Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2003, Az. 3 StR 199/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1905

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[X.]/03vom14. August 2003in der [X.] Betrugs- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 14. August 2003 gemäß § 349Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2002 mit den Feststellungen auf-gehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat die Angeklagten [X.] , [X.] und [X.] wegen Betrugs in jeweils zwei Fällen zu [X.] fünf Jahren bzw. vier Jahren sechs Monaten und vier Jahren verurteilt; ge-gen den Mitangeklagten [X.] hat es wegen Betrugs unter Einbe-ziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung eine Gesamtfrei-heitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die auf Verletzungformellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten ha-ben mit einer von sämtlichen Beschwerdeführern erhobenen [X.].[X.] Recht beanstanden die Beschwerdeführer, daß die [X.] un-ter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 2 [X.] in der Hauptverhandlung mit nur- 3 -zwei Berufsrichtern besetzt gewesen ist. Die fehlerhafte Besetzung des erken-nenden Gerichts hat als absoluter Revisionsgrund die Aufhebung des [X.] Folge (§ 338 Nr. 1 StPO).1. Den [X.] liegt folgender prozessualer Sachverhalt zugrunde:Mit Anklageschrift vom 24. Februar 1999 hat die Staatsanwaltschaft [X.] [X.] 707 Straftaten, dem Angeklagten [X.]211 Straftaten und dem Angeklagten [X.]633 Straftaten zur Last ge-legt. Die Anklageschrift umfaßt ohne Anlagen 189 Seiten. Sie benennt für [X.] 289 Zeugen und einen Sachverständigen; die darin aufgeführtenUrkunden und Augenscheinsobjekte umfassen mehr als hundert Ordner. Das[X.] hat diese Anklage, soweit sie sich gegen die Eheleute [X.]richtet, durch Beschluß vom 31. Mai 1999 und, soweit sie den [X.] betrifft, durch Beschluß vom 20. August 1999 zur [X.]; zugleich hat es für die Hauptverhandlung die reduzierte Beset-zung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen be-stimmt. Eine zweite Anklage vom 16. November 1999, die sich auch gegen [X.]richtet, hat die [X.] mit Beschluß vom 29. November 2000 [X.] zugelassen und die Sache mit dem bereits rechtshängigenVerfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. [X.] vier Angeklagten wurden durch insgesamt sechs Verteidiger vertre-ten.Mit Verfügung vom 26. Oktober 2001 hat der Vorsitzende in dieser Sa-che zunächst 15 Verhandlungstermine anberaumt. Nach dem [X.] allein für die Verlesung der Anklage und die Vernehmung der Angeklagten- 4 -drei Verhandlungstage vorgesehen; zu den folgenden zwölf Terminen [X.] Zeugen geladen werden. Zugleich mit der Ladungsverfügung hat der [X.] gemäß § 192 Abs. 2 und 3 [X.] die Zuziehung eines Ergänzungs-schöffen angeordnet und die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, daßmit einer Hauptverhandlung von mehreren Monaten Dauer zu rechnen sei.Unter Hinweis auf diese Besonderheiten des vorliegenden Falles hat [X.] des Angeklagten [X.] zu Beginn der Hauptverhandlung dieBesetzung des erkennenden Gerichts beanstandet: Umfang und [X.] geböten die Zuziehung eines dritten Berufsrichters. Die [X.] der übrigen Angeklagten haben sich dieser Rüge angeschlossen. Die[X.] hat die Besetzungsrügen mit der Begründung zurückgewiesen,die große Anzahl der Taten gebiete die Zuziehung eines weiteren Berufsrich-ters nicht, weil die [X.] bei den einzelnen Taten der Anklage zu-folge weitgehend gleich gewesen sein solle.2. Den zulässig erhobenen Besetzungsrügen, die auch bei der gebote-nen entsprechenden Anwendung des § 338 Nr. 1 Halbs. 2 i. V. m. § 222 bStPO (vgl. [X.]St 44, 328, 332 f.) nicht präkludiert sind, kann der Erfolg nichtversagt werden. Mit nur zwei Berufsrichtern war das erkennende Gericht feh-lerhaft besetzt.Nach § 76 Abs. 2 [X.] steht der das Hauptverfahren eröffnenden [X.] bei der Entscheidung über ihre Besetzung in der [X.] Ermessen zu; die Dreierbesetzung ist zu beschließen, wenn dies nachdem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache notwendig erscheint. Bei [X.] dieser gesetzlichen Merkmale ist der [X.] indes ein weiterBeurteilungsspielraum eingeräumt, bei dessen Ausfüllung die Umstände des- [X.] zu berücksichtigen sind ([X.]St 44, 328, 334). Bedeutsam für denUmfang der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erfor-derlichen Dolmetscher, die Zahl der den Angeklagten vorgeworfenen Strafta-ten, die Zahl der Zeugen und anderen Beweismittel, die Notwendigkeit [X.], der Umfang der Akten sowie die zu erwartendeDauer der Hauptverhandlung. Die überdurchschnittliche Schwierigkeit der Sa-che kann sich aus der Erforderlichkeit umfangreicher Sachverständigengut-achten, aus zu erwartenden Beweisschwierigkeiten oder aus der [X.] aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen ergeben ([X.] aaO m. w. N.). [X.] verdient die Dreierbesetzung den Vorzug (vgl. [X.]St 44, 328,335), weil die Mitwirkung eines weiteren Berufsrichters es ermöglicht, die [X.] in der Hauptverhandlung sachgerechter zu verteilen und den [X.] intensiver zu würdigen (vgl. [X.]. 12/1217 S. 46). Ein Verstoßgegen § 76 Abs. 2 [X.] begründet die Revision allerdings nur dann, wenn die[X.] ihre Entscheidung auf sachfremde Erwägungen gestützt oder denihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschrittenhat, so daß ihre Entscheidung objektiv willkürlich erscheint ([X.]St 44, [X.] ist hier der Fall: Allein die große Zahl der den Angeklagten zur Lastgelegten Straftaten - mehrere hundert Fälle des Betrugs zum Nachteil zahlrei-cher Anleger - belegt, daß es sich um eine Sache von [X.] handelt. Entgegen der Auffassung der [X.] fällt [X.] auch nicht entscheidend ins Gewicht, daß die [X.] bei deneinzelnen Taten der Anklage zufolge weitgehend gleich gewesen sein soll;denn dieser Umstand macht die Führung des [X.] hinsichtlich dereinzelnen [X.] nicht entbehrlich. Wollte man der vorliegenden Sache- 6 -den besonderen Umfang im Sinne von § 76 Abs. 2 [X.] absprechen, ließe sichkaum noch ein Fall denken, bei dem dieses Merkmal die Zuziehung eines [X.] Berufsrichters erforderlich machen würde. Dies widerspräche den Intentio-nen des Gesetzgebers, dem bewußt war, daß mit der Verkleinerung des [X.] berufenen [X.] Gefahren für die Qualität der richterli-chen Entscheidungen verbunden sein könnten, und der deshalb [X.] umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen an der bewährten Dreierbesetzungfesthalten wollte ([X.]. 12/1217 S. 47).Der [X.] mag bei der Zurückweisung des [X.] Entscheidung des Senats ([X.]St 44, 328) vor Augen gestanden sein, inder er in einer dem Umfang nach vergleichbaren Sache die Anordnung der [X.] Besetzung zwar als rechtlich bedenklich bezeichnet, im Ergebnisaber nicht als objektiv willkürlich bewertet hat ([X.] aaO S. 335 f.). Die An-nahme fehlender Willkür beruhte in diesem Fall jedoch auf [X.]: Zum einen hatte es, wie in der Entscheidung betont wird, [X.] höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 76 Abs. 2 [X.] gegeben, an dersich die [X.] damals bei ihrer Entscheidung hätte orientieren [X.] anderen hatten die Angeklagten jenes Verfahrens überwiegend [X.] abgelegt oder zumindest eine Einlassung zum Anklagevorwurfangekündigt, was eine erhebliche Abkürzung der Hauptverhandlung erwartenließ ([X.] aaO). Im vorliegenden Fall konnte dagegen mit Geständnissen nichtgerechnet werden, nachdem sich die Angeklagten - wie der Anklageschrift vom24. Februar 1999 zu entnehmen ist - im Ermittlungsverfahren nicht zur Sacheeingelassen hatten. Die [X.] mußte deshalb davon ausgehen, daß sieeinen erheblichen Teil der benannten 289 Zeugen werde vernehmen und [X.] eine langwierige Beweisaufnahme durchführen müssen; tatsächlich sind- 7 -45 Verhandlungstage erforderlich gewesen, obwohl lediglich etwa 70 Zeugenvernommen worden sind. Der zu erwartenden längeren Dauer der [X.] hat der Vorsitzende in seiner Terminsverfügung vom 26. [X.] dadurch Rechnung getragen, daß er gemäß § 192 Abs. 2 und 3 [X.] dieZuziehung eines Ergänzungsschöffen angeordnet hat. Diese Entscheidung [X.] macht deutlich, daß die Auffassung der [X.], die [X.] ihres Umfangs wegen nicht die Mitwirkung eines dritten Berufsrich-ters, völlig verfehlt war.Auf die Besetzungsrügen hin hätte die [X.] deshalb den [X.] vom 31. Mai 1999 aufheben müssen,weil dieser nach der zum Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- [X.] fehlerhaft war (vgl. [X.]St 44, 328, 333; [X.] in Löwe/[X.] Aufl. § 76 [X.] Rdn. 16). Soweit in Teilen des Schrifttums die Auffassungvertreten wird, eine solche nachträgliche Abänderung der Besetzung sei aus-geschlossen ([X.], [X.] 3. Aufl. § 76 [X.] Rdn. 6 - unter Bezugnahme aufdie Gesetzesbegründung [[X.]. 12/1217 S. 48]; [X.] in [X.]. § 76[X.] Rdn. 4; [X.], [X.] Aufl. § 76 [X.] Rdn. 4), vermag sichder Senat dem nicht anzuschließen. Da ein rechtsfehlerhafter Beschluß nach§ 76 Abs. 2 [X.] zur Folge hat, daß das erkennende Gericht nicht vorschrifts-mäßig besetzt ist, wird durch die nachträgliche Abänderung eines derartigenBeschlusses der Angeklagte [X.] (Art. 101 Abs. 1Satz 2 GG) entzogen.[X.] -Auf die von den Beschwerdeführern erhobene Sachrüge kommt es [X.] nicht mehr an. [X.] Fehler des angefochtenen Urteils ge-ben jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen:Im Fall [X.]) der Urteilsgründe ist das [X.] bei der Strafzumes-sung von einem zu hohen Schaden und damit von einem zu großen Schuld-umfang ausgegangen. Bei betrügerischen Warentermingeschäften besteht [X.] der Anleger in der Regel nicht in dem gezahlten Options-preis; maßgeblich ist vielmehr die Differenz zwischen dem vereinbarten [X.] und dem wirklichen Wert der Option, der sich aus den [X.] (plazierte [X.] zuzüglich Brokerkommission) und der [X.] seriösen inländischen Maklers (marktüblich 20 %) zusammensetzt (vgl.[X.]St 32, 22, 23 ff.; [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 59). [X.] verhält es sich nur dann, wenn der Anleger über Eigenart und Risiken [X.] derart getäuscht wird, daß er mit der Option etwas völlig [X.] erwirbt, als er erwerben wollte, etwa wenn ihm der Erwerb einer [X.] wertbeständige Geldanlage vorgespiegelt wird ([X.]St 31, 22, 23). Eine soweitgehende Täuschung der Anleger hat die [X.] aber nicht [X.].[X.] begegnet auch die Strafzumessung im FallIII.2) der Urteilsgründe. Angesichts eines Vermögensschadens von rund560.000 DM erscheinen die von der [X.] - vor Berücksichtigung derrechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung - für angemessen erachteten Ein-zelstrafen von sechs bzw. fünf Jahren unvertretbar hoch, zumal die [X.] mit Ausnahme des Angeklagten [X.]nicht vorbestraft sind und [X.] zum Zeitpunkt der Aburteilung bereits fast acht [X.] der neue Tatrichter wiederum zu einer Verurteilung der Ange-klagten kommen, wird er bei der Strafzumessung den Beschluß des Bundes-verfassungsgerichts vom 25. Juli 2003 (2 [X.]) zu den [X.] rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu beachten haben.[X.] von [X.]

Meta

3 StR 199/03

14.08.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2003, Az. 3 StR 199/03 (REWIS RS 2003, 1905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1905

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