Bundessozialgericht, Urteil vom 26.09.2017, Az. B 1 KR 9/17 R

1. Senat | REWIS RS 2017, 4765

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Kodierung unvollständig erbrachter Prozeduren


Leitsatz

Erbringt ein Krankenhaus eine Prozedur unvollständig, darf es ungeachtet des Ressourcenverbrauchs nur die erbrachte Teilleistung kodieren, wenn es für diese einen Operationen- und Prozedurenschlüssel gibt und ein spezifischer Operationen- und Prozedurenschlüssel für die unvollendete Prozedur nicht vorhanden ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 20. Juli 2016 und des [X.] vom 14. Januar 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen [X.].

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1662,75 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 [X.] zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherten [X.] (im Folgenden: Versicherter) vollstationär vom 1. bis 10.6.2011 zur weiteren Abklärung eines lungengeweblichen suspekten Rundherds ua mittels endoskopischer Biopsie. Neben einer Bronchiallavage erfolgte eine Bürstenbiospie aus den rechten Oberlappenostien und dem Segment 6 sowie eine Zangenbiopsie aus der [X.]. Der Versuch, unter Durchleuchtung aus dem Rundherd eine Gewebeprobe zu entnehmen, scheiterte. Die Klägerin berechnete unter Kodierung von [X.] ([X.] und [X.] 2011) 1-430.2 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Lunge) die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2011 ) [X.] (Neubildungen der Atmungsorgane, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren [X.] oder starrer Bronchoskopie oder mit komplexer Biopsie der Lunge) und erhielt hierfür 3325,85 [X.]. Die Beklagte forderte später vergeblich 1662,75 [X.] auf der Grundlage eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zurück. Abzurechnen sei die geringer vergütete [X.] (Neubildungen der Atmungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere [X.], ohne starre Bronchoskopie oder ohne komplexe Biopsie der Lunge). Die Beklagte kürzte in dieser [X.]öhe unstreitige Rechnungsbeträge für die Vergütung der Behandlung anderer Versicherter. Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin 1662,75 [X.] nebst Zinsen zu zahlen (Urteil vom 14.1.2015). Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Klägerin habe eine endoskopische Biopsie unter Gewinnung von [X.] an der Lunge vorgenommen. Dies erfülle die Voraussetzungen der [X.] 1-430.2. Unerheblich sei, dass es sich bei den [X.] nicht um Lungengewebe gehandelt habe (Urteil vom 20.7.2016).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Abs 4 S 3 [X.] iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (K[X.]EntgG), § 17b Abs 1 S 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (K[X.]G) und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 K[X.]EntgG, [X.] 1-430.2 und DRG [X.] der Anlage zur Fallpauschalenvereinbarung ([X.]) 2011 iVm dem [X.] nach § 112 [X.] zwischen der [X.]amburgischen Krankenhausgesellschaft eV und (ua) der Beklagten.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.]amburg vom 20. Juli 2016 und des Sozialgerichts [X.]amburg vom 14. Januar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist begründet (§ 170 Abs 2 [X.] 1 [X.]GG). Das [X.] hat zu Unrecht die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Das [X.] verletzt [X.] Recht. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden [X.] zulässig ([X.], zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 9; [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]2), jedoch unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter (dazu 1.) erlosch dadurch in Höhe von 1662,75 [X.], dass die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten aufrechnete (dazu 2.). Der Klägerin stand wegen der stationären Behandlung des Versicherten neben den von der [X.] gezahlten und nicht zurückgeforderten 1663,10 [X.] jedenfalls kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber hinaus gezahlten 1662,75 [X.] und damit auch kein Zinsanspruch zu (dazu 3.).

8

1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der [X.] zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 1662,75 [X.] hatte; eine nähere Prüfung des erkennenden [X.]enats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB B[X.]G [X.]-2500 § 129 [X.] Rd[X.]0; B[X.]G [X.]-2500 § 130 [X.] Rd[X.]5; B[X.]G [X.]-5562 § 9 [X.] RdNr 8).

9

2. Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erlosch dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten die Aufrechnung erklärte (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung vgl zB [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], RdNr 9 ff mwN, [X.]). [X.]chulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der [X.] aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar (vgl zur Aufrechnung B[X.]G [X.]-2500 § 264 [X.] Rd[X.]6; B[X.]G Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 9/16 R - Juris, vorgesehen für [X.]-5562 § 11 [X.]; B[X.]G Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 7/16 R - Juris, vorgesehen für [X.]-7610 § 366 [X.]). Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 1662,75 [X.] waren erfüllt. Die Beklagte zahlte der Klägerin 1662,75 [X.] Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund, weil die Klägerin für die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen einen jedenfalls in diesem Umfang überhöhten Betrag berechnete (dazu 3.). In dieser Höhe stand der [X.] ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.

3. Die Klägerin durfte [X.] korrekt nicht mehr als 1663,10 [X.] abrechnen. [X.]ie hatte dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung (dazu a). [X.]ie durfte jedoch keine höhere Vergütung als nach [X.] abrechnen, weil sie die Voraussetzungen der [X.] oder einer anderen höher als die [X.] vergüteten Fallpauschale nicht erfüllte (dazu b).

a) Die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i[X.] von § 39 Abs 1 [X.] 2 [X.] erforderlich und wirtschaftlich ist ([X.], vgl zB [X.], 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]1; [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]5; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der [X.], den [X.]enat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]GG) erfüllt.

Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei [X.] wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 [X.] 3 [X.] (idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom [X.], [X.]) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 8 [X.] Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2010, [X.] 2309) und § 17b [X.] (idF durch Art 1 [X.] Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem [X.] vom [X.], [X.] 534; vgl entsprechend [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]5 f; B[X.]G [X.]-2500 § 109 [X.]4 Rd[X.]5; B[X.]G [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]2; B[X.]G Urteil vom [X.] KR 29/16 R - Juris Rd[X.]0, für [X.] und [X.] vorgesehen). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch [X.] ([X.], [X.]) konkretisiert. Die [X.]pitzenverbände der [X.]n (ab [X.]: [X.] [X.]n) und der [X.] gemeinsam vereinbaren nach § 9 [X.] [X.] KHEntgG (idF durch Art 2 [X.] a KHRG vom [X.], [X.] 534) mit der [X.] als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 [X.]1 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit [X.] in den [X.] auf der Grundlage des § 9 [X.] [X.] KHEntgG (idF durch Art 19 [X.] Gesetz zur [X.]tärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung vom [X.], [X.] 378).

Welche [X.] abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 [X.] 1 [X.] 2011; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]9 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der [X.], einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b [X.] [X.] und § 9 [X.] [X.] KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl B[X.]G [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von [X.]-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer [X.]telle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten ([X.]) in der jeweiligen vom [X.] ([X.]) im Auftrag des [X.] ([X.]) herausgegebenen [X.] Fassung (<[X.]-GM> hier in der Version 2011 idF der Bekanntmachung des [X.] gemäß §§ 295 und 301 [X.] zur Anwendung des [X.] vom 21.10.2010, BAnz [X.]69 vom [X.], [X.], in [X.] getreten am 1.1.2011 <[X.]-GM 2011>), die Klassifikation des vom [X.] im Auftrag des [X.] herausgegebenen [X.] (hier in der Version 2011 idF der Bekanntmachung des [X.] gemäß §§ 295 und 301 [X.] zur Anwendung des [X.] vom 21.10.2010, BAnz [X.]69 vom [X.], [X.] 3752, in [X.] getreten am 1.1.2011; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]4) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den [X.] für das [X.] (Vereinbarung zu den [X.] Version 2011 für das G-[X.]-[X.]ystem‎ gem äß § 17b [X.]; zu deren normativer Wirkung vgl [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]8).

Die Anwendung der normenvertraglichen [X.] ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die [X.] sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten [X.] gehandhabt wird und keinen [X.]pielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl B[X.]G [X.]-2500 § 109 [X.]9 Rd[X.] mwN; [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7; B[X.]G [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] mwN; B[X.]G [X.]-5562 § 2 [X.] Rd[X.]5; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im [X.] vgl B[X.]G [X.]-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.]2 ff).

b) Die Klägerin durfte die Prozedur [X.] 1-430.2 nicht kodieren, die iVm weiteren Kodierungen, insbesondere der Hauptdiagnose [X.]-GM D38.1 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens des Mittelohres, der Atmungsorgane und der intrathorakalen Organe: Trachea, Bronchus und Lunge), die Fallpauschale [X.] ansteuert. Die Biopsie "an" dem respiratorischen Organ Lunge beschreibt eine erfolgreiche Gewebeentnahme, zu der es nicht kam (dazu [X.]). Die Klägerin durfte nach der [X.] [X.] der [X.] [X.] für nicht vollendete oder unterbrochene Prozeduren lediglich [X.] 1-430.1 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Bronchus) kodieren, die iVm weiteren Kodierungen die Fallpauschale [X.] ansteuert (dazu [X.]).

[X.]) Die Gruppe der endoskopischen Biopsien an respiratorischen Organen "[X.] 1-430" fordert einheitlich einen Erfolg: Die "Entnahme" von Biopsien, also durch Biopsien erlangte [X.], die histologisch untersucht werden können. Das belegt schon der klare Wortlaut des verbindlichen Hinweises zu [X.] 1-430. Danach umfassen die nachfolgenden [X.]s die Entnahme von einer bis fünf Biopsien. Die [X.]chlüssel differenzieren systematisch nach ihrem Entnahmeort, etwa Trachea ([X.] 1-430.0), Bronchus ([X.] 1-430.1) oder Lunge ([X.] 1-430.2). Eine erfolgsunabhängige bloße Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich entgegen der auf die rechtliche Einschätzung des medizinischen [X.]achverständigen gestützten Auffassung des [X.] nicht aus der Formulierung, dass die Biopsie "an" respiratorischen Organen ([X.] 1-430) zu erfolgen hat. Die Auslegung dieser Formulierung ist dem [X.]achverständigenbeweis nicht zugänglich. Nur soweit es um das Verständnis spezifisch medizinischer Begriffe geht, die die [X.]-Klassifikation in den [X.] nutzt, kommt Beweiserhebung durch [X.]achverständige in Betracht, um ihren [X.]inngehalt im medizinisch-wissenschaftlichen [X.]prachgebrauch zu ermitteln (vgl B[X.]G [X.]-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.]8). Dies trifft nicht auf die Frage zu, welches [X.]tadium der Ausführung die konkrete Biopsie erreicht haben muss, um vergütungsrechtlich relevant zu sein. Die Klägerin erzielte nicht den für Biopsien am respiratorischen Organ Lunge ([X.] 1- 430.2) erforderlichen Erfolg, die Entnahme von Gewebe aus der Lunge, so die [X.], den [X.]enat bindenden (§ 163 [X.]GG) Feststellungen des [X.].

[X.]) Die Klägerin durfte nach der [X.] [X.] der [X.] [X.] für nicht vollendete oder unterbrochene Prozeduren lediglich [X.] 1-430.1 kodieren. Grundsätzlich ist jede Prozedur mit ihren jeweiligen Prozedurkomponenten als eine Prozedur zu kodieren (vgl [X.] P001f: "Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im [X.] a[X.]ildbar sind, sind zu kodieren. … Normalerweise ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten … in einem [X.] abgebildet … ."). Es muss sich hierbei grundsätzlich um eine vollendete Prozedur handeln, soweit sich aus dem Wortlaut der [X.]-Klassifikation selbst nicht etwas anderes ergibt. Als Ausnahme von diesem Grundsatz beschreibt die allgemeine Kodierrichtlinie [X.] [X.] die [X.]n für den Fall, dass die Prozedur nicht vollendet oder unterbrochen wurde. Nur unter den in [X.] [X.] (nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur) genannten Voraussetzungen und nach dessen Maßgaben ist eine nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur kodierfähig. [X.]o liegt es, wenn - wie hier - die Prozedur tatbestandlich einen Erfolg voraussetzt, der nicht eingetreten ist. [X.] [X.] gibt für die Fälle der nicht vollendeten oder unterbrochenen Prozeduren nach Wortlaut und Binnensystematik eine streng algorithmische Reihenfolge in fünf aufeinander folgenden Prüfungsschritten zur Ermittlung der zutreffenden [X.] vor (vgl auch [X.] in [X.], [X.]: Verschlüsseln leicht gemacht, 9. Aufl 2011, [X.] 63). [X.]ind die Voraussetzungen eines Prüfungsschritts erfüllt, ist die dortige [X.] anzuwenden. Die weitere Prüfung ist abzubrechen. Diese Binnensystematik der Kodierrichtlinie [X.] [X.] entspricht zugleich der Gesamtsystematik der [X.]. Die [X.] sind an der möglichst spezifischen Kodierung des [X.] ausgerichtet. Die [X.]pezifität der Kodierung ergibt sich nicht aus von außen an das Abrechnungssystem herangetragene Wertungen, sondern allein aus Wertungen, wie sie ua in [X.] [X.] ihren Nie[X.]chlag gefunden haben. Die Kodierrichtlinie [X.] bestimmt:

"Wenn eine Prozedur aus irgendeinem Grund unterbrochen oder nicht vollendet wurde, ist wie folgt vorzugehen:
1. Wenn von einem laparoskopisch/endoskopischen Verfahren auf 'offen chirurgisch' umgestiegen wird, so ist zu prüfen, ob es für den Umstieg einen eigenen [X.] im [X.] gibt.
a. Gibt es einen spezifischen [X.] für 'Umsteigen auf offen chirurgisch', so ist dieser zu verwenden (siehe Beispiel 1).
b. Gibt es dafür keinen spezifischen Umsteigekode, so wird nur die offen chirurgische Prozedur kodiert (siehe Beispiel 2).
2. Gibt es einen spezifischen [X.] für eine misslungene Prozedur (siehe Beispiel 3), so ist dieser zu verwenden. In diesen Fall ist der [X.] 5-995 Vorzeitiger A[X.]ruch einer Operation (Eingriff nicht komplett durchgeführt) nicht anzugeben.
3. Lässt sich die bisher erbrachte Teilleistung mit dem [X.] kodieren, so wird nur die Teilleistung kodiert (siehe Beispiele 4 und 5).
4. Wird eine Prozedur nahezu vollständig erbracht, so wird sie ohne [X.] 5-995 kodiert.
5. In allen anderen Fällen ist die geplante, aber nicht komplett durchgeführte Prozedur zu kodieren; bei Operationen ist zusätzlich der [X.]-[X.] 5-995 anzugeben."

Der Wortlaut von [X.] [X.] spricht den Gesichtspunkt der [X.]pezifität ausdrücklich an (vgl [X.] [X.]a und [X.]: "spezifischer [X.]"). Eine nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur ist - weil weniger spezifisch - nur ausnahmsweise wie eine vollendete Prozedur zu kodieren ([X.] [X.] und 5), wenn keiner der in den [X.]n [X.] bis 3 beschriebenen Fälle vorliegt. Ein frustraner Ressourcenverbrauch ist dabei kein ungeschriebener eigenständiger Gesichtspunkt zur Bestimmung einer [X.] der [X.] [X.]. Er ist nur beachtlich, wenn er im Wortlaut der jeweiligen Regelung seinen Ausdruck findet (hier in [X.] [X.]a, wenn und soweit es für die bereits erbrachte laparoskopisch/endoskopische Teilleistung einen spezifischen [X.] für "Umsteigen auf offen chirurgisch" gibt) oder sich sachlogisch aus der [X.] selbst ergibt (hier [X.] Nr 5).

Die Klägerin erfüllte schon im Ansatz nicht die Voraussetzungen von [X.] [X.] [X.] und 2. [X.]ie ging weder auf ein offen chirurgisches Verfahren zur Gewinnung von [X.] über noch gibt es einen spezifischen [X.] für eine misslungene Prozedur (zu Beispielen dafür vgl [X.] in [X.], [X.]: Verschlüsseln leicht gemacht, 9. Aufl 2011, [X.] 64) bei Biopsien ohne Inzision ([X.] 1-40 bis 1-49). Zu dieser Gruppe zählt auch die hier durchgeführte Biopsie ohne Inzision an respiratorischen Organen ([X.] 1-43). Die Klägerin erbrachte hingegen eine Teilleistung, die sich mit dem [X.] kodieren lässt ([X.] der [X.] [X.]), indem sie die tatbestandlichen Voraussetzungen des [X.] 1-430.1 erfüllte, die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Oberlappencarina des rechten Lungenflügels mit der Zange. Unerheblich ist, ob zusätzlich auch die Bürstenbiopsien aus den rechten Oberlappenostien und dem [X.]egment 6 Biopsien i[X.] des [X.] 1-43 sind. [X.]elbst wenn man dies unterstellt, konnte es sich dabei nach den [X.], den [X.]enat bindenden (§ 163 [X.]GG) Feststellungen des [X.] nur um maximal zwei weitere Biopsien im Bereich des Bronchus handeln ([X.] 1-430.1). Der [X.] umfasst bereits die Entnahme von einer bis fünf Biopsien, wie oben dargelegt. [X.]oweit das [X.] gestützt auf rechtliche Ausführungen des medizinischen [X.]achverständigen eine abweichende Auffassung zu den bundesrechtlichen Vergütungsregelungen vertreten hat, ist der erkennende [X.]enat hieran nicht gebunden. Das Gesetz sieht nur eine Bindung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.] vor (§ 163 [X.]GG; zu Ausnahmen vgl § 202 [X.] 1 [X.]GG iVm § 293 ZPO), nicht an Ergebnisse der Beweiserhebung durch medizinische [X.]achverständige zu Rechtsfragen.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Teils 3 [X.]GG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die [X.]treitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teils 1 [X.]GG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 9/17 R

26.09.2017

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 14. Januar 2015, Az: S 37 KR 901/12, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5 vom 23.04.2002, § 301 Abs 2 S 1 SGB 5, § 301 Abs 2 S 2 SGB 5, § 17b Abs 1 S 1 KHG vom 17.03.2009, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG vom 26.03.2007, § 11 KHEntgG vom 17.03.2009, Nr 1-430.2 OPS 2011, Nr 1-430.1 OPS 2011, Nr 1-430.0 OPS 2011, Nr D38.1 ICD-10-GM 2011, Nr P004f Regel 3 DKR 2011, § 1 Abs 6 S 1 FPVBG 2011, Anl 1 Teil a Nr E71A FPVBG 2011, Anl 1 Teil a Nr E71B FPVBG 2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.09.2017, Az. B 1 KR 9/17 R (REWIS RS 2017, 4765)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4765

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