Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2013, Az. 4 StR 84/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 4008

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4 StR 84/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Verdachts der Rechtsbeugung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 18. Juli 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am [X.]
Roggenbuck,
[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 10.
Oktober 2012 mit den [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten, einen Vorsitzenden [X.]

, vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit
Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt freigesprochen. Die vom Gene-ralbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Die Anklage legt dem Angeklagten Rechtsbeugung in Tateinheit mit Ur-kundenfälschung in fünf Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, zur Last, weil er entgegen dem in §
275 Abs.
1 Satz 3 der Strafprozessordnung normierten Verbot nach Ablauf der gesetzlich vorge-sehenen Frist von fünf Wochen die Urteilsgründe geändert oder ergänzt und dabei zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum Nachteil des jeweiligen [X.]s zu handeln. Das [X.]

lehnte die Eröff-
1
2
-
4
-

e-nommen werden könne. Die Tatbestände der Urkundenfälschung und der Voll-streckungsvereitelung unterfielen der Sperrwirkung des §
339 StGB. Das Ober-landesgericht

ließ die Anklage
mit Beschluss vom 23.
April 2012
(OLGSt StGB §
339 Nr.
3) zu und eröffnete das Verfahren vor dem [X.]

, weil der Angeklagte der Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in
einem Fall in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, hinreichend verdächtig sei.
1.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wurde der Ange-klagte am 1.
Oktober 1996 zum Vorsitzenden [X.]

befördert, wo er zunächst eine große [X.] leitete und später den [X.] in einer kleinen [X.] innehatte. Wegen verspäteter Zustellung von Urteilen kam es zu mehreren Disziplinarverfahren: Am 12.
August 1999 erteilte ihm der Präsident des [X.]s

einen Vorhalt, mit
Schreiben vom
1.
Juli 2002 erteilte er dem Angeklagten einen Verweis, weil er in sieben Fällen ohne erkennbaren Grund die Zustellung von Urteilen erst dreieinhalb bis neun Monate nach ihrem Eingang auf der Geschäftsstelle verfügt hatte. Das Dienst-gericht für [X.] bei dem [X.]

verhängte gegen den Ange-
klagten mit rechtskräftigem Disziplinarbescheid vom 27.
Juli 2006 eine Geld-buße von 1.500

viereinhalb bis zwölfeinhalb Monate nach ihrem Eingang auf der [X.] verfügt hatte. Im August 2007 leitete die Staatsanwaltschaft

gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung ein. Mit Beschluss vom 8.
Januar 2008 wurde der Ange-klagte wegen der hier
festgestellten fünf Sachverhalte und siebzehn weiterer Fälle, in denen unvollständig abgefasste Urteile zur Geschäftsstelle gelangt [X.], durch das [X.] für [X.] bei dem [X.]

vorläu-
fig des Dienstes enthoben.
3
-
5
-
2.
Das [X.] hat zu den fünf angeklagten Fällen im Einzelnen fol-gende Feststellungen getroffen:
a)
In der Strafsache

verwarf die vom Angeklagten geleitete
[X.] die Berufung des A.

M.

nach eintägiger Haupt-
verhandlung am 28.
Februar 2005 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 1.
April 2005, drei Tage vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.], leitete der Angeklagte der zuständigen Geschäftsstellenmitarbei-terin ein Urteil zu, das lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung, jedoch keine Fest-stellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung, keine rechtliche Würdigung und keine Ausführungen zur Strafzumessung enthielt, und ließ den Eingangs-vermerk nach §
275 Abs.
1 Satz
5 [X.] anbringen. Nach Ablauf der Urteilsab-setzungsfrist ergänzte er das Urteil um die fehlenden Bestandteile. Die Zustel-lung des vervollständigten Urteils verfügte er am 28.
Juli 2006. Das Oberlan-desgericht

verwarf die Revision unter Berichtigung im Schuldspruch
am 10.
November 2006.
b)
In der Strafsache

wurde die Berufung des H.

S.

nach eintägiger Hauptverhandlung am 29.
März 2006 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Geldstrafe verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 3.
Mai 2006, dem [X.], brachte die zuständige Geschäftsstellenmitarbeiterin auf Anweisung des Angeklagten den Eingangsvermerk auf dem schriftlichen Urteil an, das zu diesem Zeitpunkt das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung enthielt, während die übrigen Urteilsbestandteile nur rudimentär oder gar nicht enthalten waren. Die Schilderung der Tathand-4
5
6
-
6
-
lung fehlte vollständig. Nach Änderungen und Ergänzungen, die er nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist vorgenommen hatte,
verfügte der Angeklagte am 13.
Dezember 2006 die Zustellung des vervollständigten Urteils. Das Oberlan-desgericht

hob das Urteil mit den Feststellungen auf und verwies die
Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Straf-kammer des [X.]s zurück.
c)
In der Strafsache

wurde die Berufung des S.

B.

nach dreitägiger Hauptverhandlung am 21.
August 2006 mit der Maß-
gabe der Herabsetzung der Freiheitsstrafe verworfen. Der Berufungsführer [X.] Revision ein. Am 22.
September 2006, drei Tage vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, leitete der Angeklagte der zuständigen [X.]nmitarbeiterin ein Urteil zu, das lediglich das Rubrum, den Tenor, die Pro-zessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung vollständig enthielt, und ließ den Eingangsvermerk anbringen. Die Sachver-haltsschilderung bestand zu diesem Zeitpunkt aus einem unvollständigen Halb-satz mit unzutreffender Tatzeitangabe, die Beweiswürdigung aus drei floskel-haften Sätzen. Der Angeklagte ergänzte das Urteil nach Ablauf der Urteilsab-setzungsfrist um die fehlenden Bestandteile. Die Zustellung des vervollständig-ten Urteils verfügte er am 3.
August 2007. Das [X.]

verwarf die Revision am 1.
April 2008.
d)
In der Strafsache

wurde die Berufung des M.

W.

nach zweitägiger Hauptverhandlung am 10.
Oktober 2006 verworfen. Der Beru-fungsführer legte Revision ein. Am 14.
November 2006, dem Tag des Ablaufs der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, wies der Angeklagte die zuständige
Geschäftsstellenmitarbeiterin an, den Eingang des Urteils zu vermerken und ihm die Akten wieder
vorzulegen. Das Urteil enthielt zu diesem Zeitpunkt das 7
8
-
7
-
Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte und unvollständige Feststellungen zur Person. Die ebenfalls enthaltenen Feststellungen zur Sache, die Beweis-würdigung und die Strafzumessung standen in keinem Zusammenhang mit der abgeurteilten Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 19.
Februar 2005, sondern bezogen sich auf zwei im Jahr 2001 begangene Betrugshandlungen. Nach Ersetzung der unzutreffenden Ausführungen nach Ablauf der Urteilsab-setzungsfrist verfügte der Angeklagte am 3.
August 2007 die Urteilszustellung. Das [X.]

änderte das Urteil im Schuld-
und Straf-
ausspruch, hob die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugehörigen Feststellungen auf und wies in diesem Umfang die Sache un-ter Verwerfung der weitergehenden Revision am 21.
November 2007 an eine andere kleine [X.] des [X.]s

zurück.
e)
In der Strafsache

wurde die Berufung des St.

D.

nach zweitägiger Hauptverhandlung am 19.
September 2006 verwor-
fen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Der Angeklagte ließ am 23.
Okto-ber 2006, einen Tag vor Ablauf der
fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, von der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin den Eingangsvermerk auf dem Urteil anbringen, das zu diesem Zeitpunkt lediglich das Rubrum, den Tenor, die Pro-zessgeschichte und unvollständige Feststellungen zur Person enthielt. Die Feststellungen zur Sache, die Beweiswürdigung und die Strafzumessung betra-fen nicht die ausgeurteilten Straftaten vom 10.
September 2004, sondern eine Sachbeschädigung aus dem Jahr 2002. Nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist ersetzte der Angeklagte die unzutreffenden Textpassagen durch passende Aus-führungen. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 3.
Au-gust 2007. Bereits zuvor, am 6.
November 2006, hatte Herr D.

die Revi-
sion zurückgenommen. Wann der Angeklagte von der [X.] erfuhr, konnte nicht geklärt werden.
9
-
8
-
Der Angeklagte machte die nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist erfolg-ten Änderungen nicht aktenkundig und ließ sie nicht von der Geschäftsstelle vermerken. Er beließ jeweils die erste [X.] mit dem Eingangsvermerk und tauschte die geänderten Seiten heimlich aus.
3.
Nach Auffassung des [X.]s erfüllen die festgestellten Tathand-lungen nicht den Straftatbestand der Rechtsbeugung nach §
339 StGB. Der Angeklagte habe zwar in erheblicher Weise gegen zwingendes Verfahrensrecht verstoßen. Die heimliche Nachbearbeitung der Urteilsgründe nach Ablauf der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] habe auch in jedem der festgestellten Fälle den Tatbestand der Urkundenfälschung gemäß §
267 Abs.
1
StGB erfüllt. Er habe jedoch nicht gehandelt, um die [X.] zu benachteiligen, son-dern um den Anschein eigener Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und weite-ren Disziplinarmaßnahmen wegen zögerlicher Aktenbearbeitung zu entgehen.
der Rechtsprechung des [X.] sei darin nicht zu erkennen. Da
Sinne des §
339 StGB begangen habe, ohne sich zugleich der Rechtsbeugung strafbar gemacht zu haben, greife zu seinen Gunsten die Sperrwirkung des §
339 StGB.
II.
Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

10
11
12
-
9
-
1.
Der Tatbestand der Rechtsbeugung erfordert, dass sich der [X.] bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst und in schwer-wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (st.
Rspr., u.a. [X.], Urteil vom 29.
Oktober 1992

4
StR
353/92, [X.]St 38, 381, 383; Urteil vom 6.
Oktober 1994

4
StR
23/94, [X.]St 40, 272, 283
f.;
Urteil vom 15.
September 1995

5
StR
713/94, [X.]St 41, 247, 251; Urteil vom 4.
September 2001

5
StR
92/01, [X.]St 47, 105, 108
f.; Urteil vom 29.
Okto-ber 2009

4
StR
97/09 jeweils mwN).
a)
Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Ange-klagte bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache gehandelt hat. Un-
aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen. Ob die Leitung der Rechtssache mit dem Erlass einer Entscheidung, also der Anordnung einer Rechtsfolge ([X.], 4.
Aufl.,
§
339 Rn.
26),
beendet ist, hängt von der Art des Verfahrens und dem Gegenstand der Entscheidung ab. Die Abset-zung
des schriftlichen Urteils in Strafsachen dient nicht allein der verwaltungs-mäßigen Abwicklung des Strafverfahrens (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Oktober 1992

4
StR
353/92, [X.]St 38, 381, 385), dieses ist mit der [X.] nicht beendet. Die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe ist vielmehr originäre Aufgabe des erkennenden [X.]s und gehört zur Leitung und Entscheidung der Rechtssache. Dies gilt erst recht, wenn

wie hier

ge-gen die Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt ist. Die Tätigkeit des [X.]s kann in diesem Fall die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zuguns-ten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen, das Verfahren hat mithin 13
14
-
10
-
auch nach Erlass des mündlichen Urteils weiterhin die Leitung und Entschei-dung einer Rechtssache zum Gegenstand.
b)
Der Angeklagte hat auch in elementarer Weise gegen Recht und [X.] verstoßen. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts dar. Der [X.] hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Tatbestand nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden darf. Zweck der Vorschrift ist es, den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe zu stellen. Die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand indiziert die Schwere des Unwerturteils und führt in der Regel im Falle der rechtskräftigen Verurteilung kraft Gesetzes zur Beendigung des [X.]verhältnisses (§
24 Nr.
1 DRiG). Mit dieser gesetzlichen Zweckbe-stimmung wäre es nicht zu vereinbaren, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen.
Dies gilt auch bei der Rechtsbeugung durch Beugung des [X.] (st. Rspr., u.a. [X.], Urteil vom 27.
Mai 1987

3
StR
112/87,
NStZ 1988, 218; Urteil vom 29.
Oktober 1992

4
StR
353/92, [X.]St 38, 381, 383 mwN; Urteil vom 5.
Dezember 1996

1
StR
376/96, [X.]St 42, 343, 346, 351; Urteil vom 4.
September 2001

5
StR
92/01, [X.]St 47, 105, 109 mwN; Beschluss vom 24.
Juni 2009

1
StR
201/09, [X.], 92; Beschluss vom 7.
Juli 2010

5
StR
555/09 Rn.
29, [X.], 463, 466). Eine Verletzung von [X.] stellt nur dann einen Rechtsbruch im Sinne des §
339 StGB dar, wenn darin allein oder unter Berücksichtigung des Motivs des [X.] ein ele-mentarer Rechtsverstoß gesehen werden kann.
Der Angeklagte hat in den verfahrensgegenständlichen Fällen
gegen die Vorschrift des §
275 Abs.
1 Satz
3 [X.] verstoßen. Nach Fertigstellung ist eine 15
16
17
-
11
-
sachliche Änderung oder Ergänzung der Urteilsgründe nur dann zulässig, wenn die Frist nach §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] noch nicht abgelaufen ist. War der [X.] der Geschäftsstelle nach §
275 Abs.
1 Satz
5 [X.] bereits [X.], so hat die Geschäftsstelle auch den Zeitpunkt der Änderung zu ver-merken. Der Angeklagte hat die Urteile nach Fristablauf geändert und ergänzt, ohne dies in den Akten erkennbar zu machen oder der [X.]. Die Verletzung des §
275 [X.] war hier gravierend und ist als elementarer Rechtsverstoß anzusehen. Zum einen hat der Angeklagte in erheblichem Um-fang wesentliche Urteilsbestandteile ergänzt. Die vor Fristablauf zur [X.] gelangten Urteile enthielten keine auch nur entfernt ausreichenden Fest-stellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung, vermochten also einem selbst nur mit der allgemeinen Sachrüge ausgeführten Revisionsangriff nicht standzuhalten. Zum anderen hat der Angeklagte durch sein heimliches [X.] den Verfahrensbeteiligten und dem Revisionsgericht eine Aufdeckung der Manipulation unmöglich gemacht. Die Schwere des Verstoßes zeigt sich inso-weit darin, dass sein Verhalten als solches den Tatbestand der Urkundenfäl-schung sogar in der Alternative des §
267 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 StGB erfüllt hat.
c)
Die Tat muss zugunsten oder zum Nachteil einer [X.] erfolgen. Zu-gunsten oder zum Nachteil einer [X.] wirkt sich eine Beugung des Rechts aus, wenn sie die [X.] besser oder schlechter stellt, als sie bei richtiger Rechtsanwendung stünde. Rechtsbeugung kann auch durch die Verletzung von Verfahrens-
und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden. Erforderlich ist insoweit, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer fal-schen Entscheidung zum Vor-
oder Nachteil einer [X.] begründet wurde,
ohne dass allerdings ein Vor-
oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss ([X.], Urteil vom 11.
April 2013

5
StR
261/12 Rn.
39 mwN).
18
-
12
-
Das Verhalten des Angeklagten war in allen Fällen ohne weiteres geeig-net, sich zum Nachteil des jeweiligen [X.]s auszuwirken. Die inner-halb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu den Akten gelangten Urteile [X.] unvollständig, enthielten insbesondere keine Sachverhaltsdarstellung des abgeurteilten Falls und keine Beweiswürdigung, so dass sie bereits auf die all-gemeine Sachrüge hin vom Revisionsgericht aufzuheben gewesen wären. [X.] Umstand verschleierte der Angeklagte. Der dem Angeklagten objektiv an-zulastende Rechtsbeugungsverstoß lag in der heimlichen, aus den Akten nicht erkennbaren Beseitigung eines durchgreifenden [X.], welche zu einer Verschlechterung der Rechtsmittelposition der jeweiligen [X.] führte und ohne weiteres eine Benachteiligung bedeutete (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
Juni 2009

1
StR
201/09 Rn.
7, [X.], 92; Urteil vom 31.
Mai 2012

2
StR
610/11 Rn.
19, [X.], 106, 107). Ob das in der Sache er-gangene Urteil der Berufungskammer materiell richtig war, ist hingegen für [X.] Beurteilung ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob die Entscheidung des [X.] ohne die Manipulation konkret anders ausgefallen wäre. Durch die Manipulationen wurde die Rechtsstellung der [X.] unmit-telbar verletzt, denn die unvollständigen Urteilsgründe wurden nicht zur Ent-scheidungsgrundlage des [X.].
d)
Der Angeklagte hat nach den von der [X.] getroffenen Fest-stellungen auch den subjektiven Tatbestand des §
339 StGB erfüllt. Insofern genügt bedingter Vorsatz ([X.], Urteil vom 6.
Oktober 1994

4
StR
23/94, [X.]St
40, 272, 276); der Täter muss für möglich halten, dass seine fehlerhafte Entscheidung zur
Bevorzugung oder Benachteiligung einer [X.] führen wird und sich damit abfinden ([X.],
aaO,
Rn.
78). Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte sogar in der Absicht handelte, die [X.] und das Revisionsgericht darüber zu täuschen, dass die ihnen vorlie-19
20
-
13
-
gende [X.] inhaltlich nicht derjenigen entsprach, welche zu dem auf dem Eingangsvermerk bezeichneten Zeitpunkt zur Geschäftsstelle gelangt war (UA S.
20). Ohne Bedeutung für den bewussten, objektiven Verstoß
gegen das Recht ist es entgegen der Ansicht des [X.]s, dass das Motiv des Angeklagten war, den Anschein seiner Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und einer weiteren Disziplinarmaßnahme zu entgehen, nicht aber, die Revisi-onsführer gezielt zu benachteiligen. Für den objektiven Tatbestand reicht der bewusste Rechtsverstoß (der sich bei formell ordnungsgemäßen Handlungen aus dem Motiv des [X.] ergeben kann), eine darüber hinausgehende absicht-liche Begünstigung oder Benachteiligung der Prozessparteien ist nicht [X.] (LK-StGB/[X.], 12.
Aufl., §
339 Rn.
82, 85). War sich der Angeklagte über die Rechtswidrigkeit seines Handelns zum Nachteil der [X.] im Klaren, dann hat er auch, und zwar mit direktem Vorsatz, das Recht gebeugt.
Die [X.] verkennt bei ihrer Bewertung zudem, dass es bei der Benachteiligung bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht nicht entscheidend s-hauptverhandlung verkündeten Urteils ankommt, sondern auch in der [X.] der prozessualen Situation der Prozessbeteiligten eine Benach-teiligung liegt. Dass sich der Angeklagte als erfahrener Strafrichter der [X.] der prozessualen Situation der [X.] bewusst
war, hat das [X.] ebenfalls festgestellt (UA S.
23). Auf seine Vorstellung, das
von der Berufungskammer gefundene Urteil sei im Ergebnis richtig, kommt es hingegen nicht an (vgl. [X.], Urteil vom 4.
September 2001

5
StR 92/01, [X.]St 47, 105, 115).
2.
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils ins-gesamt. Im Fall
II.
5. der Urteilsgründe liegt nach den bisherigen Feststellungen 21
22
-
14
-
ein untauglicher Versuch nahe. Der Senat neigt im Übrigen zu der Auffassung, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung bei der vorliegenden Sachver-haltskonstellation nicht von der Sperrwirkung des §
339 StGB erfasst wäre.
Auch wenn die Beweiswürdigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist, gebietet es der Umstand, dass der freigesprochene Angeklagte gegen die getroffenen Feststellungen kein Rechtsmittel einlegen konnte, auch diese aufzuheben ([X.], Urteil vom 11.
April 2013

5
StR
261/12 Rn.
56; vgl. [X.], [X.], 56.
Aufl., §
353 Rn.
15a; LR-[X.]/[X.], 26.
Aufl., §
354 Rn.
43 mwN).
Mutzbauer
Roggenbuck
Ri[X.] Dr.
[X.] ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschrifts-leistung gehindert.

Mutzbauer
[X.]
Quentin

23

Meta

4 StR 84/13

18.07.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2013, Az. 4 StR 84/13 (REWIS RS 2013, 4008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4008

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 84/13 (Bundesgerichtshof)

Rechtsbeugung und Urkundenfälschung durch einen Strafrichter: Abfassung der Urteilsgründe als Leitung und Entscheidung der Rechtssache; …


4 StR 149/22 (Bundesgerichtshof)

Rechtsbeugung seitens eines mit Straf- und Familiensachen befassten Amtsrichters durch Unterlassen: Nichtabsetzen eines Strafurteils; Nichtentscheidung …


3 StR 498/14 (Bundesgerichtshof)


3 StR 498/14 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit eines Strafrichters wegen nachträglicher Abänderung einer Urteilsformel


4 StR 468/06 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 84/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.