Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2002, Az. IV ZR 259/01

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 3620

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILIV ZR 259/01Verkündet am:17. April 2002FritzJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk: jaBGHZ: nein_____________________BGB § 2325Ob die Übertragung eines Grundstücks in der ehemaligen DDR durch einen erstnach dem 3. Oktober 1990 verstorbenen Erblasser im Hinblick auf Pflichtteilser-gänzungsansprüche als Schenkung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Wert-verhältnissen bei Vollzug des Vertrages. Lag damals ein entgeltliches Geschäftvor, kann daraus durch die Wertsteigerung des Grundstücks nach der deutschenEinigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Geschäft geworden sein.BGH, Urteil vom 17. April 2002 - IV ZR 259/01 - OLG Brandenburg LG Cottbus- 2 -Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-zenden Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Rich-terin Ambrosius und den Richter Felsch auf die mliche Verhandlungvom 17. April 2002fr Recht erkannt:Auf die Revision des Klrs wird das Urteil des10. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesge-richts vom 13. Mrz 2001 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Ent-scheidung, aucr die Kosten des Revisionsverfah-rens, an das Berufungsgericht zurckverwiesen.Von Rechts wegenTatbestand:Der Klr verlangt von der Beklagten, seiner Schwester, die Er-mittlung des Wertes eines Grundstcks. Es war der Beklagten von derMutter der Parteien aufgrund eines vor dem Staatlichen Notariat am28. Mrz 1985 geschlossenen Vertrages rtragen worden. Die Mutterist am 4. Dezember 1994 in W. bei C. gestorben. Die Beklagte war imgemeinschaftlichen Testament der Eltern als Alleinerbin nach demstlebenden eingesetzt worden; der Vater ist vorverstorben.- 3 -Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen.Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Klr seinen Antrag weiter.Entscheidungsgr:Die Revision hat Erfolg und frt zur Zurckverweisung der Sachean das Berufungsgericht.1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Klr im Hinblickauf das der Beklagtrtragene Grundstck in W. kein Pflicht-teilsrecht und damit auch keinen Pflichtteilserzungsanspruch nach§ 2325 BGB. Zwar sei gemß Art. 235 § 1 EGBGB fr die erbrechtlichenVerltnisse das Brgerliche Gesetzbuch maßgebend. § 2325 BGBsctze aber nur denjenigen, der im Zeitpunkt der Schenkung schonpflichtteilsberechtigt war. Das treffe auf den Klr nicht zu, weil fr ihnim Jahre 1985 § 396 Abs. 1 Nr. 2 des Zivilgesetzbuchs (ZGB) gegoltenhabe, wonach Kinder des Erblassers nur dann einen Pflichtteilsanspruchhatten, wenn sie unterhaltsberechtigt r dem Erblasser waren.Damals sei der Klr aber wirtschaftlich schon von seiner Mutter unab-ig gewesen.2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Wie der Senat inBGHZ 147, 95, 96 ff. = NJW 2001, 2398; ZEV 2001, 238 m. Anm. Klin-gelhöffer; BGH-Report 2001, 417 m. Anm. Pentz; JZ 2001, 1088 m. Anm.Kuchinke) entschieden hat, kommt es auch fr die Pflichtteilsberechti-- 4 -gung gemû Art. 235 § 1 EGBGB nicht auf das ZGB, sondern auf § 2303Abs. 1 Satz 1 BGB an. Daû der Klr 1985 nicht unterhaltsberechtigtr seiner Mutter war, ist daher ohne Bedeutung. Der Anspruchauf Pflichtteilserzung wird auch im Internationalen Privatrecht nachdem Erbstatut beurteilt (Soergel/Schurig, EGBGB 12. Aufl. Art. 25Rdn. 44; MchKomm/Birk, EGBGB 3. Aufl. Art. 25 Rdn. 228; Staudin-ger/Dörner, Stand Januar 2000 Art. 25 EGBGB Rdn. 186, 188).3. Das Landgericht hatte die Klage mit anderer Begre-wiesen: Bei der Übertragung des Grundstcks habe es sich nicht um ei-ne Schenkung gehandelt. Nach der notariellen Urkunde gewrte dieBeklagte der Mutter "als Entgelt" ein lebenslanges, unentgeltlichesWohn-, Mitbenutzungs- und Pflegerecht, dessen Jahreswert mit ca.1.200 Mark der DDR angegeben wurde; als Zeitwert des Grundstcksnennt die Urkunde einen Betrag von ca. 15.000 Mark der DDR. DasLandgericht hat allein das Wohn- und Mitbenutzungsrecht der Mutter,die bei Vertragsschluû 61 Jahre alt war, im Hinblick auf eine Lebenser-wartung von damals noch 15 Jahren auf einen Wert von 18.000 Markgesctzt. Daû der Zeitwert des Objekts 1985 tatschlich höher gelegenhabe, sei nicht dargetan. Damit rsteige die Gegenleistung den Zeit-wert des rtragenen Anwesens.Mit den dagegen gerichteten Angriffen des Klrs hat sich dasBerufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bisher nichtbefaût. Das wird nach Zurckverweisung der Sache nachzuholen sein.Dazu gibt der Senat folgende Hinweise:- 5 -a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daûder vom Klr geltend gemachte Wertermittlungsanspruch nach § 2314Abs. 1 Satz 2 BGB grundstzlich nur ein Pflichtteilsrecht voraussetzt,nicht aber schon das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs, zu dessenBeurteilung die Auskunft dienen soll (BGHZ 28, 177, 179 f.; BGH, Urteilvom 4. Dezember 1980 - IVa ZR 46/80 - NJW 1981, 2051, 2052 unter 1).Allerdings reicht auch der Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsbe-rechtigten Nichterben nicht so weit, daû allein der begrte Verdachteiner unter § 2325 BGB fallenden Schenkwrde, um eineWertermittlung durch Sachverstigen auf Kosten des Nachlasses zuerreichen; vielmehr muû der Pflichtteilsberechtigte schon fr den Wer-termittlungsanspruch darlegen und beweisen, daû unter Bercksichti-gung von Leistung und Gegenleistung eine zumindest gemischteSchenkung vorliegt (BGHZ 89, 24, 29 f., 32; BGH, Urteil vom 8. Juli 1985- II ZR 150/84 - NJW 1986, 127 unter I 3; MchKomm/Frank § 2314Rdn. 12 m.w.N.; wenn der Pflichtteilsberechtigte die Kosten dagegenselbst rnimmt, reifbare Anhaltspunkte fr eine unentgeltli-che Verf: BGH, Urteil vom 2. Juni 1993 - IV ZR 259/92 -NJW 1993, 2737 unter I 1).b) Fr die Frage, ob das Grundstck, das die Erblasserin der Be-klagtrtragen hat, als eine zumindest gemischte Schenkung zumfiktiven, der Pflichtteilserzung unterliegenden Nachlaû rt, kommtes auf die Wertverltnisse beim Vollzug des Vertrages an (BGHZ 147,95, 98; Senatsbeschluû vom 14. Dezember 1994 - IV ZA 3/94 - ZEV1995, 335 = FamRZ 1995, 420). Hierzu hat das Berufungsgericht festge-stellt, daû die am 28. Mrz 1985 vor dem Staatlichen Notariat beurkun-- 6 -dete Übertragung des Grundstcks am 6. August 1985 durch Eintragungim Grundbuch vollzogen worden sei. Das hat das Berufungsgericht denGrundakten entnommen, die in der mlichen Verhandlung zusammenmit den Vertretern der Parteien eingesehen wurden (GA II 251). Dabeihat das Berufungsgericht bercksichtigt, daû das Grundbuchblatt im Zu-ge der Neufassung des Grundbuchs im Jahre 1993 durch eine kreuzfr-mige Durchstreichung unbrauchbar gemacht worden ist. Nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts handelt es sich jedoch nicht um eineRtung, wie sie in der Grundbuchverfin Fllen der schung vonRechten (zustzlich neben dem nach § 46 GBO erforderlichen L-schungsvermerk) vorgesehen ist.Das lût Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte hatte zwar denVortrag in der Berufungsbegrs Klrs, sie sei erst am 12. Juli1993 ins Grundbuch eingetragen worden, in ihrer Berufungserwiderungnicht ausdrcklich bestritten. In einem Vermerk des Liegenschaftsdien-stes auf der vom Klr in erster Instanz vorgelegten Urkunde des nota-riellen Übertragungsvertrages wird als Datum der Eintragung ins Grund-buch aber der 6. August 1985 angegeben. Das Berufungsgericht hat da-her die Grundakten mit Recht beigezogen und mit den Parteien errtert(§ 139 ZPO). Daraufhin hat der Klr seinen Antrrt und den6. August 1985 als Datum des Vollzugs der Schenkrnommen.Danach kommt es fr das Vorliegen einer Schenkung auf dieWertverltnisse im Jahre 1985 an.- 7 -c) Lag damals ein entgeltliches Gescft vor, kann daraus durchdie Wertsteigerung des Grundstcks nach der deutschen Einigung keinauch nur teilweise unentgeltliches Gescft geworden sein.Um dagegen eine erzungspflichtige Schenkung im Sinne von§§ 2325 ff. BGB annehmen zu k, bedarf es zchst objektiv einerBereicherung des einen Vertragspartners (zrnommenen Lasten undGegenleistungen vgl. BGHZ 107, 156, 159 ff.; BGH, Urteil vom19. Januar 1999 - X ZR 42/97 - NJW 1999, 1626 unter I 2 b). Dabei sindsowohl das Grundstck als auch das Wohn-, Mitbenutzungs- und Pflege-recht der Erblasserin nach den Verltnissen in der DDR im Jahre 1985zu bewerten. Daû eine Schenkung schon deshalb ausscheide, weil einsolches Rechtsgescft nach § 282 Abs. 2 ZGB nicht von einer Bedin-gung oder einer Auflig gemacht werden konnte, ist entgegender Ansicht des Landgerichts fr die hier in Rede stehende Anwendungvon § 2325 BGB nicht entscheidend. Auch wenn ein Rechtsgescft kei-ne Gegenleistung im Rechtssinne vorsieht, die Zuwendung aber Ge-scftsgrundlage fr gleichwertige Leistungen des Empfrs ist, kannEntgeltlichkeit vorliegen (sog. kausale Verkfung, vgl.MchKomm/Kollhosser, BGB 3. Aufl. § 516 Rdn. 16).Unentbehrlich fr die Annahme einer Schenkung ist eine dahinge-hende Einigung der Parteien (BGHZ 116, 178, 181). Wie das Landge-richt mit Recht feststellt, bietet die notarielle Urkunde vom 28. Mrz 1985dafr keinen Anhalt. Die Einir eine zumindest teilweise Unent-geltlichkeit wird jedoch vermutet, wenn zwischen den Leistungen der ei-nen und der anderen Seite objektiv ein aufflliges, grobes Miûverltnis- 8 -besteht, das den Vertragsschlieûenden nicht verborgen geblieben seinkann; dabei ist allerdings unter Verwandten zu bercksichtigen, daû sieden ohnehin nur abzusctzenden Wert ihrer Leistungen kaum je exaktkalkulieren; deshalb ist fr die einzelnen Leistungen von Werten auszu-gehen, die bei verstiger, die konkreten UmstrcksichtigenderBeurteilung noch als vertretbar gelten k(BGH, Urteil vom 27. Mai1981 - IVa ZR 132/80 - NJW 1981, 2458 unter I; Urteil vom 15. Mrz1989 - IVa ZR 338/87 - LM BGB § 2325 Nr. 23 unter 2 und 3; Urteil vom1. Februar 1995 - IV ZR 36/94 - NJW 1995, 1349 unter 3 b). Obwohl derKlr grundstzlich die Darlegungs- und Beweislast fr eine derPflichtteilserzung unterliegende Schenkung trt, hat die an demRechtsgescft unmittelbar beteiligte Beklagte zchst die seinerzeitfr die Bewertung maûgebenden Vorstellungen der Beteiligten vorzutra-gen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1996 - IV ZR 214/94 - ZEV 1996,186 unter 2 b bb m.w.N.).d) Falls das Gescft schon damals jedenfalls zum Teil unentgelt-lich war, weil der Beklagten voraussichtlich auch nach dem Tod derMutter noch etwas von dem zugewandten Wert rig blieb, kommt es fr§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB nur auf diesen, aus der Sicht des Jahres 1985und nach den damals in der DDR maûgebenden Verltnissen zu be-wertenden Anteil an (vgl. BGHZ 118, 49 ff.; 125, 395, 397).Terno Dr. Schlichting Seiffert Ambrosius Felsch

Meta

IV ZR 259/01

17.04.2002

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2002, Az. IV ZR 259/01 (REWIS RS 2002, 3620)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 3620

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