28. Senat | REWIS RS 2020, 79
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Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - „Πocoльскaя (Wort-Bildmarke)“ – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markeneintragung [X.] 29 185
(hier: Löschungsverfahren [X.]/15 Lösch)
hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 20. Mai 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] [X.] und des [X.] [X.] beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wort-/Bildzeichen
ist am 19. Mai 2005 zur Eintragung als Marke angemeldet und am 13. September 2005 in das beim [X.] geführte Register für nachfolgende Waren eingetragen worden:
Klasse 29: Fleisch; Fleischwaren, eingesalzen; [X.]; Wurst; Wurstwaren; Schinken; Fisch; Geflügel; Wild; Fleischextrakte; Pasteten, soweit in Klasse 29 enthalten; Feinkostsalate;
Klasse 30: Pasteten und Teigtaschen mit Fleischfüllung, soweit in Klasse 30 enthalten.
Die Eintragung wurde am 14. Oktober 2005 veröffentlicht. Die Löschungsantragstellerin hat am 5. Februar 2015 einen Antrag auf vollständige Löschung der Eintragung der Marke [X.] gestellt, da an dieser ein Freihaltbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bestehe und die Marke darüber hinaus auch nicht über die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] verfüge.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dem ihr am 27. Februar 2015 zugestellten Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 27. April 2015, eingegangen beim [X.] am selben Tag, widersprochen und ist ihm auch inhaltlich entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 hat das [X.], Markenabteilung 3.4, den Löschungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffene Marke sei keine beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und verfüge auch über hinreichende markenrechtliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Beide Beteiligten stimmten darin überein, dass die transliterierte Form der mit „[X.]“ zu übersetzenden angegriffenen Marke „[X.]“ sei. In diesem Sinne stelle sie sich in Verbindung mit den eingetragenen Wurst-, Fleisch- und Teigwaren sowie Salaten nicht als unmittelbar beschreibende [X.] dar. Zwar könne sie die von der Löschungsantragstellerin geltend gemachten Assoziationen mit einer Ausrichtung der so bezeichneten Produkte auf die Bedürfnisse und Erwartungen einer privilegierten Schicht der traditionellen [X.] Gesellschaft auslösen und damit indirekt eine Wertigkeit sowie hohe Geschmacksvielfalt suggerieren. Letztendlich sei der Ausdruck aber zu wenig konkret für eine klare Eigenschaftsangabe. Dementsprechend ließe sich im inländischen [X.] Handel eine Verwendung vergleichbarer Begrifflichkeiten wie „Botschafter“, „[X.]“ o. ä. als Warenbeschreibung von Lebensmitteln nicht finden.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Ausdruck „[X.]“ im [X.] Sprachgebrauch abweichend hierzu eingesetzt werde und es sich um einen rein warenbeschreibenden Qualitätshinweis etwa im Sinne einer bestimmten Qualitäts(stufen)angabe handele, der als solcher für den Im- und Export freizuhalten wäre. Die diesbezüglich von der Löschungsantragstellerin vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, dies zu belegen. Dies gelte gleichermaßen für die Behauptung, es handele sich bei der angegriffenen Marke um eine bekannte Sortenbezeichnung für [X.] Wurstwaren. Schließlich könne auch der Hinweis auf die staatliche Zertifizierung nicht überzeugen, die im Übrigen seitens der Markenabteilung auch nicht hätte verifiziert werden können. Zudem ergäben sich weder aus dem Vortrag der Löschungsantragstellerin noch aus dem vorgelegten Gutachten des [X.] Forschungsinstitutes [X.], in welchem Zusammenhang ein genormter Qualitätsstandard für ein Produkt mit der jeweiligen Produktbezeichnung stehe. Allein aus dem unterstellten Vorhandensein eines (GOST-)Standards ließe sich nicht ohne Weiteres schließen, dass es sich bei der Bezeichnung eines Produkts, welches diesem Standard entspreche, um eine Sorten- oder Gattungsbezeichnung handele. Hierfür hätte es weiterführender Angaben, etwa aus offiziellen [X.] Quellen, bedurft. Hinzu komme, dass laut Vortrag der Löschungsantragstellerin „[X.]“ die Bezeichnung für eine bestimmte Wurstsorte sein solle, in einer von ihr vorgelegten Tabelle jedoch verschiedene Wurstwaren (Brühwurst, [X.] Würstchen, Bockwurst, Weißwürstchen), [X.] sowie sogar Wodka aufgeführt seien, die offenbar alle ebenfalls mit dem Markenwort bezeichnet würden. Auch der Hinweis darauf, dass es verschiedene [X.] Rezepte mit der Bezeichnung „Botschafter“ gebe, ließe sich nicht überzeugend in Einklang bringen mit der Behauptung, es handele sich um eine registrierte Sortenbezeichnung für eine hochwertige geräucherte Wurst. Denn die beigebrachten Rezepte für ein Rindfleisch- sowie ein Pilzgericht wiesen keinerlei Wurstbestandteile auf. Vielmehr ließen auch diese Verwendungen eher darauf schließen, dass es sich um einen beliebten, [X.] überhöhten Ausdruck handele, mit dem verschiedenste Lebensmittel oder auch ganze Gerichte benannt würden, um sie – etwa vergleichbar mit [X.] Begrifflichkeiten wie „himmlisch“, „königlich“ o. ä. – besonders ansprechend herauszustellen. Eine festumrissene, objektive Merkmalsangabe scheine damit hingegen nicht verbunden zu sein. So ließen insbesondere auch die genannten Gerichte keine spezifischen gemeinsamen Zutaten (abgesehen von Salz, [X.], Öl) oder eine übereinstimmende Art der Zubereitung, Würzung o. ä. erkennen, die Anlass dazu geben könnten, „nach Botschafterart“ im Sinne einer bestimmten, gleichbleibenden Rezeptur oder eines entsprechenden Kochstils zu verstehen.
Zusammenfassend sei festzustellen, dass nach der vorliegenden Sachlage nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass das Markenwort eine rein beschreibende Eigenschafts- oder Sortenangabe in Verbindung mit den beanspruchten Waren sei, das als solches für die Mitbewerber der Inhaberin der angegriffenen Marke zur Benennung ihres eigenen Warenangebotes zwingend benötigt werde. Die bestehende Unklarheit in Bezug auf den Sachverhalt, dessen zugrundeliegenden ausländischen Umstände für das Amt nur schwer zugänglich seien, gingen insoweit zu Lasten der Löschungsantragstellerin als derjenigen, die sich auf das Vorliegen des Schutzhindernisses berufe.
Der angegriffenen Marke, so das [X.] weiter, könne auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Die Mehrheit der angesprochenen inländischen [X.]e verstünde bereits deren Bedeutungsgehalt nicht. Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren, bei denen es sich nicht konkret um [X.] Spezialitäten handele, richteten sich an die inländische Gesamtbevölkerung. Allerdings seien nur weniger als 10 % der inländischen Verbraucher der [X.] Sprache mächtig. Auch wenn für letztere der beschreibende Gehalt der Marke im Vordergrund stehen sollte, so handele es sich bei ihnen jedoch nur um einen unwesentlichen Teil des angesprochenen Verkehrs, dessen Auffassung vorliegend nicht maßgeblich sei.
Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 26. Januar 2018, welche sie binnen der ihr hierzu gesetzten (und einmalig verlängerten Frist) nicht weiter begründet hat.
Im Verfahren vor dem [X.] hat sie im Wesentlichen vorgetragen, das [X.] Markenwort in kyrillischen Buchstaben, das transliteriert „[X.]“ laute, sei die adjektivische Form von „Botschafter“. Botschafter seien traditionell als höchstprivilegierte Gäste vom Zaren empfangen und mit feinsten Speisen bewirtet worden. Daher weise die angegriffene Marke in Verbindung mit Lebensmitteln auf deren hohen Wert und Qualität hin. Die Bezeichnung habe sich im russischsprachigen Raum auch als Sortenbezeichnung für hochwertige geräucherte Wurst durchgesetzt und werde von zahlreichen Wurstherstellern verwendet. Es existiere sogar eine bestimmte staatliche Zertifizierung, was zum einen bedeute, dass sich die Hersteller so bezeichneter Wurstwaren an die vorgeschriebene Rezeptur und Zusammensetzung halten müssten, zum anderen, dass die Bezeichnung, die in entsprechenden Normen (GOST bzw. [X.]) beschrieben sei, frei verwendbar für alle Hersteller bleiben müsse. Zudem sei es im [X.] üblich, aufwändige Rezepturen von Fleischspeisen mit dem Ausdruck „nach Botschafterart“ zu bezeichnen.
Diese Eignung der angegriffenen Marke zur Eigenschaftsbeschreibung sei auch in [X.] zu berücksichtigen, da hier ein nicht zu vernachlässigendes Marktsegment für [X.] Lebensmittel entstanden sei. So betrage der Anteil der russischsprachigen Konsumenten doch 8 bis 10 Millionen Personen.
Darüber hinaus fehle der angegriffenen Marke auch die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft. Ihre Inhaberin habe sich mit ihren Waren auf Personen konzentriert, welche der [X.] Sprache mächtig seien. Diese würden in der angegriffenen Marke jedoch keinen Herkunftshinweis, sondern einen allgemeinen Hinweis auf hochwertige Lebensmittel sowie im Speziellen auf eine von verschiedenen Herstellern verwendete Wurstsorte sehen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen sowie
für den Fall, dass die Beschwerde zurückgenommen wird, der Löschungsantragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Auch die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren inhaltlich nicht weiter zur Sache eingelassen. Im Verfahren vor dem [X.] hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die angegriffene Marke sei mit „für den Botschafter“ bzw. „dem Botschafter gemäß“ zu übersetzen und in dieser Bedeutung keine unmittelbar beschreibende Angabe von Eigenschaften der relevanten Fleisch-, Wurst- und Teigwaren. Ihr sei keine konkrete Sachaussage über die so bezeichneten Waren zu entnehmen. Allenfalls handele es sich um einen Ausdruck mit allgemeiner Werbefunktion, den der Verbraucher, wenn er ihn überhaupt verstehe, mangels konkreter Produktinformation als Marke und damit als Herkunftshinweis wahrnehme.
Die Mehrheit der angesprochenen [X.]e im Inland, an die sich die für Lebensmittel eingetragene Marke richte, sei der [X.] Sprache ohnehin nicht mächtig, so dass sie sich schon deshalb weder zur Beschreibung eigne, noch als reiner Kaufappell ohne jegliche [X.] verstanden werde.
Da es allein auf das Verständnis der angesprochenen [X.]e im Inland ankomme, sei es unerheblich, ob der Begriff in [X.] eine für Wurstwaren gebräuchliche Bezeichnung sei, was die von der Löschungsantragstellerin vorgelegten Unterlagen im Übrigen nicht belegten. Ebenso wenig sei entscheidungsrelevant, ob in [X.] staatliche Vorschriften wie beispielsweise [X.] für die verfahrensgegenständliche Marke existierten, denn auch diese hätten keine Bedeutung für den [X.] Markt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das [X.] in seinem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass an der angegriffenen Marke kein Freihaltebedürfnis besteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) und der Eintragung auch nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) entgegensteht.
1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dem ihr am 27. Februar 2015 zugestellten Löschungsantrag, der innerhalb der 10-Jahresfrist des § 50 Abs. 2 [X.] a. F. i. V. m. § 158 Abs. 8 [X.] gestellt worden ist, mit Schreiben vom 27. April 2015, das am gleichen Tag beim [X.] eingegangen ist, innerhalb der 2-Monatsfrist des § 54 Abs. 2 [X.] und daher fristgerecht widersprochen, so dass das Löschungsverfahren durchzuführen war.
2. Die Feststellungslast für das Vorliegen eines absoluten Schutzhindernisses zum Eintragungszeitpunkt nach § 50 Abs. 1 [X.] trifft den Antragsteller des [X.]. Es kommt nicht darauf an, ob die Eintragung fehlerhaft erfolgt ist, sondern ob das Schutzhindernis tatsächlich vorlag. Lässt sich im Nachhinein nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit aufklären, ob ein Schutzhindernis im Eintragungszeitpunkt bestand, gehen verbleibende Zweifel zu Lasten des Antragstellers des [X.] (vgl. [X.], [X.] – ROCHER-Kugel).
3. Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. [X.] GRUR 2004, 680 - [X.]; [X.], 723 – Chiemsee).
a) Wie das [X.] und die beiden Beteiligten zutreffend dargelegt haben, lautet die gegenständliche Marke in transliterierter Form „[X.]", ist das Adjektiv zum [X.] Wort „nocoᴫ“ für „Botschafter“ und bedeutet soviel wie „[X.]", „für den Botschafter" oder „dem Botschafter gemäß". Unter Zugrundelegung dieser Bedeutungen vermittelt sie gegenüber den inländischen [X.]en keine Sachaussage über die eingetragenen Waren.
b) Maßgeblich für die Beurteilung der Verkehrsauffassung sind sämtliche [X.]e, die als Abnehmer oder Interessenten der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen oder mit deren Vertrieb befasst sind, einschließlich solcher, die nur gelegentlich mit diesen in Berührung kommen. Es können dabei auch mehrere [X.]e mit ggf. jeweils unterschiedlicher Verkehrsauffassung zugleich maßgeblich sein, mit der Folge, dass das Zeichen dann nach Auffassung aller relevanten [X.]e [X.] haben muss. Dagegen ist es unerheblich, wenn ausschließlich nicht angesprochene (und damit irrelevante) [X.]e dem Zeichen keinen Herkunftshinweis entnehmen. Welche [X.]e angesprochen sind, bestimmt sich objektiv nach den dauerhaften, charakteristischen Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und nicht subjektiv nach den individuellen – jederzeit änderbaren – Werbekonzeptionen und Vermarktungsstrategien des Markeninhabers. Nicht objektiv durch die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vorgegebene, sondern lediglich subjektiv durch den Markeninhaber vorgenommene Beschränkungen der [X.] oder Vertriebswege sind deshalb unbeachtlich.
Im nationalen Markenrecht sind ausschließlich inländische [X.]e relevant. Für den Erwerb einer nationalen Marke ist es deshalb unerheblich, ob ausländische [X.]e das Zeichen beschreibend oder nicht unterscheidungskräftig ansehen; nur im Ausland bestehende Schutzhindernisse sind unbeachtlich (vgl. [X.] [X.], 18. Edition, Stand 01.07.2019, § 8, Rdnr. 103).
Vorliegend kann es im Ergebnis dahinstehen, ob auf den [X.] der (inländischen) Verbraucher oder auf den des (inländischen) Handels (mithin die Fachkreise) abzustellen ist, da sich die angegriffene Marke in beiden Fällen als schutzfähig erweist:
(1) Da es sich bei den eingetragenen Waren um Lebensmittel des täglichen Bedarfs handelt und das [X.] keinerlei Einschränkungen auf bestimmte Abnehmer oder deren Herkunft aufweist, handelt es sich bei den angesprochenen [X.]en zum einen um die breite Masse der inländischen Verbraucher. Dass ein relevanter Teil der inländischen Gesamtbevölkerung die angegriffene Marke als zum [X.] Begriff für „Botschafter“ gehörendes Adjektiv und damit im Sinne von „botschafterartig“ auffassen wird, erscheint fraglich, da nur ein geringer Prozentsatz der inländischen Bevölkerung der [X.] Sprache mächtig ist. Dies bedarf im Ergebnis jedoch keiner Entscheidung. Selbst wenn nämlich zu Gunsten der Löschungsantragstellerin ein solches Verständnis der Gesamtbevölkerung unterstellt oder die russischsprachige inländische Bevölkerung als relevanter [X.] angesehen wird, würde dies dem Löschungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen.
(a) Die angegriffene Marke beansprucht Schutz für Fleisch-, Wurst- und Teigwaren, Fisch sowie Salate. In ihren oben aufgezeigten [X.] Bedeutungen „[X.]", „für den Botschafter", „dem Botschafter gemäß" oder „botschafterartig“ benennt sie keine konkreten Eigenschaften der verfahrensgegenständlichen Waren. Auch wenn zu Gunsten der Löschungsantragstellerin angenommen wird, dass die angegriffene Marke gewisse Assoziationen mit der Ausrichtung der solchermaßen bezeichneten Produkte auf die Bedürfnisse und Erwartungen einer privilegierten Schicht der traditionellen [X.] Gesellschaft auslösen und damit indirekt eine Wertigkeit sowie große Geschmacksvielfalt suggerieren kann, so sind die daraus resultierenden Vorstellungen allenfalls vage und zur unmittelbaren Beschreibung der Qualität der gekennzeichneten Waren nicht geeignet. Lediglich beschreibende Anklänge und Andeutungen stehen einer Eintragung jedoch nicht entgegen, denn der Verkehr nimmt ein Zeichen in der Regel so wahr, wie es ihm entgegentritt, und unterwirft es keinen analysierenden, möglichen beschreibenden Begriffsinhalten nachgehenden Betrachtung. Ein merkmalsbeschreibender Inhalt, der – wie vorliegend der Fall – allenfalls erst nach mehreren Gedankenschritten erkennbar wird, ist daher unschädlich ([X.], 729, Rdnr. 14 – READY TO FUCK; [X.] [X.], 18. Edition, Stand 01.07.2019, § 8, Rdnr. 165).
(b) Zutreffend hat das [X.] darauf hingewiesen, dass die von der Löschungsantragstellerin vorgelegten [X.] nicht geeignet sind, das von ihr behauptete Verständnis der Verbraucher im Inland, auf welches vorliegend abzustellen ist, zu belegen. Ebenso haben Recherchen des Senats nicht ergeben, dass die angegriffene Marke in [X.] im Sinne eines Qualitätshinweises aufgefasst wird.
Dies vermag zum einen der als Anlage [X.] zum Schriftsatz vom 21. September 2015 der Löschungsantragstellerin als Beleg eines vermeintlichen Qualitätshinweises eingereichte Screenshot des Ergebnisses einer [X.] zu dem Begriff „[X.]“ nicht in Frage zu stellen. Abgebildet sind zahlreiche Waren, wie Wurstwaren, Wodka etc. Welcher Suchalgorithmus der Auswahl der Bilder zugrunde lag, ist nicht ersichtlich. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass die Treffer markenmäßige Verwendungen des Begriffs „[X.]“ zeigen, was gegen seinen beschreibenden Sinngehalt sprechen würde.
Zum anderen belegen die als Anlage 2 zum Schriftsatz vom 21. September 2015 vorgelegten Rezepte nicht den beschreibenden Sinngehalt der angegriffenen Marke. Das Rezept „Beef [X.]ial“ kann zwar im Sinne von „Rindfleisch nach Botschafterart“ aufgefasst werden, es bleibt jedoch offen, was konkret darunter zu verstehen ist. Das gleiche gilt für das weitere Rezept „Pilze in [X.]ial“, bei dem der angesprochene Verkehr annehmen wird, dass sich die Pilze „in“ etwas befinden, etwa in einer Sauce „[X.]ial“. Dass die Begriffe „[X.]", „für den Botschafter", „dem Botschafter gemäß" oder „botschafterartig“ in der Bundesrepublik [X.] Synonyme für die erlesene Qualität von Nahrungsmitteln sind, ist nicht erkennbar und wurde von der Löschungsantragstellerin auch nicht belegt. Insbesondere lässt sich den von ihr eingereichten Rezepten keine einheitliche Verwendung spezieller (qualitativ besonders hochwertiger) Zutaten entnehmen. Insofern sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass „nach Botschafterart“ eine eigene Zubereitungsart bezeichnet.
(c) Ebenso vermag der weitere Vortrag der Löschungsantragstellerin, die angegriffene Marke sei zu einer beliebten und verbreiteten Wurstsortenbezeichnung für eine geräucherte Kochwurst bzw. [X.] gehobener Klasse geworden, welche von vielen Herstellern in [X.], [X.] und der [X.] verwendet werde, nicht zu überzeugen.
Zunächst ist anzumerken, dass die beiden vorgenannten von der Löschungsantragstellerin ins Feld geführten Rezepte Rindfleisch und Pilze zum Gegenstand haben, nicht aber [X.] bzw. Kochwurst. Bei den weiteren von ihr eingereichten [X.]n (vgl. Anlagen 3, 4 und 5 zum Schriftsatz vom 21. September 2015) fällt auf, dass dort die angegriffene Marke oftmals in Anführungszeichen verwendet wird, was auf eine markenmäßige und nicht auf eine beschreibende Verwendung schließen lässt. Hinzu kommt, dass nahezu alle Verwendungsnachweise ausschließlich in [X.]r Sprache gehalten sind und die Löschungsantragstellerin jeden substantiierten Vortrag, in welchem konkreten Umfeld sich die verfahrensgegenständliche Bezeichnung dort befindet, schuldig geblieben ist. Die Einreichung von (überwiegend) fremdsprachigen Internetausdrucken ohne jedwede nähere Erläuterung ist zur Stützung des Vorbringens der Löschungsantragstellerin ungeeignet, zumal die [X.] ist (§ 184 GVG). Zutreffend hat das [X.] ferner darauf hingewiesen, dass es sich bei den von der Löschungsantragstellerin ins Feld geführten Verwendungsformen auch um eine beliebte Kennzeichnung handeln kann, die von verschiedenen Anbietern markenmäßig verwendet wird, möglicherweise auch im Rahmen einer Lizenzvereinbarung. Trotz der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht sowie Darlegungslast (vgl. hierzu [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Auflage, § 54, Rdnr. 21) hat die Löschungsantragstellerin ihren entsprechenden Vortrag auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht näher substantiiert.
(2) Selbst, wenn zum anderen auf den Fachverkehr in Form des in [X.] ansässigen allgemeinen Lebensmittelhandels abgestellt wird, führt dies nicht zur Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke.
Bei den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen kann unterstellt werden, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, eindeutig beschreibende Angaben auch in fremder Sprache zu erkennen. Davon ist jedenfalls bei Sprachen fremder [X.] auszugehen, mit denen Handelsbeziehungen im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen bestehen. Vorliegend gilt es zu berücksichtigen, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen [X.] und [X.] seit dem Zusammenbruch der [X.] im Zuge der Öffnung der Grenzen erheblich intensiviert worden sind. Der Handel mit den baltischen [X.] und [X.] expandiert aufgrund entsprechender Handelsabkommen und Wirtschaftsvereinbarungen, wovon auch der Lebensmittelbereich in ansteigendem Maße profitiert. Dies war bereits bei der Anmeldung und ist – ungeachtet der aktuellen Krimkrise und der daraus resultierenden politischen Spannungen zwischen der [X.] Föderation und westlichen [X.] – auch im Entscheidungszeitpunkt der Fall (vgl. BPatG 28 W (pat) 578/12 – Omas Gurken und BPatG 28 W (pat) 27/13 - PLOMBIR).
Es sind bereits keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die angegriffene Marke in [X.] im Sinne einer Qualitätangabe oder als Sortenbezeichnung verstanden wurde, respektive wird, so dass für die Annahme eines entsprechenden Verständnisses des inländischen Handels kein Raum ist. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Löschungsantragstellerin zu einer vermeintlichen gesetzlichen Normierung (GOST bzw. [X.]) in [X.].
Ausweislich des von der Löschungsantragstellerin vorgelegten Gutachtens des [X.] Forschungsinstitutes [X.] (vgl. Anlage 6 zum Schriftsatz vom
21. September 2015) ist die angegriffene Marke Gegenstand verschiedener gesetzlicher Normierungen für unterschiedlichste Waren, so für „[X.]“ ([X.] 9213-842-00419779-09), „Brühwurst, [X.] Würstchen, Bockwurst und Weißwürstchen“ ([X.] 9213-861-00419779-05), „[X.], [X.], [X.]“ (GOST 12712-80) sowie für „Brühwurst höchster Güteklasse“ ([X.] 9213-005-108444897-99). Es ist somit schon nach dem eigenen Vorbringen der Löschungsantragstellerin nicht ersichtlich, dass die angegriffene Marke Gegenstand einer einzigen, eine bestimmte Wurstware betreffenden [X.] Normierung ist, geschweige denn einer solchen ausschließlich für eine bestimmte „Kochwurst“ bzw. „[X.]“. Hinzu kommt, dass sich etwa „[X.]“, „Weißwürste“ und „Wodka“ deutlich voneinander unterscheiden, was ebenfalls gegen ein rein beschreibendes Begriffsverständnis der angegriffenen Marke spricht. Nicht ausgeschlossen ist ferner, dass andere Geflügel-, Wurst- oder Wodkasorten, die ebenfalls einer der angeführten Normen entsprechen unter anderen Bezeichnungen auf dem Markt angeboten (respektive nach [X.] importiert) werden dürfen. Allein aus dem Vorhandensein einer gesetzlichen Normierung als solchen kann – ohne weitere Anhaltspunkte hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in [X.] – nicht darauf geschlossen werden, dass sich eine bestimmte Bezeichnung hierauf basierend zu einer beschreibenden Angabe oder einer Gattungsbezeichnung entwickelt hat. Einen solchen substantiierten Nachweis ist die Löschungsantragstellerin ebenfalls schuldig geblieben. Weiter fehlt auch jeder Vortrag dahingehend, warum speziell die inländischen Fachkreise gerade von dieser gesetzlichen Normierung hätten Kenntnis haben sollen.
4. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass nicht mit der für eine Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke erforderlichen Sicherheit ihr beschreibender Begriffsgehalt festgestellt werden kann. Insofern lässt sich nicht feststellen, dass ihrer Eintragung sowohl zum Anmelde- als auch zum Entscheidungszeitpunkt das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegengestanden hat, respektive entgegensteht.
5. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.], da [X.] für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen, noch ersichtlich sind. Lediglich klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke einen Kostenantrag unter der Bedingung gestellt hat, dass die Löschungsantragstellerin ihre Beschwerde zurücknimmt, wozu sich diese jedoch nicht hat entschließen können.
Meta
20.05.2020
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.05.2020, Az. 28 W (pat) 13/18 (REWIS RS 2020, 79)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 79
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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