Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 42/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6552

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Gegenstand

Zwangsvollstreckung wegen Zuwiderhandlung gegen ein urheberrechtliches Unterlassungsgebot: Veröffentlichung von Fotografien von Speisen im Rahmen einer Rezeptsammlung im Internet - Reichweite des Unterlassungsgebots


Leitsatz

Reichweite des Unterlassungsgebots

1. Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts kann die Verhängung eines Ordnungsmittels für kerngleiche Verletzungen anderer Schutzrechte rechtfertigen, wenn die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Juni 2013, I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 Rn. 18 = WRP 2014, 75 - Restwertbörse II).

2. Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung und die Reichweite des Vollstreckungstitels maßgeblich ist, ist auf die Schutzrechte beschränkt, die Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen sind.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.], 5. Zivilsenat, vom 1. Juni 2011 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 750 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Gläubiger erstellt Fotografien von Speisen, die zusammen mit den entsprechenden Rezepten unter der von ihm und seiner Ehefrau betriebenen Internetadresse "www.m        .de" kostenlos abgerufen werden können.

2

Die Schuldnerin bietet unter der Internetadresse "www.c    .de" ebenfalls eine kostenfrei abrufbare Rezeptsammlung an. Diese Rezepte stammen zu einem erheblichen Teil von Privatpersonen, die nach Eingabe von Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse selbständig [X.] und Bilder auf die Internetseite "www.c    .de" hochladen können.

3

In der Vergangenheit stellten Dritte vom Gläubiger angefertigte Fotografien ohne dessen Wissen und Zustimmung auf der Internetseite der Schuldnerin ein. Auf die daraufhin vom Gläubiger wegen Verletzung seines Rechts an Fotografien erhobene Klage hat das [X.] die Schuldnerin unter Androhung von [X.] verurteilt,

es zu unterlassen, die vom Gläubiger erstellten und unter "[X.]" abrufbaren Fotografien und/oder Teile davon ohne Erlaubnis öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere auf der unter "www.c    .de" abrufbaren Seite zur Schau zu stellen und/oder durch das Aufspielen oder Aufspielenlassen der Inhalte auf andere Server oder Speichermedien Dritter zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen.

4

Dieses Urteil ist nach erfolgloser Berufung der Schuldnerin und Zurückweisung ihrer Revision ([X.], Urteil vom 12. November 2009 - [X.], [X.], 616 = [X.], 922 - marions-kochbuch.de) rechtskräftig geworden.

5

Der Gläubiger hat die Festsetzung eines Ordnungsgelds mit der Begründung beantragt, die Schuldnerin habe dem Unterlassungsgebot zuwidergehandelt, weil auf ihrer Internetseite die Fotos "[X.]" und "[X.]" eingestellt worden seien, die vom Gläubiger stammten und unter der von ihm und seiner Ehefrau betriebenen Internetadresse "www.m        .de" abrufbar seien.

6

Das [X.] hat den [X.] zurückgewiesen, weil der [X.] den Unterlassungsantrag des Gläubigers in der Revisionsentscheidung dahin ausgelegt habe, dass er sich allein auf die drei Lichtbilder "[X.]", "[X.]" und "[X.] mit Hack" gemäß der dort vorgelegten Anlage [X.] beziehe. Die dagegen vom Gläubiger eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen [X.] weiter.

7

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

8

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es sei an das Verständnis des [X.] gebunden, wonach die Reichweite des [X.] eindeutig und zweifelsfrei auf die seinerzeit konkret beanstandeten drei Abbildungen beschränkt sei. Zudem handele es sich bei den Lichtbildern "[X.]" und "[X.]", die Gegenstand des [X.]s seien, um vollständig andere Motive, die selbst dann keine kerngleichen Verletzungshandlungen darstellten, wenn sie von demselben Urheber (dem Gläubiger) herrührten und derselbe Verletzer (die Schuldnerin) sie in derselben oder einer entsprechenden Art und Weise rechtsverletzend nutze. Unterschiedliche Lichtbilder charakterisierten selbst bei gleichartiger rechtsverletzender Verwendung die jeweilige Verletzungshandlung, weil sie abweichende Schutzgegenstände darstellten.

9

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Das titulierte Unterlassungsgebot ist auf die drei Lichtbilder "[X.]", "[X.]" und "[X.] mit Hack" beschränkt. Der [X.] hat im Zusammenhang mit der Frage der Bestimmtheit des [X.] ausgeführt, dass sich das Unterlassungsbegehren auf die drei genannten Lichtbilder als konkrete Verletzungsform bezieht ([X.], [X.], 616 Rn. 16 - marions-kochbuch.de). Daraus folgt eine entsprechende Beschränkung des antragsgemäß ausgesprochenen [X.].

a) Zwar umfasst das in einem [X.] ausgesprochene Verbot über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im [X.] gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Das gilt auch dann, wenn das Verbot auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist. In diesem Fall haben die neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung abstrakt formulierten Merkmale die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2010 - [X.], [X.], 855 Rn. 17 = [X.], 1035 - Folienrollos, mwN).

Dementsprechend kann die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für Verletzungen desselben Schutzrechts, sondern auch für Verletzungen anderer Schutzrechte begründen, soweit die Verletzungshandlungen trotz Verschiedenheit der Schutzrechte im [X.] gleichartig sind ([X.], Urteil vom 20. Juni 2013 - [X.], [X.], 1235 Rn. 18 = [X.], 75 - [X.]). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind. In dem Fall "[X.]" traf das zu, weil sich der Kläger gegen die Verwertung von Lichtbildern eines von ihm erstellten Gutachtens gewandt hatte, das er insgesamt zum Gegenstand der Klage gemacht hatte, eine unberechtigte Verwertung jedoch allein für fünf von 34 Lichtbildern erwiesen war. Ebenso hat der [X.] im Fall "Markenparfümverkäufe" den aufgrund der Verletzung einer Marke begründeten Unterlassungsanspruch auf alle im Klageantrag genannten Marken erstreckt ([X.], Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 272/02, [X.]Z 166, 253 Rn. 39 f.). Eine noch ausreichende Einbeziehung kerngleicher Verletzungshandlungen in das Verfahren lag auch in der Sache "[X.]" vor, in der die Beklagte dazu verurteilt worden ist, es zu unterlassen, die Aufnahmen von 63 in einer Anlage aufgeführten Fotografen auf CD-ROM ([X.] 1989 bis 1993) zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Urteil vom 5. Juli 2001 - I ZR 311/98, [X.]Z 148, 221, 223 ff.). Durch den Verweis auf konkrete Fotografen und erschienene Jahrgänge einer Zeitschrift waren die in den Rechtsstreit einbezogenen Schutzrechte hier abschließend bestimmt.

b) Die [X.]theorie erlaubt aber nicht, die Vollstreckung aus einem [X.] auf Schutzrechte zu erstrecken, die nicht Gegenstand des vorhergehenden [X.] gewesen sind. Insbesondere kommt keine Vollstreckung von [X.] wegen der Verletzung solcher Schutzrechte in Betracht, die zur Zeit des [X.] noch nicht einmal entstanden waren. Denn dies wäre eine wegen des Sanktionscharakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unzulässige Titelerweiterung. Demgegenüber beschränkt sich die [X.]theorie darauf, ein im "[X.]" feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch eine abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf Letztere anzuwenden ([X.], Urteil vom 30. März 1989 - [X.], [X.], 572, 574 - [X.], insoweit nicht in [X.]Z 107, 136; vgl. [X.], Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., [X.]. 57 Rn. 14). Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des [X.]s der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist (vgl. [X.] aaO [X.]. 57 Rn. 12; Spätgens in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 112 Rn. 52). Da jedes Schutzrecht - im Streitfall jedes vom Gläubiger angefertigte Lichtbild - einen eigenen Streitgegenstand darstellt, kann sich das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht über die konkreten Schutzrechte hinaus erstrecken, die Gegenstand des [X.] waren. Eine Ausnahme davon ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um gleichartige Schutzrechte desselben Rechtsinhabers handelt. Nur so ist der Umfang der Rechtskraft sicher feststellbar und eine Grundlage der Vollstreckung gegeben, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt (vgl. [X.], [X.], 572, 574 - [X.]).

Die Lichtbilder "[X.]" und "[X.]", die Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens sind, stellen gegenüber den zur Konkretisierung des [X.] herangezogenen Fotografien "[X.]", "[X.]" und "[X.] mit Hack" andere Schutzgegenstände dar. Sie werden deshalb von dem im Verfahren [X.] ergangenen [X.] nicht erfasst.

III. Danach ist die Rechtsbeschwerde des Gläubigers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Büscher                    Pokrant                        [X.]

               Löffler                     Schwonke

Meta

I ZB 42/11

03.04.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 1. Juni 2011, Az: 5 W 44/11

§ 890 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 42/11 (REWIS RS 2014, 6552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6552

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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