Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011, Az. B 2 U 16/10 R

2. Senat | REWIS RS 2011, 10408

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Landwirtschaftliche Unfallversicherung - landwirtschaftlicher Unternehmer - Mitgliedschaft - Bodenbewirtschaftung - Mähen einer Wiese


Leitsatz

In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist nicht schon der bloße Besitz eines Grundstücks, sondern erst eine den Boden bewirtschaftende Tätigkeit, die nicht der Aufzucht von Bodengewächsen dienen muss, geeignet, ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 2. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft des [X.] bei der Beklagten umstritten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Wiesengrundstücks von 0,4163 ha, das zwei Mal jährlich gemäht wird. Das Schnittgut dient allein der Heugewinnung. Mit Bescheid der [X.] ([X.]; Rechtsvorgängerin der Beklagten) vom 18.4.1980 wurde er in deren Unternehmerverzeichnis (Kataster) aufgenommen. Seinen im August 2006 gestellten Antrag, den Aufnahmebescheid zurückzunehmen und das Ende der Mitgliedschaft festzustellen, lehnte die Beklagte ab, weil das Grünland zur Erhaltung des [X.]es gepflegt werde (Bescheid vom 13.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006).

3

Das [X.] hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 26.9.2008). Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Der Kläger habe seit [X.] ein Unternehmen der Landwirtschaft betrieben. Zwar liege eine planmäßige Aufzucht und Aberntung von [X.] nicht vor. Die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer entfalle aber erst dann, wenn entweder die Bodenfläche im Wesentlichen Ödland sei und landwirtschaftlich nicht genutzt werden könne oder die Bodenbewirtschaftung auf Dauer eingestellt werde. Eine zeitliche Geringfügigkeitsgrenze habe unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung ([X.]) nicht bestanden. Die mit dem [X.] mit Wirkung ab [X.] eingeführten Bagatellgrenzen seien überschritten.

4

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 776 Abs 1 Nr 1 [X.] und 123 Abs 1 Nr 1 [X.]. Er sei kein landwirtschaftlicher Unternehmer, da es an einer Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse fehle. Das Grundstück würde allein gemäht, um im Sinne landschaftspflegerischer Aktivitäten den [X.] zu erhalten, Beeinträchtigungen Dritter durch [X.] zu vermeiden und für Fahrzeugführer die Sicht auf angrenzende Straßen freizuhalten. Das Schnittgut sei für ihn unerwünschter Abfall.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 2. Juni 2010 und des [X.] vom 26. September 2008 sowie die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 13. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 18. April 1980, hilfsweise dessen Aufhebung für die [X.] ab 1. Januar 1997 festzustellen, dass er nicht Mitglied der Beklagten ist.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Bodenbewirtschaftung umfasse alle Bestellungs-, Pflege-, und Aberntungstätigkeiten einschließlich der Bearbeitung und Düngung des Bodens. Der nur geringe Arbeitsaufwand des [X.] sei unerheblich.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 13.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme oder Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 18.4.1980 und Feststellung seiner [X.] bei der Beklagten.

9

Die angefochtene Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen [X.] vom 18.4.1980 wegen anfänglicher Unrichtigkeit und das hierauf gerichtete Verpflichtungsbegehren des [X.] beurteilen sich nach § 44 [X.] [X.]. Der hierzu nachrangige Anspruch auf Aufhebung der [X.] wegen einer im Nachhinein eingetretenen nachträglichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse richtet sich hingegen nach § 48 Abs 1 [X.]. Diese Vorschriften werden nicht durch die Regelungen des § 136 Abs 1 Satz 4 iVm [X.] [X.] als leges speciales verdrängt, die lediglich die Überweisung von Unternehmen und damit die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zueinander betreffen.

Nach § 44 [X.] [X.] ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist weder geltend gemacht worden noch erkennbar, dass die Beklagte bei der Aufnahme des [X.] in das [X.] von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich (nachträglich) als unrichtig erweist. Sie hat auch das Recht nicht unrichtig angewandt. Ihre Entscheidung im Bescheid vom 18.4.1980, den Kläger als landwirtschaftlichen Unternehmer im Kataster zu führen, entsprach der damaligen Sach- und Rechtslage.

Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss von Anfang an rechtswidrig sein. Maßgeblich ist daher das Recht, das für den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes vom 18.4.1980 gilt, hier das der [X.]. Nach § 792 iVm § 658 Abs 1 [X.] war jeder Unternehmer Mitglied der sachlich zuständigen [X.], dessen Unternehmen seinen Sitz im örtlichen Zuständigkeitsbereich der [X.] hatte. Unternehmer war gemäß § 658 [X.] [X.] [X.] derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) ging. Von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung waren nach § 776 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus umfasst, es sei denn, es handelte sich um Haus-, Zier- oder andere Kleingärten, die weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet wurden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienten (§ 778 [X.]). Auf der Grundlage dieser Vorschriften ist der Kläger zu Recht zum [X.] selbst versichertes und beitragspflichtiges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten geworden.

Sein unfallversicherungsrechtlicher Rechtsstatus als landwirtschaftlicher Unternehmer war nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen, weil er unter die [X.] des § 778 [X.], einer Ausnahmeregelung für Ziergärten, Hausgärten und andere Kleingärten, gefallen wäre. Bei dem Wiesengrundstück von 0,4163 ha handelt es sich offenkundig nicht um einen der Verschönerung dienenden Ziergarten. Da seine Nutzung nicht auf den häuslichen Bedarf ausgerichtet ist, stellt es auch keinen Hausgarten dar. Schließlich scheidet ein anderer Kleingarten aus, denn selbst die ursprünglich vom [X.] angenommene Obergrenze von 2.500 m² (vgl hierzu BSG vom [X.] - 2 RU 30/88 - [X.], 252, 254 = [X.] 2200 § 778 [X.]) ist überschritten.

Durch das Mähen des Wiesengrundstücks wurde ein "Unternehmen" im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung begründet. Der Begriff des Unternehmens ist durch das [X.] vom 30.4.1963 ([X.]Bl I, 241) als Sammelbegriff für Betriebe, Einrichtungen und Tätigkeiten ausgestaltet worden. Die Aufzählung im Klammerzusatz des § 658 [X.] [X.] [X.] macht deutlich, dass unter einem Unternehmen nicht nur ein Betrieb im herkömmlichen wirtschaftlichen Sinne zu verstehen ist. Der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer organisatorischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit voraus (BSG vom [X.] - [X.], 126, 128 = [X.] 2200 § 539 [X.] 24 S 68; [X.] - [X.] U 40/98 R - [X.] 3-2200 § 776 [X.] 5 S 12 f). Anders als nach § 1 Abs 3 des bis zum 31.12.1994 geltenden Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte ([X.]) kommt es auch nicht darauf an, dass das Unternehmen nach seiner Art und Größe eine Existenzgrundlage bilden kann. Vielmehr ist in der gesetzlichen Unfallversicherung jede Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen. Dieser weite unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens gilt auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. § 792 [X.] bestimmt ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 658 [X.]. Ein landwirtschaftliches "Unternehmen" im weiten unfallversicherungsrechtlichen Sinn liegt schon deshalb nicht nur dann vor, wenn der Unternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb oder eine landwirtschaftliche Einrichtung führt.

Der Kläger betreibt das Unternehmen und ist damit "Unternehmer". Es geht für seine Rechnung (vgl § 658 [X.] [X.] [X.]), denn ihm gereicht es unmittelbar zum wirtschaftlichen Vor- oder Nachteil (vgl BSG vom 7.11.2000 - [X.] U 42/99 R - juris Rd[X.]6 mwN). Nach seinem eigenen Vorbringen wird das Grundstück gemäht, um nachteilige Einwirkungen auf Dritte zu vermeiden. Dass er die Wiese durch Dritte mähen lässt, berührt seine Eigenschaft als Unternehmer, dem dies zum Vorteil gereicht, nicht (vgl [X.] [X.] U 30/97 R - [X.], 132, 135 = [X.] 3-2200 § 802 [X.] S 5).

Dieses Unternehmen des [X.] ist "landwirtschaftlicher" Natur. Der Begriff der "landwirtschaftlichen" Unternehmen ist im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gesetzlich definiert. Er erfasst nach dem Gesetz nicht nur bodenbewirtschaftende Unternehmen. Soweit er sich auf solche bezieht, verlangt er schon nach seiner alltagssprachlichen Bedeutung, dass der Unternehmer, der, wie der Kläger, keinen Betrieb und keine Einrichtung führt, wirtschaftende Tätigkeiten am "Land" durchführen lässt oder durchführt. Daher ist landwirtschaftlicher Unternehmer, wer als Besitzer von Grundstücken (Eigentümer, Pächter, Nießbraucher oder sonstige Nutzer) auf eigene Rechnung Tätigkeiten verrichtet oder verrichten lässt, die mit dem Boden in irgendeiner Art wirtschaften (vgl BSG vom 7.11.2000 - [X.] U 42/99 R - juris Rd[X.]6 mwN). Hingegen reicht es nicht aus, dass jemand Eigentümer, Besitzer oder Nutzungsberechtigter an einem Grundstück ist, ohne eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit zu entfalten (oder einen landwirtschaftlichen Betrieb, eine solche Einrichtung oder eine darauf bezogene Verwaltung zu führen).

Das Abmähen der auf einem Grundstück gewachsenen Pflanzen ist (wie deren Anbau und die Bearbeitung des Bodens zwecks [X.]) eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Zur Bodenbewirtschaftung zählt nicht nur die Bestellung des Bodens durch Säen oder Pflanzen und seine Bearbeitung durch zB Pflügen, Düngen oder Bewässern. Sie umfasst vielmehr sämtliche Tätigkeiten, die - wie hier - dem Abschneiden von Bodengewächsen oder der Gewinnung von [X.] dienen. Unerheblich ist, ob die [X.] auf einer Aufzucht beruhen und zu welchem Zweck sie gewonnen werden. Auch das Mähen von Gras zur Heugewinnung ohne weitere Verwendung des Heus gehört damit zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten (vgl BSG vom 17.2.1971 - 7/2 [X.] - [X.], 211, 212 = [X.] [X.] zu § 815 [X.]). Der bloße Besitz eines Grundstücks mit Pflanzenbewuchs macht also den Eigentümer, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten noch nicht zum landwirtschaftlichen Unternehmer. Die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung wird, soweit kein Betrieb, keine Einrichtung und keine Verwaltung geführt wird, erst durch die Verrichtung einer bodenbewirtschaftenden Tätigkeit begründet, die ihrer Art nach eine unfallversicherte Tätigkeit sein kann.

Anderes ergibt sich nicht aus § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte [X.]). Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße erreicht ([X.] Satz 1). Zur erforderlichen Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen ausübt (Abs 4 Satz 2 Halbs 1). Es kann dahingestellt bleiben, wie der Begriff "Aufzucht" zu verstehen ist, ob er [X.] durch Eingriff in das natürliche Geschehen voraussetzt und das bloße wilde Wachsen nicht gesäten Grases nicht erfasst. Die Vorschrift des § 1 [X.] Satz 1 und [X.] ist bei der Feststellung eines landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anwendbar.

[X.] ist durch Art 1 des [X.] 1995 ([X.] 1995) vom [X.] ([X.]Bl I, 1890) mit Wirkung zum 1.1.1995 eingeführt worden. Eine § 1 [X.] Satz 1 und [X.] entsprechende Regelung sah das [X.] nicht vor. Obwohl durch Art 8 [X.] 1995 zugleich auch das [X.] der [X.] über die [X.] geändert worden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, ausdrücklich oder durch Verweisung auf [X.] jene Definition des Begriffs der Bodenbewirtschaftung in das [X.] des [X.] der [X.] zu übernehmen.

Auch nach der Gesetzessystematik wurden nach § 776 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] grundsätzlich sämtliche Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogen. Lediglich Haus-, Zier- und andere Kleingärten gelten nach § 778 [X.] nicht als landwirtschaftliche Unternehmen. Dieses Regelungskonzept bestätigt, dass sich die landwirtschaftliche Unfallversicherung mangels zumindest begrifflicher Erläuterung des landwirtschaftlichen Unternehmens auf sämtliche bodenbewirtschaftenden Unternehmen mit Ausnahme von Haus-, Zier- und anderen Kleingärten erstreckt. Damit wird dem Anliegen Rechnung getragen, die betrieblichen Risiken der Landwirtschaft so weit wie möglich abzudecken.

Die Mitgliedschaft des landwirtschaftlichen Unternehmers in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung begründet seinen eigenen Versicherungsschutz bei Verrichtung einer Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer sowie den seiner Beschäftigten und "Wie-Beschaftigten" in dieser Versicherung. Nach § 539 Abs 1 [X.] 5 [X.] waren Unternehmer gegen Arbeitsunfall versichert, solange und soweit sie als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen [X.] waren. Für diesen Personenkreis wurde entgegen der Regel, dass Unternehmer nicht versichert sind, ein berechtigtes Interesse an einem Unfallversicherungsschutz angenommen (vgl [X.] zu § 539). Dieses berechtigte Interesse besteht unabhängig von der Größe des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Art der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Auch solche bodenbewirtschaftende Tätigkeiten, die nicht der Aufzucht von Bodengewächsen dienen, kann der Gesetzgeber in die Unfallversicherung einbeziehen, da ihnen ein nicht unwesentliches Unfallrisiko eigen ist. § 776 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] stellt auf die umfassende Organisationseinheit "Unternehmen" iS des § 658 [X.] [X.] [X.] ab, ohne Grenzen oder Einschränkungen festzulegen. Nur Tätigkeiten in Haus-, Zier- oder anderen Kleingärten sind nach § 778 [X.] unter den dort genannten Voraussetzungen von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ausgenommen worden (vgl BSG vom [X.] - 2 BU 175/88 - juris Rd[X.] 8).

Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der [X.] nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Es ist zwar zutreffend, dass in früheren Urteilen solche (regelmäßigen) Tätigkeiten als von einem landwirtschaftlichen Unternehmen umfasst bezeichnet wurden, die von nicht ganz kurzer Dauer und dazu bestimmt waren, Bodengewächse überwiegend planmäßig aufzuziehen und abzuernten (vgl zuletzt BSG vom 11.11.2003 - [X.] U 51/02 R - juris Rd[X.]7; BSG vom 6.5.2003 - [X.] U 37/02 R - juris Rd[X.]6; BSG vom 7.11.2000 - [X.] U 28/99 R - juris Rd[X.]6 und [X.] U 42/99 R - juris Rd[X.]9, jeweils mwN). Damals waren aber nur Fallgestaltungen zu beurteilen, in denen die planmäßige Aufzucht und das regelmäßige Abernten von Bodengewächsen festgestellt oder die landwirtschaftliche Fläche verpachtet war. Diese tatsächlichen Feststellungen wurden lediglich als eine hinreichende Bedingung für ein "landwirtschaftliches Unternehmen" angesehen. Hingegen wurde nicht gesagt, dass dies eine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens wäre. Notwendig ist allein eine im genannten Sinn mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Deshalb kommt es nach den abschließenden Ausnahmeregelungen des [X.] und andere Kleingärten, bei denen dieser Aspekt berücksichtigt wird, grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die Bodenbewirtschaftung nur einen geringfügigen Arbeitsaufwand erfordert. Gleichwohl kann offen bleiben, ob bei Tätigkeiten an anderen Grundstücken als Zier-, Haus- und Kleingärten bezogen auf den Arbeitsaufwand bei der Bodenbewirtschaftung eine allgemeine Geringfügigkeits- oder Bagatellgrenze für ganz geringfügige Tätigkeiten besteht (zuletzt auch offen gelassen in BSG vom 11.11.2003 - [X.] U 51/02 R - juris Rd[X.] 21 und vom 6.5.2003 - [X.] U 37/02 R - juris Rd[X.]7). Der mit dem (hier zweimaligen) Mähen der 0,4163 ha großen Fläche verbundene Arbeitsaufwand kann jedenfalls nicht mehr als ganz geringfügig bezeichnet werden.

Zwar hat der [X.] im Beschluss vom 25.10.1989 (2 BU 99/89) ausgeführt, dass das gelegentliche Mähen einer Wiese zur Abwehr eventueller Beschwerden der Nachbarn über [X.] ohne weitere Nutzung des abgemähten Grases nicht geeignet ist, ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen. Zu entscheiden war aber über ein verwahrlostes Wiesengrundstück von nur 0,35 ha, das lediglich hin und wieder durch den fünfzehnjährigen Enkelsohn des [X.] gemäht wurde. Ob das Abmähen von Gras auf einer Wiese für sich allein eine landwirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit darstellt, hat der [X.] jedoch wegen des vom [X.] tatsächlich und bindend festgestellten geringfügigen Arbeitsaufwandes des Enkels ausdrücklich offen gelassen. Soweit der Beschluss in eine von diesem Urteil abweichende Richtung weisen kann, wird an ihm nicht festgehalten.

Die Ablehnung des erhobenen Anspruchs auf Aufhebung der [X.] im Bescheid vom 18.4.1980 ist mangels einer wesentlichen nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Abs 1 Satz 2 [X.]). Eine Änderung in diesen Verhältnissen ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich nach der damaligen Sach- und Rechtslage zu Recht erlassen wurde, nach der neuen Sach- und Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte (BSG vom 20.3.2007 - [X.] U 21/06 R - [X.] 4-1300 § 48 [X.]1 Rd[X.]1 mwN).

Gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass des [X.] vom 18.4.1980 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht eingetreten. Dass das Wiesengrundstück mittlerweile nicht mehr gemäht würde, ist weder vom [X.] festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht darin zu erblicken, dass das [X.] der [X.] zum [X.] durch das [X.] abgelöst worden ist. An die Stelle der bis zum Jahre 1996 geltenden §§ 792 iVm 658 [X.] [X.], § 776 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 778 [X.] sind zum [X.] die inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 121 Abs 1, 123 Abs 1 [X.] und [X.] sowie § 136 Abs 3 [X.] [X.] getreten. Auch danach ist die Nutzung des Grundstücks durch den Kläger als landwirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren und er als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]).

Gemäß § 121 Abs 1 [X.] umfasst der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten. Diese Vorschrift betrifft nicht nur die gewerblichen [X.]en, obwohl der Begriff des Unternehmens in der die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen [X.]en regelnden Bestimmung des § 123 Abs 1 [X.] als "landwirtschaftliches Unternehmen" beschrieben wird. Nach § 123 [X.] [X.] sind von den landwirtschaftlichen Unternehmen aber nur Haus-, Zier- und andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes ausgeschlossen, es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt. Daher ist auch nach dem Recht des [X.] jede den Boden bewirtschaftende Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen zu begründen. Eine Begrenzung des landwirtschaftlichen Unternehmens auf Betriebe, Verwaltungen und Einrichtungen war mit der Einführung des [X.] nicht verbunden (vgl BT-Drucks 13/2204 [X.] zu § 123 Abs 1).

Unternehmer ist nach § 136 Abs 3 [X.] [X.] derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Die Abweichung vom Wortlaut des § 658 [X.] [X.] [X.] bedeutet ebenso keine sachliche Änderung, sondern die Übernahme der dazu ergangenen Rechtsprechung (vgl BSG vom 7.11.2000 - [X.] U 42/99 R - juris Rd[X.] 22; BT-Drucks 13/2204 [X.] zu § 136 Abs 3). Auch der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmers wird im [X.] unverändert verwendet (vgl BT-Drucks aaO [X.] zu § 123 Abs 1). Allerdings räumt § 5 [X.] den Unternehmern landwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,12 ha ([X.] bis zum 29.3.2005) oder 0,25 ha (seit 30.3.2005) das Recht ein, die Befreiung von der Versicherung nach § 2 Abs 1 [X.] 5 [X.] zu beantragen. Die Größe der hier bewirtschafteten Fläche liegt indes erheblich über dieser Grenze. Eine Befreiung des [X.] ist auch nicht verfügt worden.

Da der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme oder Aufhebung des [X.] vom 18.4.1980 hat, ist auch für die begehrte Feststellung kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 [X.] Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 [X.], § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz ([X.]) und war für die Vorinstanzen abzuändern.

In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen in einem Rechtszug - wie hier - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, werden nach § 197a Abs 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des [X.] erhoben. Nach § 52 Abs 1 [X.] ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des [X.] eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 [X.]). Ein Streitwert von über 2.500.000 Euro darf nicht angenommen werden (§ 52 Abs 4 [X.]). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) anzunehmen (§ 52 [X.] [X.]).

Für Rechtsstreitigkeiten um den zuständigen Unfallversicherungsträger hat der [X.] den Streitwert auf das Dreifache des bei dem bisherigen Unfallversicherungsträger angefallenen Jahresbeitrags, mindestens jedoch den vierfachen Auffangstreitwert beziffert. Begründet wurde dies mit der erheblichen Bedeutung der Zuordnung eines Unternehmens zu einem bestimmten Unfallversicherungsträger aufgrund der sich daraus ergebenden Beitragsbelastung, der zu erbringenden [X.] nebst der damit einhergehenden Überwachung und Beratung sowie der relativ hohen Voraussetzungen für eine Überweisung von einem Unfallversicherungsträger zu einem anderen (Beschluss vom [X.] - [X.] U 31/05 R - [X.] 4-1920 § 52 [X.] 3 Rd[X.]0). Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls im vorliegenden Verfahren, in dem sich der Kläger allein gegen seine Heranziehung als (landwirtschaftlicher) Unternehmer durch die Beklagte wendet, nicht geeignet, einen höheren Streitwert als 5.000 Euro zu begründen.

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 [X.]). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses. Eventuelle, nicht vorhersehbare mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ob [X.] erbracht werden und sich im Nachhinein die anfängliche Unrichtigkeit der die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers feststellenden Verwaltungsentscheidung herausstellt oder sich die tatsächlichen unternehmerischen Verhältnisse grundlegend ändern, ist völlig ungewiss. Auch die mit der Zuständigkeit zu einem Unfallversicherungsträger regelmäßig verbundene Beitragsbelastung ist kein geeignetes Beurteilungskriterium, wenn Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Frage der Mitgliedschaft ist. Bereits bindend gewordene Beitragsbescheide werden nicht durch die gerichtliche Aufhebung eines die Zuständigkeit bei einem Unfallversicherungsträger feststellenden Verwaltungsaktes beseitigt. Sind Beitragsbescheide eigenständig angegriffen, bestimmt deren Höhe den Streitwert (§ 52 Abs 3 [X.]). Zudem hängt die Beitragshöhe von verschiedenen Faktoren ab und lässt sich eine Beitragsstabilität nicht vorhersagen. Für die Festsetzung des Streitwerts fehlt es vorliegend an hinreichenden Anhaltspunkten. Dem trägt § 52 [X.] [X.] Rechnung, der für solche Fälle einen Auffangstreitwert von 5.000 Euro vorsieht.

Meta

B 2 U 16/10 R

18.01.2011

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Detmold, 26. September 2008, Az: S 14 U 15/07, Urteil

§ 658 Abs 1 RVO, § 658 Abs 2 Nr 1 RVO, § 776 Abs 1 S 1 Nr 1 RVO, § 778 RVO, § 792 RVO, § 121 Abs 1 SGB 7, § 123 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 123 Abs 2 SGB 7, § 136 Abs 3 Nr 1 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011, Az. B 2 U 16/10 R (REWIS RS 2011, 10408)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10408

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