Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.06.2016, Az. 9 C 19/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 9955

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Gegenstand

Bestreiten des Zugangs eines Verwaltungsaktes mit Nichtwissen


Leitsatz

Bestreitet ein Dritter mit Nichtwissen, dass ein durch einfachen Brief übermittelter Verwaltungsakt dem Adressaten zugegangen ist, wird die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 AO allein dadurch nicht erschüttert.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen [X.].

2

Eine aus der [X.] (im Folgenden: [X.]) und der [X.] (im Folgenden: [X.]) gebildete [X.] war seit dem [X.] Miteigentümerin des in [X.] gelegenen Grundstücks S.-Straße 12. Die [X.] wurde durch einen am 1. Februar 2005 in das Handelsregister eingetragenen Beschluss des Amtsgerichts Neuwied aufgelöst.

3

Hinsichtlich des vorbezeichneten Grundstücks setzte die Beklagte mit Bescheid vom 14. August 2006 die anteilige Grundsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 und mit weiterem Bescheid vom 10. April 2007 für das [X.] in Höhe von jährlich 871,50 € fest. Die Bescheide waren adressiert an [X.] als Geschäftsführerin der [X.]. Als Abgabenschuldnerin war jeweils die aus der [X.] und der [X.] gebildete [X.] bezeichnet.

4

Bereits am 8. November 2006 waren hinsichtlich des erwähnten Miteigentumsanteils an dem Grundstück S.-Straße 12 der Kläger und eine [X.] als neue Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen worden. Am 8. März 2010 wurde der Kläger als neuer alleiniger Inhaber des Miteigentumsanteils eingetragen.

5

Nachdem keine Zahlungen eingegangen waren, nahm die Beklagte mit Haftungsbescheiden vom 23. und 24. November 2010 die [X.] für die rückständige Grundsteuer der Jahre 2002 bis 2006 und den Kläger sowie die [X.] gesamtschuldnerisch für die Grundsteuer der Jahre 2005 und 2006 in Haftung. Auch die [X.] leisteten in der Folgezeit keine Zahlungen.

6

Daraufhin verpflichtete die Beklagte den Kläger mit [X.] vom 22. August 2011, die Zwangsvollstreckung in den Miteigentumsanteil wegen der rückständigen Grundsteuern der [X.] für die Jahre 2002 bis 2006 in Höhe von 4 357,50 € zu dulden.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger eine wirksame Festsetzung sowohl der Grundsteuern als auch des Grundsteuermessbetrages mit Nichtwissen bestritten und sich auf Festsetzungsverjährung, hilfsweise auf Zahlungsverjährung berufen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, der [X.] sei rechtmäßig, insbesondere sei die Grundsteuer gegenüber der Steuerschuldnerin wirksam festgesetzt worden. Allein das Bestreiten mit Nichtwissen wecke noch keine Zweifel am Zugang der Steuerbescheide. Auch sonst weise der Sachverhalt keine Tatsachen auf, die eine Grundlage für solche Zweifel bilden könnten. Nichts anderes gelte für den der Grundsteuerforderung zugrunde liegenden Messbescheid, von dessen Bekanntgabe ebenfalls auszugehen sei.

8

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, anerkanntermaßen könne der Adressat eines durch einfachen Brief übersandten Bescheides durch schlichtes Bestreiten des Zugangs Zweifel an der Bekanntgabe wecken und damit die Nachweispflicht der Behörde auslösen. Das gleiche müsse gelten, wenn - wie hier - ein Dritter den Zugang des Bescheides beim Adressaten mit Nichtwissen bestreite. Daher hätte das Oberverwaltungsgericht den Zugang sowohl der Grundsteuerbescheide als auch des [X.] positiv feststellen müssen. Diese Feststellung, für die die Akten des [X.] hätten beigezogen werden müssen, sei zu Unrecht unterblieben. Die Bescheide hätten zudem beiden Gesellschaftern der Steuerschuldnerin bekannt gegeben werden müssen, falls nicht ein Gesellschafter als alleinvertretungsberechtigt bestimmt oder ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt gewesen sei. Auch insoweit fehle es an den erforderlichen Feststellungen.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 11. November 2014 zu ändern und den [X.] der Beklagten vom 22. August 2011 aufzuheben,

hilfsweise: das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen [X.]undesrecht die Klageabweisung bestätigt. Der angefochtene [X.] verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Der [X.] findet seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 191 Abs. 1 Satz 1 und § 77 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Nach der zuletzt genannten Norm hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz wegen einer Steuer zu dulden, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht; dies ist bei der Grundsteuer der Fall (§ 12 GrStG). Da die Duldungspflicht akzessorisch ist, setzt sie das [X.]estehen der Steuerschuld voraus. Der Steueranspruch muss entstanden und darf nicht wieder untergegangen, er muss festgesetzt, fällig und vollstreckbar sein ([X.]VerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 - 8 [X.] 25.85 - [X.] 401.0 § 77 [X.] Nr. 2 S. 3 f.).

Die Grundsteuerschuld ist zulasten der aus der [X.] und der [X.] gebildeten [X.] für alle fraglichen Steuerjahre mit dem [X.]eginn des jeweiligen Kalenderjahres entstanden (§ 9 Abs. 2 GrStG). Die Steuerbescheide der [X.]n vom 14. August 2006 (für die Jahre 2002 bis 2005) und vom 10. April 2007 (für das [X.]) wahrten die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 [X.]), die mit dem Ablauf des jeweiligen Entstehungsjahres begonnen hatte (§ 170 Abs. 1 [X.]) und somit für die Grundsteuer 2002 erst Ende 2006 und für die Grundsteuer 2006 erst Ende 2010 abgelaufen ist. Einwände gegen die Steuerfestsetzungen bestehen auch nicht deshalb, weil eine der beiden Mitgliedsgesellschaften der Steuerschuldnerin, die [X.], bei Erlass der [X.]escheide bereits aufgelöst war. Abgesehen davon, dass dem Tod einer natürlichen Person als Auflösungsgrund der [X.] (§ 727 [X.]G[X.]) nicht schon die Auflösung, sondern erst die Vollbeendigung einer Mitgliedsgesellschaft gleichsteht (vgl. [X.], in: [X.], 6. Aufl. 2013, § 727 Rn. 8 m.w.[X.]), war die [X.] ihrerseits steuerrechtlich so lange existent, wie noch [X.] gegen sie geltend gemacht werden konnten ([X.], Urteile vom 24. März 1987 - [X.] - [X.]E 150, 293 <295> und vom 22. Januar 2015 - [X.]/11 - [X.]/NV 2015, 995 = juris Rn. 13).

2. Wirksam ist ein Steuerbescheid nur, [X.]n er dem Adressaten bekannt gegeben worden ist (§ 124 Abs. 1 [X.]). Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Grundsteuerbescheide beziehen sich die Angriffe der Revision zum einen auf den [X.] (a) und zum anderen auf die Frage des tatsächlichen Zugangs (b). Unter keinem der beiden Gesichtspunkte greifen die Einwände gegen das [X.]erufungsurteil durch.

a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die [X.]ekanntgabe der Steuerbescheide gegenüber der [X.] als einem der beiden Gesellschafter der Steuerschuldnerin ausreichend war. Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist § 34 Abs. 2 [X.] auf die [X.]ekanntgabe entsprechend anzu[X.]den. Danach haben die Mitglieder oder Gesellschafter einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung, soweit diese ohne Geschäftsführer ist, die steuerlichen Pflichten der Vereinigung zu erfüllen; hierzu gehört die Entgegennahme von Steuerbescheiden ([X.], Urteile vom 8. November 1995 - [X.]/94 - [X.]E 179, 211 <215> und vom 13. Januar 2010 - [X.] - [X.]E 229, 378 Rn. 18). Auf die [X.] ist unbeschadet der Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit § 34 Abs. 2 [X.] weiter an[X.]dbar ([X.], [X.]eschluss vom 19. August 2004 - [X.]/03 - [X.]/NV 2005, 156 = juris Rn. 5). Eine [X.] hat keinen Geschäftsführer im Sinne des § 34 Abs. 2 [X.], [X.]n die Gesellschafter keine besondere Regelung über die Geschäftsführung getroffen haben, sodass diese gemäß § 709 Abs. 1 [X.]G[X.] allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht ([X.], Urteil vom 8. November 1995 a.a.[X.]). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gesellschaftsvertrag der Steuerschuldnerin keinem einzelnen Gesellschafter die [X.]efugnis zur Geschäftsführung zugesprochen hat. Soweit die Revision dieser Feststellung entgegengetreten sein sollte, kann sie jedenfalls nicht darlegen, wieso sich dem Oberverwaltungsgericht hierzu eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen sollen, nachdem der Kläger selbst mit der [X.]erufungsbegründung eine entsprechende [X.]estimmung im Gesellschaftsvertrag bestritten hatte. Demzufolge durfte es die [X.] im vorliegenden Fall gemäß § 34 Abs. 2 [X.] bei der [X.]ekanntgabe der Steuerbescheide an einen der beiden Gesellschafter be[X.]den lassen.

b) Nach § 122 Abs. 2 [X.] gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer [X.]n er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die [X.]ehörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Erst [X.]n Zweifel am Zugang bestehen, die die widerlegliche Vermutung des § 122 Abs. 2 [X.] erschüttern, bedarf es für den Zugang des vollen [X.]eweises, der von Amts wegen zu führen ist (§ 86 Abs. 1 VwGO) und für den die [X.]ehörde die objektive [X.]eweislast trägt (vgl. [X.], in: Tipke/[X.], [X.]/FGO, § 122 [X.] Rn. 61, Stand Oktober 2015; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, § 122 [X.] Rn. 361, Stand Juni 2008; [X.], in: [X.]/[X.]onk/Sachs, [X.], 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 127, jeweils m.w.[X.]). Das [X.]erufungsurteil beruht auf der zutreffenden Annahme, dass allein das bloße [X.]estreiten des Zugangs mit Nichtwissen durch eine Person, an die der [X.]escheid nicht gerichtet war, nicht ausreicht, um derartige Zweifel am Zugang auszulösen.

Falls der Adressat eines Steuerbescheides bestreitet, diesen überhaupt erhalten zu haben, genügt zwar nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] regelmäßig schon dieser Umstand an sich, um Zweifel am Zugang im Sinne des § 122 Abs. 2 [X.] zu wecken. Anders als im Fall der [X.]ehauptung eines verspäteten Zugangs kann danach von einem Adressaten, der den Zugang überhaupt bestreitet, keine weitere Substantiierung verlangt werden. Wählt die [X.]ehörde statt der förmlichen Zustellung die [X.]ekanntgabe des [X.]escheides durch einfachen [X.]rief, trägt sie im Falle des [X.]estreitens das Risiko der [X.] des Zugangs, ohne dass ihr die Erleichterungen des Anscheinsbeweises zugutekommen (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 14. März 1989 - [X.]/85 - [X.]E 156, 66 <69 ff.> und vom 29. April 2009 - [X.]/08 - [X.]/NV 2009, 1777 = juris Rn. 20; [X.]eschluss vom 14. Februar 2008 - [X.]/08 - [X.]/NV 2008, 743 = juris Rn. 4 ff.; vgl. auch [X.], in: Tipke/[X.], [X.]/FGO, § 122 [X.] Rn. 58, Stand Oktober 2015; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, § 122 [X.] Rn. 377 ff., Stand Juni 2008; [X.], in: [X.]/[X.]onk/Sachs, [X.], 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 128 f.).

Diese Rechtsprechung lässt sich aber entgegen der Auffassung des [X.] nicht ohne Weiteres auf den Fall übertragen, dass ein Dritter den Zugang des Verwaltungsaktes beim Adressaten mit Nichtwissen bestreitet. Die Regelung in § 138 Abs. 4 ZPO, wonach eine Erklärung mit Nichtwissen (nur) über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der [X.] noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, ist in dem vom Untersuchungsgrundsatz geprägten Verwaltungsprozess (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht an[X.]dbar. Vielmehr richtet sich das Maß der gerichtlichen Aufklärungspflicht hier wie auch sonst nach der Substanz des Vorbringens der [X.]eteiligten ([X.]VerwG, Urteil vom 2. August 2001 - 7 [X.] 2.01 - [X.] 428 § 6 VermG Nr. 45 S. 58; [X.]eschluss vom 12. Januar 2009 - 5 [X.] 48.08 - juris Rn. 4). Entscheidend ist danach, dass der Adressat, falls er den Zugang bestreitet, eine (negative) Tatsache aus seinem eigenen Einfluss- und Wahrnehmungsbereich bekundet, während sich der Dritte mangels eigener Erkenntnisse lediglich darauf berufen kann, dass die Frage des Zugangs offen sei (ebenso bereits [X.], Urteil vom 28. November 1995 - 15 A 72/93 - NVwZ-RR 1997, 77 <78>; [X.] Finanzgericht, Urteil vom 23. Februar 2000 - 3 K 91/94 - [X.], 904 <905>). In dieser Konstellation bedarf es daher weiterer tatsächlicher Umstände, um die gesetzliche Zugangsvermutung zu erschüttern und Zweifel am Zugang zu wecken (§ 122 Abs. 2 [X.]). Zu derartigen Umständen, die unter [X.]erücksichtigung der Mitwirkungslasten der [X.]eteiligten von Amts wegen zu ermitteln sind, kann neben etwaigen Anhaltspunkten aus den Akten vor allem ein [X.]estreiten des Zugangs durch den Adressaten selbst gehören ([X.], Urteil vom 28. November 1995 a.a.[X.]). Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall ausgegangen. Es hat die aus den Akten ersichtlichen Umstände, dass die verschiedenen an Frau [X.] gerichteten Schreiben und [X.]escheide der [X.]n nicht zurückgekommen sind und dass Frau [X.] darauf einerseits nicht reagiert, aber auch andererseits niemals geltend gemacht hat, Sendungen nicht erhalten zu haben, gewürdigt und im Ergebnis das Fehlen von Tatsachen festgestellt, die die Grundlage für Zweifel bilden könnten.

Erfolgreiche Verfahrensrügen hat die Revision in diesem Zusammenhang nicht erhoben. Soweit sie beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe die Nachweispflicht des § 122 Abs. 2 [X.] verkannt, [X.]det sie sich in Wahrheit gegen den materiellen Rechtsstandpunkt des [X.] zur Auslegung dieser Norm. Dass dem [X.]erufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht oder den Überzeugungsgrundsatz unterlaufen wäre, lässt sich den Darlegungen der Revision nicht entnehmen.

Weitere [X.] (§ 86 Abs. 1 VwGO) hätten dem Oberverwaltungsgericht zwar gegebenenfalls zur Verfügung gestanden, insbesondere durch Vernehmung der Frau [X.] als Zeugin zu der Frage, ob sie die Grundsteuerbescheide vom 14. August 2006 und 10. April 2007 seinerzeit erhalten hat. Der Kläger hat aber weder einen diesbezüglichen [X.]eweisantrag gestellt, noch musste sich dem [X.]erufungsgericht diese [X.]eweisaufnahme von sich aus aufdrängen. Letzteres ist vor allem deshalb nicht der Fall, weil Frau [X.] es auch dann noch unterlassen hat, sich bei der [X.]n zu melden, insbesondere den seinerzeitigen Zugang der beiden ihr zunächst mit einfacher Post übersandten [X.]escheide zu bestreiten, als die [X.] ihr die [X.]escheide nachträglich am 29. Oktober 2010 mit [X.] förmlich zugestellt hatte. Jedenfalls von da an lag die Annahme fern, ihre Untätigkeit könne darauf zurückzuführen sein, dass sie in der Vergangenheit überhaupt keine Sendungen erhalten habe.

Ebenso [X.]ig lassen sich dem [X.] Hinweise darauf entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmte aus den Akten ersichtliche Umstände, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, bei seiner Überzeugungsbildung übergangen habe. Insoweit hätte es konkreter Darlegungen bedurft, insbesondere einer genauen [X.]ezeichnung der Aktenteile, aus denen der Verstoß hergeleitet wird (s. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. Februar 2001 - 9 [X.] 3.01 - juris Rn. 7). Auch daran fehlt es.

3. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe auch die ordnungsgemäße [X.]ekanntgabe des den Steuerbescheiden zu Grunde liegenden [X.] vom 7. Juli 1997 mit Nichtwissen bestreiten dürfen, dringt sie ebenfalls nicht durch. Unter der Prämisse, dass sich der Kläger im Prozess gegen den [X.] auf die etwaige Rechtswidrigkeit der - wirksamen und gegenüber der Steuerschuldnerin bestandskräftigen - Grundsteuerbescheide berufen kann (vgl. zu dieser Frage: [X.]oeker, in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, § 77 [X.] Rn. 55 f., Stand August 2011, § 191 [X.] Rn. 216 f. m.w.[X.], Stand März 2012), ist das [X.]erufungsgericht von einer ordnungsgemäßen [X.]ekanntgabe auch des [X.] ausgegangen. Auf der Grundlage seines - wie bereits ausgeführt - zutreffenden Normverständnisses des § 122 Abs. 2 [X.] hat es auch insoweit unter Hinweis auf seine Ausführungen zu den [X.] angenommen, dass Tatsachen fehlen, die eine Grundlage für Zugangszweifel bilden könnten. Auch dies steht mit [X.]undesrecht in Einklang.

Die Revision hält dem Oberverwaltungsgericht einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht vor, weil es die [X.]eiziehung der Akte des Finanzamtes und sodann Feststellungen dazu, ob und an [X.] der [X.] durch das Finanzamt tatsächlich versandt worden war, verabsäumt habe. Dabei verkennt sie, dass das Gericht nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der [X.]erufungsverhandlung zu einer solchen Sachaufklärung jedenfalls von Amts wegen nicht verpflichtet war. Soweit der Kläger im [X.]erufungsverfahren mit der [X.]eiziehung der [X.] hatte geklärt wissen wollen, ob die [X.] als Adressatin des [X.] laut Gesellschaftsvertrag alleinvertretungsberechtigt oder empfangsbevollmächtigt war, kam es darauf nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des [X.] nicht an. Soweit er den tatsächlichen Zugang (auch) des [X.] mit Nichtwissen bestritten hatte, berücksichtigt die Revision nicht hinreichend den schriftsätzlichen Vortrag der [X.]n, nach Auskunft des Finanzamtes sei der [X.] vom 7. Juli 1997 am 18. Juli 1997 an die [X.] für die Steuerschuldnerin zur Post gegeben worden; weder beim Finanzamt noch bei der [X.]n fänden sich Hinweise auf etwaige [X.]ekanntgabefehler. Hätte der Kläger einen [X.]eweisantrag gestellt, spricht zwar einiges dafür, dass ihn das Oberverwaltungsgericht nicht ohne Weiteres als unzulässigen Ausforschungs- bzw. [X.]eweisermittlungsantrag hätte ablehnen dürfen; denn die (negative) [X.]ehauptung des [X.], die nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fiel, entbehrte auch unter [X.]erücksichtigung des Schriftsatzes der [X.]n nicht von vornherein jeglicher Wahrscheinlichkeit (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Oktober 2014 - 8 [X.] 99.13 - juris Rn. 40 m.w.[X.]). In Anbetracht des [X.]nvorbringens mussten sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Aufklärungsmaßnahmen aber nicht von Amts wegen aufdrängen.

4. [X.]edenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.]es sind im Übrigen nicht ersichtlich. Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis war bei Erlass des Haftungsbescheides nicht durch Zahlungsverjährung erloschen. Denn die fünfjährige Verjährung (§ 228 [X.]) hatte erst mit Ablauf des Kalenderjahres der Steuerfestsetzung, also nicht vor 2007, begonnen (§ 229 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und war daher bei Erlass des [X.]es vom 22. August 2011 noch nicht abgelaufen. Soweit die Revision die Ermessensausübung der [X.]n bei der Entscheidung, gegen den Kläger den [X.] zu erlassen, wegen der behaupteten Unwirksamkeit des Grundsteuermessbescheids angreift, stellt sich diese Frage auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht. Unbeschadet dessen lassen die in dem [X.]escheid vom 22. August 2011 angestellten Ermessenserwägungen erkennen, dass der [X.]n die Subsidiarität des [X.]es bewusst war. Sie ist davon ausgegangen, dass Vollstreckungsversuche gegenüber der Steuerschuldnerin, deren eine Gesellschafterin, die [X.], bereits im Jahr 2005 aufgelöst worden war, ebenso [X.]ig erfolgversprechend waren wie eine Inanspruchnahme der anderen Gesellschafterin, der [X.], oder der Geschäftsführer der Gesellschafterinnen als Haftungsschuldner; die Revision stellt dies nicht in Frage. Schließlich gilt die [X.]eschränkung auf den Teil der Grundsteuer, der für die Zeit seit dem [X.]eginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres zu entrichten ist, nur für die persönliche Haftung (§ 11 Abs. 2 GrStG), nicht aber für die dingliche Haftung gemäß § 12 GrStG.

5. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

9 C 19/15

15.06.2016

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 11. November 2014, Az: 14 A 313/13, Urteil

§ 122 Abs 1 S 2 AO, § 122 Abs 2 AO, § 77 Abs 2 S 1 AO, § 124 Abs 1 AO, § 34 Abs 2 AO, § 41 Abs 2 VwVfG, § 12 GrStG, § 709 Abs 1 BGB, § 138 Abs 4 ZPO, § 86 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.06.2016, Az. 9 C 19/15 (REWIS RS 2016, 9955)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9955

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