Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2013, Az. V ZB 22/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8525

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

31. Januar 2013

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
FamFG § 62
Einen Feststellungsantrag nach § 62 FamFG kann nur der Betroffene, nicht die betei-ligte Behörde stellen.

[X.],
Beschluss vom 31. Januar 2013 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 31. Januar 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann und die Richter Dr.
Lemke,
Prof. Dr.
Schmidtsch, [X.] und Dr.
Kazele
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Be-schluss des [X.] -
Zivilkammer 29 -
vom 20.
Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, wurde am 27.
Oktober 2011 ohne die für den Aufenthalt in [X.] erforderlichen Papiere ange-troffen. Am 28.
Oktober 2011
erging gegen ihn ein Untersuchungshaftbefehl wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufent-halts. Er wurde inhaftiert. Am 13.
Dezember 2011 wurde der Betroffene -
unter Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft -
zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt. Gegen das Strafurteil legte er [X.] und gegen die Haftentscheidung Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 6.
Januar 2012 wurde der Haftbefehl aufgehoben.
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Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8.
Dezember 2011 Sicherungshaft des Betroffenen bis zu dessen Ab-schiebung, längstens jedoch bis acht Wochen nach Ende der [X.] angeordnet. Diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht aufgehoben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die beteiligte Behörde die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Feststellung erreichen, dass die Haftan-ordnung des Amtsgerichts vom 8.
Dezember 2011 zulässig war und kein [X.] gegen das Beschleunigungsgebot nach §
62 Abs.
1
Satz
2 AufenthG vor-gelegen hat.
II.
Nach Ansicht des [X.] war die Haftanordnung unzuläs-sig, weil sie sich nicht auf die kürzest mögliche Dauer beschränkt hat. Die betei-ligte Behörde habe rechtsfehlerhaft in der [X.] vom 28.
Oktober 2011 bis zum 9.
Dezember 2011 wegen der ihrer Ansicht nach vorrangigen Behandlung des gegen den Betroffenen geführten Strafverfahrens nichts zur Vorbereitung der Abschiebung unternommen.
III.
Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht zunächst statthafte Rechtsbeschwerde (§
70 Abs.
1 FamFG) ist zwar frist-
und formge-recht eingelegt worden (§
71 FamFG). Sie ist aber unzulässig geworden, weil sich die Hauptsache während des Rechtsbeschwerdeverfahren erledigt hat und das Rechtsmittelverfahren danach nur noch beschränkt auf die Kostenent-scheidung fortgesetzt werden kann, nicht jedoch mit dem gestellten [X.] nach § 62 FamFG.

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1. Die Hauptsache hat sich während des [X.] erledigt, weil die Haftanordnung nach Einlegung des Rechtsmittels weggefallen ist. Die Haft war für die Dauer von acht Wochen nach Ende der Untersu-chungshaft angeordnet worden. Die Untersuchungshaft endete mit der [X.] am 6. Januar 2012. Damit endete die angeordnete Haft am 2. März 2012. Das schließt seitdem eine Sachentscheidung über die Haftanordnung aus.
2. In dieser Lage kann der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel auf den Kostenpunkt beschränken und das Verfahren in diesem beschränkten Umfang fortführen. Das war für das frühere Verfahrensrecht anerkannt, obwohl nach §
20a [X.] ein Rechtsmittel nicht allein wegen der Kosten eingelegt werden konnte (Senat, Beschluss vom 10.
Februar 1983
V
ZB 18/82, [X.]Z
86, 393, 395). Dasselbe
gilt für das
jetzige Verfahrensrecht, welches
eine solche Be-schränkung des Rechtsmittels nicht mehr vorsieht
(Senat, Beschluss vom 7.
April 2011
V
ZB 11/10, [X.]
2011, 882 Rn.
5; [X.], Beschluss vom 8.
Mai 2012
II
ZB 17/11, [X.] 2012, 997 Rn.
6). Eine Beschränkung auf den Kostenpunkt hat die beteiligte Behörde jedoch
trotz entsprechenden [X.] des Betroffenen in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht vorge-nommen.
3. Eine Fortführung des Rechtsmittels mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ist nicht statthaft.
a) § 62 FamFG ist allerdings grundsätzlich auch im Rechtsbeschwerde-verfahren anwendbar (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 150, 151 Rn. 9).

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b) Die Vorschrift gilt aber nur für ein Rechtsmittel des Betroffenen, nicht für ein Rechtsmittel der beteiligten Behörde.
aa) Bereits unter der Geltung des früheren
Verfahrensrechts, welches al-lerdings eine dem § 62 FamFG vergleichbare Vorschrift nicht enthielt, war um-stritten, ob die beteiligte Behörde die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Haft beantragen konnte. Die Frage wurde teilweise unter Anerkennung eines Reha-bilitierungsinteresses der beteiligten Behörde bejaht
(KG, Beschluss vom
31.
Dezember 2003 -
25 [X.], juris Rn. 30; [X.], [X.], 957), teilweise aber auch verneint, weil die beteiligte Behörde kein dem des Betroffenen vergleichbares Rehabilitierungsinteresse habe (BayObLG, NVwZ 2003 Beilage Nr. I 7, 56; [X.], [X.] 2006,
468). Die [X.] ist unter der Geltung von § 62 FamFG zu verneinen
(im Ergebnis ebenso [X.], FamFG, 17. Aufl., § 62 Rn. 1 [X.]).
[X.]) Nach §
62 Abs.
1 FamFG spricht das Beschwerdegericht bei Erledi-gung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Grundsätzlich ist ein solches Interesse nach Erledigung des [X.] nicht mehr gegeben, weil der Beschwerdeführer durch die Entschei-dung lediglich
noch Auskunft über die Rechtslage erhielte, ohne dass damit ei-ne wirksame Regelung getroffen werden könnte (vgl. Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S.
205). Die bloße Beeinträchtigung von
auch der antrag-stellenden Behörde zustehenden (vgl. [X.]/Meyer-Holz, FamFG, 17.
Aufl., §
59 Rn.
64)
Rechten im Sinne des §
59 Abs.
1 FamFG durch eine fehlerhafte Entscheidung vermag das besondere Feststellungsinteresse daher nicht zu be-gründen (so zutreffend [X.], FamFG, 2.
Aufl., §
62 Rn.
7). Nur wenn
das Interesse des Beteiligten an der Feststellung der Rechts-9
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lage in besonderer Weise schutzwürdig ist, besteht ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entschei-dung ihn in seinen Rechten verletzt hat. Ein solches besonderes Interesse setzt nach dem Sinn und Zweck von §
62 FamFG voraus, dass die belastende Ent-scheidung den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten berührt. Demnach kann
da die Behörde nicht Trägerin von Grundrechten ist
nur der Betroffene das erforderliche Feststellungsinteresse für einen Antrag nach §
62 Abs.
1
FamFG haben.
Dieses Verständnis der Norm ergibt sich aus ihrer Entstehungsgeschich-te. Mit § 62 FamFG hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des [X.] zu dem früheren Gesetz
über das Verfahren bei Freiheitsent-ziehungen
aufgreifen und einer
gesetzlichen Regelung zuführen wollen ([X.]. 16/6308 S. 205). Jenes Gesetz enthielt keine Regelung darüber, wie verfahren werden sollte, wenn sich die gegen den Be-troffenen angeordnete Haft erledigte, bevor dieser eine abschließende [X.] erreichen konnte. Das widersprach nach der Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes
([X.] 104, 220, 232 f.; NJW 1998, 2432 f.). Dieser bliebe gerade in [X.] praktisch weitgehend wirkungslos, gäbe es nicht die Möglichkeit, auch nach Erledigung der Haft feststellen zu lassen, ob sie rechts-widrig war oder nicht. Der Grund dafür liegt darin, dass die Anordnung einer Freiheitsentziehung nicht nur in Freiheitsrechte eingreift, sondern auch den Vorwurf enthält, der Betroffene habe sich gesetzwidrig verhalten. Gegen diesen Vorwurf muss sich der Betroffene zur Wehr setzen können. Es ist sogar erfor-derlich, eine solche Möglichkeit nach dem Tod des Betroffenen
seinen Erben einzuräumen (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 44 Rn. 13 f.). Diese
von dem [X.] entwickelte Mög-lichkeit einer Feststellung der Rechtswidrigkeit wollte der Gesetzgeber mit der 12
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Einführung des § 62 FamFG kodifizieren. Das kommt in dem Erfordernis des besonderen Feststellungsinteresses und in den aus der Rechtsprechung des [X.]s übernommenen Regelbeispielen zum Ausdruck.
[X.]) §
62 Abs.
1 FamFG muss auch nicht weiter ausgelegt werden, um einen Gleichlauf der dem Betroffenen gewährten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erreichen. Einen solchen hat der Gesetzgeber nämlich nicht angestrebt, wie etwa daraus deutlich wird, dass die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nicht wie die des Betroffenen ohne Zulassung, sondern nur nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft ist (§
70 Abs.
2 Satz
1 und Abs.
3 Nr.
3 FamFG; vgl. Senat, Beschluss vom 10.
Februar 2010
V
ZB 35/10, [X.] 2010, 98). Im Hinblick darauf, dass staatliche Behörden
mit Ausnahme der sich aus Art.
101 Abs.
1 Satz
2 und Art.
103 Abs.
1 GG ergebenden grund-rechtsgleichen Rechte
keinen Grundrechtsschutz genießen, sind weiterge-hende Rechtsschutzmöglichkeiten auch nicht von Verfassungs wegen geboten.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs.
1 Satz
1 und
2, §
83, §
430
FamFG, Art.
5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs.
2 [X.] in Verbindung mit §
30 Abs.
2 [X.].
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

Czub
Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2011 -
219d [X.] 38577/07 -

LG [X.], Entscheidung vom 20.01.2012 -
329 [X.]/11 -

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Meta

V ZB 22/12

31.01.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2013, Az. V ZB 22/12 (REWIS RS 2013, 8525)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8525

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V ZB 22/12

V ZB 172/09

V ZB 314/10

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