Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2016, Az. XII ZB 609/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7904

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AUSLAND ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) EHE LEBENSPARTNERSCHAFT (EINGETRAGENE) HOMOSEXUALITÄT FAMILIE NAMEN

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Gegenstand

Personenstandssache: Behandlung einer im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehe als eingetragene Lebenspartnerschaft; Wirksamkeit der Bestimmung eines Ehenamens nach deutschem Recht


Leitsatz

1. Eine im Ausland (hier: Niederlande) geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe ist im deutschen Recht als eingetragene Lebenspartnerschaft zu behandeln (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. April 2016, XII ZB 15/15,  BGHZ 210, 59, juris).

2. Die von den gleichgeschlechtlichen Partnern getroffene ausdrückliche Bestimmung eines Ehenamens nach deutschem Recht anstatt eines Lebenspartnerschaftsnamens ist unwirksam.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 14. Oktober 2014 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten zu 1 und 2 schlossen am 7. Juli 2011 in [X.] eine gleichgeschlechtliche Ehe nach [X.] Recht. Der Beteiligte zu 1 besitzt die [X.], der Beteiligte zu 2 die [X.] Staatsangehörigkeit.

2

Da das [X.] Recht einen gemeinsamen Familiennamen der Ehegatten nicht vorsieht, wählten die Beteiligten zu 1 und 2 mit [X.] beglaubigter Erklärung für ihre Namensführung das [X.] Recht und bestimmten den Namen des Beteiligten zu 2 zum Familiennamen. Der Beteiligte zu 1 bestimmte seinen Geburtsnamen zum Begleitnamen. Gleichzeitig erklärten die Beteiligten zu 1 und 2, sie verweigerten "eine Aufnahme ihrer Erklärung im [X.]" oder eine Umwandlung der Erklärung in eine Namenserklärung als Lebenspartnerschaftsname, da sie verheiratet seien.

3

Das zuständige Standesamt I in [X.] lehnte die Ausstellung einer Bescheinigung über die Namenserklärung ab. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt, das Standesamt anzuweisen, die Namensänderung auf den gewählten Ehenamen einschließlich des vorangestellten Geburtsnamens des Beteiligten zu 1 "einzutragen". Das Amtsgericht hat die als Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 46 Nr. 1 [X.] aufgefassten Anträge zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

5

1. Nach Auffassung des [X.], dessen Entscheidung in [X.] 2015, 142 veröffentlicht ist, liegt keine wirksame Namenswahl vor. Die von den Beteiligten zu 1 und 2 abgegebene Erklärung solle nach ihrer ausdrücklichen Einschränkung nur gelten, wenn auf sie die Bestimmungen des [X.]n Rechts zur Ehe Anwendung fänden und nicht die Bestimmungen zur Lebenspartnerschaft. Es könne dahinstehen, ob die Erklärung schon deshalb unwirksam sei, weil sie unter einer unzulässigen Bedingung stehe. Denn jedenfalls sei die Bedingung nicht erfüllt. Die gleichgeschlechtlichen Beteiligten zu 1 und 2 könnten nach [X.]m Recht einen gemeinsamen Familiennamen nicht als Ehenamen, sondern nur als [X.] bestimmen.

6

Ehe bedeute nach [X.]m Recht eine rechtliche Verbindung zwischen [X.] und einer Frau, während der Begriff der Lebenspartnerschaft auf die gleichgeschlechtliche Personenkonstellation verweise. Das stehe im Einklang mit der Verfassung. Insbesondere verstießen die unterschiedlichen Bezeichnungen der Rechtsinstitute nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 GG. Das Recht der [X.] gebiete es ebenfalls nicht, die Beteiligten zu 1 und 2 als Ehegatten i.S.v. Art. 10 Abs. 2 EGBGB anzusehen. Familien- und Namensrecht müssten in den Mitgliedstaaten nicht übereinstimmend geregelt sein. Es obliege dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber, ein fremdes Rechtsinstitut (hier die gleichgeschlechtliche Ehe nach [X.] Recht) als Gegenstand der Anknüpfung für das Internationale Privatrecht zu qualifizieren. Dabei bestehe keine Bindung an die Bezeichnungen, die das ausländische Recht verwende, oder an die Qualifikation sonstiger Mitgliedstaaten.

7

Hinkende [X.] könnten in der vorliegenden Fallkonstellation nicht entstehen. In [X.]n Personaldokumenten werde nicht kenntlich gemacht, ob es sich bei dem Familiennamen um einen Ehe- oder [X.] handele. Ohnehin seien die Freiheiten, die das [X.] Gemeinschaftsrecht den Unionsbürgern zuerkenne, durch die Möglichkeit einer Rechtswahl gewahrt. Ein Verstoß gegen Art. 8, 12 und 14 [X.] sei ebenfalls nicht ersichtlich.

8

Eine Umdeutung in eine Rechts- und Namenswahl nach Art. 17 b Abs. 2 Satz 1 EGBGB scheitere an der ausdrücklich dagegen gerichteten Erklärung der Beteiligten zu 1 und 2.

9

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 keine wirksame Namenswahl getroffen haben und daher keinen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 46 Nr. 1 [X.] haben.

a) Das von den Beteiligten zu 1 und 2 nach dem jedenfalls entsprechend anwendbaren Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB (vgl. Art. 17 b Abs. 2 Satz 1 EGBGB) in zulässiger Weise gewählte [X.] Recht sieht für eine im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe nur die Möglichkeit der Bestimmung eines [X.]s (§ 3 LPartG; § 42 PStG), nicht aber eines [X.] (§ 1355 BGB; § 41 PStG) vor.

aa) Die Frage, ob die sich im Namensrecht stellende Vorfrage des Bestehens einer Ehe oder Lebenspartnerschaft selbstständig oder unselbstständig anzuknüpfen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - [X.]/15 - juris, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt Rn. 31 f.), kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Nach beiden Alternativen ist die von den Beteiligten zu 1 und 2 geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe als Lebenspartnerschaft zu behandeln. Dies gilt bei unselbstständiger Anknüpfung schon wegen der gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zugunsten des [X.]n Rechts getroffenen Rechtswahl. Bei selbstständiger Anknüpfung ist die im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe als Lebenspartnerschaft nach Art. 17 b EGBGB zu qualifizieren.

Der Senat hat die Frage der Qualifikation einer im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehe bereits dahin entschieden, dass diese nach [X.]m Recht als Lebenspartnerschaft im Sinne von Art. 17 b EGBGB zu betrachten ist (Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - [X.]/15 - juris, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt Rn. 34 ff.). Die Beteiligte zu 3 hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass auch eine Qualifikation als Ehe dem Anliegen der Beteiligten zu 1 und 2 nicht zum Erfolg verhelfen könnte. In diesem Fall wäre die Ehe nach dem gemäß Art. 13 EGBGB auf den Beteiligten zu 1 anwendbaren [X.]n Recht schon nicht wirksam geschlossen worden, weil es an dem nach [X.]m Recht konstitutiven Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten fehlen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - [X.]/15 - juris, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt Rn. 36).

bb) Da die von den Beteiligten zu 1 und 2 eingegangene rechtliche Verbindung nach [X.]m Recht keine Ehe, sondern eine Lebenspartnerschaft ist, können die Partner nur einen [X.] nach § 3 LPartG, nicht aber einen Ehenamen nach § 1355 BGB bestimmen. Ihre Namensbestimmung ist aber ausdrücklich nur auf einen Ehenamen gerichtet und daher unwirksam.

b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gebietet es die Verfassung nicht, dass gleichgeschlechtlichen Partnern anstelle der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch die Ehe offenstehen muss ([X.] FamRZ 2002, 1169). Das gilt bezogen auf das von den Beteiligten zu 1 und 2 verfolgte Anliegen erst recht, weil das [X.] Recht mit dem [X.] die von ihnen gewünschte Namensführung ermöglicht, zumal in den [X.]n Personaldokumenten nicht kenntlich gemacht wird, ob es sich um einen Ehe- oder [X.] handelt. Aus diesem Grund liegt auch eine von der [X.] verbotene Diskriminierung fern. Da die Beteiligten zu 1 und 2 in der Lage sind, die von ihnen gewünschte Namensführung im [X.]n Recht zu verwirklichen, könnte es zu einer europarechtlich möglicherweise relevanten hinkenden Namensführung nur kommen, wenn das [X.] Recht die nach [X.]m Recht getroffene Namenswahl nicht anerkennt. Das könnte aber nicht die Europarechtswidrigkeit des [X.]n Namensrechts zur Folge haben.

[X.]                        Schilling

            Günter                               Guhling

Meta

XII ZB 609/14

20.07.2016

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 14. Oktober 2014, Az: 1 W 554/13, Beschluss

§ 1355 BGB, Art 10 Abs 2 S 1 Nr 1 BGBEG, Art 13 BGBEG, Art 17b BGBEG, § 3 LPartG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2016, Az. XII ZB 609/14 (REWIS RS 2016, 7904)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 2953 REWIS RS 2016, 7904

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