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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
1. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen 5 K 7777/17.TR geführten Klage gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin enthaltene Abschiebungsandrohung hat keinen Erfolg.
Mit Ihrem Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz – AsylG – als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – bestehen, und auf der Grundlage der §§ 35 und 36 Abs. 1 AsylG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angedroht. Außerdem hat sie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Soweit sich das Begehren des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch auf die zuletzt genannte und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Befristungsentscheidung beziehen sollte, ist der Antrag unzulässig, denn im Falle eines Obsiegens würde das nach § 11 Abs. 1 AufenthG entstehende gesetzliche Einreise– und Aufenthaltsverbot unbefristet gelten, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG die Rechtsstellung des betroffenen Ausländers nicht verbessern kann und von daher das für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vergleiche VG München, Beschluss vom 21. September 2016 –M 17 S 16.32997 –, VG Oldenburg, Beschluss vom 8. Januar 2016 – 5 B 4510/15 –, juris, unter Hinweis auf OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14. Dezember 2015 – 8 PA 199/15 –, alle veröffentlicht bei juris). Eine Verkürzung der Befristung könnte vielmehr allenfalls mit einer Verpflichtungsklage verfolgt werden, so dass diesbezüglich vorläufiger Rechtsschutz nur mittels eines Antrages nach § 123 VwGO erreicht werden könnte, den der Antragsteller indessen nicht gestellt hat.
Im Übrigen ist der Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz unbegründet.
Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die insoweit gemäß § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Entscheidung der Antragsgegnerin anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse der Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen, wobei allerdings gemäß §§ 36 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 AsylG eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides in Betracht kommt. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einer rechtlichen Überprüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 23 L 503.17 A – mit Verweis auf BVerfG, Urteil vom 11. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 -, juris).
Ausgehend hiervon kann der vorliegende Antrag keinen Erfolg haben, da es an eben solchen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ermangelt.
Insbesondere ist die von dem Antragsteller zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens allein vorgebrachte pauschale Verweisung auf den Vorlagebeschluss des VGH Baden-Württemberg vom 15. März 2017 – A 11 S 2151/16 – nicht geeignet, durchgreifende Bedenken an der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin zu begründen.
Soweit der VGH Baden-Württemberg in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH vom 15. März 2017 – A 11 S 2151/16 –, juris, die Auffassung vertritt, dass eine Überstellung nach Italien unzulässig sei, wenn den Asylantragsteller in Italien im Falle der Zuerkennung internationalen Schutzes unzumutbare Lebensumstände erwarteten, vermag die Kammer sich dem nicht anzuschließen. Die Kammer ist nämlich davon überzeugt, dass in Italien anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich menschenrechtskonform behandelt werden und in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken, zumal sie in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und auch tatsächlich die Möglichkeit des Zugangs zu ausreichender gesundheitlicher Versorgung haben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG -, juris, gegen das das BVerwG mit Beschluss vom 21. Mai 2014 – 10 B 31/14 – die Revision nicht zugelassen hat; s.a. Beschluss der Kammer vom 8. März 2017 – 5 L 2283/17.TR –, VG München, Urteil vom 6. Dezember 2016 – M 12 K 16.33413 – und Beschluss vom 6. März 2017 – M 17 S 17.33096 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 22. September 2016 – 13 A 2448/15.A – und insbesondere vom 7. Juli 2016 – 13 A 2132/15.A – mit weiteren Nachweisen; siehe auch VG Oldenburg, Urteil vom 17. November 2016 – 1 A 142/15 –; alle – bis auf den zitierten Beschluss der Kammer – veröffentlicht bei juris).
Des Weiteren ist eine in Italien im Einzelfall eventuell drohende Obdachlosigkeit nicht geeignet, generell eine mit den Grundsätzen des europäischen Asylrechts unvereinbare Behandlung anerkannter Flüchtlinge in Italien anzunehmen (vgl. eingehend OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A – und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014, a.a.O., juris), zumal Art. 3 EMRK die Signatarstaaten nicht dazu verpflichtet, anerkannten Flüchtlingen eine Wohnungsunterkunft zur Verfügung zu stellen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteile vom 18. Dezember 2014 – C 542/13 – und vom 21. Januar 2011 – 30696/09 -, beide veröffentlicht bei juris).
Dass die wirtschaftliche Situation in dem Zielstaat der Überstellung schlechter ist als diejenige in der Bundesrepublik Deutschland, stellt für sich genommen keine Verletzung von Art. 3 EMRK dar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. August 2016 – 13 A 63/16.A -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014, a.a.O).
Schlussendlich vermag sich die Kammer auch der Auffassung des VGH Baden-Württemberg in dem Beschluss vom 15. März 2017, a.a.O. Rd.-Nr. 25, wonach das Erfordernis der Inländergleichbehandlung gemäß Art. 3 EMRK im Bereich des Asylrechts durch die Anforderungen der Richtlinie 2011/95/EU („Qualifikationsrichtlinie“) und insbesondere das Erfordernis hinreichender Integrationsmaßnahmen konkretisiert werde, nicht anzuschließen, da dieser Schlussfolgerung die Systematik des Unionsrechts entgegensteht.
Gemäß Art. 288 UA. 3 AEUV sind Richtlinien der Europäischen Union allein an die jeweiligen Mitgliedstaaten gerichtet (vgl. insoweit auch Art. 42 der Richtlinie 2011/95/EU). Sie beinhalten für die adressierten Mitgliedstaaten einen jeweils durch ihren Regelungsgehalt konkretisierten Umsetzungsauftrag. Kommt ein Mitgliedstaat dieser primärrechtlichen Umsetzungspflicht nicht innerhalb der jeweiligen Umsetzungsfrist nach, bieten die Art. 258 ff. AEUV die Möglichkeit zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, in dessen Rahmen allein der EuGH zur Entscheidung über die mangelnde Umsetzung der jeweiligen Richtlinie berufen ist (Art. 260 Abs. 1 AEUV). Aufgrund des unionsrechtlichen Charakters der Richtlinien ist die Kontrolle über die rechtmäßige Umsetzung der jeweiligen Richtlinie damit grundsätzlich ausschließlich den unionalen Gerichten vorbehalten.
Aus dieser inneren Systematik des Unionsrechts folgt, dass es den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten verwehrt ist, die Anforderungen an die Behandlung international Schutzberechtigter gemäß Art. 3 EMRK an den Anforderungen der Richtlinie 2011/95/EU zu messen. Ein solches Vorgehen liefe nämlich schlussendlich auf eine wechselseitige Kontrolle der Erfüllung der Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten untereinander hinaus. Die Überprüfung der Frage, ob und inwieweit ein Mitgliedstaat seinem primärrechtlichen Umsetzungsauftrag entsprochen hat, obliegt jedoch, wie dargestellt, grundsätzlich ausschließlich dem Europäischen Gerichtshof. In das durch die Richtlinie hervorgerufene tripolare Verhältnis zwischen dem unionalen Gesetzgeber, dem durch die Richtlinie jeweils adressierten Mitgliedstaat und dem durch die einzelnen Bestimmungen der Richtlinie gegebenenfalls Begünstigten vermögen die nationalen Gerichte eines anderen Mitgliedstaates nicht dergestalt hineinzuwirken, dass sie die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie – auch nicht inzident im Rahmen der rechtlichen Überprüfung einer nationalen Behördenentscheidung – zur Entscheidung stellen.
Im Hinblick auf die Struktur des europäischen Asylsystems bedeutet dies, dass ein Asylbegehrender aus der unterlassenen oder mangelnden Umsetzung eines Richtlinienauftrags durch den Mitgliedstaat, durch den ihm internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in einem anderen Mitgliedstaat keine über den Gehalt des Art. 3 EMRK hinausreichenden Rechte herleiten kann (vgl. mit ähnlicher Argumentation auch VG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2017 a.a.O.). Europäische Richtlinien beinhalten nämlich als Rechtsakte des unionalen Sekundärrechts, anders als Verordnungen, grundsätzlich keine unmittelbar wirkende Anspruchsgrundlage für das Begehren einzelner Personen. Sie sind vielmehr Akt der mittelbaren Rechtssetzung, dessen Regelungsgehalt für den Einzelnen erst durch die entsprechenden Umsetzungsakte des jeweiligen Mitgliedstaates rechtliche Wirkung entfaltet (vgl. VG Mainz, Urteil vom 16. Februar 2009 – 6 K 678/02-MZ – m.w.N.). Etwas anderes gilt in Ausnahme zu diesem Grundsatz nur dann, wenn die Frist zur Umsetzung der jeweiligen Richtlinie verstrichen ist, die Vorgaben der Richtlinie durch den jeweiligen Mitgliedstaat nicht oder nur unzureichend umgesetzt worden sind und die jeweilige Richtlinienbestimmung, auf die sich der Einzelne beruft, unbedingt und hinreichend genau ist. In diesem Falle ist es dem Einzelnen möglich, sich auf einzelne Richtlinienbestimmungen, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, zu berufen (vgl. VG Mainz, Urteil vom 16. Februar 2009 a.a.O.) Daher ist der Asylbegehrende im Falle einer unzureichenden Umsetzung einer Richtlinie, die ihm entsprechende Individualrechte vermittelt, aufgefordert, diese Rechte vor den nationalen Gerichten des ihm Schutz gewährenden Staates oder den europäischen Gerichten einzufordern (vgl. auch EuGH, Urteil vom 17. März 2016 – C-695/15 PPU – juris). Die Möglichkeit, eine unzureichende Richtlinienumsetzung außerhalb des die Umsetzungspflicht verletzenden Mitgliedstaates geltend zu machen und hieraus unmittelbare Rechtspositionen gegen einen anderen Mitgliedstaat herzuleiten, sieht das Unionsrecht hingegen nicht vor.
Da aus Sicht der Kammer keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der EuGH in Beantwortung der Vorlagefragen des VGH Baden-Württemberg vom 15. März 2017 – A 11 S 2151/16 – und des BVerwG vom 27. Juni 2017 – 1 C 26.16 -, wobei in Bezug auf den zuletzt genannten Beschluss bislang nur die Pressemitteilung des BVerwG Nr. 47/2017 zugänglich ist, die keine Rückschlüsse dahingehend zulässt, zu welcher Auffassung das BVerwG tendiert, von dieser primärrechtlich determinierten Systematik abrückt, bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin, sodass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.
Meta
20.07.2017
Beschluss
Zitiervorschlag: Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 20.07.2017, Az. 5 L 7778/17.TR (REWIS RS 2017, 7718)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 7718
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