Bundessozialgericht, Urteil vom 31.05.2016, Az. B 1 KR 38/15 R

1. Senat | REWIS RS 2016, 10786

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Aufrechnung von Ausgleichsansprüchen des Arbeitgebers aufgrund des AufAG (Erstattungsanspruch) mit Beitragsansprüchen der Krankenkasse im Rahmen des Insolvenzverfahrens - Anfechtbarkeit - Verzinsung bei verzögerter Erstattung des Aufwendungsausgleichs seitens der Krankenkasse


Leitsatz

1. Eine Krankenkasse kann mit Beitragsansprüchen gegen Ausgleichsansprüche eines Arbeitgebers durch Willenserklärung oder Verwaltungsakt aufrechnen.

2. Erlangt eine Krankenkasse durch Entgeltfortzahlung eines Arbeitgebers, gegen den ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, die Möglichkeit, mit Beitragsansprüchen gegen dessen Ansprüche auf Aufwendungsausgleich aufzurechnen, kann dies anfechtbar sein.

3. Erstattet die Krankenkasse verzögert Aufwendungsausgleich, hat der Arbeitgeber nur Anspruch auf die sozialrechtliche gesetzliche Verzinsung als Verzugsschaden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. August 2015 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen, soweit es die Klage auf Zahlung von 338,50 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Ansprüche über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

2

Über das Vermögen der [X.] (nachfolgend Gemeinschuldnerin) wurde auf Antrag einer Gläubigerin (21.10.2010) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (11.3.2011). Der Kläger forderte die Rückzahlung der in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die beklagte Krankenkasse ([X.]) entrichteten Beiträge (15 449 [X.]) und erklärte die Anfechtung der Beitragsentrichtung. Die Beklagte zahlte nur 12 289,29 [X.], weil [X.] 3520,11 [X.] die [X.] nicht durch Zahlung, sondern durch Aufrechnung ([X.], [X.], [X.], 5.10.2010) gegen Ansprüche der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung erloschen sei. Das Recht zur Aufrechnung werde durch das Insolvenzverfahren nicht berührt, wenn die Aufrechnungslage vor Insolvenzeröffnung bestanden habe. Das [X.] hat die Klage auf Zahlung von 3520,11 [X.] sowie eines Verzugsschadens von 338,50 [X.] jeweils nebst Zinsen abgewiesen (Urteil vom 23.11.2012). Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "an den Kläger 3520,11 [X.] nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 11.03.2010 sowie einen weiteren Betrag von 338,50 [X.] zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12.01.2012 zu zahlen". Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen der Gemeinschuldnerin für Entgeltfortzahlung. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unzulässig. Die Beklagte habe als [X.] die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wie auch die Zinsen habe die Beklagte als Verzugsschaden zu zahlen (Urteil vom 20.8.2015).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §§ 96 Abs 1 [X.], 129, 133, 142 Insolvenzordnung ([X.]) .

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 20. August 2015 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. November 2012 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des [X.] vom 20. August 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten [X.] ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten vorprozessualen [X.]osten und des [X.]. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 [X.]) weder auf den Zinsanspruch noch auf den Verzugsschaden (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 164 Rd[X.] 9d mwN; [X.], [X.], Stand 1. April 2015, § 164 [X.] Buchst [X.]). Das fehlende Vorbringen ist aber unschädlich, weil die Entscheidung hierüber nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den [X.] abhängt. Ist die den [X.] betreffende Revision begründet (dazu unten), gilt dies auch für die den Zinsanspruch und den Verzugsschaden betreffende Revision (zum Zinsanspruch [X.], 10 = [X.]-2500 § 264 [X.], Rd[X.]; [X.] [X.]O; [X.], [X.], [X.]O, § 164 [X.] Buchst [X.]).

8

Die Revision der [X.]n ist hinsichtlich des [X.]s über 3520,11 [X.] im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]). Ob das [X.] zu Recht das [X.] aufgehoben und die [X.] zur Zahlung von insgesamt 3520,11 [X.] nebst Zinsen verurteilt hat, kann der [X.] mangels ausreichender Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden. Die vom [X.]läger als Insolvenzverwalter (dazu 1.) erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]) ist zulässig (dazu 2.). Ob der ursprünglich entstandene Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die beklagte [X.] auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (dazu 3.) durch Aufrechnung der [X.]n mit ihrem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge trotz Anfechtung des [X.] erlosch, kann der [X.] nicht endgültig entscheiden. Hierfür fehlen hinreichende Feststellungen des [X.] (dazu 4.). Einen Anspruch auf Zahlung eines Verzugsschadens hat der [X.]läger nicht (dazu 5.).

9

1. Der [X.]läger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, den Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung iHv 3520,11 [X.] einschließlich vermeintlicher Nebenrechte geltend zu machen. Nach § 80 Abs 1 [X.] geht das Recht des Gemeinschuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Hieraus ergeben sich die eigenverantwortliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters sowie die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Masse. Im Rechtsstreit tritt der Insolvenzverwalter im eigenen Namen für die Masse auf. Er ist - in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter - selbst Beteiligter (vgl entsprechend [X.], 99 = [X.] 7820 § 18 [X.], auch zur Prozessführungsbefugnis). Zur Insolvenzmasse rechnet das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 [X.]), mithin auch Forderungen auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

2. Die [X.]lage ist als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]) zulässig. Die [X.] musste über den Anspruch auf Aufwendungsausgleich und seine Erfüllung nicht durch Verwaltungsakt entscheiden und hat dies auch nicht getan. Der Durchführung eines Vorverfahrens im Hinblick auf die Schreiben vom 26.7., 19.8., 20.9. und [X.]2010 bedurfte es nicht. Weder die Mitteilungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen noch die gleichzeitig erfolgten Erklärungen der Aufrechnung sind Verwaltungsakte iS von § 31 [X.].

Unabhängig von der - hier gegebenen (vgl § 51 Abs 1 [X.] [X.]) - öffentlich-rechtlichen Natur eines Anspruchs steht einem Hoheitsträger der Verwaltungsakt, soweit er nicht ausdrücklich vorgesehen ist, nur zu Gebote, wenn der Träger dem Adressaten übergeordnet gegenübersteht (Subordinationsverhältnis; vgl [X.] vom 8.9.2015 - B 1 [X.]R 36/14 R - Juris Rd[X.] 9 mwN, vorgesehen für [X.]-2500 § 140 [X.]). Dies ist im Verhältnis der [X.]n zum [X.]läger der Fall (vgl entsprechend [X.] vom [X.] - B 1 [X.]R 17/15 R - Rd[X.]0, vorgesehen für [X.] und [X.]). Die [X.] entscheidet jedoch regelmäßig - abgesehen von Fällen einer klar in die Form eines Verwaltungsakts gekleideten Entscheidung - über die Gewährung des Aufwendungsausgleichs und zugleich die Erfüllung dieses Anspruchs nicht durch förmlichen Verwaltungsakt, wenn sie den Erstattungsbetrag auf ein [X.]onto des Arbeitgebers überweist, dem Beitragskonto des Arbeitgebers gutschreibt (vgl [X.] [X.] 3-7860 § 11 [X.] S 12) oder - wie hier - mit noch nicht erfüllten Umlage- oder Beitragsansprüchen aufrechnet (vgl § 6 Abs 2 [X.] Aufwendungsausgleichsgesetz <[X.]>; ebenso bereits zu den §§ 10 ff Lohnfortzahlungsgesetz <[X.]> [X.] [X.] 3-7860 § 11 [X.] S 9 f und [X.]). Die Erstattung im [X.] und [X.] stellt sich regelmäßig als schlichtes Verwaltungshandeln dar. Es beinhaltet ein auf die Arbeitgeberangaben gestütztes und auf bloße Plausibilitätsprüfung ausgerichtetes Verfahren, das nicht in eine der Bestandskraft fähige verbindliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers mündet (vgl [X.] vom [X.] - B 1 [X.]R 17/15 R - Rd[X.]2, vorgesehen für [X.] und [X.]). In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber unmittelbar auf Leistung klagen, wenn er etwa von der Unwirksamkeit oder Unvollständigkeit der Erfüllung ausgeht.

So liegt der Fall hier. Die [X.] entschied über die Arbeitgeberaufwendungen nicht durch Verwaltungsakt. Soweit sie mit mehreren Schreiben die Höhe der zu zahlenden Arbeitgeberaufwendungen mitteilte, diente dies lediglich dazu, insbesondere die Höhe der von ihr aufgerechneten Beträge zu begründen. Hätte die [X.] durch Verwaltungsakt über die Anträge der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen entscheiden wollen, hätte sie dies - wie auch bei der Aufrechnung (dazu gleich) - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen.

Auch die Aufrechnung erfolgte nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch Willenserklärung. Das gesetzliche Regelungskonzept des [X.] lässt Entscheidungen der [X.] durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung wie die Aufrechnung zu (vgl hierzu auch [X.] vom [X.] - B 1 [X.]R 17/15 R - Rd[X.]4, für [X.] und [X.] vorgesehen). Dies harmoniert mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des Großen [X.]s des [X.] zur Verrechnung. Danach "darf" ein Sozialleistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 [X.] durch Verwaltungsakt regeln ([X.] 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.] 4). Die Verrechnung kann danach auch durch Willenserklärung erfolgen. Nichts anderes gilt für die Aufrechnung. Die Verrechnung ist eine besondere Form der Aufrechnung ([X.] 64, 17, 22 = [X.] 1200 § 54 [X.]3 S 38; [X.] 67, 143, 155 f = [X.] 3-1200 § 52 [X.] S 15; [X.] [X.]-1200 § 52 [X.] Rd[X.]4; [X.] 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.] 4, Rd[X.]6). Mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses müssen bei einer Verrechnung nach § 52 [X.] alle Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 51 [X.] vorliegen.

Der [X.] setzt sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe zur Aufrechnung, wonach die [X.] die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt ist ([X.] Beschluss vom 22.3.2004 - [X.] 16/03 - NJW-RR 2004, 1432 ff; [X.]E 66, 218, 220; [X.]E 132, 250; [X.], 482, 489 f; [X.], 306). Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses. Die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche nach dem [X.] erfolgt nach § 51 [X.], dessen Anwendung aus § 10 [X.] folgt. Danach finden die für die gesetzliche [X.]rankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Entsprechend anwendbar sind damit grundsätzlich die Vorschriften des [X.] und sonstiger Gesetze, die Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die für die gesetzliche [X.]rankenversicherung gelten, sowie die autonomen Rechtsnormen des jeweiligen Trägers der gesetzlichen [X.]rankenversicherung, so insbesondere das [X.], [X.]V, [X.] und [X.] ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], Entgeltfortzahlung - [X.]rankengeld - Mutterschaftsgeld, § 10 [X.] Rd[X.], Stand November 2015). Aus dem [X.] finden dabei - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - ua die Vorschriften über die Grundsätze des [X.] ([X.]/[X.], [X.]O, § 10 [X.] Rd[X.]; [X.], [X.]/[X.], 7. Aufl 2012, § 10 [X.] Rd[X.] 6). Hierzu gehört auch die Regelung des § 51 [X.], der eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung der Aufrechnung nach § 51 [X.] enthält eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht. Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes zum Zwecke der Aufrechnung keiner über § 51 [X.] hinausgehenden Ermächtigung (vgl zur Verrechnung [X.] 109, 81 = [X.]-1200 § 52 [X.] 4, Rd[X.]5). Die bezeichneten Entscheidungen des [X.], des [X.] und des [X.] beruhen hingegen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften ergangen.

Die [X.] erklärte die Aufrechnung nicht durch Verwaltungsakt. "Darf" die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden und will der Leistungsträger bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss er dies besonders zum Ausdruck bringen. Allein die Schriftlichkeit der Erklärung genügt nicht. Vielmehr muss die Behörde unmissverständlich zeigen, dass sie nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hieran fehlt es. Zu Recht führt das [X.] in diesem Zusammenhang aus, dass die [X.] in ihren Schreiben vom [X.], 20.9., 19.8. und [X.] an die Insolvenzschuldnerin nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass sie hoheitlich in der Form eines Verwaltungsaktes eine Regelung treffen wolle. Dort bat sie ausdrücklich "um Verständnis", dass die Erstattungsansprüche der Gemeinschuldnerin vollständig mit den offenen Beiträgen, Säumniszuschlägen und Mahnkosten verrechnet wurden. Sie machte damit deutlich, dass sie sich nicht der hoheitlichen Handlungsform eines Verwaltungsaktes bedienen wollte. Sie bezeichnete das Schreiben, mit dem sie die Aufrechnung erklärte, auch nicht als "Bescheid" und versah es nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.

3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf Erstattung getätigter Aufwendungen ist die Regelung des § 1 Abs 1 [X.] (vom 22.12.2005 mWv 1.1.2006, [X.] 3686) und § 9 Abs 2 [X.] (idF des [X.] vom [X.], [X.] 378) iVm mit der Satzung der [X.]n. Nach § 1 Abs 1 [X.] erstatten die [X.]n mit Ausnahme der landwirtschaftlichen [X.]n den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, auf deren Antrag (§ 2 Abs 2 S 1 [X.]) 80 Prozent (1.) des für den in § 3 Abs 1 und 2 [X.] und den in § 9 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz bezeichneten [X.]raum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts, (2.) der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur [X.] und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen [X.]ranken- und Rentenversicherung, zur [X.] Pflegeversicherung und nach § 172 Abs 2 [X.]I sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 [X.] und nach § 61 [X.]I (sog [X.]Verfahren, vgl § 1 Abs 3 [X.]).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Höhe nach beträgt der Erstattungsanspruch 3520,11 [X.]. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine nähere Prüfung des erkennenden [X.]s erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens [X.] [X.] [X.]-2500 § 129 [X.] 7 Rd[X.]0 und [X.] [X.]-2500 § 130 [X.] Rd[X.]5 zum Vergütungsanspruch des Apothekers; [X.] [X.]-5562 § 9 [X.] 4 Rd[X.] zum Anspruch auf [X.]rankenhausvergütung).

4. Ob der Erstattungsanspruch dadurch erlosch, dass die [X.] mit rückständigen Beitragsansprüchen die Aufrechnung erklärte, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Die Aufrechnung war zunächst zulässig (dazu a). Sie verlor ihre Wirkung mit der Insolvenzeröffnung aufgrund der Anfechtung des [X.] nur dann, wenn die [X.] die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. Hierzu fehlen ausreichende Feststellungen des [X.] (dazu b).

a) Die [X.] durfte zunächst nach den allgemeinen, durch die Regelung des § 6 Abs 2 [X.] nur eingeschränkten Grundsätzen des entsprechend anzuwendenden bürgerlichen Rechts durch ihre Willenserklärung aufrechnen. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung war nicht durch die Regelung des § 6 Abs 2 [X.] ausgeschlossen. Danach dürfen gegen Erstattungsansprüche nach dem [X.] ua (nur) Ansprüche aufgerechnet werden auf Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen [X.]rankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die [X.] einzuziehen hat. Die [X.] rechnete mit einem die Höhe des Erstattungsanspruchs übersteigenden Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge der Gemeinschuldnerin auf.

Der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin nach dem [X.] und der von der [X.]n aufgerechnete Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge waren gegenseitig und gleichartig (vgl hierzu [X.] [X.]-2500 § 264 [X.] 3 Rd[X.]6), der Anspruch auf Beitragszahlung war fällig und der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin erfüllbar.

b) Die Aufrechnung verlor mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 96 Abs 1 [X.] 3 [X.] ihre Wirkung, wenn die [X.] die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. § 96 Abs 1 [X.] 3 [X.] schränkt die grundsätzlich zulässige Möglichkeit aufzurechnen (§ 94 [X.]) ein. Der Insolvenzverwalter hat rechtswahrend keine Anfechtungsklage zu erheben (ihr fehlte das Rechtsschutzbedürfnis), sondern kann sich unmittelbar - wie der [X.]läger - auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung (§ 96 Abs 1 [X.] 3 [X.]) berufen (dazu [X.]). Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen vorliegend die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter im umfassenden Sinne in Betracht (dazu [X.]). Dazu, dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin anfechtbar waren, hat das [X.] keine ausreichenden Feststellungen getroffen (dazu cc).

[X.]) Die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, kann selbstständig angefochten werden. Der Insolvenzverwalter kann auf diese Weise die Wirkungen der Anfechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und die Forderung der Masse, gegen die aufgerechnet worden ist, durchsetzen, als sei die Aufrechnung nicht erfolgt. Dies setzt aber nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter eine (gesonderte) Anfechtungsklage erheben muss. Er kann vielmehr - wie hier - die Forderung der Masse unmittelbar geltend machen und dem [X.] (durch Aufrechnung) die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs 1 [X.] 3 [X.] entgegenhalten ([X.]Z 159, 388). Nur ergänzend weist der erkennende [X.] darauf hin, dass der Insolvenzverwalter auch im Falle einer Aufrechnung durch Verwaltungsakt die Leistung des zu erstattenden Aufwendungsausgleichs an die Masse einklagen könnte, wenn die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam ist (zur beschränkten, bloß insolvenzrechtlichen Wirkung der Unwirksamkeit vgl [X.]Z 169, 158 Rd[X.]7, 22).

[X.]) Der Begriff der Rechtshandlung entspricht demjenigen in §§ 129, 130 und 131 [X.]. Er ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann ([X.]Z 170, 196 Rd[X.]0; [X.] Urteil vom 12.2.2004 - [X.]/03 - [X.], 666, 667; [X.] Urteil vom [X.] - IX ZR 86/08 - [X.], 1674, 1675; [X.] Urteil vom [X.] - [X.] - [X.], 17 = Juris Rd[X.]4; [X.] 108, 56 = [X.]-2500 § 85 [X.] 62, Rd[X.]5; Münch[X.]omm-[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl 2013, § 96 Rd[X.]9a). Dazu zählen nicht nur Willenserklärungen als Bestandteile von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst. Für die - hier im Streit stehende, allein zu erwägende - Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 [X.]) kommen Rechtshandlungen des Schuldners, des Gläubigers oder eines beliebigen Dritten im weiteren Sinne, also jedes Geschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt ([X.]Z 179, 137 Rd[X.]2). Eine bewusste oder zielgerichtete Herbeiführung der (anfechtbaren) Wirkung der Rechtshandlung ist nicht erforderlich ([X.] Urteil vom 12.2.2004 - [X.]/03 - NJW 2004, 1660, 1661; Münch[X.]omm-[X.]/[X.], [X.]O, § 129 Rd[X.] 7, 22). Handlungen des Schuldners, wie hier Leistungen der Entgeltfortzahlung nebst Beiträgen der Gemeinschuldnerin, können eine anfechtbare Rechtshandlung iS von § 129 [X.] darstellen, durch die das Schuldnervermögen belastet wird (vgl entsprechend [X.] [X.] Urteil vom [X.] - [X.] - WM 2009, 2394 Rd[X.]6 ff; [X.]E 232, 290, unter Aufgabe abweichender Rspr). Aufrechnungslagen können nach diesen Grundsätzen ganz ohne Zutun des Gläubigers in anfechtbarer Weise entstehen. Eine solche [X.]onstellation ist hier gegeben, soweit die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise entstand.

Maßgeblich ist hierfür der [X.]punkt, in dem das Gegenseitigkeitsverhältnis durch die Verknüpfung der gegenseitigen Forderungen begründet wurde (vgl § 140 Abs 1 [X.]; [X.]Z 174, 297, 299 f; [X.] Urteil vom 14.2.2013 - [X.] - ZIP 2013, 588 Rd[X.]1; [X.], [X.], 1, 4). So kommt es [X.] bei einer Werklohnforderung des Schuldners darauf an, wann diese durch Erbringung der Leistung werthaltig geworden ist. Sie wird regelmäßig erst dann werthaltig, wenn der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung erbringt; auf den [X.]punkt der Rechnungstellung kommt es dagegen nicht an (vgl [X.] Urteil vom 14.2.2013 - [X.] - ZIP 2013, 588 Rd[X.]2). In diesem Sinne stellt die Rechtsprechung des [X.] bei der Aufrechnung gegen eine Erstattungsforderung darauf ab, wann der Rechtsanspruch auf Erstattung kraft Gesetzes entstanden ist, ohne dass noch eine weitere Rechtshandlung eines Beteiligten erforderlich ist (vgl [X.]E 233, 114 = [X.], 822; [X.] Urteil vom 18.8.2015 - [X.]/14 - [X.]/NV 2016, 87 Rd[X.]7). Hierbei sieht der [X.] den Umstand, dass der Betroffene sein den Erstattungsanspruch auslösendes Recht geltend machen muss, als unschädlich an, ebenso das Erfordernis einer bloßen Antragstellung (vgl [X.] Urteil vom 18.8.2015 - [X.]/14 - [X.]/NV 2016, 87 Rd[X.]7 und [X.] Beschluss vom 21.3.2014 - [X.]/12 - [X.]/NV 2014, 1088, zum Antrag auf Investitionszulage). Soweit der 6. [X.] des [X.](zahn)ärztliche Honorarforderungen auf einen noch früheren [X.]punkt als die Anspruchsentstehung abstellt (Abrechnung der Leistungen gegenüber der [X.](Z)ÄV als Erlangung einer dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbaren Rechtsposition, vgl [X.] 105, 224 = [X.]-2500 § 85 [X.] 52, Rd[X.] 31; [X.] [X.]-2500 § 85 [X.]1 Rd[X.] 32, auch für [X.] 118, 30 vorgesehen), trägt dies Besonderheiten des Vertragsarztrechts Rechnung.

Nach diesen Grundsätzen ist die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter einschließlich der einbezogenen Beitragsentrichtung die maßgebliche Rechtshandlung. Mit der Entgeltfortzahlung in diesem Sinne entsteht nämlich der Anspruch nach dem [X.] (§ 2 Abs 2 S 2 [X.]; zuvor im gleichen Sinne bereits § 10 Abs 4 [X.] aF; vgl zum [X.] bereits sinngemäß [X.] vom [X.] - 3 R[X.] 51/80 - US[X.] 81143; [X.] [X.] 3-7860 § 11 [X.]; [X.], [X.]O, § 6 [X.] Rd[X.] 4). Der Antrag nach § 2 Abs 2 S 1 [X.] hat keine konstitutive Wirkung. Grundsätzlich wird der Anspruch bereits mit der Entgeltfortzahlung fällig ([X.], [X.]O, § 2 [X.] Rd[X.]2; [X.]/[X.], [X.]O, § 2 [X.] Rd[X.]8). Es ist nach den aufgeführten Grundsätzen ohne Belang, dass der Arbeitgeber mit seinem Antrag seine Forderung - wie bei einer spezifizierten Rechnung - geltend machen muss, damit die [X.] sie bezahlen kann.

cc) Es steht nicht fest, dass die [X.] die Möglichkeit der Aufrechnung infolge der Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin anfechtbar erlangte. Hierfür müssen sämtliche Merkmale einer anfechtbaren Handlung erfüllt sein. Denn § 96 Abs 1 [X.] 3 [X.] nimmt auf die allgemeinen Vorschriften über die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff [X.]) Bezug. Zwar steht hierzu fest, dass die Begründung der Aufrechnungslage zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (dazu (1)) und zu einer inkongruenten Deckung führte (dazu (2)). Es fehlt aber an Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit (dazu (3)).

(1) Die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin bewirkte eine für die Anfechtbarkeit erforderliche Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung (§ 129 Abs 1 [X.]). Hierbei sind die Folgen der Aufrechnung einzubeziehen. Die Regelung des § 96 Abs 1 [X.] 3 [X.] will nämlich die Masse gerade vor dem durch die Aufrechnung entstehenden Vermögensverlust schützen ([X.] Beschluss vom [X.] - [X.] - Juris Rd[X.] 3). Die Begründung der Aufrechnungsmöglichkeit benachteiligte die Gläubigergesamtheit schon deshalb, weil durch die Aufrechnung die Forderung der Masse in deren Umfang zur Befriedigung einer einzelnen Insolvenzforderung verbraucht wird und insoweit nicht mehr für die Verteilung zur Verfügung steht (Münch[X.]omm-[X.]/[X.]/[X.], [X.]O, § 96 Rd[X.]9c mwN).

(2) Die Begründung der Aufrechnungslage führte mit Blick auf die allein in Betracht kommende Deckungsanfechtung (§ 130 Abs 1 S 1 [X.], § 131 Abs 1 [X.]) zu einer inkongruenten Deckung iS des § 131 Abs 1 [X.]. Anfechtbar ist danach unter weiteren Voraussetzungen eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der [X.] zu beanspruchen hatte. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten (§ 130 [X.]) oder einer inkongruenten Deckung (§ 131 [X.]) führt, richtet sich danach, ob der [X.] einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war (stRspr, vgl [X.] [X.]Z 147, 233, 240; 159, 388, 395 f; [X.] Urteil vom 9.10.2003 - [X.], 2458, 2459). Nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck der Vorschrift des § 131 Abs 1 [X.] ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die [X.] sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt (ebenso [X.] [X.]Z 147, 233, 240; [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/03 - NJW-RR 2006, 1062; [X.]E 232, 290 Rd[X.] 34; [X.] Urteil vom 12.3.2015 - [X.] - Juris). So liegt der Fall hier. Die [X.] hatte einen Anspruch auf Begleichung rückständiger Beiträge durch Zahlung. Auf die Verschaffung der Gelegenheit, die eigenen Forderungen im Wege der Aufrechnung zu decken, hatte die [X.] ursprünglich - jedenfalls in Bezug auf die älteren Forderungen - keinen Anspruch.

Danach greift auch der Einwand der [X.]n nicht durch, es hätten [X.] (§ 142 [X.]) vorgelegen. Dies ist bei inkongruenten Deckungen ausgeschlossen. Ein Bargeschäft setzt eine Vereinbarung zwischen Schuldner und [X.] über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Fall einer inkongruenten Deckung - einer Leistung, die so nicht geschuldet war (§ 131 Abs 1 [X.]) - gerade fehlt (stRspr, vgl [X.] [X.]Z 150, 122, 130; [X.] Urteil vom 10.5.2007 - [X.], 1181 Rd[X.]0; [X.] Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - DB 2010, 945 Rd[X.]9; [X.] Urteil vom 24.10.2013 - 6 AZR 466/12 - AP [X.] zu § 131 [X.] Rd[X.] 37 f mwN).

(3) Es fehlt an hinreichenden Feststellungen des [X.] zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit. Neben der inkongruenten Deckung setzt § 131 Abs 1 [X.] voraus, dass die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist ([X.]), die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur [X.] der Handlung zahlungsunfähig war ([X.]) oder die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur [X.] der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte ([X.] 3).

Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 [X.]) wurde nach den den [X.] bindenden, nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) am 21.10.2010 gestellt. Die Monats- bzw die Dreimonatsfrist beginnt jeweils mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist (§ 139 Abs 1 [X.]), hier am 21.7. oder am 21.9.2010. Dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin innerhalb der genannten Fristen erfolgten, hat das [X.] nicht festgestellt. Zweifel bestehen insbesondere hinsichtlich des nach Aktenlage am 15.7.2010 gestellten (ersten) Antrags auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen (649,60 [X.] erstattungsfähige Aufwendungen). Die erforderlichen Feststellungen wird das [X.] nachzuholen haben.

Soweit nach den nachzuholenden Feststellungen des [X.] § 131 Abs 1 [X.] [X.] zur Anwendung gelangt, ist der Anfechtungstatbestand unabhängig davon gegeben, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Erfolgten eine oder mehrere Entgeltfortzahlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag, wird das [X.] zu prüfen haben, dass die Gemeinschuldnerin zur [X.] der Handlung zahlungsunfähig oder der [X.]n zu diesem [X.]punkt die Gläubigerbenachteiligung bekannt war.

Das [X.] hat - ohne sich auf einen konkreten Anfechtungstatbestand zu stützen - lediglich ausgeführt, dass der [X.]n im [X.]punkt der [X.] gescheiterte [X.] bekannt gewesen seien. Damit sei der [X.]n ebenfalls bekannt, dass die Insolvenzschuldnerin sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Sie sei somit "bösgläubig" iS von §§ 130 ff [X.] gewesen. Die [X.]enntnis von gescheiterten [X.]n ersetzt indes nicht die Feststellung, dass die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig war oder der [X.]n die Gläubigerbenachteiligung bekannt war. Zwar sind erfolglose [X.] ein Anhaltspunkt für die Zahlungsunfähigkeit, denknotwendig ist dies aber nicht. Denn die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung kann auch auf anderen Gründen beruhen.

Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht, auch im Rahmen des [X.] nach § 17 [X.] (vgl [X.] Beschluss vom [X.] 238/05 - [X.], 1631 Rd[X.] 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit iS des § 17 Abs 2 S 1 [X.] kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Eine solche Liquiditätsbilanz ist im [X.] jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs 2 S 2 [X.]) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (vgl [X.] [X.]Z 149, 178, 184 f; [X.] Urteil vom [X.], 1616 Rd[X.]7). Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen ([X.]Z 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen ([X.] Urteil vom [X.], 1616 Rd[X.]8). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus ([X.] Urteil vom 20.12.2007 - IX ZR 93/06 - [X.], 452 Rd[X.]1 mwN). Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen ([X.] Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - WM 2010, 711 Rd[X.] 42; vgl zum Ganzen auch [X.] Urteil vom 30.6.2011 - [X.] - [X.], 1429 Rd[X.]0 mwN).

Das [X.] hat nicht festgestellt, dass die [X.] einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten betrafen. Ebenso fehlen Feststellungen dazu, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Wie dargelegt kommt es dagegen nicht auf den [X.]punkt der Aufrechnung an. Zudem ist nur diejenige Zahlungsunfähigkeit für die Deckungsanfechtung von Bedeutung, die auch noch bei der späteren Insolvenzeröffnung vorlag (Münch[X.]omm-[X.]/[X.], [X.]O, § 130 Rd[X.] 30 unter Hinweis auf [X.], 254, 257; 100, 62, 65). Es fehlen Feststellungen des [X.], wann die erfolglosen [X.] erfolgten, welchen Umfang sie - auch im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden - hatten und dass eine ggf für die Erfolglosigkeit der [X.] ursächliche Zahlungsunfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestand.

Ebenso fehlen Feststellungen des [X.] zur positiven [X.]enntnis der [X.]n über die Gläubigerbenachteiligung. Die "Bösgläubigkeit" ersetzt die [X.]enntnis jedenfalls nicht. Zwar steht der [X.]enntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die [X.]enntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs 2 S 1 [X.]). Umstände, die "zwingend" auf eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger schließen lassen, hat das [X.] jedoch nicht festgestellt. Zudem ist nicht die [X.]enntnis zum [X.]punkt der [X.] maßgebend. Erforderlich ist vielmehr die [X.]enntnis zum [X.]punkt der anfechtbaren Rechtshandlung, also der jeweiligen Leistung von Entgeltfortzahlung (vgl auch [X.] 108, 56 = [X.]-2500 § 85 [X.] 62, Rd[X.]8).

5. Dem [X.]läger kann bei einem nach erneuter Entscheidung des [X.] unterstellten Erfolg seines Antrags auf Zahlung von 3520,11 [X.] ein Zinsanspruch nur nach § 44 [X.] zustehen. Nach § 44 Abs 1 [X.] sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines [X.]alendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit (dazu oben) bis zum Ablauf des [X.]alendermonats vor der Zahlung mit [X.] zu verzinsen. Die Anwendung des § 44 [X.] folgt aus § 10 [X.] (s dazu oben Rd[X.]4 zur Anwendung von § 51 [X.]).

Einen weitergehenden Zinsanspruch hat der [X.]läger nicht. Nach der Rechtsprechung des [X.] existiert im Bereich des Sozialrechts keine allgemeine Pflicht zur Verzinsung von (rückständigen) Geldleistungen. Soweit das Gesetz eine Zinszahlung nicht ausdrücklich anordnet (etwa § 27 Abs 1 [X.]V und § 44 [X.]), verbleibt deshalb kein Raum für Verzugs- oder Prozesszinsen nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ([X.] 49, 227, 228 = [X.] 1200 § 44 [X.]; [X.] 55, 40, 45 = [X.] 2100 § 27 [X.]; [X.] [X.] 2100 § 27 [X.] 3; [X.] 56, 116, 118 mwN = [X.] 1200 § 44 [X.]0; [X.] 71, 72, 76 f = [X.] 3-7610 § 291 [X.] S 5 f mwN). Eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Verzugs- und Prozesszinsen hat das [X.] abgelehnt ([X.] 55, 40, 44 f = [X.] 2100 § 27 [X.]; [X.] [X.] 2100 § 27 [X.] 3; [X.] [X.] 1300 § 61 [X.]; [X.] 56, 116 ff = [X.] 1200 § 44 [X.]0 und [X.] 95, 141 Rd[X.]4 ff = [X.]-2500 § 83 [X.] Rd[X.] 32 ff zur Verzinsung rückständiger Honorarforderungen; vgl aber [X.] [X.] 2200 § 405 [X.]2 betreffend den Beitragszuschuss des Arbeitgebers; [X.] [X.]-2500 § 69 [X.] 7 bei Geldforderungen aus Rechtsbeziehungen zwischen [X.] und [X.]rankenhaus wegen § 69 S 3 [X.] aF; [X.] 114, 36 = [X.]-2500 § 130a [X.] 9 bei [X.] von [X.]n nach § 69 S 3 [X.] aF).

Ebenso wenig hat der [X.]läger einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden. Eine Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften scheidet auch insoweit aus. Aus der oben dargestellten Systematik des Gesetzes ergibt sich, dass im Recht der Sozialversicherung - außer in den vom Gesetz selbst genannten Fällen - nur der den Gegenstand der eigentlichen Leistung bildende Betrag, nicht aber zusätzliche Leistungen wie Verzugszinsen (dazu oben) oder ein sonstiger Verzugsschaden oder andere durch rechtswidriges Handeln der Verwaltung ausgelöste Aufwendungen geschuldet werden ([X.] [X.] [X.] 3 zu § 1424 RVO = Juris Rd[X.]4; vgl auch [X.] 55, 92, 94 = [X.] 1300 § 63 [X.], wonach [X.]osten eines Verwaltungsverfahrens betreffend die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nicht zu erstatten sind). Das [X.] enthält insoweit eine spezielle und erschöpfende Regelung der Verzugsfolgen, die es ausschließt, die Vorschrift des § 286 BGB auf Ansprüche aus dem [X.] zu übertragen (vgl auch [X.] [X.] [X.] 7 zu Art 2 § 34 ArVNG Rd[X.]9; vgl aber [X.] [X.] 3-1300 § 61 [X.] für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages; [X.] [X.]-2500 § 69 [X.] 7 bei Rechtsbeziehungen zwischen [X.] und [X.]rankenhaus wegen § 69 S 3 [X.] aF).

6. Die [X.]ostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten. Die [X.]ostenentscheidung wird das [X.] nach § 193 [X.] zu treffen haben. Arbeitgeber sind in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung nach dem [X.] Leistungsempfänger iS von § 183 [X.] (zur Nichtanwendbarkeit des § 197a [X.] vgl [X.] [X.]-1500 § 183 [X.] 3 Rd[X.] f; [X.] [X.]-1500 § 183 [X.] 9 Rd[X.]2-23). Dies gilt auch bei einer [X.]lage des Insolvenzverwalters, weil er lediglich das Recht des Gemeinschuldners ausübt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen.

Meta

B 1 KR 38/15 R

31.05.2016

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Duisburg, 23. November 2012, Az: S 7 KR 431/12, Urteil

§ 17 Abs 2 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 94 InsO, § 96 Abs 1 Nr 3 InsO, § 129 Abs 1 InsO, § 130 Abs 1 S 1 Nr 1 InsO, § 131 Abs 1 InsO, § 142 InsO, § 1 Abs 1 AufAG vom 22.12.2005, § 2 Abs 2 S 2 AufAG, § 6 Abs 2 AufAG, § 9 Abs 2 AufAG vom 26.03.2007, § 10 AufAG, § 44 SGB 1, § 51 SGB 1, § 52 SGB 1, § 31 SGB 10, § 286 BGB, § 288 BGB, § 387 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.05.2016, Az. B 1 KR 38/15 R (REWIS RS 2016, 10786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10786

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Zitiert

IX ZR 94/12

VII R 29/14

VII B 214/12

IX ZR 5/13

IX ZR 104/07

6 AZR 466/12

IX ZR 134/10

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