Dem steht nicht entgegen, dass nach ständiger Rechtsprechung des [X.] einschränkend verlangt wird, dass der Vorteil unmittelbar durch die Vortat erlangt ist ([X.], Urteil vom 16. Juni 1971 - 2 [X.], [X.]St 24, 166, 168; [X.], Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, [X.]St 46, 107, 117; [X.], Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 256/86, [X.], 22). Das Unmittelbarkeitserfordernis dient dazu, [X.] (Vorteilssurrogate) auszuklammern ([X.] in LK 12. Aufl. § 257 Rn. 31). Bei der Entlohnung für die Tatbeteiligung handelt es sich jedoch nicht um einen derartigen Ersatzvorteil; vielmehr ist auch der [X.] ein unmittelbarer "Vorteil der Tat" (vgl. auch [X.], Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 3 [X.], [X.], 259).

9

Dieses Ergebnis steht auch mit der Bestimmung des Rechtsguts der Begünstigung durch den [X.] in [X.]. Danach liegt das Wesen der Begünstigung in der Hemmung der Rechtspflege, die dadurch bewirkt wird, dass der Täter die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes verhindert, der sonst durch ein Eingreifen des Verletzten oder von Organen des Staates gegen den Vortäter wiederhergestellt werden könnte. Der Täter der Begünstigung beseitigt oder mindert die Möglichkeit, die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens durch ein Einschreiten gegen den Vortäter zu erreichen, das diesem den durch die Vortat erlangtem Vorteil wieder entziehen würde (st. Rspr., vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 16. November 1993 - 3 StR 458/93, [X.], 187, 188). Dieses trifft auch auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation zu. Der Täter der Begünstigung, der - wie hier - dem Vortäter den [X.] sichert, mindert die Möglichkeiten des durch die Vortat Geschädigten, im Wege des zivilrechtlichen Schadensersatzes - etwa gemäß §§ 823 ff. BGB - oder der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung gemäß § 73 StGB Schadenswiedergutmachung zu erlangen.

Die Vortat war auch - wie § 257 dies verlangt - zum [X.]punkt des [X.] bereits begangen [X.] 58. Aufl. § 257 Rn. 4; [X.] in MünchKomm-StGB § 257 Rn. 7) und hatte dem Vortäter Vorteile erbracht. Der Angeklagte hat [X.].  im Fall [X.] die Vorteile der Tat in Höhe von 35.000 € gesichert, indem er ihm am 19. August 2008 die Möglichkeit eröffnet hat, in der [X.] die [X.] zu gründen und die Summe dort als Stammeinlage einzubringen. Zum [X.]punkt des [X.] des Angeklagten am 19. August 2008 waren die Betrugsstraftaten im Zusammenhang mit der [X.], die in der [X.] von Ende Juni bis 11. August 2008 erfolgten, bereits begangen.

b) Im [X.] 3 hat das [X.] rechtlich bedenkenfrei eine Begünstigung des [X.].  angenommen. Für diesen lag der Vorteil im Sinne des § 257 StGB ebenso wie im Fall [X.] in dem vorab gezahlten [X.] von 35.000 €. Diese hat der Angeklagte - worauf die [X.] zutreffend abstellt - gesichert, indem er [X.]    im Auftrag des [X.].  500 € als erste Anzahlung auf den [X.]     versprochenen (weiteren) [X.] übergeben hat. Durch die (zusätzliche) Verweisung des [X.]    auf eine ratenweise Zahlung des [X.]s sollte dieser in Abhängigkeit von [X.].  gehalten und daran gehindert werden, die Straftaten des [X.].  sowie den Verbleib der 35.000 € gegenüber den Ermittlungsbehörden zu offenbaren.

2. Dagegen begegnet die - lediglich aus den Urteilsgründen, nicht jedoch aus dem Tenor ersichtliche - Annahme einer tateinheitlich verwirklichten Begünstigung zugunsten des [X.]     im [X.] 3 rechtlichen Bedenken. Soweit das [X.] als Vorteil der Tat im Sinne des § 257 StGB das Versprechen des [X.].  gegenüber [X.]   angesehen hat, diesem für die Beteiligung an den Betrügereien im Kontext der [X.] einen [X.] von insgesamt 30.000 bis 50.000 € zu zahlen, ist dies rechtlich unzutreffend. Zwar ist ein Vorteil im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB nicht nur ein Vermögensvorteil, sondern kann jede wirtschaftliche, rechtliche oder tatsächliche Besserstellung für den Täter sein [X.] 58. Aufl. § 257 Rn. 6; [X.] in LK 12. Aufl. § 257 Rn. 25; [X.] in MünchKomm-StGB § 257 Rn. 10; [X.] in [X.]. § 257 Rn. 16). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist jedoch - wie unter [X.] a) ausgeführt - Voraussetzung der Begünstigung, dass der Täter der Begünstigung gegenüber dem Verletzten der Vortat die Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung beseitigt oder mindert, die durch die Entziehung der erlangten Vorteile möglich wäre. Eine solche Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung ist bei der bloßen Aussicht auf Erlangung eines versprochenen [X.]s jedoch nicht gegeben, da es sich nicht um einen entziehbaren Vorteil handelt. Ein solches Zahlungsversprechen ist gemäß § 134 BGB nichtig, führt zu keiner - auch nur wirtschaftlichen - Besserstellung und stellt daher keinen relevanten Tatvorteil im Sinne des § 257 StGB dar.

3. Der Senat schließt aus, dass das [X.] ohne die Annahme einer tateinheitlich verwirklichten Begünstigung zugunsten des [X.]    im [X.] 3 eine niedrigere Einzelstrafe als die verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt hätte. Das [X.] hat im [X.] 3 die tateinheitlich angenommene Begünstigung zugunsten des [X.]   nur eingeschränkt strafmildernd gewertet ([X.]) und die gleiche - moderate - Einzelstrafe verhängt wie im Fall [X.].

4. Das Urteil war um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen. Nach Übersendung der Akten an die Generalstaatsanwaltschaft [X.] am 28. Juni 2010 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Bis zur Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision am 19. Mai 2011 ist das Verfahren ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden. Durch das Versäumnis ist eine der Justiz anzulastende, unangemessene Verfahrensverzögerung von etwa elf Monaten eingetreten. Diesen Umstand hat der [X.] wegen zu berücksichtigen. Der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Verfahrensverzögerung nach Ablauf der [X.] eingetreten ist und der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte (st. Rspr., vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 18. November 2008 - 1 StR 568/08, [X.], 92). Über die Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst entscheiden (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 2008 - 3 [X.], [X.], 208, 209). Auf der Grundlage der [X.] ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.], 860) stellt der Senat fest, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

Fischer     

        

Ri[X.] Prof. Dr. [X.]
ist wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindert.

        

Berger

                 

Fischer

                 
        

Krehl     

        

     Ott     

        

Meta

2 StR 302/11

03.11.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 22. Dezember 2009, Az: 3240 Js 230314/08 - 5/12 KLs 18/09, Urteil

§ 257 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2011, Az. 2 StR 302/11 (REWIS RS 2011, 1760)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1760

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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