Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2007, Az. 4 StR 100/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 3473

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 100/07 vom 13. Juni 2007 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 13. Juni 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.]

als beisitzende [X.], Oberst[X.]tsanwältin beim [X.]

als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin [X.] , Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fäl-len zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unter-bringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. 1 [X.] 1. Nach den der Verurteilung zu Grunde liegenden Feststellungen heira-teten der Angeklagte und die Nebenklägerin im Jahre 1997. Im Leben der [X.] spielte der [X.] von alkoholischen Getränken eine wichtige Rolle. Sie tranken in regelmäßigen Abständen bereits nach dem Aufstehen Alkohol, der Angeklagte überwiegend Bier, die Nebenklägerin eher Schnaps. In der [X.] bis zur Inhaftierung des Angeklagten zur Verbüßung mehrerer Freiheitsstrafen im Jahre 2002 kam es nach dem [X.] von Alkohol mehrfach zu wechselseiti-gen, lautstarken Beleidigungen und Beschimpfungen. Der Angeklagte, der die 2 - 4 - Nebenklägerin in solchen Situationen wiederholt schlug, führte in dieser [X.] mehrfach mit der Nebenklägerin gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr durch. Wegen dieser Vorfälle erstattete die Nebenklägerin aus Furcht, erneut vom Angeklagten geschlagen zu werden und ihre Gesamtsituation zu [X.], keine Strafanzeige, und verzieh dem Angeklagten, weil sie dessen Beteuerungen, sich zu ändern, Glauben schenkte. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 4. November 2005 wurde der Angeklagte auf seinen Wunsch von der Nebenklägerin, die Mitleid mit ihm empfand und hoffte, dass er sich nunmehr geändert habe, wieder in deren Wohnung aufgenommen. Zwischen dem 4. und dem 11. November sowie Ende November/Anfang Dezember 2005 erzwang der Angeklagte, nachdem er und die Nebenklägerin zuvor Bier in nicht mehr feststellbaren Mengen getrunken hatten, unter Anwendung [X.] den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin. Am 5. Januar 2006 zwang der Angeklagte die Nebenklägerin mit Faustschlägen ins Gesicht und der Drohung, er haue der Nebenklägerin sonst "den Schädel weg", mit ihm oral und danach vaginal zu verkehren. 3 2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten bestritten. Die [X.] hat der Nebenklägerin geglaubt, die das Geschehen wie [X.] geschildert hat, und hierzu, soweit es die Aussagetüchtigkeit der Neben-klägerin betrifft, ausgeführt, dass diese "auf Grund ihrer kognitiven Fähigkeiten und Persönlichkeitsvoraussetzungen grundsätzlich in der Lage ist, verlässliche Angaben über Erlebnisse der Art, wie sie sich in ihren Bekundungen finden, zu machen". Sie sei "hinreichend" fähig, gerichtsverwertbare Bekundungen, die auf eigener Wahrnehmung und Erinnerung beruhen, auszudrücken. 4 - 5 - I[X.] Das Rechtsmittel hat mit einer auf die Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO gestützten Rüge Erfolg, sodass es eines [X.] auf weitere Verfahrensrü-gen und auf die Sachrüge - auch bezüglich der Strafzumessung - nicht bedarf. 5 1. Am letzten Hauptverhandlungstag beantragte der Verteidiger des [X.] die Einholung eines Sachverständigengutachtens unter anderem zum Beweis der Tatsache, dass die Nebenklägerin "unter einer krankheitswertigen Alkoholabhängigkeit mit bereits eingetretener Persönlichkeitsdeformation leidet, sodass diese sowohl in ihrer Wahrnehmungs- als auch Erinnerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist". Diesen Antrag lehnte das [X.] mit folgender Begründung ab: 6 "Bezüglich des Antrages auf Einholung eines Sachverständi-gengutachtens fehlen bereits von dem Angeklagten benannte Anknüpfungstatsachen, die auf alkoholbedingte neurologische Ausfälle der Zeugin und Nebenklägerin schließen lassen. Allein der Umstand, dass nach Ansicht des Angeklagten die Zeugin und Nebenklägerin Alkoholikerin ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass sie aus diesem Grunde nicht in der Lage wäre und dies generell, erlebte Sachverhalte zutreffend zu schildern. Einen entsprechenden Erfahrungswert gibt es bei Alkoholabhängigen nicht, entsprechendes ist auch seitens des Angeklagten in seinem Beweisantrag nicht behauptet worden. Soweit sich aus den Zeugenaussagen insgesamt [X.] ergeben, unterliegt dies der Wertung und lässt für sich genommen keine Rückschlüsse darauf zu, dass bei der Zeu-gin bereits Schädigungen der Persönlichkeit mit daraus fol-genden unzutreffenden Wahrnehmungen resultieren". - 6 - 2. Die Revision beanstandet diese Sachbehandlung zu Recht. 7 a) Bei dem Antrag handelt es sich nicht lediglich um einen nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnden Beweisermittlungsantrag, sodass dahinstehen kann, ob sich das [X.] unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, sondern um einen Antrag, der dem Beweisantragsrecht unterliegt, das im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO über das von der Aufklärungspflicht Verlangte hinausgeht (vgl. [X.], 567, 568 m. [X.]). 8 [X.]) Der Antrag bezeichnet hinreichend bestimmte [X.], die dem [X.], hier: durch eine psychiatrische Begutachtung (vgl. [X.], 558; NStZ - RR 1997, 106), zugänglich sind, und genügt damit den nach der Rechtsprechung (vgl. BGHSt 37, 162, 164; 39, 251, 253 jew. m.w.[X.]) an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Die Behaup-tung, die Nebenklägerin leide —unter einer krankheitswertigen Alkoholabhängig-keit mit bereits eingetretener Persönlichkeitsdeformationfi, die zu einer erhebli-chen Beeinträchtigung sowohl ihrer Wahrnehmungs- als auch Erinnerungsfä-higkeit geführt habe, erfüllt unter den hier gegebenen Umständen trotz ihrer —schlagwortartige(n) [X.] (vgl. BGHSt 39, 141, 144) noch die [X.] an eine bestimmte Beweisbehauptung. 9 bb) Es liegt auch nicht der Fall vor, dass die Verteidigung ohne konkrete Grundlage, gewissermaßen —ins [X.], die Beweiserhebung beantragt hat. Einem Beweisbegehren, das - wie hier - in die Form eines Beweisantrags gekleidet ist, muss allerdings nicht oder allenfalls nach Maßgabe der [X.] nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Gerate-10 - 7 - wohl aufgestellt wurde, sodass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. [X.], 497; [X.], 233 m.w.[X.]). Ob es sich bei einem Beweisbegehren um einen Beweisermittlungsantrag handelt, ist aus der Sicht eines verständigen An-tragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht infrage gestellten Tatsa-chen zu beurteilen (vgl. [X.], 334; 2003, 497; [X.], 405). Gemessen daran liegt ein Beweisantrag vor. Nach den Feststellungen lag nicht nur bei dem Angeklagten, sondern auch bei der Nebenklägerin ein langjähriger, in dem [X.]raum November 2005 bis Januar 2006 noch andauernder massiver Alkoholmissbrauch nahe. Im [X.] darauf und auf das in den Urteilsgründen dargestellte [X.] der Nebenklägerin ist die Beweisbehauptung aus der Sicht eines verständigen Antragstellers keine lediglich aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellte Be-hauptung, zumal das [X.] selbst die Aussagetüchtigkeit der Nebenklä-gerin nur als —grundsätzlichfi gegeben erachtet und diese lediglich als —hinrei-chendfi fähig angesehen hat, gerichtsverwertbare Bekundungen zu machen, die auf eigener Wahrnehmung beruhen. 11 b) Der Antrag hätte daher nur aus einem der in § 244 Abs. 3 und 4 StPO abschließend aufgezählten Gründe (vgl. BGHSt 29, 149, 151) abgelehnt wer-den dürfen. Das [X.] hat jedoch in der Beschlussbegründung keinen dieser Ablehnungsgründe angeführt. Soweit die Ausführungen zum Fehlen ei-nes Erfahrungswertes hinsichtlich einer Beeinträchtigung der [X.] dahin ausgelegt werden könnten, dass sich das [X.] auf seine eigene Sachkunde berufen wollte, würde dies die Ablehnung nicht tragen, weil das Gericht selbst - wie bereits ausgeführt- Unsicherheiten in der Beurteilung der Aussagetüchtigkeit hat erkennen lassen. 12 - 8 - II[X.] Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es für eine Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht ausreicht, dass diese nicht lediglich "von vornherein aussichtslos" erscheint. Vielmehr ist erforderlich, dass die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. [X.] 91, 1). 13 Tepperwien [X.] [X.] [X.] Ernemann

Meta

4 StR 100/07

13.06.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2007, Az. 4 StR 100/07 (REWIS RS 2007, 3473)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3473

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