Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.08.2021, Az. 3 StR 247/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 3103

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Gegenstand

Schwere Brandstiftung: Teilweise Zerstörung einer infolge vorangegangener Brandstiftung unbewohnbaren Wohnung


Leitsatz

Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine Brandlegung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen Brandstiftung nicht nutzbar war.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. März 2021 wird als unbegründet verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen schweren Brandstiftung schuldig ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen ʺfahrlässiger [X.] zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, hat aber die Änderung des Schuldspruchs zur Folge.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen verbrannte der Angeklagte am 29. September 2020 Fotos in einem Plastikeimer. Als das Feuer auf den Eimer übergriff und Löschbemühungen des Angeklagten vergeblich blieben, verließ er die Wohnung. Durch Hitzeentwicklung und Rauchgase wurden Elektroleitungen in einer Wand zwischen Küche und Badezimmer, ein Durchlauferhitzer, der Laminatboden der Küche sowie die Küchenzeile zerstört. Aufgrund der [X.]schäden erklärte das Bauordnungsamt die Wohnung für unbewohnbar. Die Nutzung der anderen Wohnungen wurde untersagt, da infolge des [X.] ein zweiter Rettungsweg fehlte. Die Folgen waren für den Angeklagten spätestens beim Verlassen der [X.]stelle vorhersehbar und bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt vermeidbar.

3

Der Angeklagte kehrte wieder in die Wohnung zurück und entschloss sich am 10. Oktober 2020 in [X.], das [X.] zu setzen. Dazu entzündete er im Badezimmer verschiedene Textilien. Dadurch gerieten die hölzerne Badezimmertür und Türzargen in [X.]. Das Badezimmerfenster und elektrische Installationen wurden zerstört sowie Decken und Wände derart durch Ruß- und [X.] beschädigt, dass sie nebst Dämmung durch die Feuerwehr entfernt werden mussten. Die sanitären Anlagen und eine Waschmaschine wurden komplett unbrauchbar. Die Wohnung war erneut nicht nur vorübergehend unbewohnbar; es waren umfassende Sanierungsarbeiten erforderlich.

4

Nachdem Polizeibeamte an dem Haus angekommen waren, schlug der Angeklagte mit einer Metallstange in deren Richtung, nahm einen von ihnen in den [X.] und spuckte.

5

Der Angeklagte war bei allen Taten aufgrund einer krankhaften seelischen Störung lediglich eingeschränkt in der Lage, entsprechend dem erkannten Unrecht seiner Tat zu handeln. In Bezug auf den zweiten Tattag hat die [X.] es für möglich gehalten, dass die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sei.

6

2. Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.] unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. [X.] Ausführungen bedarf allein, dass das [X.] zutreffend angenommen hat, der Tatbestand der schweren [X.]stiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB sei durch das zweite [X.]geschehen ungeachtet der bereits zuvor eingetretenen [X.]schäden verwirklicht worden. Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine [X.]legung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen [X.]stiftung nicht nutzbar war.

7

a) Ein teilweises Zerstören liegt bei einer [X.]stiftung in einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich vor, wenn ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die [X.]legung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (s. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2002 - 4 [X.], [X.]St 48, 14, 20; Beschlüsse vom 18. November 2020 - 4 StR 35/20, NJW 2021, 1107 Rn. 10; vom 21. Januar 2020 - 3 StR 392/19, [X.], 597 Rn. 7 f.). Ob ein solcher Zerstörungserfolg eingetreten ist, muss das Tatgericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten [X.] beurteilen ([X.], Beschluss vom 14. November 2019 - 3 StR 408/19, [X.]R StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Teilweises Zerstören 1 Rn. 9).

8

b) Dass eine Wohnung nach diesen Maßstäben bereits unbrauchbar gewesen ist, steht ihrer weiteren Zerstörung und mithin derjenigen des gesamten Gebäudes nicht entgegen.

9

Der Gesetzgeber hatte mit der Tatbestandserweiterung des § 306 Abs. 1 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. [X.], [X.] I 1998 S. 164) und dem damit verfolgten Anliegen, erheblichen Menschengefährdungen und hohen Sachschäden ebenso zu begegnen wie bei [X.]stiftungen ʺherkömmlicher [X.] (s. BT-Drucks. 13/8587 S. 26), brandbedingte Einwirkungen auf die [X.] des Wohnobjekts im Blick, nicht dagegen allein ein Hervorrufen der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2018 - 3 StR 13/18, NJW 2019, 90 Rn. 26). Die Unbrauchbarkeit einer Untereinheit ist vielmehr für die Frage von Belang, ob die Beeinträchtigungen von solchem Gewicht sind, dass ein teilweises Zerstören des Gebäudes vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, [X.]St 57, 50 Rn. 7; Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, [X.]St 56, 94 Rn. 9). Dabei braucht die Nutzungsbeschränkung nicht von Dauer zu sein. Obschon der betroffene Zeitraum beträchtlich sein muss und wenige Stunden oder ein Tag nicht ausreichen, können nach den Umständen des Einzelfalls zwei Tage genügen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 2020 - 3 StR 392/19, [X.], 597 Rn. 8 f.).

Danach kann eine aufgrund von [X.]schäden länger nicht brauchbare Wohnung abermals durch [X.]legung zerstört werden. Eine weitere Beeinträchtigung der [X.] kommt - je nach dem Umfang der Vorschädigung - noch in Betracht. Ob sie von solchem Gewicht ist, dass sie eigenständig als teilweise Zerstörung des Gebäudes zu werten ist, ist anhand der allgemeinen Maßstäbe zu klären.

Für eine solche Möglichkeit der wiederholten [X.]legung in Bezug auf dasselbe Objekt spricht insbesondere, dass regelmäßig nicht allein die [X.] von [X.] noch erweitert wird, sondern mit der erneuten [X.]legung auch erhebliche Personen- und Sachgefährdungen einhergehen. Unabhängig davon, ob eine Wohnung bereits zuvor unbrauchbar war, drohen allgemein Gefahren für sonstige Hausbewohner oder Rettungskräfte. Da zudem für die Beurteilung der Unbrauchbarkeit ein an einem ʺverständigen Wohnungsinhaberʺ ausgerichteter objektiver Maßstab heranzuziehen ist (vgl. [X.], Urteil vom 5. September 2017 - 5 [X.], NJW 2018, 246 Rn. 12 mwN), können überdies - wie etwa die vom [X.] getroffenen Feststellungen zeigen - diesen Maßstab nicht beachtende, in der zerstörten Wohnung lebende Menschen gefährdet sein. Der Tatbestand des § 306a Abs. 1 StGB erfasst gerade abstrakte Gefahren für Leib und Leben von Menschen, die sich aus der teilweisen Zerstörung von Wohngebäuden durch [X.]legung wegen des damit verbundenen generellen hohen Gefährdungspotentials ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, [X.]St 56, 94 Rn. 10).

Insgesamt ist vor diesem Hintergrund weder nach dem Wortlaut der Norm noch nach dem Gesetzeszweck eine enge Auslegung geboten, nach der eine bereits durch [X.]legung unbrauchbare Wohnung als taugliches Tatobjekt generell ausscheidet.

c) Demgemäß tragen die Urteilsgründe die rechtliche Bewertung, dass der Angeklagte durch die zweite [X.]legung das Wohngebäude durch [X.]legung weiter zerstörte. Der [X.] führte zur Unbrauchbarkeit verschiedener zuvor noch nicht betroffener Wohnungsbestandteile und machte zusätzliche Sanierungsarbeiten erforderlich, welche die Nutzbarkeit weitergehend einschränkten. Daher kann hier dahinstehen, ob im Übrigen in Bezug auf den nicht näher konkretisierten [X.] einer Zimmertür eine Inbrandsetzung des Gebäudes anzunehmen ist (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 9. Februar 1988 - 4 StR 9/88, [X.]R StGB § 63 Tat 1 mwN).

3. Allerdings ist der Schuldspruch klarzustellen. Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, zerstörte der Angeklagte durch die erste Tat ein Tatobjekt im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies ist auch bei einer fahrlässigen Tatbegehung nach § 306d Abs. 1 StGB im Tenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. allgemein [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 260 Rn. 23; zum Konkurrenzverhältnis zwischen [ʺeinfacherʺ] [X.]stiftung und schwerer [X.]stiftung [X.], Beschluss vom 21. November 2000 - 1 StR 438/00, [X.]R StGB § 306 Abs. 1 Konkurrenzen 1).

VRi[X.] Prof. Dr. Schäfer
befindet sich im Urlaub
und ist deshalb an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

        

[X.]   

        

Anstötz

[X.]

                                   
        

   Erbguth   

        

Voigt   

        

Meta

3 StR 247/21

24.08.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 19. März 2021, Az: 21 KLs 3/21

§ 306a Abs 1 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.08.2021, Az. 3 StR 247/21 (REWIS RS 2021, 3103)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3205 REWIS RS 2021, 3103


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 247/21

Bundesgerichtshof, 3 StR 247/21, 24.08.2021.


Az. 21 KLs 3/21

Landgericht Krefeld, 21 KLs 3/21, 19.03.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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