Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2014, Az. XII ZB 257/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8746

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Gegenstand

Rechtsanwaltsverschulden bei Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist in einer Familienstreitsache: Anwaltliche Prüfungspflichten bei Wiedervorlage der Handakte zur Vornahme einer fristgebundenen Verfahrenshandlung


Leitsatz

Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. November 2013, XII ZB 116/13 - juris).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des [X.] vom 22. April 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

[X.]: 85.000 €

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der von ihm versäumten Frist zur Begründung seiner Beschwerde in einer Familienstreitsache.

2

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner im Rahmen einer außerhalb des Zugewinnausgleichs geführten Vermögensauseinandersetzung zwischen den getrennt lebenden Ehegatten zur Zahlung von 85.000 € verpflichtet. Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 29. November 2012 zugestellt worden. Hiergegen hat er am 30. November 2012 beim Familiengericht Beschwerde eingelegt. Auf gerichtlichen Hinweis vom 4. Februar 2013, dass eine Beschwerdebegründung nicht rechtzeitig eingegangen sei, hat der Antragsgegner am 14. Februar 2013 die Beschwerdebegründung eingereicht und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen und den Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 und § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil der Antragsgegner nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 574 Abs. 2 ZPO).

4

Das Beschwerdegericht hat in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen.

5

1. Die Begründungsfrist ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG am 29. Januar 2013 abgelaufen, weshalb die am 14. Februar 2013 eingereichte Beschwerdebegründung nicht mehr fristgerecht erfolgt ist.

6

2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Antragsgegner die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] nicht hinreichend dargetan.

7

a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

8

[X.] des Antragsgegners hätte jedenfalls bei Vorlage der Akte zur Fertigung der Beschwerdebegründungsschrift seiner Pflicht zur eigenständigen Kontrolle der Begründungsfrist nachkommen müssen. Die Prüfungspflicht entstehe dabei unabhängig davon, ob sich der Anwalt bei der Vorlage der Akte zur sofortigen Bearbeitung entschließe. Auch wenn der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners die Beschwerdebegründung nur skizziert habe und es für ihn naheliegender gewesen wäre, einen ersten Fristverlängerungsantrag zu stellen, habe sich mit der Bearbeitung der Sache jedenfalls die Pflicht zur Überprüfung der Begründungsfrist ergeben. Diese könne vorliegend nicht mit dem Hinweis auf eine zuvor bereits zweimal vorgenommene Überprüfung verneint werden. Als der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners am 12. Dezember 2012 die Akte persönlich angelegt habe, habe er nach seinem Vortrag und seiner eidesstattlichen Erklärung zwar die Eintragung der Beschwerdefrist im [X.] überprüft, nicht aber die Eintragung der [X.]. Vor diesem Hintergrund habe für den Verfahrensbevollmächtigten bei Vorlage der Akte am 22. Januar 2013 seine Pflicht zur eigenständigen Kontrolle der [X.] fortbestanden. Wäre er dieser Pflicht nachgekommen, hätte er das Unterlassen der Eintragung der Frist im [X.] durch die Angestellte bemerkt und hätte dies rechtzeitig korrigieren lassen können.

9

b) Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

aa) Die Sorgfaltspflicht in [X.] verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von [X.] zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer [X.] erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten [X.] eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender [X.] einschließlich deren Eintragung in den [X.] eigenverantwortlich zu prüfen (Senatsbeschluss vom 27. November 2013 - [X.] 116/13 - juris Rn. 7 mwN).

Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Senats ausreichend, wenn die Kanzleiangestellte die Frist nach der [X.] zunächst im [X.] und erst danach mit dem [X.] in der Handakte zu notieren hat. Denn die Büroorganisation schreibt damit eine Reihenfolge vor, nach der die Kanzleiangestellte vorzugehen hat. Auch ohne ausdrücklichen Erledigungsvermerk ist diese Reihenfolge, nach der die Kanzleiangestellte bei der Fristenerfassung zu handeln hat, geeignet sicherzustellen, dass nur solche Fristen in der Akte notiert werden, die zuvor in den [X.] eingetragen wurden (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - [X.] 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 12).

bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung zu Recht als nicht erfüllt angesehen.

[X.] des Antragsgegners hat eine verlässliche [X.] der Büroangestellten nicht dargetan. Vor allem hat er in dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht vorgetragen, dass die Handakte bzw. das fristauslösende Schriftstück durch einen entsprechenden Erledigungsvermerk oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Frist im [X.] eingetragen worden ist.

Anders als es die Rechtsbeschwerde andeutet, lässt sich dem Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten nicht entnehmen, dass nach der bestehenden Büroorganisation die Frist auf dem Schriftstück erst zu vermerken ist, nachdem sie im [X.] eingetragen worden ist. In der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten heißt es vielmehr, dass die Fristen erst auf dem Schriftstück und "dann" im [X.] eingetragen werden.

Zutreffend weist das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die durch die - im Büro des Verfahrensbevollmächtigten ebenfalls tätige - Rechtsanwältin ausgeübte Kontrolle nicht genügt, um den Anforderungen an eine eigenverantwortliche [X.] gerecht zu werden. Denn sie hat die Eintragung der Fristen im Kalender nach eigenen Angaben nur stichprobenartig und am Tag des Eingangs des amtsgerichtlichen Beschlusses, also am 29. November 2012, nicht überprüft. Dass die Rechtsanwältin die Eintragung in dem elektronischen Kalender ihren Angaben zufolge vollständig überprüft hat, ändert an der unzureichenden [X.] schon deshalb nichts, weil das elektronische System nach den Angaben des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht zur Fristenkontrolle eingesetzt worden ist.

Dose                              Weber-Monecke                        Schilling

           Nedden-Boeger                                 [X.]

Meta

XII ZB 257/13

15.01.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 22. April 2013, Az: 12 UF 245/12

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 117 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2014, Az. XII ZB 257/13 (REWIS RS 2014, 8746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8746

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