Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2011, Az. 1 StR 640/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 10342

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 640/10 vom 19. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 19. Januar 2011 beschlos-sen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2010 wird mit der Maßgabe als unbe-gründet verworfen, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Gründe: Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte weder Umsatz- noch Einkommensteuererklärungen abgegeben und so für die Jahre 2002 und 2003 jeweils Umsatzsteuer und Einkommensteuer hinterzogen hat. [X.] sei jeweils eingetreten —zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Finanzbehörde die Steuer festgesetzt hättefi, für die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer —dürfte dies spätestens ein Jahr nach Ablauf der [X.] der Fall sein. Ausgehend hiervon hat das [X.] den Angeklagten wegen zweier Fälle der Umsatzsteuerhinterziehung sowie wegen zweier Fälle der [X.] unter Auflösung einer Gesamtstrafe aus einem Urteil des [X.] und unter gleichzeitiger Einbeziehung der dort ver-hängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat angeordnet, dass hiervon wegen einer vom Ange-klagten nicht zu vertretenden Verfahrensverzögerung vier Monate als verbüßt gelten. 1 - 3 - Die gegen diese Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). 2 Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des [X.] bemerkt der [X.]: 3 1. Mit Blick auf das vom [X.] aufgezeigte Schreibver-sehen im Tenor der [X.] fasst der [X.] diesen klarstellend neu. Dabei verzichtet er zur Vereinfachung der Urteilsformel auf die Angabe der von der Steuerhinterziehung jeweils betroffenen Steuerarten. Die Art der hinterzo-genen Steuer muss nicht im Tenor angegeben werden, nach § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO genügt die Angabe der rechtlichen Bezeichnung der Tat. Daher reicht die Bezeichnung —Steuerhinterziehungfi aus ([X.], Beschluss vom 13. September 2010 - 1 [X.], Rn. 69, [X.], 484, 493; [X.], Urteil vom 6. Juni 2007 - 5 [X.], [X.], 388, 391). 4 2. Die - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen tragen in allen vier Fällen eine Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung. 5 a) Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) ist bei [X.], die wie die Umsatzsteuer als Anmeldungssteuern ausgestaltet sind, mit Ablauf des Fälligkeitszeitpunktes vollendet. Liegt die als Steuerfestsetzung geltende Steueranmeldung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht vor, ist zu diesem Zeitpunkt die Steuer [X.]. § 370 Abs. 4 Satz 1 [X.] verkürzt (vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2010 - 1 [X.], Rn. 8; [X.], [X.] vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 15, [X.], 189; [X.], Beschluss vom 11. Dezember 1990 - 5 [X.], wistra 1991, 215; [X.] in 6 - 4 - [X.]/Gast/[X.], Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 [X.], Rn. 37; [X.], [X.], 10. Aufl., § 370, Rn. 105; [X.], Steuerstrafrecht, 7. Aufl., Stand Dezember 2010, § 370 [X.], Rn. 457). Deshalb trat hier Tatvollendung bereits mit Ablauf des 31. Mai 2003 (für die Umsatzsteuer 2002) bzw. mit Ablauf des 31. Mai 2004 (für die [X.]) ein. Zu diesen Zeitpunkten waren die Taten zugleich beendet (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 15 mwN, [X.], 189); die - entgegen der Annahme der Revision nicht drei, sondern fünf Jahre betragende (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StPO) - [X.] wurde rechtzeitig unterbrochen (u.a. durch den Durchsuchungsbeschluss vom 23. Oktober 2006). 7 b) Bei der Hinterziehung von [X.] durch Unterlassen tritt - sofern nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist - der Taterfolg der Steuerverkürzung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung [X.] hätte, wenn die Steuererklärung pflichtgemäß eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2010 - 1 [X.], Rn. 77; [X.], Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, [X.], 218). Dies ist spätestens dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranla-gungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. [X.] aaO mwN; [X.], [X.], 10. Aufl., § 370, Rn. 92). 8 Maßgeblich sind die konkreten Verhältnisse in dem für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 370, Rn. 92). Von Bedeutung sind aber auch die konkreten steuerlichen [X.] des jeweiligen Angeklagten. Der [X.] hat insofern erwogen, ob zu-9 - 5 - mindest bei einfach gelagerten Sachverhalten (und sofern - wie hier - keine Be-sonderheiten, die Abweichungen rechtfertigen könnten, festgestellt sind) von einer Zeitspanne der Bearbeitung fristgerecht eingereichter Steuererklärungen von längstens einem Jahr auszugehen ist. Das Tatgericht ist weder nach dem [X.] noch sonst gehalten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen es an zureichenden Anhaltspunkten fehlt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 25. April 2007 - 1 [X.], [X.], 530; [X.], Beschluss vom 25. April 2007 - 1 [X.], [X.]St 51, 324; [X.], Urteil vom 7. November 2006 - 1 [X.], [X.], 86; vgl. auch [X.], Beschluss vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07, [X.], 381, 382). Insofern ist es von Rechts wegen auch nicht geboten, Tatvollendung stets erst zum Zeitpunkt der [X.] anzunehmen, wenn also das zu-ständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat und demzufolge nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 7. November 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 138). Dies bedarf hier indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann ausgeschlossen werden, dass die Veranlagungsarbeiten für die Jahre 2002 und 2003 in dem für den [X.] zuständigen Finanzamt [X.] zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ermittlungen (der zuvor erlassene Durchsuchungsbeschluss datiert vom 23. Oktober 2006) noch nicht abgeschlossen waren. Die Tatbestandsverwirklichung war zu diesem Zeitpunkt also hinsichtlich aller vier Taten bereits eingetreten. 10 - 6 - 3. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht an der in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung einer wirksa-men Anklageschrift (§ 200 StPO) und - daran anknüpfend - einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Anklageschrift enthält die nach der Rechtsprechung des [X.] für die Anklageerhebung bei Steuerstraftaten notwen-digen Angaben (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Mai 2007 - 1 [X.], [X.], 340). 11 [X.]Wahl Graf [X.] Sander

Meta

1 StR 640/10

19.01.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2011, Az. 1 StR 640/10 (REWIS RS 2011, 10342)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10342

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